TV-Tipp für den 1. März: Der Pate

Februar 28, 2025

BR, 22.55

Der Pate (The Godfather, USA 1972)

Regie: Francis Ford Coppola

Drehbuch: Mario Puzo, Francis Ford Coppola

LV: Mario Puzo: The Godfather, 1969 (Der Pate)

Die Mafia als gepflegter Familienbetrieb. Ein immer wieder gern gesehener Klassiker.

Mit Marlon Brando, Al Pacino, James Caan, John Cazale, Robert Duvall, Diane Keaton, Sterling Hayden, Al Lettieri, Talia Shire

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Der Pate“

Wikipedia über „Der Pate“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Norbert Grob/Bern Kiefer/Ivo Ritzer (Herausgeber) „Mythos ‘Der Pate’ – Francis Ford Coppolas Godfather-Trilogie und der Gangsterfilm (Deep Focus 10)“ (2011)

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas “Apocalypse Now” (Apocalypse Now, USA 1979 – die “Full Disclosure”-Blu-ray)

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now: The Final Cut“ (USA 1979/2019) und der Blu-ray

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas „The Outsiders: The complete Novel“ (The Outsiders, USA 1983/2005) und der Blu-ray

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas „Rumble Fish“ (Rumble Fish, USA 1983)

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas „Twixt – Virginias Geheimnis“ (Twixt, USA 2011)

Meine Besprechung von Franics Ford Coppolas „Megalopolis“ (Megalopolis, USA 2024)

Francis Ford Coppola in der Kriminalakte

Meine Besprechung von Roy Thomas/Mike Mignolas „Bram Stoker’s Dracula“ (Bram Stoker’s Dracula 1-4, 1993) (der Comic-Version von Coppolas Film)

Meine Besprechung von Mario Puzos „Sechs Gräber bis München“ (Six Graves to Munich, 1967)


R. i. P. Gene Hackman

Februar 28, 2025

R. i. P. Gene Hackman (30. Januar 1930, San Bernardino, Kalifornien/USA – Februar 2024, Santa Fe, New Mexico/USA)

Am Mittwoch, den 26. Februar, wurden die Leichen von Gene Hackman, seiner Frau Betsy Arakawa, mit der seit 1991 in zweiter Ehe verheiratet war, und einem ihrer Hunde in ihrem Haus in Santa Fe gefunden. Das genaue Todesdatum und die genaue Todesursache sind noch unklar.

Seinen letzten Film drehte Hackman 2004. Die eher belanglose Polit-Komödie „Willkommen in Mooseport“ (Welcome to Mooseport) war ein okayer Abschluss einer langen Karriere mit etlichen Klassikern, inszeniert von einigen der besten damals in Hollywood arbeitenden Regisseure und mit einigen der größten Stars. Teils wurden sie erst mit diesen Filmen zu Stars.

Zu den wichtigsten Filmen des Charakterdarstellers Hackman gehören (und das ist jetzt eine kleine, unvollständige Liste mit Filmempfehlungen. Denn auch wenn der Film kein unbedinger Klassiker ist, ist es ein Film mit Gene Hackman)

Bonnie und Clyde (Bonnie & Clyde, 1967 – Klassiker!)

Bullen, wie lange wollt ihr leben (The Split. 1968 – eine Richard-Stark-Verfilmung)

Die den Hals riskieren (The Gypsy Moths, 1969)

Schußfahrt (Downhill Racer, 1969)

Brennpunkt Brooklyn (The French Connection, 1971 – Klassiker! Oscar als bester Hauptdarsteller)

Der Dialog (The Conversation, 1974 – Klassiker! Und immer noch brennend aktuell.)

Frankenstein Junior (Young Frankenstein, 1974)

French Connection II (1975 – nicht jede Fortsetzung ist schlecht)

700 Meilen westwärts (Bite the Bullet, 1975)

Die heiße Spur (Night Moves, 1975 – Klassiker!)

Superman (1978 – naja, ein Superheldenfilm…Hackman spielte noch in zwei weiteren „Superman“-Filmen mit)

Reds (1981)

Under Fire (1983)

Target – Zielscheibe (Target, 1985 – nach „Bonnie und Clyde“ und „Die heiße Spur“ seine letzte Zusammenarbeit mit Arthur Penn)

No Way Out – Es gibt kein Zurück (No Way Out, 1987 – ein immer wieder im TV gezeigter Noir.)

Mississippi Burning – Die Wurzel des Hasses (Mississippi Burning, 1988 – Klassiker!)

