Aus Cannes: Europäische Filmemacher*innen fordern zur Teilnahme an der Europawahl auf

Mai 22, 2019

In Cannes wurde nicht nur der neue Film von Quentin Tarantino gezeigt, sondern auch ein Manifest europäischer Filmemacher*innen vorgestellt, in dem die fünfhundert Unterzeichnenden zur Teilnahme an der Wahl zum Europäischen Parlament aufrufen. In Deutschland ist die Wahl am Sonntag.

Das Manifest beruht auf einer Initiative des Verbands der französischen Filmregisseur*innen (SRF), der Quinzaine, der European Film Academy (EFA), des Verbandes der europäischen Filmregisseur*innen und der Gesellschaft der audiovisuellen Autor*innen (SAA).

Unterzeichnet wurde es unter anderem von Jacques Audiard, Susanne Bier, Costa-Gavras, Luc und Jean-Pierre Dardenne, Julie Delpy, Ralph Fiennes, Stephen Frears, Neil Jordan, Valeria Golino, Miguel Gomes, Agnieszka Holland, Alan Parker, Pawel Pawlikowski, Jim Sheridan, Céline Sciamma und Stellan Skarsgaard. Aus Deutschland sind Feo Aladag, Fred Breinersdorfer, Wim Wenders, C. Cay Wesnigk, Dominik Wessely und Rita Ziegler, um nur einige der bekanntesten Namen zu nennen, dabei.

In ihrem Manifest (französische und englische Fassung und alle Unterzeichnenden) sagen sie:

Ja, es ist wahr: Europa ist nicht vollkommen.

Wir werfen der EU manchmal – und zu Recht! – vor, Seele und Emotionen vermissen zu lassen und eine Sprache zu sprechen, die nur wenige von uns verstehen.

Wir werfen ihr vor, die ökologischen, sozialen und politischen Krisen nicht meistern zu können, die sie heute erschüttern, und auch der Flüchtlingstragödie nicht gewachsen zu sein.

Doch trotz aller Schwächen und Mängel finden wir auch Menschlichkeit und Schönheit in Europa. Und wir bemühen uns, Europa zu beschreiben – in feinsinnigen Bildern und einer Sprache, die all seine Völker leichter verstehen.

Wir sollten nicht vergessen, dass sich die Völker Europas vereint haben, um in Frieden miteinander zu leben. Aus ursprünglich sechs Mitgliedstaaten sind mittlerweile 28 geworden – eine einzigartige Union, die der gesamten Menschheit als Inspiration dient.

Die Europäische Union gründet auf der Überwindung von Grenzen, auf Freizügigkeit, Austausch, Brüderlichkeit und Solidarität, mithin auf Werten, die heute von allen Seiten bedroht sind, und zwar auch von innen.

Sie ist aber auch eine Union der Kultur. In einem Europa, dessen tragende Säulen schon immer Innovation und Kreativität waren, ist die Kultur ein Herzensanliegen.

Ein freies und demokratisches Europa: Das ist auch ein Europa der Gedanken- und Meinungsfreiheit. Es ist unsere Pflicht, dieses Europa gegen Extremismus und rückwärtsgewandtes Denken zu verteidigen.

Dieses brüchige Gleichgewicht muss gewahrt und verstärkt werden. Es muss vor denen geschützt werden, die es zerstören wollen, indem sie spalten, sich von ihm lossagen, fliehen oder sich absondern.

Die wesentliche Frage lautet: Wie lässt sich das Europa schaffen, das wir uns wünschen, ein Europa, das alle eint, ein offenes Europa, das Freiheit und Frieden Raum bietet?

Unsere Antwort muss sein, dass wir uns dafür einsetzen und Ideen ins Feld führen, damit die Waffen auch künftig schweigen.

Daher geben wir bei der Europawahl vom 23. bis zum 26. Mai unsere Stimme ab. Es geht um unsere gemeinsame Zukunft – oder aber darum, ob wir überhaupt eine Zukunft haben.


TV-Tipp für den 22. Mai: Personal Shopper

Mai 22, 2019

Arte, 20.15

Personal Shopper (Personal Shopper, Frankreich/Deutschland 2016)

Regie: Olivier Assayas

Drehbuch: Olivier Assayas

Maureen ist die persönliche Einkäuferin für die ständig durch die Welt jettende Kyra. Neben diesem Brotjob wartet sie auf ein Zeichen von ihrem verstorbenen Zwillingsbruder und vertreibt Geister aus Häusern.

Olivier Assayas‘ Version eines Geisterfilms: sehr europäisch, sehr träumerisch und mit zahlreichen Anspielungen. Sehr sehenswert.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Kristen Stewart, Lars Eidinger, Sigrid Bouaziz, Anders Danielsen Lie, Nora von Waldstätten, Benjamin Biolay

Hinweise

Moviepilot über „Personal Shopper“

Metacritic über „Personal Shopper“

Rotten Tomatoes über „Personal Shopper“

Wikipedia über „Personal Shopper“ (englisch, französisch)

Meine Besprechung von Olivier Assayas’ „Carlos – Der Schakal“ (Kinofassung)

Meine Besprechung von Olivier Assayas’ „Carlos – Der Schakal“ (Director’s Cut – bzw. die dreiteilige TV-Fassung)

Meine Besprechung von Olvier Assayas’ “Die wilde Zeit” (Après Mai, Frankreich 2012) (und der DVD)

Meine Besprechung von Olivier Assayas‘ „Die Wolken von Sils Maria“ (Clouds over Sils Maria, Deutschland/Frankreich/Schweiz 2014) (mit Pressekonferenzen) und der DVD

Meine Besprechung von Olivier Assayas‘ „Personal Shopper“ (Personal Shopper, Frankreich/Deutschland 2016)

Bonushinweis

Am 6. Juni läuft sein neuer Film „Zwischen den Zeilen“ (Doubles vies, u. a. mit Juliette Binoche und Guillaume Canet) bei uns an (und dann gibt es die Besprechung). Seine dialoglastige Bestandsaufnahme der Gegenwart ist wie ein Eric-Rohmer-Film, der die Gespräche über Liebe und Beziehungen durch Gespräche über die Literatur, das Internet, und die Befindlichkeiten der Bourgeoisie ersetzt.


