Geschichtsprofessor Adam Bell (Jake Gyllenhaal) hat sich in seinem Leben in einem betont tristem Beton-Toronto eingerichtet. Die Arbeiten der Studenten werden gelangweilt benotet. Mit seiner Freundin hat er Sex, aber sonst wenig gemeinsam. Etwas Abwechslung kommt in sein Leben durch die Besuche in einem exklusiven Sexclub, der sich, nur nach vorheriger Einladung, an seltsamen Orten in Torontos Unterwelt trifft.
Eines Abends sieht er sich einen aus der Videothek ausgeliehenen Film an. Im Hintergrund einer Szene entdeckt er einen Schauspieler, der sein Zwillingsbruder sein könnte.
Zunehmend obsessiv sucht er ihn – und zunehmend diffuser wird sein Kontakt zur Realität, wobei Regisseur Denis Villeneuve (zuletzt, ebenfalls mit Gyllenhaal, „Prisoners“) offen lässt, ob Adam und sein Doppelgänger Anthony wirklich zwei Menschen sind oder ob sich nicht alles in Adams Kopf abspielt oder ob es eine andere Erklärung gibt.
Das ist als intellektuelles Spiel um Identitäten, Realität und Fantasie und um Obsessionen vor allem am Anfang durchaus vergnüglich und Jake Gyllenhaal darf hier in einer Doppelrolle brillieren, in der die beiden Charaktere bewusst sehr ähnlich angelegt sind.
Allerdings ist „Enemy“ zu offen und zu abstrakt um wirklich zu begeistern. Denn Villeneuve bietet absolut keine Erklärungen an. Im Gegenteil: eine rationale Erklärung nach der nächsten wird verneint. Stattdessen türmt er ein Rätsel auf das nächste und entlässt am Ende den Zuschauer mit einem surrealem Bild, das genau deswegen auch verblüfft. Eine Erklärung oder eine Pointe, wie man sie am Ende einer „Twilight Zone“-Episode hat, liefert dieses Bild aber auch nicht.
Wegen seiner offenen Machart lädt der Film zum Nachdenken und Diskutieren an. Allein schon darüber, welche Geschichte erzählt wurde beziehungsweise wie die einzelnen Szenen zusammenhängen und ob es den Doppelgänger wirklich gibt.
Enemy (Enemy, Kanada/Spanien 2013)
Regie: Denis Villeneuve
Drehbuch: Javier Gullón
LV: José Saramago: O Homen Duplicado, 2002 (Der Doppelgänger)
mit Jake Gyllenhaal, Mélanie Laurent, Sara Gadon, Isabella Rossellini, Josh Peace
Länge: 90 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
– Hinweise
Großes Familientreffen im „X-Men“-Kosmos: in der nahen Zukunft, die mächtig an die ersten Minuten von James Camerons „Terminator“ erinnert, kämpfen die letzten Mutanten gegen die Sentinel, mächtige sechs Meter große Roboter, die sie reihenweise umbringen. Ihre letzte Chance ist, in der Zeit zurückzuspringen und diese für Mutanten extrem ungastliche Zukunft zu korrigieren. Zum Glück kennen die X-Men das auslösende Ereignis für das ihr Überleben bedrohende Sentinel-Programm. 1973 tötete Raven Darkholme, aka Mystique (bzw., wer Lücken in seinem „X-Men“-Wissen hat: das blaue Wesen, das ständig ihr Aussehen ändern kann), Dr. Bolivar Trask, der die Mutanten als Bedrohung für die Menschheit ansah. Bei der US-Regierung warb der Unternehmer um Geld für ein entsprechendes Forschungsprogramm. Nach seinem Tod – immerhin wurde er von einer Mutantin ermordet – wurde das Geld bewilligt.
Die einzige Person, die den Zeitsprung überleben kann, ist Logan, aka der unsterbliche Wolverine, dessen Zellen sich wahnsinnig schnell regenerieren. Er springt zurück und versucht Professor Charles Xavier, den Gründer der X-Men, zu überzeugen, zusammen mit seinem Erzfeind Erik Lehnsherr, aka Magneto, gegen die Bedrohung für ihr Überleben zu kämpfen. Es gibt nur zwei Probleme: Professor X gefällt sich drogenkonsumierend im Selbstmitleid und Magneto sitzt als John-F.-Kennedy-Attentäter, in einem Hochsicherheitsgefängnis.
Und in den folgenden Minuten sehen wir in der nahen Zukunft die X-Men aus den ersten drei „X-Men“-Filmen, also Patrick Stewart, Ian McKellen, Halle Berry und Hugh Jackman, plus einige vernachlässigbare Cameos und Neuzugänge, und in der schön stylischen Siebziger-Jahre-Vergangenheit die X-Men aus dem vorherigem „X-Men“-Film „Erste Entscheidung“, also James McAvoy, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence und Nicholas Hoult, gegen böswillige Menschen kämpfen.
Inszeniert wurde die Geschichte von Bryan Singer, der die ersten beiden „X-Men“-Filme inszenierte. Brett Ratner inszenierte den dritten „X-Men: Der letzte Widerstand“, der allgemein wenig gemocht wird. Den grandiosen Neustart „X-Men: Erste Entscheidung“ inszenierte „Kick-Ass“-Regisseur Matthew Vaughn, der seinen Film in eine alternative Zeitlinie verlegte, weshalb er dann auch die Dinge, die ihn bei den vorherigen „X-Men“-Filmen störten, ignorieren konnten und mit seiner alternativen Interpretation der Kuba-Krise lieferte er, auch dank des überzeugenden Bösewichts Sebastian Shaw (Kevin Bacon), einen tollen Film ab, der natürlich die Erwartungen für den fünften „X-Men“-Film steigerte.
