Berlin, 2034: eine Koalition von 31 Staaten des globalen Südens klagt vor dem Internationalen Gerichtshof die Bundesrepublik Deutschland an, nicht genug gegen die Erderwärmung getan zu haben.
TV-Premiere. In einem fiktiven Prozess haut Andres Veiel („Black Box BRD“) uns die Fakten um die Ohren.
mit Friedericke Becht, Nina Kunzendorf, Edgar Selge, Ulrich Tukur, Martina Eitner-Acheampong, Sven Schelker
Freedomland – Das Gesicht der Wahrheit (Freedomland, USA 2006)
Regie: Joe Roth
Drehbuch: Richard Price
LV: Richard Price: Freedomland, 1998 (Das Gesicht der Wahrheit)
Brenda Martin sagt, ihr vierjähriger Sohn sei von Schwarzen entführt worden. Eine fieberhafte Suche beginnt. Aber schnell fragt der ermittelnde Polizist Lorenzo Council sich, ob die Mutter die Wahrheit sagt.
Irgendetwas ging da völlig schief. “Freedomland” erlebte, trotz seiner Besetzung und dem Renommee von Price als Roman- und Drehbuchautor (The Wanderers, Clockers, Die Farbe des Geldes, Kiss of death, Kopfgeld, Shaft – und die in den USA erfolgreiche Cop-Serie “The Wire”) seine Deutschlandpremiere als DVD. Die Kritiker und die Zuschauer waren – zu recht – enttäuscht. Stellvertretend:
“Der thematisch wichtige, gut gespielte Film demonstriert, wie aus einem Funken ein Flächenbrand entstehen kann. Dabei bekommt er das Thema des unter der Oberfläche schlummernden Rassismus nur ungenügend in den Griff.” (Lexikon des internationalen Films – Filmjahr 2006)
“For fans of Richard Price’s phenomenal 1998 novel Freedomland, sitting through Joe Roth’s incompetent big-screen translation will feel like you’re watching helplessly as an old friend gets kicked to death by a pack of drooling imbeciles. It’s the kind of literary adaptation that makes you wonder if anyone on the set had even a passing familiarity with the original text. Given that the credited screenwriter turns out to be the novelist himself … well, that’s saying something.” (Sean Burns, Philadelpia Weekly, 22. Februar 2006)
mit Samuel L. Jackson, Julianne Moore, Edie Falco, Ron Eldard, William Forsythe, Philip Bosco
Ich bin Greta (I am Greta, Schweden/Deutschland/USA/Großbritannien 2020)
Regie: Nathan Grossman
Drehbuch: Peter Modestij (Idee und Konzept)
TV-Premiere. Kaum im Kino als „I am Greta“ und schon im Fernsehen (und sehr, sehr lange in der Mediathek): Nathan Grossmans Doku über die Umweltaktivistin Greta Thunberg, die er von Anfang an begleiten konnte. Entstanden ist eine unkritische Heldenverehrung mit begrenztem Informationswert.
LV: Ernest Cline: Ready Player One, 2011 (Ready Player One)
2045: Der zwanzigjährige Wade lebt in Columbus, Ohio, im Armenviertel. Die meiste Zeit verbringt er allerdings, wie viele andere Menschen, in der virtuellen Welt der OASIS. Als OASIS-Erfinder James Halliday stirbt, beginnt die Jagd auf sein Erbe. Dafür müssen in der OASIS drei Aufgaben gelöst und ein Easter Egg gefunden werden. Der Gewinner erhält die Kontrolle über die OASIS und viel Geld.
TV-Premiere. Spielbergs äußerst kurzweiliger Science-Fiction-Abenteuerfilm ist, wie Ernest Clines erfolgreicher Roman, eine Liebeserklärung an die Pop-Kultur der achtziger Jahre, die Spielberg mit seinen Filmen und seiner Firma entscheidend prägte.