Cover der Woche

Mai 21, 2019


„Once upon a Time in Hollywood“ – der Trailer

Mai 21, 2019

Nach dem Teaser-Trailer gibt es jetzt den Trailer für Quentin Tarantinos neuen Film und der sieht richtig gut aus. Auch wenn er absolut nichts über die Filmgeschichte verrät. Viel mehr verrät dagegen die fast inhaltsfreie Synopse (ein Schauspieler und sein Stuntman versuchen ihren Platz im neuen Hollywood zu finden) und der Hinweis,, das Margot Robbie die 1969 ermordete Sharon Tate spielt und dass der Film 1969 spielt.

Viel Spaß!


TV-Tipp für den 21. Mai: Man of Tai Chi

Mai 20, 2019

Wenige Stunden bevor Keanu Reeves wieder als John Wick gegen Bösewichter kämpft, zeigt er in seinem Regiedebüt ebenfalls seine Fähigkeiten als Kämpfer

Nitro, 22.10

Man of Tai Chi (Man of Tai Chi, USA/Volksrepublik China 2013)

Regie: Keanu Reeves

Drehbuch: Michael G. Cooney

Das überraschend gelungene Regiedebüt von Keanu Reeves. Er erzählt, mit vielen Kämpfen, die Geschichte von dem arglosen Paketboten und talentiertenTai-Chi-Kämpfer Chen Tiger Hu Chen), der von Donaka Mark (Keanu Reeves) immer mehr in die Szene illegaler und tödlicher Kämpfe hineinmanipuliert wird.

Mehr über das kampfeslustige B-Picture in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Tiger Hu Chen, Keanu Reeves, Karen Mok, Hai Yu, Simon Yam

Wiederholung: Mittwoch, 22. Mai, 23.50 Uhr

Hinweise

Moviepilot über „Man of Tai Chi“

Metacritic über „Man of Tai Chi“

Rotten Tomatoes über „Man of Tai Chi“

Wikipedia über „Man of Tai Chi“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von keanu Reeves‘ „Man of Tai Chi“ (Man of Tai Chi, USA/Volksrepublik China 2013)


Black History Tage: Über Attica Lockes Kriminalroman „Bluebird, Bluebird“

Mai 20, 2019

So langsam – der Beginn war am 28. Februar mit „The Hate U Give“ – sind es Monate und Attica Lockes Kriminalroman „Bluebird, Bluebird“ passt nur so halb hinein. Obwohl Attica Locke eine Afroamerikanerin ist und ihr Romanheld, der Texas Ranger Darren Mathews, ein Afroamerikaner ist und es auch um Rassismus geht.

In Lark, einem Dorf in Osttexas, werden die weiße, zwanzigjährige, verheiratete Dorfschönheit Melissa ‚Missy‘ Dale und der durchreisende afroamerikanische, in Chicago lebende, fünfunddreißigjährige, ebenfalls verheiratete Anwalt Michael Wright ermordet. Zuerst findet man Wrights Leiche im Attoyac Bayou. Einige Tage später findet man Dales Leiche.

Mathews vermutet selbstverständlich einen rassistischen Hintergrund. Der Dorfsheriff ist anderer Ansicht. Trotzdem ermitteln sie, nachdem die Kompetenzen geklärt sind, mehr oder weniger gemeinsam.

Das ganze Set-Up erinnert sehr an John Balls 1966 von Norman Jewison verfilmten Roman „In der Hitze der Nacht“(In the Heat of the Night). Damals war der Afroamerikaner ein gebildeter, höflicher Mann, der dem Dorfpolizisten in jeder Beziehung haushoch überlegen war. Gebildet ist auch Mathews. Er ist allerdings – so haben sich die Zeiten geändert – ein Alkoholiker mit Eheproblemen. Diese und Mathews Erinnerungen nehmen einen großen Teil von Attica Lockes Roman „Bluebird, Bluebird“ ein. Der Kriminalfall selbst ist dagegen vernachlässigbar und auch bei den allzu oft alkoholdurchtränkten Ermittlungen muss sich Mathews mit der für die Lösung des Falls schon auf den ersten Blick erkennbar unwichtigen Vergangenheit der in den Fall involvierten Personen herumschlagen.

Insofern funktioniert „Bluebird, Bluebird“ nur bedingt als Polizeiroman. Dafür wird der Plot zu wenig vorangetrieben. Dafür wird ein fast schon episches Bild der Rassenkonflikte in Texas und vor allem in Lark entworfen.

Deshalb funktioniert „Bluebird, Bluebird“ besser, wenn man an das Buch mit den Leseerwartungen an einen Roman oder literarischen Kriminalroman herangeht. Dann kann man das ruhige, fast schon meditative Erzähltempo genießen. Wirklich überzeugend ist die dröge erzählte Geschichte auch dann nicht.

Vor allem wenn man „Bluebird, Bluebird“ mit anderen Romanen vergleicht, die das gleiche Thema behandeln. Mit dem Rassismus in Texas beschäftigt Joe R. Lansdale sich deutlich kurzweiliger. Mit dem Rassismus in den USA, wobei Washington, D. C., seine Spielwiese ist, George Pelecanos. Um nur zwei auch sprachlich überzeugendere Autoren zu nennen.

In den USA erhielt der Roman letztes Jahr zahlreiche Preise. Zu den für Krimifans wichtigen Preisen gehören der Edgar Award for Best Novel, Anthony Award for Best Novel und der CWA Ian Fleming Steel Dagger Award und die Nennungen in Listen wie der Washington Post 10 Best Thrillers and Mysteries of 2017 und der Kirkus Best Mysteries and Thrillers of 2017.

Attica Locke: Bluebird, Bluebird

(übersetzt von Susanna Mende)

Polar Verlag, 2019

336 Seiten

20 Euro

Originalausgabe

Bluebird, Bluebird

Mulholland Books/Little, Brown and Company, 2017

Hinweise

Homepage von Attica Locke

Polar über Attica Locke

Wikipedia über Attica Locke (deutsch, englisch)

Perlentaucher über „Bluebird, Bluebird“


TV-Tipp für den 20. Mai: The Salesman

Mai 20, 2019

Arte, 20.15

The Salesman (Fourshande, Iran/Frankreich 2016)

Regie: Asghar Farhadi

Drehbuch: Asghar Farhadi

Teheran, Gegenwart: Der beliebte Lehrer Emad inszeniert mit seiner Ehefrau Rana in der Hauptrolle Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“. Eines Abends wird sie in ihrer gemeinsamen neuen Wohnung überfallen und verletzt. Geplagt von Schuldgefühlen beginnt Emad den Täter zu suchen. Außerdem verschwimmen in seiner freien Adaption von Millers Stück die Grenze zwischen dem Stück und der Realität immer mehr.