Allerdings funktioniert in „Zukunft ist Vergangenheit“ die gesamte Geschichte nicht mehr. Denn durch das Spiel mit alternativen Zeitlinien und Zeitreisen ist alles egal, weil letztendlich jeder Fehler berichtigt werden kann. Damit hat nichs endgültige Konsequenzen. So hat Magneto, der am Ende von „Der letzte Widerstand“ seiner Mutantenkräfte beraubt wurde, diese wieder – oder, immerhin sind wir ja schon in einer alternativen Zeitlinie, diese immer noch. Professor Xavier ist wieder lebendig, obwohl er in „Der letzte Widerstand“ starb (jaja, nach dem Abspann gab es eine Szene, die schon auf sein Überleben hindeutete). Aber vielleicht hat in der Zeitlinie, in der „Zukunft ist Vergangenheit“ spielt, „Der letzte Widerstand“ einfach nicht stattgefunden. Und als wir den jüngeren Professor zum ersten Mal in „Zukunft ist Vergangenheit“ sehen, kann er gehen, weshalb wir zunächst vermuten, dass auch die zehn Jahre früher spielende „Erste Entscheidung“ nicht oder anders stattfand.
Denn jetzt kann im „X-Men“-Kosmos alles korrigiert werden. Wenn nicht beim ersten Mal, dann beim zweiten oder dritten Versuch. Damit hat aber auch keine Tat mehr endgültige Konsequenzen. Kein Tod ist endgültig. Entsprechend spannungslos plätschert der Film vor sich hin. Denn warum soll ich mein Taschentuch zücken, wenn der Tote in wenigen Minuten wieder quicklebendig durch das Bild läuft?
Da hilft auch nicht die Größe, mit der die Shakespeare-Minen Patrick Stewart und Ian McKellen den größten Unfug todernst deklamieren, als seien sie gerade bei „Sein oder Nichtsein“; – was natürlich besonders in der Originalfassung spaßig ist.
Sowieso gibt es, wie auch bei den vorherigen „X-Men“-Filmen an der Besetzung nichts zu mäkeln. Es zahlt sich halt aus, wenn echte Schauspieler engagiert werden.
Der sechste „X-Men“-Film ist schon angekündigt. Derzeit heißt er „Apocalypse“, er soll Ende Mai 2016 starten und in den Achtzigern spielen. Dann erfahren wir sicher, wie der Kalte Krieg beendet wurde.
X-Men: Zukunft ist Vergangenheit (X-Men: Days of Future Past, USA 2014)
Regie: Bryan Singer
Drehbuch: Simon Kinberg (nach einer Geschichte von Jane Goldman, Simon Kinberg und Matthew Vaughn)
LV (inspiriert): Chris Claremont, John Byrne: The Uncanny X-Men: Days of Future Past, 1981
mit Hugh Jackman, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence, James McAvoy, Patrick Stewart, Ian McKellen, Halle Berry, Ellen Page, Nicholas Hoult, Anna Paquin, Peter Dinklage, Shawn Ashmore, Omar Sy, Evan Peters, Josh Helman
Länge: 132 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
– Hinweise Amerikanische Homepage zum Film Deutsche Homepage zum Film Film-Zeit über „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ Moviepilot über „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ Metacritic über „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ Rotten Tomatoes über „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“
Wikipedia über „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ (deutsch, englisch)
– Die „X-Men“-Filme
X-Men (X-Men – Der Film, USA 2000, Regie: Bryan Singer, Drehbuch: David Hayter)
X-Men 2 (X-Men 2, USA 2003, Regie: Bryan Singer, Drehbuch: Michael Dougherty, Dan Harris, David Hayter)
X-Men: The last Stand (X-Men – Der letzte Widerstand, USA 2006, Regie: Brett Ratner, Drehbuch: Simon Kinberg, Zak Penn)
X-Men: First Class (X-Men: Erste Entscheidung, USA 2011, Regie: Matthew Vaughn, Drehbuch: Ashley Miller, Zack Stentz, Jane Goldman, Matthew Vaughn)
Das ist schon etwas außergewöhnlich: Jane Fonda, Alain Delon, Brigitte Bardot, Terence Stamp und ein vor „Easy Rider“noch unbekannter Peter Fonda in einem Film, der 1968 seine Premiere auf dem Filmfest in Cannes hatte; der von Roger Vadim, Louis Malle und Federico Fellini inszeniert wurde; dessen Geschichten, wie einige damals erfolgreiche Filme von Roger Corman, die heute Kultfilme sind, auf Erzählungen von Edgar Allan Poe basierten, und der Film erscheint erst jetzt in Deutschland.
Das wäre eine außergewöhnliche Geschichte, ein lange vergessener filmischer Missing Link, wenn „Außergewöhnliche Geschichten“ keiner dieser Omnibusfilme wäre, in denen bekannte Regisseure Kurzfilme drehen, die dann hintereinander als ein Film gezeigt werden. In den sechziger Jahren war das ein bei Produzenten seltsamerweise beliebtes Subgenre, das sich meistens kommerziell nicht besonders lohnte und auch künstlerisch höchstens zwiespältige Ergebnisse zustande brachte.
Sowohl als Einzelfilm, bei dem die verschiedenen Herangehensweisen der Regisseure für produktive Reibungen sorgen könnten, als auch im Oeuvre des Regisseurs, wo es oft noch nicht einmal als Nebenwerk oder Experiment interessant ist. Da ist es fast überflüssig zu sagen, dass Omnibusfilme fast nie im Fernsehen gezeigt werden und als Einzelfilm fast unbekannt sind. Manchmal sind einzelne Kurzfilme, die dann auch als Einzelwerk gezeigt werden, beliebter. Auch „Außergewöhnliche Geschichten“ gehört in diese Kategorie der von der Allgemeinheit schnell vergessenen Filme.