Am 24. November erscheint „Ready Player Two“. In dem Roman erzählt Ernest Cline die Geschichte von „Ready Player One“ weiter; wobei die Inhaltsangabe eher nach einer Wiederholung klingt. Eine deutsche Übersetzung ist noch nicht angekündigt.
mit Tye Sheridan, Olivia Cooke, Ben Mendelsohn, Lena Waithe, T. J. Miller, Philip Zhao, Win Morisaki, Hannah John-Kamen, Simon Pegg, Mark Rylance
Ex-Privatdetektiv Harry Ross jobbt für das mit ihm befreundete, sich im vergangenen Ruhm sonnendes Schauspielerpaar Jack und Catherine Ames. Während eines Botenganges für sie stolpert er über eine Leiche und die alten Instinkte werden wieder wach. Ross will seinen Freunden gegen die Erpresser helfen.
Betont altmodischer Privatdetektiv-Krimi, der sich ausdrücklich auf die Tradition bezieht (so kann er als dritter Lew-Harper-Film gesehen werden. Newman spielte Harper in „Ein Fall für Harper“ und „Unter Wasser stirbt man nicht“. Harper ist der Filmname des von Ross MacDonald erfundenen Privatdetektiv Lew Archer.), mit pointierten Dialogen und einem Haufen Altstars glänzend unterhält.
Die Musik ist von Elmer Bernstein.
„Ein reines Vergnügen.“ (W. O. P. Kistner, AZ, 6. August 1998)
„Benton zeigt angenehm gelassen, wie die Vergangenheit als Ballast wirkt, dem man nicht entrinnt, und wie ihr Fortwirken neues Unheil erzeugt.“ (Fischer Film Almanach 1999)
Das klingt doch verdammt nach Ross MacDonald.
mit Paul Newman, Susan Sarandon, Gene Hackman, Stockard Channing, James Garner, Reese Witherspoon, Giancarlo Esposito, Liev Schreiber, John Spencer, M. Emmet Walsh
Stonehearst Asylum – Diese Mauern wirst du nie verlassen (Stonehearst Asylum, USA 2014)
Regie: Brad Anderson
Drehbuch: Joe Gangemi
LV: Edgar Allan Poe: The System of Doctor Tarr and Professor Fether, 1845 (Das System des Doktors Pech und des Professors Feder, Kurzgeschichte)
Weihnachten 1899 trifft der junge Arzt Edward Newgate in der abgelegenen Irrenanstalt Stonehearst ein. Dort haben die Patienten maximale Freiheiten. Schon beim ersten Rundgang verliebt er sich in die bildschöne Pianistin Eliza Graves. Später entdeckt er im Keller eine Gruppe Gefangener, die behaupten, von ihren Patienten gefangen gehalten zu werden.
Top besetzter, hübsch altmodischer Grusler mit einigen überraschenden Wendungen beim Ausprobieren von Therapien.
Sehenswertes Biopic über „Beach Boys“-Mastermind Brian Wilson, das sich auf zwei wichtige Abschnitte in Wilsons Leben konzentriert: die Arbeit an der legendären, die Popmusik verändernden LP „Pet Sounds“ und sein Leben in den 80er Jahren als Patient des gemeingefährlichen Dr. Eugene Landy, der nichts von Wilsons neuer Bekanntschaft hält.
„Love & Mercy“ ist nicht am chronologischen Abhandeln einer Musikerbiographie, sondern am Porträtieren eines schwierigen Charakters an zwei entscheiden Punkten seines Lebens interessiert.
Glücklich wie Lazzaro (Lazzaro felice, Italien/Deutschland/Frankreich/Schweiz 2018)
Regie: Alice Rohrwacher
Drehbuch: Alice Rohrwacher
In einem abgelegenem Bergdorf leben die Menschen noch wie vor hundert Jahren. Als der naive Arbeiter Lazzaro sich mit dem Sohn der sie wie Sklaven haltenden Marquesa anfreundet und von ihm zu einer Schein-Entführung angestiftet wird, bricht die Gegenwart in ihre Welt ein.