Mit dem Oscar als bester fremdsprachiger Film 2017 ausgezeichnetes tolles Drama. Im Iran war der Film ein Kassenhit.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Shahab Hosseini, Taraneh Alidoosti, Babak Karimi, Farid Sajjadihosseini, Mina Sadati, Maral Bani Adam, Mehdi Kooshki

Wiederholung: Dienstag, 28. Mai, 13.50 Uhr

Hinweise

Moviepilot über „The Salesman“

Metacritic über „The Salesman“

Rotten Tomatoes über „The Salesman“

Wikipedia über „The Salesman“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Asghar Farhadis „Le Passé – Das Vergangene“ (Le Passé, Frankreich 2013)

Meine Besprechung von Asghar Farhadis „The Salesman“ (Fourshande, Iran/Frankreich 2016) und der DVD

Meine Besprechung von Asghar Farhadis „Offenes Geheimnis“ (Todos lo saben, Spanien/Frankreich/Italien 2018)


TV-Tipp für den 19. Mai: John Wick: Kapitel 2

Mai 19, 2019

Wenige Tage bevor John Wick wieder im Kino kämpft (Jubelarie zum Filmstart), gibt es heute den zweiten John-Wick-Actionkracher. So als Vorbereitung.

RTL, 23.00

John Wick: Kapitel 2 (John Wick: Chapter 2, USA 2017)

Regie: Chad Stahelski

Drehbuch: Derek Kolstad

Der Kampf geht weiter. Wir erfahren mehr über John Wicks Welt. Es gibt mehr Kämpfe und Tote – und am Ende von „Kapitel 2“ läuft John Wick um sein Leben.

John Wick: Kapitel 3“ schließt am 23. Mai im Kino nahtlos daran an.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Keanu Reeves, Riccardo Scamarcio, Ian McShane, Ruby Rose, Common, Claudia Gerini, Lance Reddick, Laurence Fishburne, John Leguizamo, Bridget Moynahan, Franco Nero, Peter Stormare

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „John Wick: Kapitel 2“

Metacritic über „John Wick: Kapitel 2“

Rotten Tomatoes über „John Wick: Kapitel 2“

Wikipedia über „John Wick: Kapitel 2“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Chad Staheskis „John Wick“ (John Wick, USA 2014)

Meine Besprechung von Chad Stahelskis „John Wick: Kapitel 2“ (John Wick: Chapter 2, USA 2017)

 

 


TV-Tipp für den 18. Mai: John Wick

Mai 17, 2019

Wenige Tage bevor John Wick wieder im Kino kämpft (Jubelarie zum Filmstart), gibt es heute und morgen die ersten beiden John-Wick-Filme. So als Vorbereitung.

Pro7, 22.30

John Wick (John Wick, USA 2014)

Regie: Chad Stahelski, David Leitch (ungenannt)

Drehbuch: Derek Kolstad

Als der missratene Sohn eines Mafiosos den Hund von John Wick tötet, packt der Ex-Killer John Wick seine eingelagerten Waffen wieder aus.

Actionfilm der wegen seines Stils und seiner furiosen Actionszenen begeistert.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Keanu Reeves, Michael Nyqvist, Alfie Allen, Willem Dafoe, Dean Winters, Adrianne Palicki, Omer Barnea, Toby Leonard Moore, Daniel Bernhardt, Bridget Moynahan, John Leguizamo, Ian McShane

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Moviepilot über „John Wick“

Metacritic über „John Wick“

Rotten Tomatoes über „John Wick“

Wikipedia über „John Wick“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Chad Stahelskis „John Wick“ (John Wick, USA 2014)

Meine Besprechung von Chad Stahelskis „John Wick: Kapitel 2“ (John Wick: Chapter 2, USA 2017)

Der Trailer für den dritten John-Wick-Film


Neu im Kino/Filmkritik: „Once again – Eine Liebe in Mumbai“ zwischen einer Köchin und einem Filmstar

Mai 17, 2019

Tara, eine verwitwete Mutter, betreibt in Mumbai ein kleines Restaurant. Zu ihren Kunden gehört der allein in einem Hochhaus-Apartment lebende Filmstar Amar. Er bestellt täglich Essen bei ihr. Gesehen hat sie ihn bis jetzt nur auf der großen Leinwand. Aber sie telefonieren häufig miteinander. Über die Zeit werden ihre langen Telefonate immer intimer. Nur getroffen haben sie sich noch nicht.

Eines Tages begibt Amar sich auf den Weg zu Taras Restaurant.

Im Mittelpunkt von „Once again – Eine Liebe in Mumbai“ stehen zwei schüchtern-introvertierte, einsame Menschen, die mehr schweigen als reden. Immer wieder starren die Schauspieler lange sehr ernst und nachdenklich in die Gegend, während wir uns überlegen können, was Tara und Amar gerade denken. Das erschwert eine emotionale Verbindung zu den beiden Figuren, die sich ihre Liebe nicht gestehen.

Once again“ hat damit die Probleme, die fast alle Filme mit passiven und schweigsamen Figuren haben: die Geschichte wirkt träge, weil nichts passiert und die Figuren bleiben einem fremd, weil man ihre Probleme und Gefühle mehr erahnt und vermutet als durch ihre Handlungen erfährt.

Vor allem wenn Kamera und Regie das Verhalten und Innenleben der Figuren spiegeln.

Einige mögen bei den nächtlichen Bildern von Mumbai eine poetische Note erkennen. Mich spricht diese Liebe in Mumbai überhaupt nicht an.