Roger Vadim erzählt in „Metzengerstein“ die Geschichte der schönen Contessa Frederique de Metzengerstein (Jane Fonda), die noch nie von einem Mann zurückgewiesen wurde. Als ihr Cousin, mit dessen Familien die Metzengersteins schon seit Generationen verfeindet sind, es doch tut, nimmt das Schicksal, also eine von ihr angestoßene Verkettung unglücklicher Umstände die immer weiter ins Verderben führt, seinen Lauf.
Wer von einem Film mehr als eine durch die Landschaft reitende und alte Gemäuer stolzierende Jane Fonda erwartet, wird enttäuscht werden.
Der zweite Kurzfilm, „William Wilson“ von Louis Malle, ist die beste außergewöhnliche Geschichte. Zum ersten Mal begegnete der Sadist William Wilson (Alain Delon) seinem Doppelgänger in der Schule. Schon damals sabotierte der Doppelgänger Wilsons Stellung. Später begegnet er ihm immer wieder und ihr Kampf findet seinen Höhepunkt, als er, inzwischen ein geachtet-gefürchteter Offizier, gegen eine dunkelhaarige Schönheit (Brigitte Bardot mit schwarzen Haaren) Karten spielt.
„William Wilson“ ist ein schöner, eher kühl inszenierter Abstieg in den Wahnsinn eines arroganten Arschlochs, der von seinen Dämonen gejagt wird. Louis Malle inszenierte die Geschichte in Rückblenden. Der ängstliche Wilson beichtet einem Priester seine Sünden. Er behauptet, von einem Dämon verfolgt zu werden, dem er zum ersten Mal als Jugendlicher begegnete. Durch diese Struktur stehen wir auf der Seite des verfolgten Wilson und wir sind gespannt auf die Auflösung der Geschichte.
Federico Fellinis „Toby Dammit“ ist ein Über-Fellini, der Rom als eine alptraumhafte Dystopie zeichnet und auch eine Satire auf den Kunstbetrieb ist. In diesem Film wird der englische Filmstar Toby Dammit (Terence Stamp), eine Art Über-Richard-Burton-Marlon-Brando-auf-Droge, nach Italien eingeladen, um dort einen Film zu drehen. Doch vor dem Dreh muss er in einer TV-Sendung auftreten und einer Preisverleihung beiwohnen. Gut, dass es überall Drogen und Frauen gibt.
„Toby Dammit“ ist, wie Vadims „Metzengerstein“ eindeutig zu lang geraten, was auch daran liegen kann, dass diese Geschichte, wie die beiden vorherigen, zielstrebig auf den Tod des nicht besonders liebenswerten Protagonisten zusteuert. Aber während man bei William Wilson noch, bedingt durch die Struktur der Geschichte – sie entfaltet sich in Rückblenden während einer Beichte -, sein Leid mitfühlen kann und Contessa Frederique de Metzengerstein als zurückgewiesene Braut immerhin schön anzusehen ist, ist Toby Dammit einfach nur ein seelisches Wrack auf Droge. Immerhin benimmt er sich so schlecht, dass das schon wieder witzig ist.
Im Bonusmaterial besteht die Möglichkeit, die Filme einzeln anzusehen. Und wahrscheinlich sollte man die Filme als Einzelwerke genießen.
Insgesamt ist es schön, dass diese Lücke geschlossen wurde, aber letztendlich ist „Außergewöhnliche Geschichten“ doch nur etwas für Komplettisten, die jeden Film von Louis Malle oder Federico Fellini haben wollen. Bei Roger Vadim genügt wohl „Barbarella“ mit Jane Fonda.
Außergewöhnliche Geschichten (Histoires Extraordinaires, Frankreich/Italien 1968)
Regie: Roger Vadim, Louis Malle, Federico Fellini
Drehbuch: Roger Vadim, Pascal Cousin, Louis Malle, Daniel Boulanger, Clement Biddle Wood, Federico Fellini, Bernardino Zapponi
LV: Edgar Allan Poe: Metzengerstein (1832), William Wilson (1839), Never bet the Devil your Head (1841)
mit Jane Fonda, Peter Fonda, Philippe Lemaire, Alain Delon, Brigitte Bardot, Katia Cristina, Umberto d’Orsi, Terence Stamp, Vincent Price (Erzähler in der englischen Version)
– Blu-ray
Koch Media (Masterpieces of Cinema)
Bild: 1.78:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Französisch, Englisch (DTS-HD Master Audio 2.0)
Untertitel: Deutsch, Englisch
Bonusmaterial: Französischer Trailer, Bildergalerie
Länge: 121 Minuten
FSK: frei ab 16 Jahre
– Hinweise Rotten Tomatoes über „Außergewöhnliche Geschichten“
Wikipedia über „Außergewöhnliche Geschichten“ (deutsch, englisch, französisch)
Die Geschichten „Metzengerstein“ (1832) (deutsch), „William Wilson“ (1839) (deutsch) und „Never bet the Devil your Head“ (1841) von Edgar Allan Poe Meine Besprechung von Louis Malles „Fahrstuhl zum Schafott“ (L’Ascenceur pour l’échafaud, Frankreich 1957)
Kabel 1, 20.15 Verlockende Falle (USA 1999, Regie: Jon Amiel)
Drehbuch: Ronald Bass, Michael Hertzberg
Versicherungsdetektivin Virginia ‚Gin‘ Baker (Catherine Zeta-Jones) glaubt, dass der vermögende Kunstsammler MacDougal (Sean Connery) ein Dieb ist, der zuletzt ein Rembrandt-Gemälde stahl. MacDougal nimmt die Herausforderung an und das Katz-und-Maus-Spiel kann beginnen.