TV-Premiere. Trotz einer schwachen zweiten Hälfte sehenswertes poetisches Drama, das in Cannes den Drehbuchpreis erhielt.
Extremismus in Deutschland – Gefahr von rechts und links (Deutschland 2020)
Regie: Christian Frey, Rainer Fromm
Drehbuch: Christian Frey, Rainer Fromm
Enttäuschende 75-minütige Doku, die ein verfilmter Verfassungsschutzbericht mit vielen historischen Aufnahmen ist. Es wird wild zwischen Links- und Rechtsextremismus (der immerhin mehr Filmzeit hat), zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen Weimar, DDR und BRD (vor und nach der Vereinigung) hin und her gesprungen. Es gibt aktuelle und historische Interviews. Die aktuellen Interviews sind mit Fachleuten, die sich zu ihrem Thema äußern; die historischen mit Galionsfiguren der rechten Szene. Die Argumentation ist assoziativ und immer dann, wenn es interessant wird und eine Vertiefung angebracht wäre, wird zum nächsten Thema gesprungen. Das geschieht so ungefähr alle zwei Minuten.
Vor Jahrzehnten erschien ein Science-Fiction-Roman, der es damals immerhin auf die Nominierungsliste für den Nebula-Award schaffte. Über zehn Jahre später wurde das Buch verfilmt. Mit den üblichen Freiheiten, die sich Hollywood gerne nimmt. Der Film war zunächst kein großer Erfolg. Inzwischen ist „Blade Runner“ einer der ikonischen Filme, ein Kultfilm, der unzählige weitere Werke inspirierte. Jüngst eine von Michael Green (auch das Drehbuch für „Blade Runner 2049“) und Mike Johnson geschriebene und von Andrés Guinaldo gezeichnete offizielle Comic-Serie, die in der dystopischen Welt des originalen Films spielt: Los Angeles, 2019.
In dem ersten „Blade Runner 2019“-Sammelband „Los Angeles“ erhält Aahna „Ash“ Ashina, einer der ersten und besten Replikantenjäger, einen Spezialauftrag. Sie soll Isobel, die Frau von Alexander Selwyn, und ihre vierjährige Tochter Cleo finden. Er ist der Chef der Canaan Corporation und mit der menschenähnliche Replikanten bauenden Tyrell Corporation verbandelt.
Bei ihrer Suche erfährt Ash, dass Cleo und Isobel Replikanten sind. Besonders Cleo ist wichtig für die Tyrell Corporation, weil ihr Genom den Schlüssel für ein längeres Leben der Replikanten enthält.
Am Ende des Buches flüchtet Ash mit Cleo auf die von der Erde weitab gelegenen Planeten. Cleos Mutter ist tot.
Der jetzt erschienene zweite Band „Off-World – Jenseits der Erde“ spielt sieben Jahre später. Ash und Cleo haben eine neue Identität angenommen und leben auf Off-World, einer Minen-Kolonialwelt. Sie gehen davon aus, dass sie immer noch gejagt werden. Da taucht die Replikantenjägerin Hythe auf und macht Ash ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann.
„Off-World – Jenseits der Erde“ führt die Geschichte von „Los Angeles“ fort und kämpft, falls „Blade Runner 2019“ wie angekündigt mit dem dritten Sammelband endet, mit den üblichen Problemen eines Mittelteils. Mühsam werden, immerhin sind seit den Ereignissen in Los Angeles einige Jahre vergangen, die einzelnen Figuren und ihre Identität etabliert, während die eigentliche Handlung lange Zeit nebulös bleibt. Das liegt auch daran, dass in „Off-World“ eine neue, aus dem Film unbekannte Welt etabliert werden muss. Es ist eine Welt, die an „Outland“ (ein SF-Western von Peter Hyams mit Sean Connery) erinnert. „Los Angeles“ konnte dagegen einfach die aus dem Film bekannte Noir-Welt und ihre Regeln als bekannt voraussetzen und in dieser Welt eine abgeschlossene Kriminalgeschichte erzählen.