Once again – Eine Liebe in Mumbai (Deutschland/Indien/Österreich 2018)

Regie: Kanwal Sethi

Drehbuch: Kanwal Sethi

mit Shefali Shah, Neeraj Kabi, Rasika Dugal, Bidita Bag, Priyanshu Painyuli, Bhagwan Tiwari

Länge: 101 Minuten

FSK: ab 0 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Once again – Eine Liebe in Mumbai“

Moviepilot über „Once again – Eine Liebe in Mumbai“

 


Neu im Kino/Filmkritik: „Under the Tree“ neben Nachbars Garten

Mai 17, 2019

So ein Baum im Garten spendet Schatten. Er kann in einer Reihenhaussiedlung auch für Ärger sorgen, wenn die neue, junge und sportbegeisterte Frau des Nachbarn sich gerne sonnen würde und der Baum das verhindert. Also sollte er mindestens gestutzt werden. Aber Baldvin und vor allem Inga, auf deren Grundstück der Baum steht, denken nicht daran. Inga, schon auf den ersten Blick das Gegenteil von Eybjörg, ist eine wirklich schlecht gelaunte, grantige, nicht wahnsinnig auf ihr Äußeres achtende Großmutter. Sie begegnet der neuen Nachbarin mit blanker Abneigung.

Während dieser Konflikt, angetrieben von den Frauen, langsam über die normalen Stufen eines Nachbarschaftsstreit eskaliert, quartiert sich Ingas Sohn wieder bei ihnen ein.

Atli wurde nämlich eines Nachts von seiner Frau beim Ansehen eines Pornos erwischt. Weil der Sexfilm zeigt, wie Atli mit einer anderen, ihr ebenfalls bekannten Frau Geschlechtsverkehr hat, wirft sie Atli sofort aus der gemeinsamen Wohnung und verbietet ihm jeden Kontakt zu ihrem gemeinsamen Kind. Er möchte, allerdings denkbar ungeschickt, den Ehestreit wieder beenden.

Under the Tree“ hat auf den ersten Blick alles, was zu einer Schwarzen Komödie gehört. Aber eine Schwarze Komödie ist das Drama erst am Ende, wenn der Konflikt um den Baum grotesk, blutig und rasant innerhalb weniger Minuten eskaliert und endet. In dem Moment wirkt dieses Blutbad allerdings weniger wie eine lange überfällige Eruption unterdrückter Gefühle, sondern wie eine Verzweiflungstat von Regisseur Hafsteinn Gunnar Sigurðsson, um seinen bis dahin sehr drögen Film zu beenden.

Die Figuren sind – abgesehen von der Idee, dass die Frauen die treibenden Kräfte und die Männer eher passiv sind – blass und eindimensional. Die Handlung ist, abgesehen von einigen abschweifenden Episoden, wie die Mieterversammlung in Atlis Haus, vorhersehbar.

Und schwarzhumorig ist letztendlich nur das Ende. Bis dahin gibt es keinen Humor, sondern Tristesse und Schwermut, die einen Ingmar-Bergman-Film wie ein fröhliches Fest des Lebens wirken lässt.

Under the Tree (Undir trénu, Island 2017)

Regie: Hafsteinn Gunnar Sigurðsson

Drehbuch: Huldar Breiðfjörð, Hafsteinn Gunnar Sigurðsson (nach einer Idee von Huldar Breiðfjörð)

mit Steinþór Hróar Steinþórsson, Edda Björgvinsdóttir, Sigurður Sigurjónsson, Þorsteinn Bachmann, Selma Björnsdóttir, Lára Jóhanna Jónsdóttir, Dóra Jóhannsdóttir, Sigrídur Sigurpálsdóttir Scheving

Länge: 89 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Filmportal über „Under the Tree“

Moviepilot über „Under the Tree“

Metacritic über „Under the Tree“

Rotten Tomatoes über „Under the Tree“

Wikipedia über „Under the Tree“


TV-Tipp für den 17. Mai: Messer im Kopf

Mai 16, 2019

3sat, 22.25

Messer im Kopf (Deutschland 1978)

Regie: Reinhard Hauff

Drehbuch: Peter Schneider

Bei einer Razzia wird der Biogenetiker Dr. Berthold Hoffmann (Bruno Ganz) von einem Polizisten angeschossen. Durch den Kopfschuss hat er sein Gedächtnis verloren. Die Polizei behauptet, dass Hoffmann ein gefährliche Terrorist sei und den Polizisten angegriffen habe. Seine Freunde sagen, er sei ein harmloser Bürger und Opfer des Polizeiterrors.

Packender Polit-Thriller, der das damalige Klima des Deutschen Herbst aufgreift und immer mehr zu einem intelligentem Psychodrama wird, das bis zum letzten Bild (und darüber hinaus) zum Nachdenken über die eigene Position anregt.

Lief seit Ewigkeiten nicht mehr im TV.

mit Bruno Ganz, Angela Winkler, Hans-Christian Blech, Heinz Hönig, Hans Brenner, Udo Samel, Eike Gallwitz, Hans Noever

Hinweise

Filmportal über „Messer im Kopf“ und über Terrorisms im deutschen Film

Rotten Tomatoes über „Messer im Kopf“

Wikipedia über „Messer im Kopf“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „The Silence“ – überflüssiger B-Horror

Mai 16, 2019

In einer Höhle in den USA öffnen einige Höhlenforscher einen Hohlraum, in dem seit Jahrhunderten Lebewesen leben, die später „Avispa“ (spanisch für Wespe) genannt werden. Obwohl sie mehr wie eine missgelaunte Kreuzung aus Fledermaus und Hähnchen aussehen. Sie sehen nichts, aber sie haben ein sehr gutes Gehör und sie stürzen sich auf jedes Geräusch. Für diese Monster sind andere Lebewesen Nahrung. Sie verbreiten sich rasend schnell über die USA. Ob sie auch nach Europa, Afrika und Asien kommen, wissen wir nicht.

Schnell veröffentlicht die Regierung eine Warnung: „Schließen Sie alle Fenster und Türen. Machen Sie keine Geräusche. Fahren Sie nicht mit dem Auto. Gehen Sie nicht aus dem Haus. Bringen Sie sich in Sicherheit und verhalten Sie sich absolut still. Nehmen Sie diese Hinweise ernst und setzen Sie nicht Ihr Leben aufs Spiel!“

In diesem Moment denkt man an John Krasinskis Horrorfilm „A quiet Place“, der das Zeug zum Klassiker hat, den Kinosaal wirklich in einen quiet Place verwandelte und mindestens einen sehr interessanten Subtext hatte. All das hat der laute „The Silence“ nicht.