Einer der letzten Leinwandauftritte von Sean Connery und ein rundum ansehbarer, altmodischer, leichtgewichtiger, eskapstischer Gangsterkrimi mit einer Prise Humor und ohne Gewalt.
mit Sean Connery, Catherine Zeta-Jones, Ving Rhames, Will Patton, Maury Chaykin, Kevin McNally Wiederholung: Donnerstag, 22. Mai, 01.30 Uhr (Taggenau!) Hinweise Rotten Tomatoes über „Verlockende Falle“
Wikipedia über „Verlockende Falle“ (deutsch, englisch) Sean Connery in der Kriminalakte
Jesse Stone – Knallhart (USA 2006, R.: Robert Harmon)
Drehbuch: Tom Epperson
LV: Robert B. Parker: Night Passage, 1997 (Das dunkle Paradies)
Der zweite Jesse-Stone-Film erzählt die Vorgeschichte: in ihr tritt Jesse Stone seinen Job in Paradise an und muss zuerst den Kleinstadtsumpf ausmisten. Denn – Überraschung! – Stone hat den Job nur wegen seines Lebenslaufs (und dem Fazit: kaputter Verlierer) bekommen.
Im Buch endet die Ankunft von Jesse Stone in Paradise in einem Western-Showdown. Im Film ist es etwas weniger dramatisch. Aber auch der zweite Jesse-Stone-Film ist gute altmodische Unterhaltung, bei der die Charaktere im Mittelpunkt stehen.
„No fools over at CBS, the net quickly followed one of last year’s best TV movies, „Stone Cold,“ with this equally first-rate prequel.” (Variety)
Mit Tom Selleck, Stephanie March, Stephen Baldwin, Saul Rubinek, Viola Davis, Kohl Sudduth
Fanny Ardant, die seit „8 Frauen“ nicht mehr im deutschen Kino zu sehen war, deren neueren Film- und TV-Auftritte höchstens vereinzelt im TV liefen und die Cineasten seit den Francois-Truffaut-Filmen „Die Frau nebenan“ und „Auf Liebe und Tod“ in ihr Herz geschlossen haben, hat mit „Die schönen Tage“ endlich wieder einen Kinofilm gedreht, der auch in unseren Kinos lief, gute Kritiken erhielt und jetzt auf DVD vorliegt.
Ardant, die für meinen Geschmack hier etwas zu zurückhaltend und ätherisch spielt, spielt Caroline, eine frisch pensionierte Zahnärztin, die auch den Tod ihrer besten Freundin verarbeiten muss, und die von ihren beiden Töchtern einen Gutschein für „Die schönen Tage“, einen Seniorenclub, geschenkt bekommt. Sie fühlt sich in dem Club reichlich deplatziert, aber als sie dort Julien, den 39-jährigen Computerlehrer, kennen lernt, verbringt sie mit ihm einige schöne Tage – und wir mit dem Liebespaar einige schöne Minuten.
Denn Marion Vernouxs Film ist mit 94 Minuten ziemlich kurz geraten. Sie erzählt auch nur eine Episode aus dem Leben einer reifen Frau mit der Leichtigkeit, die wir aus französischen Filmen kennen. Denn natürlich hat die Liebe zwischen Caroline und Julien keine Zukunft. Es ist ein Seitensprung, der frei von den falschen Illusionen der Jugend ist, die bei jeder neuen Liebe an die ewige Liebe glauben. Es ist für Caroline eine Auszeit, in der sie sich ihrer Attraktivität vergewissert, während Julien, der einfach alle Frauen liebt, ihr schon am Anfang sagt, dass sie vor ihm wisse, wann die Beziehung vorüber sei. Er erhebt auch keine weiteren Ansprüche – und Carolines Mann, der schon früh von der Affäre erfährt, weiß, dass sie mehr verbindet, als eine flüchtige Bettgeschichte.
„Die schönen Tage“ ist ein feinfühlig erzähltes Melodrama, das im positiven Sinn an die Filme von Claude Lelouch, Claude Sautet und Francois Truffaut, um nur einige zu nennen, erinnert, die sich auch immer wieder mit den Fallstricken der Liebe beschäftigten.
Für Fanny-Ardant-Fans gibt sogar zwei Premieren: sie hat ihre Haare blond gefärbt und sie trägt erstmals Jeans in einem Film.
Arte, 22.00 Die Haut, in der ich wohne (La Piel que habito, Spanien 2011)
Regie: Pedro Almodóvar
Drehbuch: Pedro Almodóvar LV: Thierry Jonquet: Mygale, 1984 (Die Haut, in der ich wohne)
Doktor Robert Ledgard, ein begnadeter plastischer Chirurg, forscht an einer künstlichen Haut, die er offiziell an Mäusen testet. Aber in seinem Anwesen hat er ein Hich-Tech-Labor und er hält eine junge Frau in einem Ganzkörperanzug gefangen.
Schon schnell vermuten wir, dass Ledgard an ihr seine künstliche Haut ausprobiert. Aber warum? Und wer ist diese Person?
Ein grandioser, düsterer Almodóvar mit etlichen gemeinen Überraschungen. Dass er dabei sehr freizügig mit Thierry Jonquets lesenswertem Roman umgeht, sei ihm verziehen.
mit Antonio Banderas, Elena Anaya, Marisa Paredes, Blanca Suárez, Jan Cornet, Edard Fernández, Ana Mena, Roberto Alamo Wiederholung: Freitag, 23. Mai, 01.15 Uhr (Taggenau!)
BR, 22.55 Solo für Klarinette (Deutschland 1998, Regie: Nico Hofmann)
Drehbuch: Susanne Schneider
LV: Elsa Lewin: I Anna, 1984 (Solo für Klarinette)
Ein Kommissar mit desaströsem Familienleben verknallt sich bei den Ermittlungen in die Tatverdächtige.