Eine andere Frau (Another Woman, 1988 – ein Treffen mit Woody Allen)

Erbarmungslos (Unforgiven, 1992 – Klassiker von Clint Eastwood; Oscar als bester Nebendarsteller)

Die Firma (The Firm, 1993 – nach einem Roman von John Grisham)

Geronimo – Eine Legende (Geronimo: An American Legend, 1993)

Wyatt Earp – Das Leben einer Legende (Wyatt Earp, 1994)

Crimson Tide – In tiefster Gefahr (Crimson Tide, 1995 – mit einigen von Quentin Tarantino geschriebenen Szenen)

Schnappt Shorty (Get Shorty, 1995 – Klassiker! Und eine gelungene, immer wieder gern gesehene Elmore-Leonard-Verfilmung)

The Birdcage – Ein Paradies für schrille Vögel (The Birdcage, 1996 – erfolgreiches Remake einer erfolgreichen französischen Komödie, mit Robin Williams)

Absolute Power (1997 – eine weitere Zusammenarbeit mit Clint Eastwood)

Der Staatsfeind Nr. 1 (Enemy of the State, 1998 – damals zutreffend als Update von „Der Dialog“ gesehen)

Die Royal Tenenbaums (The Royal Tenenbaums, 2001 – Regie: Wes Anderson. Muss ich noch mehr sagen?)

Heist – Der letzte Coup (Heist, 2001 – vielleicht noch kein Klassiker, aber ein David-Mamet-Film)

Das Urteil (Runaway Jury, 2003 – noch eine John-Grisham-Verfilmung und der erste gemeinsame Film von Gene Hackman und Dustin Hoffman, die seit ihrem Schauspielstudium miteinander befreundet waren)

undsoweiter


TV-Tipp für den 28. Februar: Alien – Meisterwerk aus dem Weltraum

Februar 27, 2025

Arte, 22.40

Alien – Meisterwerk aus dem Weltraum (Frankreich 2024)

Regie: Anne Cutaia, Sophie Peyrard

Brandneue 52-minütige Doku über „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“.

Hinweise

Arte über die Doku (in der Mediathek bis zum 29. März 2025)

Rotten Tomatoes über „Alien“

Wikipedia über „Alien“ (deutsch, englisch) und das Alien-Franchise (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von J. W. Rinzlers „Alien – Die Entstehungsgeschichte“ (The Making of Alien, 2019)

Meine Besprechung von J. W. Rinzlers „Aliens – Die Entstehungsgeschichte“ (The Making of Aliens, 2020)

Meine Besprechung von Dan O’Bannon/Christiano Seixas/Guilherme Balbis „Alien – Die Urfassung“ (Alien: The Original Screenplay # 1 – 5, 2020)

Meine Besprechung von Ridley Scotts “Prometheus” (Prometheus, USA 2012)

Meine Besprechung von Ridley Scotts „Alien: Covenant“ (Alien: Covenant, USA 2017)

Meine Besprechung von Alan Dean Fosters „Alien: Covenant“ (Alien: Covenant, 2017) (Filmroman)

Meine Besprechung von Fede Alvaraz‘ „Alien: Romulus (Alien: Romulus, USA 2024)

Meine Besprechung von Phillip Kennedy Johnson/Salvador Larrocas „Alien: Blutlinien (Band 1)“ (Alien (2021) # 1 – 6, Mai – Oktober 2021)

Meine Besprechung von Phillip Kennedy Johnson/Salvador Larrocas „Alien: Erweckung (Band 2)“ (Alien (2021) # 7 – 12, September 2021 – Juni 2022; Alien Annual (2022) 1, September 2022)

Meine Besprechung von Phillip Kennedy Johnson/Julius Ohta: Alien: Icarus (Band 3) (Alien (2022) # 1 – 6, November 2022 – April 2023)

Meine Besprechung von Declan Shalvey/Andrea Broccardos „Alien: Tauwetter (Band 1)“ (Alien (2023) # 1 – 5, April 2023 – August 2023)

Meine Besprechung von Declan Shalvey/Andrea Broccardo/Danny Earls‘ „Alien: Descendant (Band 2)“ (Alien Annual (2023) 1, Dezember 2023; Alien (2023 B) # 1 – 4, Januar – April 2024)


Neu im Kino/Filmkritik: Über James Mangolds Bob-Dylan-Biopic „Like a Complete Unknown“

Februar 27, 2025

Als Bob Dylan (Timothée Chalamet) im Januar 1961 in New York ankommt, wartet niemand auf ihn. Er ist nur ein weiterer junger Mann mit einer Gitarre und dem Wunsch als Folk-Musiker Geld zu verdienen.