Außerdem inszenierte Krasinski seinen Horror-Thriller so gut, dass man erst lange nach dem Abspann über die nicht plausiblen Momente nachdachte. Zum Beispiel warum die Menschen die außerirdischen Monster nicht mit Geräuschen an bestimmte Orten lockten und dort töteten.

Immerhin tun das in „The Silence“ die Andrews‘ ab und an, aber halt nicht immer. Sie sind eine ganz normale, glückliche US-Familie. Der Vater Hugh Andrews (Stanley Tucci) ist ein Architekt. Er ist glücklich verheiratet mit Kelly (Miranda Otto). Sie haben zwei Kinder: die fast erwachsene, seit einem Unfall vor einigen Jahren taube Ally (Kiernan Shipka) und ihr zwölfjähriger Bruder Jude (Kyle Breitkopf). Kellys Mutter Lynn (Kate Trotter) lebt ebenfalls bei ihnen. Und sie haben einen Hund. Hughs bester Freund und Arbeitskollege Glen (John Corbett) begleitet sie am Anfang ihrer Reise. Denn die Andrews‘ ignorieren jede Warnung der Regierung. Sie verlassen ihr Haus und die Stadt und machen sich auf den Weg an irgendeinen Ort, der sicher vor den Avispas sein soll.

Später erfahren sie, dass es im Norden sicher sein soll, weil die Avispas Kälte nicht vertragen.

Annabelle“-Regisseur John R. Leonetti inszeniert das als Reisegeschichte, die ihre eigene Prämisse und ihre Figuren niemals ernst nimmt.

Das beginnt schon damit, dass bei vielen Gesprächen mit der gehörlosen Ally alle sich gleichzeitig in Gebärdensprache unterhalten und miteinander reden. Nur ist es vollkommen unsinnig, etwas zu sagen, wenn man es gerade mit seinen Fingern zeigt. Im wirklichen Leben tut man das nicht, weil es keinen Grund dafür gibt.

Weiter geht es damit, dass die Menschen in Massen ihre Wohnungen verlassen und mit ihren Autos die Highways blockieren. So ein Megastau sieht zwar gut aus. Aber warum die geräuschsensiblen Avispas nicht alle Autofahrer auf der Autobahn attackieren, bleibt rätselhaft. Dafür werden die Andrews‘ und Glen später auf einer Waldstraße von den Avispas angegriffen.

Sowieso reagieren die Viecher mal auf Geräusche, mal nicht. Halt wie es gerade passt.

Entsprechend sorglos verursachen die Menschen immer wieder Geräusche und unterhalten sich.

Und die Idee, dass eine Person, die nichts hört, besonders gut gegen die Tiere, die auf jedes Geräusch reagieren, kämpfen kann, ist kompletter Blödsinn. Denn Ally, die die Protagonistin sein soll, hört überhaupt nicht, welche Geräusche sie verursacht. Sie ist die am wenigsten geeignete Person, um gegen Tiere zu kämpfen, die jede Geräuschquelle hemmungslos attackieren.

Dieser laxe Umgang mit der Prämisse fällt im Film schnell auf. Durchgehend ignorieren die Macher die von ihnen aufgestellten Regeln. Sie klatschen die bekannten Dystopie-Standard-Situationen lustlos und ohne irgendein Gefühl für Stimmung und Spannung hintereinander. Und auch wenn gerade einige Menschen von den Monstern angegriffen werden, bleibt es erstaunlich unblutig. Da ist jede Folge von „The Walking Dead“ brutaler.

The Silence“ ist ein deprimierend einfallsloses B-Picture, das sogar beinharte Genre-Fans getrost ignorieren können.

The Silence (The Silence, USA/Deutschland 2018)

Regie: John R. Leonetti

Drehbuch: Shane Van Dyke, Carey Van Dyke

LV: Tim Lebbon: The Silence, 2015 (The Silence)

mit Stanley Tucci, Kiernan Shipka, Miranda Otto, Kate Trotter, John Corbett, Kyle Breitkopf, Billy MacLellan

Länge: 90 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Filmportal über „The Silence“

Moviepilot über „The Silence“

Metacritic über „The Silence“

Rotten Tomatoes über „The Silence“

Wikipedia über „The Silence“

Meine Besprechung von John R. Leonettis „Annabelle“ (Annabelle, USA 2014)

Meine Besprechung von John R. Leonettis „Wish upon“ (Wish upon, USA 2017)


Neu im Kino/Filmkritik: „Was kostet die Welt“ und was kostet die Ärmelkanal-Insel Sark?

Mai 16, 2019

Sark ist eine zu Großbritannien gehörende Insel im Ärmelkanal, die, so erzählt uns Regisseurin Bettina Borgfeld in ihrem Dokumentarfilm „Was kostet die Welt“, bis vor einigen Jahren ein Paradies war. Formal gehört die Insel zur britischen Krone, was bedeutet, dass die Inselbewohner sich nicht an britisches und nicht an EU-Recht halten müssen. Sie können sich ihre Gesetze selbst geben. Und das taten sie. Die knapp sechshundert Bewohner lebten damals einträchtig zusammen, halfen sich, zahlten keine Steuern und mussten auch sonst kaum Geld ausgeben. Die Politik wurde, ohne dass sich jemand beschwerte, von den wenigen Grundbesitzern, die auch nur ein Grundstück haben durften, gemacht. Sark war damals auch ein Feudalstaat. Weil aber niemand dagegen protestierte, lebten alle Sarker friedlich zusammen. Die Touristen, die das urige Inselleben ohne nervige Autoverkehr und mit viel Matsch genießen wollten, sorgten für gute Einnahmen für die Insel.

Das änderte sich, als 2007 die Barclay-Zwillingsbrüder David und Frederick in großer Menge Land aufkauften. Es hieß, sie wollten ein Luxusressort für Reiche schaffen. Nur, so fragten sich die Bewohner von Sark, warum sollen Menschen, die in Monaco und London in den besten Hotels absteigen, auf ihrer Insel Urlaub machen?