Ob „Off World – Jenseits der Erde“ nur einige Seiten füllte oder das Finale konsequent vorbereitete, wird die Zukunft zeigen.
–
Michael Green/Mike Johnson/Andrés Guinaldo: Blade Runner 2019: Off-World – Jenseits der Erde (Band 2)
Georg Seidler will aus Europa nach Mexiko flüchten. In Marseille wartet er auf das rettende Transitvisum und trifft auf die Frau des Mannes, dessen Identität er angenommen hat.
TV-Premiere. Christian Petzold verlegt Anna Seghers während des Zweiten Weltkriegs spielenden Roman in die Gegenwart. Mit einem sehr überzeugendem Ergebnis.
mit Franz Rogowski, Paula Beer, Godehard Giese, Lilien Batman, Maryam Zaree, Barbara Auer, Matthias Brandt, Sebastian Hülk, Antoine Oppenheim, Ronald Kukulies, Justus von Dohnányi, Alex Brendemühl, Trystan Pütter
–
Die lesenswerte Vorlage
ist in verschiedenen Ausgaben erhältlich, u. a.
Anna Seghers: Transit
Aufbau Taschenbuch, 2018
416 Seiten
12 Euro
–
Der Roman erschien zuerst 1944 in den USA auf englisch, anschließend in Mexiko auf spanisch und 1947 auf deutsch als Fortsetzungsroman in der Berliner Zeitung.
Spätere deutsche Veröffentlichungen bearbeiteten den Text.
Erst 2001 erschien im Rahmen der Werkausgabe die erste authentische deutsche Buchausgabe.
Seit einigen Tagen kann Christian Petzolds neuer Film „Undine“ online bei den einschlägigen Plattformen gekauft werden. Am 19. November veröffentlicht Piffl Medien/good!movies den Film als Stream, DVD- und Blu-ray.
Der Titel „Unnützes James Bond Wissen“ ist eine glatte, hundertfünfzigprozentige Lüge. Es gibt kein unnützes Bond-Wissen. Das sage ich als moderater Bond-Fan, der jetzt nicht erklären möchte, wie viele Regalmeter mit James Bond gefüllt sind.
Bei Danny Morgenstern, dem Autor von „Unnützes James Bond Wissen“ und einiger Bücher über James-Bond-Filme, dürften es deutlich mehr Regalmeter sein.
Im Mittelpunkt von seinem neuen Buch stehen, wenig überraschend, die James-Bond-Filme. Sie werden chronologisch von „Casino Royale“ (dem TV-Film von 1954, der lange als verschollen galt) bis zu dem für nächstes Jahr angekündigtem, neuen Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“ (der letzte mit Daniel Craig) behandelt. Neben den offiziellen Bond-Filmen sind auch „Casino Royale“ (1967) und „Sag niemals nie“ (1983) enthalten. In den einzelnen Kapiteln gibt es keine langen Texte, sondern unzählige, wenige Zeilen umfassende Notizen mit wichtigen, um nicht zu sagen lebenswichtigen Informationen, wie dass am Drehbuch zu „Sag niemals nie“ unter anderem Francis Ford Coppola, Ian La Frenais, Dick Clement und Len Deighton mitarbeiteten oder bei den Dreharbeiten für „Sag niemals nie“ (der letzte Auftritt von Sean Connery als James Bond) echte Haie eingesetzt wurden.
Die Bond-Romane von Ian Fleming und, nach seinem Tod, von Kingsley Amis (als Robert Markham), John Gardner, Raymond Benson, Sebastian Faulks, Jeffery Deaver, William Boyd und Anthony Horowitz werden auf wenigen Seiten abgehandelt. Sie haben hier wieder das ihnen aus anderen Büchern über James Bond bekannte Schicksal: sie werden pflichtschuldig erwähnt.
