Knacki Rudi Duncan freut sich wie Bolle. Unter der Identität eines verstorbenen Knastkumpels will er sich an dessen Brieffreundin heranmachen. Die sieht nämlich unglaublich gut aus. Dummerweise hat sie einen Bruder. Der möchte, dass Rudi ihm beim Überfall eines Casinos hilft. Ein Casino, in dem Rudi früher arbeitete.
John Frankenheimers letzter Kinofilm ist nicht gerade ein Meisterwerk, aber ein vergnüglicher Neo-Noir mit viel Schnee, Weihnachtsmännern und vielen Dingen, die mit Weihnachten nichts zu tun haben.
„Mag das Drehbuch auch gelegentlich ein wenig überkonstruiert erscheinen, die Inszenierung von Regie-Veteran Frankenheimer erweist sich als absolut schnörkellos und handwerklich perfekt.“ (tip 25/2000)
Die US-Kritik war nicht so begeistert.
Frankenheimer inszenierte „Der Gefangene von Alcatraz“, „Botschafter der Angst“ (The Manchurian Candidate), „Grand Prix“, „French Connection II“, „Schwarzer Sonntag“ und „Ronin“.
mit Ben Affleck, Gary Sinise, Charlize Theron, Donal Logue, Danny Trejo, Clarence Williams III, Dennis Farina
Als der bekannte Popmusiker Oliver mit seiner Entourage in Los Angeles einen kleinen Second-Hand-Shop betritt, legt der Verkäufer Matthew die richtige Playlist auf. Nämlich nicht die Songs des Musikers, sondern Songs von Musikern, mit denen er sich gerade beschäftigt. Sie kommen ins Gespräch und Oliver lädt Matthew zum Konzert ein.
Im folgenden schildert Alex Russell, der Bücher für die TV-Serien „Dave“, „Beef“ und „The Bear“ schrieb, in seinem Spielfilmdebüt wie Matthew sich in Olivers Leben einschleicht. Er macht sich nützlich, ist immer verfügbar und hängt in dem Haus des Musikers herum; wie die anderen, ungefähr gleichaltrigen Menschen in Olivers Umfeld.
Dieses Porträt eines jungen, bekannten Musikers und seines parasitären Umfelds ist als Zustandsbeschreibung ziemlich gelungen. Eine richtige Geschichte will sich daraus nicht entwickeln. Der gesamte Film fühlt sich wie ein Prolog zu einer Geschichte an. Auch weil unklar ist, wie sehr Matthew wirklich ein Fan von Oliver ist und was er genau von Oliver will.
Dass Russell nicht wusste, welche Geschichte er in welchem Genre erzählen will – wobei „Lurker“ gut als psychologisches Drama und Horrorfilm gelabelt werden kann –, zeigt sich deutlich am Ende. Anstatt auf ein bestimmtes Ende hinzuarbeiten, bietet er mehrere verschiedene Enden an. Aus ihnen kann man sich sein Lieblingsende heraussuchen. Die davor entstandenen Lücken muss man dann entsprechend ausfüllen.
Lurker (Lurker, USA 2025)
Regie: Alex Russell
Drehbuch: Alex Russell
mit Théodore Pellerin, Archie Madekwe, Havana Rose Liu, Sunny Suljic, Zack Fox, Daniel Zolghadri, Olawale Onayemi
In ihrem Filmdebüt erzählt Eva Victor, die auch das Drehbuch schrieb und die Hauptrolle übernahm, in fünf, sich über ebenso viele Jahre erstreckende, nicht chronologisch erzählten Kapiteln, wie Agnes, eine junge, in Neuengland lebende Literaturprofessorin, ein traumatisches Erlebnis verarbeitet. Was das war, wird erst am Filmende mehr oder weniger enthüllt.
Victor konzentriert sich in „Sorry, Baby“ auf ihre allein lebende Protagonistin und ihr Seelenleben. Sie erzählt diese Verarbeitung eines sexuellen Übergriffs sehr unauffällig und reduziert. Auch den Übergriff zeigt sie nicht. Sie zeigt nur das ‚davor‘ und das ‚danach‘. Entstanden ist ein stiller, ein leiser, ein introvertierter Film.
Sorry, Baby (Sorry, Baby, USA 2025)
Regie: Eva Victor
Drehbuch: Eva Victor
mit Eva Victor, Naomi Ackie, Louis Cancelmi, Kelly McCormack, Lucas Hedges, John Caroll Lynch
LV: Sara Varon: Robot Dreams, 2007 (Robo und Hund)
New York in den Achtzigern: ein Hund lebt in einem Apartment. Als er sich einen Roboter bestellt, erhält er einen echten Freund. Bis…
TV-Premiere. „Robot Dreams“ ist ein lebensbejahender, bittersüßer, humorvoller und sehr kluger Animationsfilm über große Themen für Menschen jeden Alters. Einer meiner Kinofilme des Jahres 2024.