Borgfeld fragte sich das auch. Mit „Was kostet die Welt“ liegt jetzt ihre in vier Jahren Drehzeit entstandene Langzeitstudie über den Kampf zwischen den Inselbewohnern und dem internationalen Finanzkapital vor. Es ist ein klassischer David-gegen-Goliath-Kampf, in dem die mächtigen Bösewichter, die Barclay-Brüder, mit großzügig bezahlten Aufträgen und Jobs Inselbewohner einkaufen, in einer Zeitung rabiat und verleumderisch gegen die anderen Bewohner vorgehen und vor Gericht Reformen durchsetzen. So schaffen sie das Feudalsystem ab. Ab jetzt muss es einen demokratisch legitimierte und gewählte Inselregierung geben. Am 10. Dezember 2008 gibt es die ersten Wahlen auf Sark. Weil in den Wahlen die gegen die Barclay-Brüder eingestellten Kandidaten die Mehrheit der Sitze gewinnen, eskaliert der Konflikt in den nächsten Tagen – die Barclays schließen alle ihre Hotels – und Jahren.

Diesen auf den ersten Blick aussichtslosen Kampf zeichnet Borgfeld aus Sicht der Inselbewohner chronologisch bis in die Gegenwart nach. Dabei ist ihre Sympathie für die oft älteren Inselbewohner, deren Leben sie über Jahre verfolgt, immer spürbar und sie verklärt das Inselleben zur konfliktfreien, schützenswerten Idylle. Ein längeres Interview mit den Barclay-Brüdern oder einem ihrer hochrangigen Vertretern hätte für einen Ausgleich sorgen können. Aber die klagefreudigen und öffentlichkeitsscheuen Barclays verweigerten für den Film jedes Gespräch. Nur deren Statthalter kommt zu Wort. Er sagt das, was Angestellte sagen müssen und, nach der Qualität des Filmmaterials, musste Borgfeld hier auf andere Quellen zurückgreifen.

Ihre überzeugende These ist, dass die Barclays Sark kaufen, um die Insel zu einer Steueroase zu machen, die mit dem Hubschrauber von Paris und London erreichbar ist. Klassischer Tourismus spielt da keine Rolle.

Borgfeld zeigt in ihrer Fallstudie eindrücklich, wie internationale Finanzinvestitionen funktionieren und rücksichtslos gewachsene Beziehungen zerstören. Dieser Wandel geschieht auf Sark auf Druck der Barclay-Brüder schneller als an anderen Orten.

Am 6. Juni läuft „Push – Für das Grundrecht auf Wohnen“ in unseren Kinos an. In der ebenfalls sehenswerten Dokumentation wird gezeigt, wie internationale Investmentfirmen Wohnungen aufkaufen und leerstehen lassen, um sie so schnell gewinnbringend weiterzuverkaufen.

Was kostet die Welt (Deutschland 2019)

Regie: Bettina Borgfeld

Drehbuch: Bettina Borgfeld

Länge: 91 Minuten

FSK: ?

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Was kostet die Welt“

Moviepilot über „Was kostet die Welt“

Wikipedia über Sark


Neu im Kino/Filmkritik: „Breakthrough – Zurück ins Leben“ für die Faith-Based-Community

Mai 16, 2019

Natürlich kann Glaube in einem Film behandelt werden und natürlich kein ein solcher Film auch für Atheisten oder am Glauben vollkommen desinteressierte Menschen interessant sein. Der Film kann sogar ein Filmklassiker werden. Zum Beispiel Robert Bressons „Tagebuch eines Landpfarrers“, Ingmar Bergmans „Das siebente Siegel“, Pier Paolo Pasolinis „Das 1. Evangelium – Matthäus“, Martin Scorseses „Die letzte Versuchung Christi“ oder auch Mel Gibsons sehr umstrittene „Die Passion Christi“. In diesen Filmen wird der christliche Glaube in verschiedenen Facetten thematisiert. Die Figuren hadern mit sich, ihrem Glauben, Gott und der christlichen Botschaft, nach der sie bestimmte Dinge tun sollten, und ihrem Leben. Diese Filme stellen Fragen nach dem Sinn des Lebens.

Breakthrough – Zurück ins Leben“ tut das nicht. Er versucht es noch nicht einmal. Denn es handelt sich um einen glaubensbasierten Film (bzw. „faith-based movie“ oder „Christian Movie“). In den USA sind diese Filme ein kommerziell sehr erfolgreiches Marktsegment, das nur die Zuschauer im Bible Belt begeistern soll. Das Budget ist überschaubar. Bekannte Schauspieler, Autoren und Regisseure sind nicht involviert. Die Filme sind meistens in jeder Beziehung grottenschlecht. Bei uns in Deutschland laufen diese Filme fast nie im Kino und sie werden auch nur selten auf DVD veröffentlicht.

Warum das so ist, zeigt „Breakthrough – Zurück ins Leben“ fast schon exemplarisch. Und dabei gehört er dank des straffen Drehbuchs, der professionellen Regie und der engagierten Schauspieler noch zu den besseren Faith-based-Werken. Der Film erzählt die wahre Geschichte von John Smith aus Lake St. Louis, einem Vorort von St. Louis, Missouri. Der vierzehnjährige Junge bricht im Eis ein. Fünfzehn Minuten ist er unter Wasser. In der Notaufnahme wird später erfolglos versucht, ihn wiederzubeleben. Als Johns Adoptivmutter Joyce Smith ins Krankenhaus kommt, sagt der Arzt ihr, sie solle von John Abschied nehmen. Stattdessen beginnt Joyce Smith, aktives Mitglied einer Pfingstler-Gemeinde, Gott anzuflehen, ihren Sohn am Leben zu lassen. Ihr Gebet wird prompt erhört. Jetzt muss John nur noch aus dem Koma erwachen. Das geht, so erzählt uns der Film todernst, am Besten mit Gebeten.

Heute ist John wieder mopsfidel. Und seine Mutter schrieb ein Buch darüber, wie ihr Sohn von dem Tod zurückkehrte.