Die bislang letzte Regiearbeit von Nico Hofmann ist ein beeindruckendes Krimidrama, das Berlin zu Klein-New-York stilisiert. Beim Kinoeinsatz gab es einen kleinen Skandal wegen der Sexszenen (Bild fungierte mal wieder eifrig als Lautsprecher der Werbekampagne) und einige Kritiker verrissen den Film über Gebühr (z. B. „Einer der ärgerlichsten Versuche, das deutsche Serienkrimiformat auf die Leinwand zu übertragen. Ein an Banalität kaum überbietbares Drehbuch, schematische Charaktere und der peinlich anbiedernde Versuch, über die engsten Genregrenzen hinaus etwas zu sagen, stellen eine gewaltige Herausforderung an den Langmut der Zuschauer dar.“ Multimedia). Insgesamt muss sich die intensiv-düstere Charakterstudie „Solo für Klarinette“ nicht vor us-amerikanischer Ware verstecken.
Weil der Film, der aus meiner Erinnerung vor allem in den problematischen Teilen ziemlich nah am Buch ist, seit fast zehn Jahren nicht mehr im TV lief, ist es auch fast eine Wiederentdeckung.
Eine zweite Verfilmung von Lewins Roman entstand 2012. Unter der Regie von Barnaby Southcombe spielten Gabriel Byrne und Charlotte Rampling in „I, Anna“ das Liebespaar.
Mit Götz George, Corinna Harfouch, Tim Bergmann, Barbara Auer, Barbara Rudnik, Christian Redl, Tobias Schenke, Katharina Thalbach, Rita Russek, Heinrich Schafmeister
Ferdinand stolpert in eine undurchsichtige Mordgeschichte und flüchtet mit seiner Ex Marianne quer durch Frankreich auf eine einsame Insel.
Auch bzw. besser bekannt als „Pierrot le fou“. Die Krimifarce hat mit dem Buch wenig bis nichts zu tun, aber viel mit Godard, seinem filmischen Kosmos und dem Lebensgefühl der Sechziger.
Kommende Woche stellt Glenn Greenwald sein Buch „Die globale Überwachung“ in Deutschland vor. Allerdings haben die Tourdaten sich seit meiner Ankündigung grundlegend geändert. Die aktuellen Termine sind:
22. Mai 2014 – Zu Gast bei Beckmann, ARD (live oder danach in der Mediathek)
22. Mai 2014, 20 Uhr – Hamburg Bucerius Law School
23. Mai 2014, 20 Uhr – Literaturhaus München, Buchpräsentation
25. Mai 2014, 11 Uhr – Berlin: Matinée im Deutschen Theater
Weitere Infos über Glenn Greenwald gibt es selbstverständlich bei Wikipedia. Er hat auch einen YouTube-Kanal und beim „Guardian“ kann man seine Artikel nachlesen.
Meine Kritik von „Die globale Überwachung“ gibt es nach der Lektüre.
ZDF, 20.15 Ein Fall für zwei: Mörderisches Vertrauen (Deutschland 2014)
Regie: Andreas Herzog
Drehbuch: Florian Oeller
Anwalt Benni Hornberg und sein Freund, der Irgendwie-Privatdetektiv Leo Oswald, haben einen neuen Fall: Amy Beck soll ihren Freund Tim Kortner erschlagen haben. Gemeinsam haben sie mit dem Klauen von Nobelkarossen ihr Geld verdient. Hornberg und Oswald glauben an ihre Unschuld.
Der zweite Fall des neuen „Ein Fall für zwei“-Teams ist immerhin etwas besser als ihr erster Fall „Verhängnisvolle Freundschaft“. Denn die Geschichte entwickelt sich halbwegs schlüssig und wir erfahren auch am Anfang, was Amy Beck vorgeworfen wird. Allerdings gibt es wieder ärgerliche Plotschlampereien (Gibt es wirklich neue Nobelkarossen ohne GPS? Gibt es in Frankfurt am Main kein Akteneinsichtsrecht des Verteidigers? Und warum bestehen die Ermittlungen von Oswald vor allem darin, ständig einzubrechen?). Die Zusammenarbeit zwischen Verteidigung und Anklage funktioniert in den falschen Momenten aus den falschen Gründen viel zu reibungslos. Die Aufklärung zieht sich, dank redundanter Dialoge und zäher Nebenplots, wie Kaugummi. Die Zahl der Verdächtigen ist mehr als überschaubar und der wahre Täter ist schon früh bekannt ist. Der entscheidende Hinweis erfolgt – unabhängig von einem Blick auf die Besetzung – bereits ganz am Anfang des zweiten Drittels.
Es gibt ungefähr einen Schnitt pro Sekunde und alles wird in einer Michael-Bay-“CSI: Miami“-Optik präsentiert. Das ist hier allerdings nicht cool oder hip, sondern einfach nur nervig.
mit Wanja Mues, Antoine Monot, Jr., Thomas Thieme, Christina Hecke, Anna Brüggemann, Marc Hosemann, Jan Hendrik Stahlberg, Pjotr Olev
Es ist nur ein kleines Problem, das aber auf ein viel größeres Problem hinweist: Beim Ansehen von „Godzilla“ überlegte ich ständig, wie groß die verschiedenen Monster sind und ich hatte immer den Eindruck, dass ihre Größe sich immer wieder veränderte; – was zu einem Teil sicher auch an den irritierendem 3D-Effekt lag, bei dem die Dimensionen immer etwas verschoben waren. Meistens hatte ich den Eindruck, dass die Menschen im Vordergrund zu klein oder zu groß für die etwas hinter ihnen stehenden Fahrzeuge waren.
Wenn ich allerdings, wie bei „King Kong und die weiße Frau“, vollständig in dem Film versunken wäre, hätte es mich nicht gestört.
Außerdem ist „Godzilla“ als zweistündiger Film eine sehr schwerfällige, sich im Schneckentempo auf das Finale zubewegende Angelegenheit, die „Pacific Rim“ (eine ziemlich schamlose „Godzilla“-Kopie) mit „World War Z“ verknüpft und die gelungenen Teile der beiden Filme links liegen lässt.