Was kann über den dritten „Avatar“-Film gesagt werden, was nicht bereits über die ersten beiden Filme gesagt wurde? Sicher, es gibt einige neue Figuren, aber die Welt ist bereits etabliert. Die Hauptpersonen ebenso. Aber das Umfeld, in dem James Cameron seine Geschichte weiter erzählt, ist anders. Als „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ 2009 in die Kinos kam, fragte man sich, wer einen solchen überlangen Fantasy-Film in 3D sehen will. Viele, sehr viele Menschen wollten das. Das Epos spielte 2,9 Milliarden US-Dollar ein. Und danach war die 3D-Brille ein notwendiges Accessoire beim Kinobesuch. Der 3D-Hype ebbte glücklicherweise ab.
Der zweite „Avatar“-Film „The Way of Water“ kam 2022 in die Kinos und spielte 2,3 Milliarden US-Dollar ein. Bei dem Science-Fiction-Film beeindruckten, wie schon beim ersten Film, die Bilder. Gefühlt bearbeiteten James Cameron und sein Team in jahrelanger Arbeit jedes Bild am Computer nach. Es sah atemberaubend fantastisch und echt aus. Sogar die 3D-Brille störte nicht. Cameron zeigte, wie gut CGI sein kann. Danach sahen in jedem Superheldenfilm die Effekte erbärmlich schlecht aus.
Und jetzt läuft der dritte „Avatar“-Film an. „Fire and Ash“ heißt er. Die Brille wird wieder aufgesetzt. Die Bilder sehen wieder fantastisch aus. Wieder wurde fast jedes Bild nachbearbeitet. Nur sieben Aufnahmen, die ungefähr elf Sekunden des 197 Minuten langen Films ausmachen, wurden nicht bearbeitet. Die Story war schon in den beiden vorherigen „Avatar“-Filmen banal. Aber sie funktionierte. Dieses Mal enttäuscht sie als schlechte Wiederholung der Geschichte von „The Way of Water“.
Kurz nach den Ereignissen des zweiten „Avatar“-Films trauern die Mitglieder der Familie Sully, die bei dem am und im Wasser lebenden Metkayina Clan leben, über die Verluste, die sie vor wenigen Wochen in einer Schlacht mit den Soldaten der Resources Development Administration (RDA) erlitten. Die RDA will den Planeten für die Menschheit erobern.
Weil der bei den Sullys lebende Miles ‚Spider‘ Socorro, ein Mensch, bei dem Metkayina Clan nicht in Sicherheit ist, wollen sie ihn auf einem Schiff des Talim Clans, den Windhändlern, zu einem sicheren Ort bringen lassen. Zusammen begeben sie sich auf die Reise.
Kurz nach dem Abflug werden sie von Mitgliedern des Mangkwan Clans, den Ascheleuten, überfallen. Angeführt wird der Clan von der Kriegerin Varang. Varang arbeitet mit den Menschen zusammen, die ‚Spider‘ unbedingt für, ähem, wissenschaftliche Zwecke fangen wollen.
Aus dieser Prämisse – die Menschen und die Ascheleute wollen unbedingt ‚Spider‘ fangen – entwickelt sich dann eine erstaunlich holprig erzählte Geschichte, die gleichzeitig zu lang und zu kurz ist. Cameron pendelt zwischen epischen Actionszenen, langen Naturbertrachtungen und gefühlig trauernden und sich schuldig fühlenden Figuren. Wie in vielen anderen aktuellen Filmen wird sich auch in „Fire and Ash“ viel Zeit genommen, um posttraumatische Belastungsstörungen ausführlich anzusprechen. Die restliche Story setzt sich aus aus Actionfilmen vertrauten Storyelementen zusammen. Insofern ist in diesen Filmen der Trauerprozess nur das Schinden von Erzählzeit vor der nächsten Actionszene.
Die Story entwickelt sich nach einem poetischem, sich Zeit nehmendem Anfang immer wieder holprig voran und zerfasert. Einige Szenen dauern zu lang, wichtige Szenen werden übergangen, die neuen Figuren werden, falls überhaupt, arg lieblos eingeführt und über die neuen Clans erfahren wir fast nichts.
Immerhin erhält Varang (Oona Chaplin), die Anführerin des Magkwan Clans, eine gute Einführung. Im Verlauf des Films erfahren wir dann kaum etwas über sie. Dabei hätten wir gerne mehr über diese charismatische Kämpferin, ihr Volk und ihre Beziehung zu Feuer und Asche erfahren.