Wahnsinnig schnell steigt er, mit ein wenig väterlicher Hilfe von Pete Seeger (Edward Norton), den er am Krankenbett von seinem Idol Woody Guthrie trifft, zum Star und zur Stimme einer Generation auf.

Fünf Jahre später wagt er den Bruch mit der Folk-Szene. Er stöpselt seine Gitarre ein – und der Rest ist Rockgeschichte.

James Mangold der Regisseur des Johnny-Cash-Biopics „Walk the Line“, beschäftigt sich in seinem neuesten Film „Like a Complete Unknown“ mit diesen fünf entscheidenden Jahren in Bob Dylans Karriere. In diesen Jahren legte er das Fundament. Er schrieb viele Songs, die heute immer noch fest im kollektiven Gedächtnis verhaftet sind. Er elektrifizierte, mit einigen begnadeten Begleitmusikern, die Folkmusik zum Folkrock. Es ist auch eine Zeit, die musikhistorisch gut aufgearbeitet ist. Genannt seien hier, neben zahlreichen Büchern und Reportagen, Martin Scorseses vorzüglicher Dokumentarfilm „No Direction Home“, der sich ebenfalls mit diesen Jahren in Bob Dylans Leben beschäftigt, und die vielen CDs in Dylans „The Bootleg Series“, die sich intensiv mit diesen Jahren beschäftigen und bei Fans immer wieder für Erstaunen sorgen. Denn gerade wenn man glaubt, auch wirklich den allerletzten Alternate Take eines Songs gehört zu haben, veröffentlicht Dylan einen weiteren Alternate Take.

Über Dylans Privatleben ist weniger bekannt, was auch daran liegt, dass in Musikzeitschriften, LP-Kritiken und Dokumentarfilmen sich auf das Werk und damit zusammenhängende Äußerungen des Künstlers konzentriert wird. In einem Spielfilm ist das dann anders. Entsprechend großen Raum nehmen Dylans Beziehung zur Folk-Ikone Joan Baez (Monica Barbaro) und zu Suze Rotolo ein. Im Film heißt die politische Aktivistin und Friedenskämpferin Sylvie Russo (Elle Fanning). Beide animierten Dylan zu mehr politischen Liedern. Ein klassischer Polit-Sänger wurde er nie und er benimmt sich ihnen gegenüber immer wieder, wie Mangold in seinem Biopic zeigt, wie ein Arschloch. Seine erste Ehefrau, Sara Lownds, die er 1965 heiratete, wird im Film nicht erwähnt.

James Mangold stellt diese Zeit detailgetrau nach. Bei den Fakten nimmt er sich Freiheiten, die Dylan-Fans teilweise die Wände hochlaufen lassen. Salopp gesagt: die Gitarre stimmt, die Frisur stimmt, die Kleider stimmen, wahrscheinlich stimmt sogar Dylans Unterhose, die Lampe im Hintergrund sowieso, aber dann singt Dylan sein großes Liebeslied vor der falschen Frau oder zum falschen Zeitpunkt. „Like a complete unknown“ ist wahrlich kein verfilmter Wikipedia-Artikel, sondern ein Dylan-Biopic, das ein Gefühl von Dylans Aura vermitteln will und ihn als jungen, von Erfolg zu Erfolg eilenden Künstler zeigt, während Timothée Chalamet die unkaputtbaren Songs von Bob Dylan spielt.

Like a complete unknown“ kann daher gut als Startpunkt für weitere Dylan-Studien verwendet werden. Außerdem hat Bob Dylan, geboren 1941 als Robert Allen Zimmerman in Duluth, Minnesota, schon am Beginn seiner Karriere einer guten Geschichte immer den Vorzug gegenüber der historischen Wahrheit gegeben.

Der Film selbst wirkt dabei immer wie der Besuch in einem Museum. Es ist informativ und kurzweilig in seiner Mischung aus Information und Musik. Vieles wird angesprochen, aber nie aus einer bestimmten Perspektive, sondern nüchtern-objektiv wie ein Text in einer Ausstellung, in dem dann steht, dass Dylan 1965 in Newport nicht mit der im Folk akzeptierten Akustikgitarre, sondern mit einer E-Gitarre auftrat und er von einer Rockband begleitet wurde. Teile des Publikums buhten über diesen Verrat an der Folkmusik. Dieser Auftritt bildet den Höhepunkt und das krachende Finale des Biopics. Die Songs funktionieren, das um den Auftritt ausbrechende Chaos verfolgt man eher ungerührt, weil einerseits an der Mythenbildung weitergearbeitet wird und andererseits nicht wirklich erfahrbar gemacht wird, wie groß der Bruch mit damaligen Folk-Szene war.