Für Bond-Fans ist Morgensterns Buch mit unnützem Bond-Wissen eine gut gefüllte Fundgrube mehr oder weniger trivialer Informationen über den Geheimagenten ihrer Majestät und seine weltrettenden Missionen rund um den Globus.
Zum Abschluss noch ein Bond-Fakt, der es nicht in Morgensterns Buch geschafft; vielleicht weil er nicht unnütz genug ist: Donald Westlake (aka Richard Stark) wurde vor dem Kinostart von „GoldenEye“ für Ideen für den nächsten Bond-Film gefragt. Westlake schrieb zwei Treatments, die nicht hundertprozentig den Erwartungen der Produzenten entsprachen und weil Westlakes Arbeitsweise (ausgehend von einer Idee einfach drauflos schreiben) mit den Erfordernissen für eine Großproduktion (bei der wenigstens ein grobes Handlungsgerüst mit den notwendigen Schauplätzen feststehen muss) kollidierte, wurde aus dem gemeinsamen Bond-Film nichts. Westlake verarbeitete seine Ideen in dem Roman „Forever and a Death“, der posthum 2017 bei Hard Case Crime erschien. Übersetzt wurde der Thriller noch nicht und das wird sich wahrscheinlich nicht ändern.
–
Ein Wort zum Video: Ab der 13. Minute packt Danny Morgenstern „Unnützes James Bond Wissen“ aus und erzählt einiges zum Buch. Danach kündigt er einige Veranstaltungen an, die wegen des Lockdowns nicht stattfinden.
Das Warten auf den neuen James-Bond-Film hat noch lange kein Ende. Bis dahin
RTL, 20.15
James Bond: Spectre (Spectre, USA/Großbritannien 2015)
Regie: Sam Mendes
Drehbuch: John Logan, Neal Purvis, Robert Wade, Jez Butterworth
LV: Charakter von Ian Fleming
James Bond will die geheimnisvolle Verbrecherorganisation Spectre zerstören. Sein Gegner ist dabei Franz Oberhauser. Sie haben sich schon als Kinder gekannt.
Nach dem grandiosen „Skyfall“ enttäuschte „Spectre“, der sich mehr um einen überflüssigen Bohei um den Namen des Bösewichts als um ein schlüssiges Drehbuch kümmert. Am Ende ist „Spectre“ der halbherzige Versuch, einen klassischen James-Bond-Film zu inszenieren.
mit Daniel Craig, Christoph Waltz, Léa Seydoux, Ben Whishaw, Naomie Harris, Dave Bautista, Monica Bellucci, Ralph Fiennes, Andrew Scott, Rory Kinnear, Jesper Christensen, Stephanie Sigman
TV-Premiere des sehenswerten Biopics über Viktor Zoi (1962 – 1990), der mit seinen regimekritischen Texten zu einem Idol der sowjetischen Jugend wurde.
Juan Santos darf zur Kommunion seiner Tochter Estrella das Gefängnis verlassen. Auf dem Heimweg werden sie, in der Nähe ihrer Wohnung, von einem anderen Auto gerammt. Juans Tochter stirbt bei dem Unfall. Der Fahrer des Unfallwagens kann entkommen.
Aber es gibt eine Spur. In der Nähe wurde nämlich ein Kokainlabor überfallen und mehrere Rumänen ermordet.
Und schon sind wir in einem veritablen Gangsterkrieg. Santos gehört nämlich zur Santos-Familie. Sie sind mit den Fortunas, die sie aus ihrem alten Revier geworfen haben, verfeindet. Die Polizei versucht zwar den Fall aufzuklären, aber so klar ist ihre Rolle und damit die Fronten nicht.
„Adiós – Die Clans von Sevilla“ ist ein spannender Neo-Noir-Thriller, der deutlich von ähnlichen französischen Noirs der letzten Jahre (naja, inzwischen fast schon Jahrzehnte) inspiriert ist. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen. Die Beziehungen der Figuren untereinander sind komplex, aber in ihren Grundzügen klar. Das führt dazu, dass die Handlung, bei allen Überraschungen, immer nachvollziehbar bleibt. Es gibt einige ausgedehnte, ausgezeichnet choreographierte Actionszenen.