Die Geschichte wirkt, auch weil das Finale wieder eine epische Seeschlacht ist, wie eine Wiederholung von „The Way of Water“. Allerdings ohne die Klarheit des zweiten Teils, weil dieses Mal unklar ist, wer genau warum mit welchem Ziel gegen wen kämpft. Das zeigt sich vor allem in der langen, den Film beendenden Seeschlacht, die einfach nur eine konfuse und entsprechend langweilige Abfolge von Kämpfen ist, in denen jeder gegen jeden kämpft, bis sie irgendwann vorbei ist. Das gelang James Cameron in seinen vorherigen Filmen besser.
„Avatar: Fire and Ash“ ist gleichzeitig zu lang und zu kurz. Und ohne die überwältigend-neuen Bilder der ersten beiden „Avatar“-Filme.
Avatar 4 ist für Dezember 2029, Avatar 5 für Dezember 2031 angekündigt.
Avatar: Fire and Ash (Avatar: Fire and Ash, USA 2025)
Regie: James Cameron
Drehbuch: James Cameron, Rick Jaffa, Amanda Silver (nach einer Geschichte von James Cameron, Rick Jaffa, Amanda Silver, Josh Friedman und Shane Salerno)
mit Sam Worthington, Zoe Saldaña, Sigourney Weaver, Stephen Lang, Kate Winslet, Oona Chaplin, Cliff Curtis, Britain Dalton, Trinity Bliss, Jack Champion, Bailey Bass, Joel David Moore, CCH Pounder, Edie Falco, Giovanni Ribisi, David Thewlis
TV-Premiere. Bevor er im Kino ab dem 25. Dezember eine waschechte „Therapie für Wikinger“ erhält, lässt Jeanne Burel in ihrer fünfzigminütigen Doku einmal das Leben des Dänen Revue passieren. So spielte er in dem James-Bond-Film „Casino Royale“ den Bösewicht. Seitdem tanzt der Däne zwischen europäischem Arthaus-Kino, schrägen Komödien und Hollywood-Blockbustern.
Davor, um 20.15 Uhr, zeigt Arte Joe Pennas Überlebensdrama „Arctic“ (Island/USA 2018).
Drehbuch: Dominik Graf, Bernd Schwamm, Michael Hatry
Möbelfabrikant Hencken wird vor Schimanskis Stammhotel „Ideal“ erschossen. Für Schimanski, der die Intrigen zweier verfeindeter Familien aufklären muss, der Auftakt zu einem wirklich schwarzen Wochenende. Und das alles ohne seine geliebte Jacke.
Damals war Dominik Grafs „Tatort“ bei der Kritik ziemlich schlecht weggekommen, heute wird er – zu Recht – als einer der düsteren Klassiker gefeiert. Einer der Höhepunkte des Films ist eine halbstündige Verhörsequenz. Heute undenkbar.
Einen großen Plan vom Rest seines Lebens hat niemand von Wolfgang Beckers jungen und überaus sympathischen Protagonisten. Denn das Leben ist eine Baustelle und immer passiert irgendetwas. Zum Beispiel Jans folgenreiche Begegnung mit der Demonstrantin Vera, die gerade vor zwei Zivilpolizisten wegrennt. Danach ist er seinen Job los und schwer verliebt in Vera, die er später zufällig wieder trifft
Wunderschöne Tragikomödie, der Berlin zum unperfekten Sehnsuchtsort machte (Es muss ja nicht immer Seattle, New York, London oder Paris sein.) und zum Kultfilm wurde.
Wolfgang Becker sagte danach „Good bye, Lenin!“, Tom Tykwer ließ Lola durch Berlin rennen und X Filme Creative Pool wurde schnell zu der angesagten deutschen Produktionsgesellschaft.
mit Jürgen Vogel, Christiane Paul, Ricky Tomlinson, Christiana Papamichou, Rebecca Hessing, Armin Rohde, Martina Gedeck, Meret Becker, Andrea Sawatzki
Misty – Die Erroll Garner Story(Misty – The Erroll Garner Story, Schweiz/Frankreich/Deutschland 2024)
Regie: Georges Gachot
Drehbuch: Georges Gachot, Paolo Poloni
TV-Premiere. Spielfilmlange Doku über den Jazzpianisten Errol Garner (1921 – 1977).
Seine bekannteste Aufnahme ist „Concert by the Sea“. Sein bekanntester Song ist „Misty“, unter anderem bedeutungsvoll gespielt in Clint Eastwoods Regiedebüt „Sadisctico“ (Play Misty for me, USA 1971).