Gareth Edwards, der mit seinem Low-Budget-Debütfilm „Monsters“ begeisterte, beginnt sein Blockbuster-Debüt mit einer schön gestalteten Titelsequenz, in der auf die Atomexperimente nach dem zweiten Weltkrieg hingewiesen wird.
Nach der Titelsequenz erzählt Edwards in epischer Breite weiter: wie die Monster 1999 auf den Philippinen wieder auftauchen und kurz darauf in Japan das AKW Janjira vernichten. Dabei stirbt Sandra Brody; – gespielt von Juliette Binoche in einer Kürzestrolle.
Fünfzehn Jahre später ist ihr Sohn Ford (Aaron Taylor-Johnson) US-Soldat mit Frau und Kind. Ihr Ehemann Joe (Bryan Cranston), der damals im AKW als Wissenschaftler arbeitete, will immer noch herausfinden, was damals geschah. Denn er glaubt nicht, dass die anormalen Klangmuster, die kurz vor der Katastrophe aufgezeichnet wurden, von einem Erdbeben kamen. Nachdem er wieder einmal im Gefängnis landete, fliegt Ford nach Japan. Joe kann ihn überzeugen, das Sperrgebiet zu betreten – und in dem zerstörten AKW entdecken sie, dass dort ein riesiges Tier von Militärs gefangen gehalten wird und sich, wie die anormalen Ausschläge auf dem Seismographen zeigen, ein weiteres Tier nähert. In der folgenden Schlacht, die natürlich mitten in der Nacht stattfindet, sehen wir erstmals die Monster. Denn in diesem „Godzilla“-Film genügt nicht ein Godzilla, sondern es gibt mehrere Riesenmonster, die sich munter bekämpfen, paaren und Eier legen. Das kennen wir aus „Pacific Rim“, wo es ja auch verschiedene Monsterarten gab, die gerne Großstädte verwüsteten.
Jedenfalls machen sie sich jetzt auf den Weg nach Osten. Über Hawaii (Remember Pearl Harbor?) geht es nach San Francisco. Immer begleitet vom Militär, zwei Wissenschaftlern und Ford, der einfach immer so mitgenommen. Denn vor allem nach dem Tod seines Vaters, der ja immerhin noch über einige nützliche Informationen verfügen könnte, ist Ford aus militärischer Sicht einfach nur Ballast, der – und hier wird die Story zunehmend abstruser – zufälligerweise immer an den Orten ist, wo gerade etwas für die Filmgeschichte wichtiges passiert. Denn Ford ist ein Soldat auf Urlaub, ein Zivilist, ein Mann, der keinen Auftrag und auch kein dramaturgisches Ziel hat. Dass er seine Eltern rächen will oder dass er zu seiner Familie zurück möchte (die zufälligerweise in San Francisco wohnt) können wir uns vielleicht denken, aber für die Filmgeschichte ist es egal. Deshalb ist Ford ein absolut blasser Held. Der langweiligste Charakter im ganzen Film; was jetzt nicht heißt, dass die anderen Charaktere wesentlich interessanter wären.
Gerry Lane, der Held von „World War Z“, dessen Reise um den halben Globus auch teilweise absurde Züge hatte, hat im Gegensatz zu Ford ein Ziel: er musste den Patient Null, den Ausbruch der Zombie-Seuche und ein Gegenmittel finden.
Die wenigen Frauen im Film sind beschränken sich weitgehend auf das Halten von Akten oder das Kreischen. Beides ist nicht sonderlich beeindruckend und unterfordert die Schauspielerinnen – wir reden von Juliette Binoche, Elizabeth Olsen und Sally Hawkins – sträflich.
Und die Filmgeschichte selbst, eigentlich ein unglaublich langer Prolog, der in „Pacific Rim“ in den ersten Minuten beeindruckend konzentriert abgehandelt wurde, der zur finalen Schlacht führt, wird weitgehend von Zufälligkeiten zusammengehalten. Es wird vieles angesprochen, was dann doch keine Folgen für die Geschichte hat. Das gilt auch für viele Episödchen, wie die Rettung eines Kindes auf Hawaii durch Ford oder die Rettung eines mit Kindern vollbesetzten Schulbusses in San Francisco durch den afroamerikanischen Busfahrer. Und vieles ist schlichtweg erschreckend unlogisch. So schickt das Militär immer weitere Flugzeuge los, obwohl es weiß, dass die Monster einen elektronischen Fallout produzieren können, der dazu führt, dass die komplette Elektronik versagt und die Maschinen wie Steine abstürzen lässt.
Allerdings geht es in einem Godzilla-Film nicht wirklich um dreidimensionale Charaktere und eine ausgefeilte Story, sondern um Godzilla, der durch Großstädte stampft und dabei Wolkenkratzer zerstört.
Das wird auch gezeigt und Gareth Edwards gelingen hier einige beeindruckende apokalyptische Bilder. Und Godzilla, der erst nach ungefähr 75 Minuten erstmals in seiner ganzen computergenerierten Pracht zu sehen ist, ist als 108 Meter (Presseheft) großes Monster auch furchterregend. Jedenfalls bis der Wissenschaftler Dr. Ishiro Serizawa (Ken Watanabe) den bösen Godzilla schnell in einen guten Godzilla umdeutet, der die anderen Monster, die Alpha Predator (so eine Art Flugsaurier) vernichten will. Godzilla wird zu einem „Pacific Rim“-Riesenroboter.
Insgesamt ist „Godzilla“ ein ziemlich enttäuschender Monsterfilm, der schwerfällig auf sein Ende zustampft, den gesamten Cast sträflich unterfordert und Godzilla nur selten zeigt.