Paco Cabezas inszenierte „Tokarev – Die Vergangenheit stirbt niemals“, „Mr. Right“ und mehrere Folgen für „Penny Dreadful“, „The Alienist – Die Einkreisung“, „Into the Badlands“, „Fear the Walking Dead“ und „American Gods“.
Adiós – Die Clans von Sevilla (Adiós, Spanien 2019)
Regie: Paco Cabezas
Drehbuch: José Rodríguez, Carmen Jimenez
mit Mario Casas, Natalia de Moina, Ruth Díaz, Carlos Bardem, Vicente Romero, Paulina Fenoy, Mauricio Morales, Sebastián Haro
LV: Deborah E. Lipstadt: History on Trial: My Day in Court with a Holocaust Denier, 2005
Damit hat die Historikerin Deborah E. Lipstadt nicht gerechnet, als sie in ihrem neuesten Buch den Holocaust-Leugner David Irving scharf angreift. 1996 reicht Irving beim höchsten englischen Zivilgericht eine Verleumdungsklage gegen sie ein. Jetzt muss sie vor Gericht beweisen, dass es den Holocaust wirklich gab.
Eine sehr gute, sehr ehrenwerte und in jeder Sekunde honorige, aber auch etwas bieder geratene Geschichtsstunde.
Streamingdienste bedrohen aufgrund ihres Geschäftsmodells unsere Demokratie. Das ist in einem Satz Marcus S. Kleiners These in seinem Buch „Streamland: Wie Netflix, Amazon Prime und Co. unsere Demokratie bedrohen“. Kleiner ist Professor für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der SRH Berlin Universitiy of Applied Sciences.
Diese These ist interessant. Aber ist sie auch plausibel? Immerhin sind Streamingdienste Unterhaltungsplattformen, die mehr oder weniger gelungene Serien und Filme zeigen. Meistens fiktionale Filme, seltener Dokumentarfilme. Nachrichten und politische Meinung gehören nicht zu ihrem Geschäftsmodell. Auf dem deutschen Markt, über den Kleiner schreibt, gibt es solche tagespolitischen Formate nicht; – jedenfalls soweit ich diesen Markt überblicke. Außerdem erwähnt Kleiner auch kein entsprechendes Format. Tagespolitik läuft in Deutschland im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, im Radio, in den Printmedien und inzwischen auch auf verschiedenen YouTube-Kanälen und Podcasts. Warum sollten also Streamingdienste mit ihrem Unterhaltungsprogramm unsere Demokratie und den demokratischen Diskurs über wichtige gesellschaftliche Themen bedrohen?
Das liegt nach Kleiner nicht an dem Angebot der Streamtingdienste, sondern wie sie Filme empfehlen: „Wer die Fähigkeit verliert, selbst zu entscheiden, ist nur noch sehr eingeschränkt ein/e mündige/r Bürger*in. Wir werden entmündigt, wenn unsere Urteilskraft zunehmend durch Programmcodes ersetzt wird. Und wir entmündigen uns permanent selbst, wenn wir das zulassen. Wir tragen damit selbst zur Abschaffung unserer Demokratie bei, denn wir reagieren nur noch, klicken auf Felder, die ein Algorithmus für uns vorbereitet hat. Damit ist aber ein Kennzeichen unserer Demokratie verloren, weil diese voraussetzt, dass wir autonome, selbstständige, bewusst urteilende und uns frei entscheidende Individuen sind.“
Streamingdienste sind, so Kleiner, nicht an Aufklärung und einem kritischen Diskurs (also, salopp gesagt, der Demokratie) interessiert. Sie wollen ihre Kunden unterhalten und sie wollen sie möglichst lang auf ihrer Plattform behalten. Und jede Minute, die man mit Unterhaltung verbringt, verbringt man nicht mit anderen Dingen.