Über die Doku meint das Lexikon des Internationalen Films: „Der Dokumentarfilm schöpft aus dem reichen Archivmaterial der Auftritte und macht es sich zur Aufgabe, den Musiker (…) der Vergessenheit zu entreißen. Dazu fährt der Film zahlreiche Lobeshymnen von damals bis heute auf, gerät darüber aber einseitig und wenig dramatisch, zudem widmet er sich zu ausführlich der wenig bekannten, aber auch nicht sehr ergiebigen privaten Seite des Künstlers.“
Trotzdem will man sich danach wieder eine seiner Aufnahmen anhören.
mit (teilweise Archivaufnahmen) Erroll Garner, Jimmie Smith, Ernest McCarty, Brian Torff, Jim Doran, Kim Garner, Rosalyn Noisette, Thelma Spencer, Martha Glaser, Dan Morgenstern, Gil Nobel
Die Unbestechlichen – The Untouchables (The Untouchables, USA 1987)
Regie: Brian De Palma
Drehbuch: David Mamet
Grandioser Gangsterfilm über den Kampf von Eliot Ness und seiner unbestechlichen Mitstreiter gegen Al Capone.
„Mit der ihm eigenen formalen Brillanz hat Brian De Palma diesen authentischen Fall inszeniert. Seine Liebe zum Detail, ausgeklügelte Kamerafahrten und Einstellungen, Ennio Morricones emotionaler Soundtrack und die lakonisch-präzise Charakterisierung der Personen machen den Film zu einem Augen- und Ohrenschmaus.“ (Fischer Film Almanach 1988)
Sean Connery gewann den Oscar als bester Nebendarsteller.
Mit Kevin Costner, Robert de Niro, Sean Connery, Charles Martin Smith, Andy Garcia, Jack Kehoe
LV: Stephen King (ursprünglich als Richard Bachman): The Running Man, 1982 (Menschenjagd)
2017 ist den USA „The Running Man“ die beliebteste TV-Show. In ihr wird ein Sträfling vor laufender Kamera von einigen Profijägern gehetzt. Wenn er überlebt, winken ihm die Freiheit und Geld. Als Ex-Polizist Ben Richards („Terminator“ Arnold Schwarzenegger) zum Mitspielen gezwungen wird, ändern sich die Spielregeln.
Paul Michael Glasers Verfilmung ist nach damaliger Einschätzung „eine extrem teure, zynische Gewaltverherrlichung“ (Fischer Film Almanach 1989, ähnlich das Lexikon des Internationalen Films), bei der das satirische Potential auf der Strecke bleibt. „von eher minderer Qualität“ (Phil Hardy, Hrsg: Die Science Fiction Filmenzyklopädie, 1998)
mit Arnold Schwarzenegger, Maria Conchita Alonso, Richard Dawson, Yaphet Kotto, Jim Brown, Jessen Ventura
Es gibt die einen Weihnachtsfilme. Und dann gibt es noch die Weihnachtsfilme für Menschen, die eigentlich keine Weihnachtsfilme mögen. Also nicht, weil sie lieber „Stirb langsam“ oder „Kevin – Allein zu Haus“ gucken, sondern die lieber eine dieser Schlachtplatten gucken, in denen das Blut in Fontänen über die Leinwand spritzt, während ein psychopatischer Killer munter mehr oder weniger sündige junge Frauen und Männer abschlachtet.
Für die wurde auf den ersten Blick „Silent Night, Deadly Night“ gemacht. Es handelt sich um ein Remake von Charles E. Sellier jr. Horrorfilm „Stille Nacht, Horror Nacht“ (Silent Night, Deadly Night, 1984). Bei uns erschien das Werk im Dezmber 1987 auf Video. Fast schon wohlwollend nannte der Fischer Film Almanach den Film „makabren Unsinn“. Das Lexikon des internationalen Films meinte „Wir raten ab.“
In den USA entstanden bis 1991 vier Fortsetzungen. 2012 gab es eine weitere und jetzt „Silent Night, Deadly Night“. Die Macher nennen ihren Film ein Reboot. Aber sie hätten wohl auch „lose inspiriert von“ oder „eine weitere Fortsetzung“ sagen können.
Jedenfalls begibt sich in dem von Mike P. Nelson geschriebenem und inszeniertem Horrorfilm der junge Drifter Billy jedes Jahr vor Weihnachten auf eine Mordtour. Anstatt Türen vom Adventskalender zu öffnen, tötet er jeden Tag im Dezember bis zu Heiligabend eine Person, die – und jetzt spoilere ich etwas – den Tod verdient haben. Als Kind musste Billy ansehen, wie seine Eltern von einem Nikolaus ermordet wurden. Danach gab es eine Art Geistübertragung von dem sterbenden Nikolaus auf den jungen Billy. Seitdem erkennt er böse Menschen. Diese bringt er dann um.