Wenige Tage bevor das Biopic „Grace of Monaco“ die Filmfestspiele von Cannes am 14. Mai eröffnete, betonte die Fürstenfamilie von Monaco, dass sie nicht zur Premiere kommen werde und auch mit dem Film nicht einverstanden sei. Er sei unnötig glamourös und einige Szenen seinen pure Fiktion.
Nach dem Film fragte ich mich, ob die Fürstenfamilie den Film wirklich gesehen hat. Denn selbstverständlich nimmt er sich zahlreiche Freiheiten, er betont das sogar in einer Texttafel am Filmanfang, aber es ist ein Spielfilm, der als Film funktionieren muss, und kein Dokumentarfilm. Außerdem wird das Königshaus in einem sehr positiven Licht gezeigt. Dagegen sollen die Grimaldis wirklich etwas haben?
Auch bei dem quasi im Zentrum des Films stehendem Konflikt zwischen Frankreich und Monaco sind die Sympathien eindeutig verteilt. Die bösen Franzosen wollen den guten Fürst Rainer erpressen, Steuern zu erheben und diese nach Frankreich zu überweisen. – Nein, auch bei einer Auftragsarbeit hätte das Fürstenhaus, das als Steueroase und Ort der Geldwäsche bekannt ist, nicht besser wegkommen können.
Auch als Spielfilm ist „Grace of Monaco“ gar nicht so schlecht. Verglichen mit „Diana“ und „Yves Saint Laurent“ ist der bieder inszenierte Film sogar ein Meisterwerk. Und der Kitschanteil bewegt sich auf einem erträglichem Maß. Immerhin wird hier ein Märchen, in der Tradition von Filmen wie „Sissi“, bei denen auch niemand mit dem Metermaß die historische Genauigkeit abmisst, erzählt.
Als Grace Kelly im Mai 1955 während der Filmfestspiele von Cannes Fürst Rainer III kennenlernte, verliebte sie sich in den Traumprinzen, heiratete ihn und als Fürstin war ihre Hollywood-Karriere vorbei.
Im Dezember 1961 besucht Alfred Hitchcock sie. Er bietet ihr die Hauptrolle in seinem neuen Film „Marnie“ an. Grace, die zunehmend gelangweilt vom höfischen Protokoll ist und immer noch mit den Monegassen und ihrer Rolle als Landesmutter fremdelt, würde gerne wieder spielen.
Zur gleichen Zeit befindet Monaco sich in einem Wirtschaftskrieg mit Frankreich. Präsident Charles de Gaulle möchte, dass Monaco nicht mehr länger ein Fluchtort für französische Firmen ist, die ihr Geschäft in Monaco anmelden und keine Steuern mehr bezahlen. Fürst Rainer lehnt das ab.
„Grace of Monaco“ konzentriert sich auf das Jahr 1962 in dem sie mit ihrer neuen Rolle als Landesmutter ihren Frieden schließt und den Steuerstreit zwischen Monaco und Frankreich. Dabei nimmt dieser Konflikt und damit verbundene Palastintrigen und Eheprobleme einen erstaunlich großen Raum ein.
Regisseur Olivier Dahan („La vie en rose“) und Drehbuchautor Arash Amel („Die Logan Verschwörung“) zeigen schön – und in schönen Bildern – in welchem Dilemma Grace Kelly steckte. Sie musste sich endgültig zwischen verschiedenen Lebensplänen entscheiden, ihre Rolle als Fürstin finden und auch das Verhältnis zu ihrem Ehemann klären. Dieses Drama spielt sich vor einer prächtigen Kulissen zwischen Palästen und Mittelmeeransichten ab und wird umrahmt von einem höfischen Protokoll, das eine Scheidung nicht vorsah, das schon damals anachronistisch war und heute nach der guten alten Zeit, die so gerne verklärt wird, klingt.
Mit Nicole Kidman als Grace Kelly, Tim Roth als Fürst Rainer und Frank Langella als ihr geistlicher Beistand, Hofkaplan Francis Tucker (der die katholische Kirche in einem sehr positiven Licht erstrahlen lässt) in den Hauptrollen und Parker Posey und Derek Jacobi in wichtigen Nebenrollen ist der Film auch prominent besetzt für den internationalen Markt, weshalb in der Originalversion, bis auf wenige Sätze, nur englisch gesprochen wird.
Mit der Wirklichkeit hat „Grace of Monaco“ sicherlich eher wenig zu tun. So wird der Konflikt mit Frankreich nur aus einer Perspektive geschildert. Dass Grace Kelly in ihm plötzlich eine entscheidende Rolle einnimmt und mit einer Rede beim jährlichen Rotkreuz-Ball den Konflikt besiegelt, ist (auch ohne Wissen der Hintergründe) unglaubwürdig und dass Alfred Hitchcock so verständnisvoll auf die Absage der ultimativen Hitchcock-Blondine reagierte, ist historisch nicht belegt. Im Gegenteil. Er war ziemlich verärgert.
Außerdem sind Nicole Kidman und Tim Roth einige Jahre älter als Grace Kelly und Fürst Rainer.
Aber als Märchen und von wahren Ereignissen inspiriertes Melodrama, das mögliche Untiefen der Geschichte erfolgreich vermeidet, funktioniert „Grace of Monaco“.
Die Prämisse des deutschen Films „Stereo“ – ein Mann wird von einem nur für ihn sichtbarem „Schutzengel“ heimgesucht – klingt nach einer weiteren unsäglichen deutschen Komödie, die „Mein Freund Harvey“ ohne Sinn und Verstand für Klamauk plündert.