Kleiner stellt dann das bundesdeutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen den Streamingdiensten gegenüber. Das ÖR-Fernsehen hat einen Neutralitäts- und Bildungsauftrag. Es muss also Informationssendungen zum politischen Geschehen bringen, verschiedene Meinungen neutral präsentieren und Fakten und Ereignisse einordnen.
Ein Streamingdienst hat diese Verpflichtung nicht
Konkret gesagt: ein Streamingdienst wird sich über eine absurde Theorie oder Sensationsreportage freuen, wenn er damit neue Kunden gewinnt. Ein ÖR-Sender wird die absurde Theorie als absurd einordnen; – falls er überhaupt darüber berichtet.
Das ist der einleuchtende Kern von Kleiners These, die er in „Streamland“ allerdings kaum begründet. Anstatt empirischer Beweise, beschränkt er sich auf das Anekdotische. Statt Zahlen von Streamingdiensten, verweist er auf das Geschäftsmodell von Facebook und YouTube, die wollen, dass ihre Kunden möglichst lange bei ihnen bleiben. Das geht am besten mit Sensationsmeldungen, Polemik und extremen Zuspitzungen. Gleichzeitig werden Empfehlungen von Algorithmen aufgrund vorherigen Verhaltens generiert. Wer also – und das könnt ihr auf YouTube einfach ausprobieren – eine Stunde einen Schlager nach dem nächsten anhört, bekommt weitere Schlager vorgeschlagen. Auch wenn er normalerweise Punk hört.
Ein weiteres Problem von Kleiners Argumentation ist, dass er sich ausschließlich auf die deutschen Verhältnisse konzentriert. Diese sind allerdings nicht auf umstandslos auf andere Länder übertragbar.
Er kann auch nicht schlüssig erklären, warum Netflix eine größere Bedrohung für die Demokratie ist, als Facebook und Twitter. Oder warum ein Mediensystem wie in den USA, wo es kein ÖR-Fernsehen gibt und FoxNews als rechter Propagandasender und Lautsprecher für jede noch so absurde Verschwörungstheorie fungiert, die Demokratie weniger bedrohen soll als ein Portal, das vor allem Unterhaltung anbietet.
So liest sich „Streamland“ wie eine dieser alarmistischen konservativen Medienkritiken, in denen das Neue verteufelt und die Vergangenheit verklärt wird. Hier sind es Kleiners Erinnerungen an die Kindheit und Jugend in den achtziger Jahren mit drei Programmen, einem Sendeschluss, die Welt erklärenden und halt gebenden Moderatoren („Stefanie Tücking hat mich als Moderatorin der ARD-Musikvideosendung ‚Formel Eins‘ […] im Sturm erobert.“), tollen Serien (jedenfalls aus der Erinnerung) und einem Sendeschluss.
Den gibt es bei Netflix nicht.
Wer sich aber seines eigenen Verstandes bedient, kann jederzeit ausschalten und die Freiheit eigener Entscheidungen erfahren.
Marcus S. Kleiner: Streamland: Wie Netflix, Amazon Prime und Co. unsere Demokratie bedrohen
The House that Jack built(The House that Jack built, Dänemark/Schweden/Frankreich/Deutschland 2018)
Regie: Lars von Trier
Drehbuch: Lars von Trier
Ein Serienmörder erzählt Episoden aus seinem Leben.
TV-Premiere. Und, ja, die Sendezeit geht in Ordnung. Denn der Film ist „frei ab 18 Jahre“ und diese Freigabe hat er sich redlich verdient.
Von Triers bitterböser Humor, die Metaebenen und auch die Interpretationsmöglichkeiten machen aus „The House that Jack built“ einen interessanten und sehenswerten Film. Es ist allerdings auch ein Kunstwerk, das auf die moralische Kategorien verzichtet und das mit hundertfünfzig Minuten länger als nötig ist. Wahrscheinlich kein Film, den man sich öfter ansehen will, aber doch mindestens einmal ansehen sollte.