Vor dem blutigen Töten kämpft der mordlüsterne Nikolaus-Geist mit Billys Geist in Billys Kopf darüber, wer wann den Tod verdient hat. Wie in den „Venom“-Superheldenfilmen hören wir die streitenden Stimmen in Billys Kopf. Was bei „Venom“ der ziemlich witzige Kampf zwischen einem außerirdischem Symbiont und seinem Wirtskörper ist, ist in „Silent Night, Deadly Night“ die günstige und effektive Darstellung von Schizophrenie in einem Film. Diese Idee mit der Stimme im Kopf läuft sich schnell tot.
Der Rest in Mike P. Nelsons in der Gegenwart spielendem Horrorfilm ist eine wenig durchdachte Mischung aus einer durchaus witzige Idee für Billys allweihnachtliche Mordserie und einer schlechten Umsetzung. Die Logiklöcher haben epische Ausmaße. Die Behauptung, dass Billy nur böse Menschen tötet, rechtfertigt auf der einen Seite die Taten, lässt auf der anderen Seite aber jede Diskussion über die Taten vermissen. Eigentlich sind sie nur eine primitive Entschuldigung, um Menschen umzubringen und sich dabei gut zu fühlen. Denn hier ist der Mörder nicht der Bösewicht, der den Tod verdient, sondern der Gute, der böse Menschenkinder bestraft. Die Morde, der Grund für den Slasher-Fan, sich solche Filme anzusehen, sind zwar halbwegs blutig, aber rar und schneller vorbei als ein Axthieb.
Die Verlegung in die Gegenwart macht die Geschichte vollends unglaubwürdig. Spätestens nachdem Billy am Filmanfang in einem Motel einen Polizisten ermordet und fast von den Kollegen des toten Polizisten geschnappt wird, hätte eine großflächige Fahndung nach ihm beginnen müssen. Und dann wäre Billy, so wie er Spuren hinterlässt, schnell geschnappt worden.
„Silent Night, Deadly Night“ ist nicht der Weihnachtsfilm für den Slasher-Horrorfilmfan, sondern bestenfalls nicht sättigendes Graubrot.
Silent Night, Deadly Night(Silent Night, Deadly Nght, USA 2025)
Regie: Mike P. Nelson
Drehbuch: Mike P. Nelson (nach dem Drehbuch von Michael Hickey zu „Silent Night, Deadly Night“ [USA 1984])
mit Rohan Campbell, Ruby Modine, Mark Acheson, David Lawrence Brown, Erik Athavale, David Tomlinson
Nein, besonders produktiv war der am 12. Dezember 2024 verstorbene Wolfgang Becker nicht. Aber jeder seiner wenigen Filme ist sehenswert und war ein Erfolg. „Good bye Lenin“ war 2003 sein größter Publikumserfolg. „Das Leben ist eine Baustelle“ (1997) sein Durchbruch beim Publikum. Und der „Tatort“ „Blutwurstwalzer“ (1991) mit Günther Lamprecht als Hauptkommissar Franz Markowitz und Jürgen Vogel als ‚Verbrecher‘ ist einer der legendären „Tatorte“, der mal wieder gezeigt werden könnte.
Außerdem gehört Becker, neben Tom Tykwer, Dani Levy und Stefan Arndt, zu den Gründern von „X Filme“.
Als der am 22. Juni 1954 geborne Becker mit den Dreharbeiten für die Maxim-Leo-Verfilmung „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ begann, war er bereits an Krebs erkrankt. Der Film sollte sein geplantes Vermächtnis werden. Das erklärt ein wenig das große Aufgebot an Stars in kleinsten Rollen; – wobei sie vielleicht in jedem Fall mitgespielt hätten.
Wenige Tage nach dem Ende der Dreharbeiten starb Becker. Vor seinem Tod konnte er sich einen allerersten Rohschnitt ansehen. Ihm gefiel, was er sah.
Danach übernahm Achim von Borries im Geist von Wolfgang Becker den finalen Schnitt. Er war bereits in die Vorbereitung als Back-up-Regisseur involviert und stand für diese Aufgabe während des Drehs zur Verfügung.
Jüngst wurden bei „Amrum“, Hark Bohms letztem Film, der von Fatih Akin inszeniert wurde, und „Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes“ von Edgar Reitz und Co-Regisseur Anatol Schuster ähnliche Modelle erfolgreich praktiziert.
Doch zurück zu Beckers „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“.