Das Problem des durchaus kompetent auf TV-Serienniveau gemachten Films (Roxann Dawson ist eine erfahrene TV-Serienregisseurin, Grant Nieporte schrieb „Sieben Leben“ und er hat seinen Syd Field gelesen, die Schauspieler stolpern nicht hilflos aus dem Bild) ist dabei nicht unbedingt seine Botschaft, sondern wie sie präsentiert wird und was für eine Art Glauben präsentiert wird. Präsentiert wird sie humorfrei und pathosgetränkt mit dem Holzhammer, der nur die eh schon Überzeugten in ihrer Meinung bestätigt.

Der christliche Glaube, der hier und in allen faith-based Movies, gezeigt wird, ist ein hoffnungslos naiver, kindischer Glaube. So fleht Joyce Smith Gott an, ihren Sohn vom Tod zurückzuholen und weil ihr Sohn überlebte, ist ihr Glauben gefestigt. Allerdings ist ihr Glaube rein zweckmäßig auf ein egoistisches Ziel ausgerichtet. Beim Tod ihres Sohnes hätte sie ohne zu Zögern von ihrem vorher wie eine Monstranz vor sich her getragenem Glauben abgeschworen. Schließlich hat Gott ihren Wunsch nicht erfüllt.

Es ist auch ein Glaube, der nicht reflektiert wird, über den nicht diskutiert wird und der auch keine rationalen Argumente für sich hat, sondern der nur überwältigen soll. Alles Gute wird auf Gottes Tun reduziert. Andere Erklärungen gibt es nicht oder sie werden in einem Nebensatz als idiotische Meinung eines Experten abgetan. So ist es, was auch ein Arzt im Film sagt, vollkommen normal, wenn eine im Koma liegende Person zuckt. Für Johns Mutter ist das kein Reflex, sondern eine von ihrem Sohn bewusst getätigte Bewegung.

Dieser primitive und von der Richtigkeit der eigenen Meinung überzeugte Laienglaube steht im Mittelpunkt von „Breakthrough“ (und auch anderen Faith-based Movies) und macht den Film zu einem Pamphlet, das noch nicht einmal zur Sonntagspredigt taugt.

Breakthrough – Zurück ins Leben (Breakthrough, USA 2019)

Regie: Roxann Dawson

Drehbuch: Grant Nieporte

LV: Joyce Smith: The Impossible: The Miraculous Story of a Mother’s Faith and Her Child’s Resurrection, 2017

mit Chrissy Metz, Josh Lucas, Topher Grace, Mike Colter, Marcel Ruiz, Sam Trammell, Dennis Haysbert

Länge: 117 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Breakthrough“

Metacritic über „Breakthrough“

Rotten Tomatoes übes „Breaktrough“

Wikipedie über „Breakthrough“

History vs. Hollywood über das Wunder – und warum es nicht auf die Richtigkeit von Fakten, sondern auf deren Interpretation ankommt erfahren wir in der nächsten Folge von…


Longlist für den Crime Cologne Award 2019 veröffentlicht

Mai 15, 2019

Am Mittwoch wurde die Longlist für den diesjährige Crime Cologne Award veröffentlicht. Folgende deutschsprachigen Kriminalromane sind aus Sicht der Jury preiswürdig:

»Der schlaflose Cheng« von Heinrich Steinfest (Piper Verlag)

»Der Turm der blauen Pferde« von Bernhard Jaumann (Galiani Verlag)

»Das Jahr der Katze« von Christoph Peters (Luchterhand Literaturverlag)

»Schmerzensgeld« von Michael Opoczynski (Benevento Verlag)

»Der dunkle Bote« von Alex Beer (Limes Verlag)

»Berlin Prepper« von Johannes Groschupf (Suhrkamp Verlag)

»Liebes Kind« von Romy Hausmann (dtv Verlag)

»Versuchung« von Florian Harms (Benevento Verlag)

»Die Einsamkeit der Schuldigen – Das Verlies« von Nienke Jos (Gmeiner Verlag)

»Sojus« von Martin von Arndt (Ars Vivendi Verlag)

»Der Würfel« von Bijan Moini (Atrium Verlag)

»Im Jahr der Finsternis« von I.L. Callis (Emons Verlag)

Die Jury besteht aus Mike Altwicker (Vorsitz, Buchhändler), Petra Pluwatsch (Journalistin), Marc Raabe (Autor), Birgitt Schippers (Journalistin) und Margarete von Schwarzkopf (Kritikerin).

Die Verleihung des mit 3.000 Euro dotierten Preises ist am 22. September während der Eröffnungsgala des Krimifestivals.

Die Crime Cologne findet vom 23. bis 29. September in Köln statt. Der Vorverkauf startet am 29. Mai.

Alle weiteren Informationen auf der Festivalhomepage.

Einige bekannte Namen, einige noch nicht so bekannte Namen und „Schmerzensgeld“ (klingt nach der deutschen Version von „Leverage“) und „Berlin Prepper“ (Berlin!) liegen auf meinem Zu-Lesen-Stapel.


TV-Tipp für den 16. Mai: Das #tvDuell zur Europawahl

Mai 15, 2019

ZDF, 20.15

Das #tvDuell zur Europawahl

Das Duell in Spielfilmlänge: in der linken Ecke Manfred Weber (CSU, Europäische Volkspartei), in der anderen Frans Timmermans (Europäische Sozialdemokraten). Welcher Spitzenkandidat wirbt überzeugender für die Europäische Union?

Um 22.15 Uhr treten dann die Spitzenkandidatinnen von Linken, Grünen, FDP und AfD gegeneinander an. Eine Stunde lang sprechen Özlem Demirel (Die Linke), Ska Keller (Bündnis 90/Die Grünen), Nicola Beer (FDP) und Jörg Meuthen (AfD) über ihre Ideen für die EU.

Mehr Infos zu diesen Sendungen

 


Tito Topin meint „Tanzt! Singt! Morgen wird es schlechter“

Mai 15, 2019

In naher Zukunft wurde Frankreich zu einem Gottesstaat, weil – und diese unglaubwürdige Prämisse muss man einfach akzeptieren – die monotheistischen Religionen sich gegen die Ungläubigen zusammenschlossen. Zuerst gab es Umerziehungslager. Aber als auch in ihnen nicht alle Gottlosen bekehrt werden konnten, begannen die religiösen Regierungen die Atheisten zu verfolgen. Inzwischen gibt es nur noch wenige Zufluchtsorte.