Aber schon der überhaupt nicht heimelig-rosarote Anfang irritiert. Erik (Jürgen Vogel) betreibt auf dem Land eine kleine Motorradwerkstatt, sammelt Strafzettel für zu schnelles Fahren mit seinem Motorrad und ist hoffnungslos in Julia (Petra Schmidt-Schaller) verliebt. Sogar ihre kleine Tochter hat den tätowierten Ersatzdaddy akzeptiert. Es könnte das Paradies sein, wenn Erik nicht einen Mann mit Kapuzenpullover und Armeejacke sehen würde, der für alle anderen unsichtbar ist. Während Erik noch überlegt, ob er wahnsinnig wird, mischt der unsichtbare Mann sich immer mehr in sein Leben ein. Teils proletenhaft, teils besserwisserisch mit destruktiven Ratschlägen. Nein, Henry (Moritz Bleibtreu) ist kein „Freund Harvey“ und kein netter Schutzengel, sondern ein Geistesverwandter von Marshall, dem bösen Alter Ego von Earl Brooks in „Mr. Brooks – Der Mörder in dir“.
Obwohl Henry Erik rät, sich nicht mit einigen halbseidenen Gestalten einzulassen, die behaupten, ihn von früher zu kennen, sind Henrys Ratschläge so schräg, dass unklar ist, ob er Erik vor dem Weg ins Verderben bewahren oder diesen Weg beschleunigen will.
Das ist wirklich nicht der Stoff, aus dem die normalen deutschen Komödien gestrickt sind. Autor und Regisseur Maximilian Erlenwein („Schwerkraft“) will auch überhaupt nicht witzig sein. Jedenfalls nicht auf die oberflächlich harmlose Art. „Stereo“ tendiert schon früh in Richtung Krimi, garniert mit einigen wenigen sich aus der Prämisse ergebenden Witzen, wenn Henry Bier-trinkend Beziehungsratschläge gibt oder Erik vor jemand warnt, der gerade ebenfalls im Raum ist.
Es gibt auch am Ende eine psychologisch stimmige Erklärung für Henrys Auftauchen. Man hätte diese Erklärung auch an den Anfang des Films setzen können (was wohl auch einmal geplant war), was „Stereo“ zu einem anderen, aber ebenso gelungenem Film gemacht hätte.
Letztendlich stört bei „Stereo“ nur das altbackene Bild der Verbrecher, die anscheinend direkt aus einem Siebziger-Jahre-Krimi importiert wurden und eine erschreckende Mischung aus Proletentum, Einfalt und Dummheit sind.
Stereo (Deutschland 2014)
Regie: Maximilian Erlenwein
Drehbuch: Maximilian Erlenwein
mit Jürgen Vogel, Moritz Bleibtreu, Petra Schmidt-Schaller, Georg Friedrich, Rainer Bock, Mark Zak, Helena Schönfeleder, Fabian Hinrichs
Länge: 94 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
– Hinweise Homepage zum Film Film-Zeit über „Stereo“ Moviepilot über „Stereo“
Muss ich dazu viel sagen? Glenn Greenwald dürfte inzwischen doch weithin bekannt sein als der „Guardian“-Journalist, der die Unterlagen des NSA-Infrastrukturanalytikers Edward Snowden erhielt und seit einem guten Jahr Informationen über die weltweite und uferlose NSA-Überwachung veröffentlicht.
In dem jetzt erschienenem Buch „Die globale Überwachung – Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen“ schildert er seine erste Begegnung mit Edward Snowden, wie der „Guardian“ die Daten für die Veröffentlichung aufbereitete und er enthüllt weitere Details.
Die ersten Seiten, in denen Greenwald erzählt, wie Snowden ihn kontaktierte, habe ich bereits gelesen und sie machen mich neugierig auf die restlichen Seiten, in denen Greenwald anhand von 120 Dokumenten einen Einblick in die Überwachung des Internets durch die NSA gibt.
Greenwald schreibt: „Indem [Snowden] gewagt hat, die atemberaubenden Überwachungsmöglichkeiten der NSA und deren frappierendere Zielsetzungen ans Tageslicht zu bringen, hat er deutlich gemacht, dass wir uns an einem historischen Scheideweg befinden. Wird das digitale Zeitalter die Befreiung des Individuums und die politischen Freiheiten bringen, die das Internet in einzigartiger Weise realisieren kann? Oder wird es ein System omnipräsenter Überwachung und Kontrolle etablieren, das sich nicht einmal die schlimmsten Tyrannen der Vergangenheit hätten träumen lassen?“
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Kommende Woche stellt Greenwald das Buch vor: Berlin: Mittwoch, 21. Mai 2014, 18 Uhr
Deutsches Theater, Schumannstraße 13
Moderation: Christoph Amend
Eintritt: € 12 / erm. € 9
– Hamburg: Donnerstag, 22. Mai 2014, 20 Uhr
Bucerius Law School, Audimax, Jungiusstraße 6
Moderation: Jochen Wegner
Eintritt: € 12 / erm. € 9
– München: Freitag, 23. Mai 2014, 20 Uhr
Literaturhaus, Salvatorplatz
Moderation: Jochen Wegner
Eintritt: € 12 / erm. € 8
Phoenix, 21.00 Europawahl 2014
Eine (die?) Diskussion zur EP-Wahl mit Martin Schulz (Sozialdemokratische Partei Europas), Jean-Claude Juncker (Europäische Volkspartei), Guy Verhofstadt (Allianz der Liberalen und Demokraten), Ska Keller (Europäische Grünen) und Alexis Tsipras (Europäische Linke). Weitere Infos und Livestream
Die Spielerin (Deutschland/Österreich, Regie: Erhard Riedlsperger)
Drehbuch: Fred Breinersdorfer
Die gut situierte Mittfünfzigerin Polina wird durch die Zufallsbekanntschaft Friedrich zur Spielerin. Als er in Untersuchungshaft kommt, spielt Polina, um ihm zu helfen. Aber sie hat kein Glück.
Fred Breinersdorfer schrieb das Drehbuch über einen Fall von selbstzerstörerischer Spielsucht und Hannelore Elsner kann wieder einmal zeigen, wie gut sie ist.
Mit Hannelore Elsner, Erwin Steinhauer, Nina Petri, Frank Giering