Der titelgebende Held ist Micha Hartung (Charly Hübner). Er ist der angenehm berlinerisch verpeilte Besitzer der Videothek „The Last Tycoon“ (es gibt da einen Film) im Prenzlauer Berg. Fast dreißig Jahre nach dem Mauerfall ist das kein zukunftsträchtiges, sondern, nach dem allgemeinen Tod der Videotheken, ein fast schon hundertprozentiges Pleite-Unternehmen mit einer großen Schublade für noch zu zahlende Rechnungen und Mahnungen.
Als Alexander Landmann (Leon Ullrich) seine Videothek betritt, ändert sich sein Leben. Landmann will zum Mauerfall keine der sattsam bekannten Heldengeschichten mit den sattsam bekannten Protagonisten noch einmal erzählen. Der Journalist will für das „Fakt“-Magazin eine neue Geschichte erzählen und er hat von Michas bislang einem breiten Publikum unbekannter Heldentat gehört. Am 23. Juni 1984 stellte der stellvertretende Stellwerkmeister Micha Hartung eine Weiche um. In der morgendlichen Rush Hour verließ die S-Bahn die vorgesehene Strecke und fuhr 127 Passagiere aus der DDR nach West-Berlin.
Als Landmann die Geschichte, etwas in Richtung Hollywood-Heldengeschichte aus der ehemaligen Ostzone aufbereitet, als Titelgeschichte veröffentlicht, ändert sich Michas Leben. Denn jetzt ist er nicht mehr der erfolglos-zufriedene Schluffi aus dem Prenzlauer Berg, sondern der Held, der bislang über seine Heldentat schwieg. Ein moderner Oskar Schindler. Die Medien- und Vermarktungsmaschine springt an – und wir fragen uns, wie lange das gut gehen kann. Denn selbstverständlich ist Micha nicht der Held, den plötzlich alle in ihm sehen wollen.
„Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ ist ein weiterer wundervoller Berlin- und auch DDR-Film, fein gefilmt von Wolfgang Becker und bis in kleinste Nebenrollen glänzend besetzt mit einem äußerst spielfreudigem Ensemble. Die Komödie ist eine warmherzige Schnurre, eine milde Medienkritik und eine Geschichte, die so nur in Berlin passieren kann.
Beckers letzter Film ist einer der schönsten Filme des Jahres (ich bin noch beim Zusammenstellen meiner Jahresbestenliste) und in jedem Fall ein würdiger Abschluss eines überaus gelungenen Gesamtwerkes.
Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße(Deutschland 2025)
Regie: Wolfgang Becker
Drehbuch: Constantin Lieb, Wolfgang Becker
LV: Maxim Leo: Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße, 2022
mit Charly Hübner, Christiane Paul, Leon Ullrich, Leonie Benesch, Thorsten Merten, Dirk Martens, Peter Kurth, Daniel Brühl, Eva Löbau, Jörn Hentschel, Lilli Fichtner, Claudia Eisinger, Leslie Malton, Bernhard Schütz, Katarina Witt, Annabelle Mandeng, Adisat Semenitzsch, Jürgen Vogel, Holger Handtke
Dr. Richard Kimble wird verdächtigt, seine Frau ermordet zu haben. Er flüchtet. US Marshal Sam Gerard verfolgt ihn.
Die Kinoversion der erfolgreichen TV-Serie von Roy Huggins. Dr. Richard Kimble, gespielt von David Jansen, war vier Jahre in 120 Folgen auf der Flucht und die Welt schaute gebannt zu. Harrison Ford beweist in zwei spannenden Kinostunden seine Unschuld.
„Die Inszenierung setzt, perfekt und effizient, auf Thrill und Action. Was sie über gleichartige Produkte hinaushebt, ist ihre gelungene Bemühung um Atmosphäre und Lokalkolorit, der Verzicht auf den üblichen Waffenfetischismus und auf das gewohnte Eskalieren spektakulärer Gewalttätigkeit sowie das gepflegte Handwerk bis hin zu den Kleinigkeiten.“ (Fischer Film Almanach 1994)
Der Film war ein Kassenknüller und erhielt für einen Thriller ungewöhnlich viele Preise und Nominierungen. Das Drehbuch war für einen Edgar nominiert. Tommy Lee Jones erhielt einen Oscar als bester Nebendarsteller.
Fünf Jahre später spielte Tommy Lee Jones in „Auf der Jagd“ (U. S. Marshals) wieder den unerbittlichen Jäger Sam Gerard.
mit Harrison Ford, Tommy Lee Jones, Sela Ward, Joe Pantoliano, Julianne Moore, Jeroen Krabbé
BND-Mitarbeiter Martin Behrens will herausfinden, warum seine heimliche Geliebte, die investigative Journalistin Aurice Köhler, bei einem Bombenanschlag auf ein Münchner Café starb. Denn es ist möglich, dass sie wegen seiner Arbeit und Informationen, die sie von ihm erhielt, gezielt ermordet wurde.