Der Journalist Boris hat es sich mit den neuen Machthabern gründlich verscherzt, weil er in einer Reportage einen Bischof der Pädophilie beschuldigt hat. Auf seiner Flucht von Frankreich nach Spanien nimmt er, zur Tarnung, die schwangere Anissa mit.

Später stoßen noch seine Ex-Freundin Soledad, bei der sie kurz untertauchen konnten, und der alte Bankräuber Pablo, dessen Auto sie klauen, zu ihnen.

Dieses Quartett wird von der Polizistin Gladys Le Querrec, einer anderen Ex-Freundin von Boris, und Abdelmalec Chaambi, einem von den religiösen Oberhäuptern beauftragten Killer, nach Lissabon verfolgt.

Mit Fluchtgeschichten hat Tito Topin seine Erfahrung. Er wurde 1932 in Casablanca geboren, emigrierte nach Brasilien, kehrte 1962 zurück und zog 1966 nach Paris. Dort arbeitete er als Illustrator und Autor. Sein erster Kriminalroman erschien 1982 bei Gallimard in der Série Noire. Damit dürfte schon klar sein, wo seine literarischen Vorbilder zu suchen sind. Er schrieb auch Drehbücher, vor allem für TV-Filme und Serien, und er erfand die TV-Serie „Navarro“ (Kommissar Navarro). In Frankreich ein langlebiger Hit. In Deutschland wurden in den Neunzigern einige Folgen von ProSieben gezeigt und von kabel eins wiederholt.

Er schrieb auch den Noir „Exodus aus Libyen“ (Libyan Exodus, 2013) über eine während des Bürgerkriegs auf ihrer Flucht aus dem nordafrikanischen Staat zusammengewürfelte Gruppe.

Sein neuester Roman „Tanzt! Singt! Morgen wird es schlechter“ variiert auf den ersten Blick diese Geschichte. Mit einem anderen Ziel der Flucht. Seine Figuren stammen aus der gut etablierten Welt des Polar, der französischen Version des US-amerikanischen Hardboiled-Krimis und des Film Noir. Sie wirken daher auch etwas aus der Zeit gefallen. Das ist nämlich näher bei Ross Thomas und Jean-Patrick Manchette, als bei der Gegenwart.

Und die Idee eines katholischen Gottesstaates ist angesichts der rapide schwindenden Mitgliederzahlen der christlichen Kirchen doch etwas utopisch.

Das gesagt, ist „Tanzt! Sing!“ ein flott zu lesender Polar, der wohlige Erinnerungen an die Zeiten weckt, als harte Männer böse Dinge taten, lässig noch bösere Bösewichter besiegten und selbstverständlich jede Frau bekamen. Es sind die flott geschriebenen pulpigen Abenteuergeschichten der sechziger, siebziger und auch noch achtziger Jahre, die man heute noch vereinzelt in Antiquariaten findet und die eine wunderschön-entspannte Retro-Lektüre sind.

Außerdem ist Tito Topin inzwischen in dem Alter, in dem von einem Künstler nicht mehr jugendliche Revolten, sondern ein gesittetes Alterswerk erwartet wird. Ein Buch halt, das noch einmal alle Themen der vorherigen Werke quasi archivarisch bündelt, während der Held an Altersgebrechen leidet und sich an seine Vergangenheit erinnert. So ein sentimentaler Schmonz interessiert Topin nicht. Sein Roman ist wie ein Punksong; auch von der Länge. Sein Held ist Mitte Dreißig. Sein Kampfgeist ist ungebrochen. Denn sein Leben liegt noch vor ihm. Und das will er nicht in einem Gottesstaat verbringen.

Tito Topin: Tanzt! Singt! Morgen wird es schlechter

(übersetzt von Katarina Grän)

Distel Literaturverlag, 2018

192 Seiten

14,80 Euro

Originalausgabe

L’exil des mécréants

SL Publications, Paris, 2017

Hinweise

Homepage von Tito Topin

Distel Literaturverlag über Tito Topin

Wikipedia über Tito Topin

Perlentaucher über Tito Topin

Meine Besprechung von Tito Topins „Exodus aus Libyen“ (Libyan Exodus, 2013)

Meine Besprechung von Tito Topins „Fieber in Casablanca“ (55 de fièvre, 1983)


TV-Tipp für den 15. Mai: Julieta

Mai 15, 2019

Arte, 20.15

Julieta (Julieta, Spanien 2016)

Regie: Pedro Almodóvar

Drehbuch: Pedro Almodóvar

LV: Alice Munro: Runaway, 2004 (Tricks)

Als Julieta in Madrid zufällig eine Jugendfreundin ihrer Tochter, die vor zwölf Jahren gruß- und spurlos aus ihrem Leben verschwand, trifft, erinnert sie sich an ihr Leben und die Entscheidungen, die sie getroffen hat.

Ruhiges, komplexes Drama von Almodóvar, das er bescheiden eine Hommage an die Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro nennt. Die Grundlage für Julietas Geschichte sind die in „Tricks“ veröffentlichten Erzählungen „Entscheidung“, „Bald“ und „Schweigen“.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Emma Suárez, Adriana Ugarte, Daniel Grao, Inma Cuesta, Darío Grandinetti, Rossy de Palma, Michelle Jenner, Pilar Castro

Die Vorlage

Munro - Tricks - Taschenbuch

Alice Munro: Tricks – Acht Erzählungen

(übersetzt von Heidi Zerning)

Fischer Taschenbuch Verlag

384 Seiten

9,95 Euro (Taschenbuch)

21,99 Euro (gebundene Ausgabe)

Deutsche Erstausgabe

Fischer, 2006

Originalausgabe

Runaway

Alfred A. Knopf, 2004

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Spanische Homepage zum Film

Moviepilot über „Julieta“

Metacritic über „Julieta“

Rotten Tomatoes über „Julieta“

Wikipedia über „Julieta“ (englisch, spanisch) und Alice Munro (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Pedro Almodóvars „Fliegende Liebende“ (Los amates Pasajeros, Spanien 2013)

Meine Besprechung von Pedro Almodóvars „Julieta“ (Julieta, Spanien 2016)

Pedro Almodóvar in der Kriminalakte


Cover der Woche

Mai 14, 2019