Gelungener deutscher Polit-Thriller mit zahlreichen vertrauten Wendungen und einem arg naiven Helden. Immerhin ist der BND-Zentralasienexperte Behrens knietief in den Kampf gegen den Terrorismus verwickelt.
mit Ronald Zehrfeld, Alexander Fehling, Katharina Lorenz, Claudia Michelsen, Axel Prahl, Antje Traue, August Zirner
Verlorene Illusionen (Illusions perdues, Frankreich 2021)
Regie: Xavier Giannoli
Drehbuch: Xavier Giannoli, Jacques Fieschi
LV: Honoré de Balzac: Illusions perdues, 1843 (Verlorene Illusionen)
Ein junger Dichter aus der Provinz will in den 1820er Jahren in Paris sein Glück finden. Als scharfzüngiger Kritiker feiert er erste Erfolge.
TV-Premiere zu einer blöden Uhrzeit. Xavier Giannolis erzählerisch konventionelle Verfilmung von Honoré de Balzacs Klassiker überzeugt als Mediensatire und prächtig ausgestattetes Sittengemälde.
mit Benjamin Voisin, Cécile de France, Vincent Lacoste, Xavier Dolan, Salomé Dewaels, Jeanne Balibar, Gérard Depardieu, André Marcon, Louis-Do Lencquesaing, Jean-Francois Stévenin
–
Die Vorlage (in der neuen Übersetzung)
Honoré de Balzac: Verlorene Illusionen – Roman aus der Provinz
Die Coen-Brüder – Eine amerikanische Geschichte(Deutschland/Großbritannien 2025)
Regie: Sarah Aspinall
Drehbuch: Sarah Aspinall
TV-Premiere. Brandneue fünfzigminütige Doku über Joel und Ethan Coen, die uns über viele Jahrzehnte mit gemeinsam geschriebenen und gedrehten Filmen erfreuten und aktuell solo Filme drehen. Mit unterschiedlichem Erfolg.
Davor, um 20.15 Uhr, zeigt Arte einen ihrer schönsten Filme (jaja, das kann ich über fast jeden ihrer Filme sagen): „Fargo“.
Was lief da schief? Warum wurde Robert Habeck nicht Kanzler (was eh schon immer eine arg utopische Annahme war), sondern führte Bündnis 90/Die Grünen in dem kurzen Winterwahlkampf zwischen dem Bruch der Ampelkoalition am 6. November 2024 und der vorgezogenen Neuwahl am 23. Februar 2025 zu einem weit unter den Erwartungen liegendem Wahlergebnis und aus der Regierung in die Opposition?
Regisseur Lars Jessen will in seinem Film „Jetzt. Wohin. – Meine Reise mir Robert Habeck“ diese (und einige andere) Fragen beantworten. Er ist seit einigen Jahren mit dem gleichaltrigen Habeck befreundet und er war in Habecks Wahlkampf involviert…mit seinen Talenten. Seine genaue Rolle wird in dem Film nicht wirklich klar. Aber er war irgendwie Teil des Wahlkampfteams, er hatte anscheinend Ideen die umgesetzt wurden, wie die „Küchengespräche“, und er inszenierte Habeck-Filme.
„anscheinend“ und „irgendwie“ verweisen auf das Problem des Films, der sich erstaunlich ungeschickt zwischen alle Stühle setzt und keinerlei Identität hat. Dafür wirkt er immer wieder und viel zu oft wie ein PR-Film für das Produkt Robert Habeck und sehr peinliche Parteiwerbung.
Eine Analyse des Wahlkampfs und was schief lief gibt es nicht. „Jetzt. Wohin“ ist auch keine Dokumentation des Wahlkampfs. Das hätte beispielsweise im Rahmen eines atemlos den Kandidaten vor und hinter den Kulissen begleitenden Dokumentarfilms mit Ausschnitten aus Strategiekonferenzen geschehen können.
Und es handelt sich nicht um einen radikal persönlichen Filme, was ja der Untertitel „Meine Reise mit Robert Habeck“ nahe legt und wie wir es von anderen Regisseuren, wie Nanni Moretti, kennen. Dann müsste Jessen einiges über sich und seine Gefühle erzählen. Jessen ist hier, wie es inzwischen aus zahlreichen anderen Dokumentarfilmen und TV-Reportagen kennen, nur der im Bild sitzende Interviewer und der mit einer Kamera durch das Bild laufende Mann. Einen Mehrwert hat das nicht.
Für den Film hat er Fachleute, oft Wissenschaftler und Journalisten, aber auch Künstler, interviewt, wie Luisa Neubauer, Marina Weisband, Politikberater und Kreativdirektor für Wahlkampagnen Arun Chaudhary (u. a. für Barack Obama, Bernie Sanders und Kamala Harris), „Spiegel“-Kolumnist Christian Stöcker und „Feine Sahne Fischfilet“-Sänger Jan „Monchi“ Gorkow, die alle mehrmals im Bild sind. Aber er interviewte keine Menschen, die direkt in den Wahlkampf involviert waren oder Erfahrung in der Analyse von Kampagnen und deutschen Wahlkämpfen haben. Jessen fragt die falschen Leute. Möglicherweise stellt er auch die falschen Fragen. In jedem Fall bleiben die Erkenntnisse oberflächlich und in sattsam bekannten Platitüden stecken.
Sein Dokumentarfilm ist erstaunlich oft erstaunlich schlecht inszeniert. Das zeigt sich vor allem bei den Interviews, in denen die Gesichter viel zu dunkel sind, die Interviewten unglücklich im Raum positioniert werden und die Position der Kamera oft seltsam ist. Gleiches gilt für den Schnitt und die Handhabung verschiedener Stilmittel. Wir reden hier nicht von einem Jungregisseur, sondern von einem Regisseur, der seit über 25 Jahren im Geschäft ist und mehrere „Tatorte“ und die Kinofilme „Am Tag als Bobby Ewing starb“, die Mockumentary „Fraktus“ und „Mittagsstunde“ inszenierte. Das sind Spielfilme und keine Dokumentarfilme. Trotzdem sollte das Handwerk stimmen.
In „Jetzt. Wohin.“ zeigt sich eine erstaunliche Unfähigkeit, dem Material eine Struktur zu geben und eine Geschichte zu erzählen. Es bleibt eine Collage bunter Bilder ohne einen Zusammenhang und ohne eine eigene Geschichte mit einer sich an der Nulllinie bewegenden Fehleranalyse.
Jetzt. Wohin. – Meine Reise mit Robert Habeck (Deutschland 2025)
Regie: Lars Jessen, Rasmus Jessen (Co-Regie)
Drehbuch: Rasmus Jessen
Mit Robert Habeck, Lars Jessen, Maren Urner, Luisa Neubauer, Arun Chaudhary, Margrethe Vestager, Samira el Quassil, Friedemann Karig, Albrecht von Sonntag, Christian Stöcker, Markus Lanz, Janne Prinz, Hartmut Tödt, Luise Amtsberg, Matthias Piepgras, Martin Andree, Tobias Krell, Peter Unfried, Marina Weisband, Jan „Monchi“ Gorkow, Charly Hübner, Maja Göpel
Die Thomas Crown Affäre (The Thomas Crown Affair, USA 1999)
Regie: John McTiernan
Drehbuch: Leslie Dixon, Kurt Wimmer (nach dem Drehbuch von Alan R. Trustman)
Millionär Thomas Crown hat auf den ersten Blick alles. Aber weil ihn sein Leben als reicher Müßiggänger langweilt, organisiert er komplizierte Diebstähle. Die Versicherungsagentin Catherine Banning will ihn überführen. Crown nimmt die Herausforderung an und plant, während er mit ihr tändelt, seinen nächsten Coup.
Das Remake des gleichnamigen Semi-Klassikers mit Steve McQueen und Faye Dunaway ist locker-flockiges, eskapistisches Starkino.
„John McTiernans Version des Steve-McQueen-Klassikers ist der seltene Glücksfall eines Remakes, welches das Original mit kraftvolleren, präziseren Strichen übermalt.“ (Gerhard Midding, tip 19/99)
mit Pierce Brosnan, Rene Russo, Denis Leary, Faye Dunaway, Ben Gazzara, Fritz Weaver
Episodenfilm über zahlreiche Passagiere, die ungeplant eine Nacht auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof und in Berlin verbringen müssen.
„Die einzige interessante Produktion des ganzen Jahres ist die Außenseiterproduktion ‚Die endlose Nacht‘.“ (Robert Fischer/Joe Hembus: Der Neue Deutsche Film, 1981)
Enno Patalas meinte zum Start in der ‚Filmkritik‘ fast schon euphorisch: „Wann haben wir das zuletzt erlebt: dass man aus dem Film eines deutschen Regisseurs herauskam und Lust verspürte, bald seinen nächsten zu sehen?“
Ob der Film den Test der Zeit besteht, können wir heute Abend prüfen.
mit Louise Martini, Harald Leipnitz, Karin Hübner, Alexandra Stewart, Bruce Low, Hannelore Elsner, Fritz Rémond, Paul Esser, Werner Peters, Wolfgang Spier, Mario Adorf, Wolfgang Neuss, Ulli Lommel, Dieter Wedel