Like a complete unkown“ bleibt in diesem Moment, wie während des gesamten Films, an der glänzenden Oberfläche, die nichts von den Leiden und Selbstzweifeln eines Künstlers verrät. Dylan tut, was Dylan tun muss. Die Folk-Szene und seine Beziehungen bleiben der folkloristische Hintergrund für ikonische Bilder. Das ist nie wirklich schlecht und immer gut gemacht, aber auch nie wirklich befriedigend.

Wer mehr über die damalige Folk-Szene und deren Innenleben erfahren möchte, sollte sich „Inside Llewlyn Davis“ ansehen. Der Film der Coen-Brüder endet mit der Ankunft von Dylan in Greenwich Village. Trotzdem ist es der bessere Film über Bob Dylan, die damalige Folk-Szene und die inneren und äußeren Kämpfe eines Musikers. Und dann gibt es noch Martin Scorseses bereits erwähnten Dokumentarfilm „No Direction Home“ über diese erste Schaffensphase in dem an Irrungen, Wirrungen, Ab- und Umwegen reichen Werk von Bob Dylan und seinen Erforschungen der amerikanischen Seele.

Like a complete unknown (A complete unknown, USA 2024)

Regie: James Mangold

Drehbuch: James Mangold, Jay Cocks

LV: Elijah Wald: Dylan Goes Electric!, 2015

mit Timothée Chalamet, Edward Norton, Elle Fanning, Monica Barbaro, Boyd Holbrook, Dan Fogler, Norbert Leo Butz, Scott McNairy

Länge: 142 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Like a complete unknown“

Metacritic über „Like a complete unknown“

Rotten Tomatoes über „Like a complete unknown“

Wikipedia über „Like a complete unknown“ (deutsch, englisch) und Bob Dylan (deutsch, englisch)

AllMusic über Bob Dylan

Homepage von Bob Dylan

Meine Besprechung von James Mangolds “Wolverine – Weg des Kriegers” (The Wolverine, USA 2013)

Meine Besprechung von James Mangolds „Logan – The Wolverine“ (Logan, USA 2017)

Meine Besprechung von James Mangolds „Le Mans 66: Gegen jede Chance“ (Ford v Ferrari, USA 2019)

Meine Besprechung von James Mangolds „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ (Indiana Jones and the Dial of Destiny, USA 2023)


TV-Tipp für den 27. Februar: Green Book – Eine besondere Freundschaft

Februar 26, 2025

RBB, 20.15

Green Book – Eine besondere Freundschaft (Green Book, USA 2018)

Regie: Peter Farrelly

Drehbuch: Peter Farrelly, Nick Vallelonga, Brian Currie

Gut gemachtes, auf einer wahren Geschichte basierendes Feelgood-Movie über die sich während einer Konzerttour durch die Südstaaten in den frühen sechziger Jahren entwickelnde Freundschaft zwischen dem Konzertpianisten Don Shirley (Mahershala Ali) und seinem für diese Tournee engagiertem Fahrer und Rausschmeißer Tony ‚The Lip‘ Vallelonga (Viggo Mortensen).

Der allgemeine Jubel über den Film, die zahlreichen Preise, unter anderem der Oscar als bester Film des Jahres (Spike Lee hatte mit seinem Wutausbruch, dass jeder andere nominierte Film den Oscar mehr verdient hätte als „Green Book“, vollkommen recht), können nicht über die doch ziemlich altbackene Ideologe des Films (der weiße Mann als Retter des Schwarzen und mit etwas gutem Willen kann der Rassissmus besiegt werden) hinwegtäuschen. „Green Book“ ist halt perfektes Hollywood-Wohlfühlkino.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Viggo Mortensen, Mahershala Ali, Linda Cardellini, Sebastian Maniscalco, Dimiter D. Marinov, P. J. Byrne

Wiederholung: Freitag, 28. Februar, 22.00 Uhr

Hinweise

Moviepilot über „Green Book“

Metacritic über „Green Book“

Rotten Tomatoes über „Green Book“

Wikipedia über „Green Book“ (deutsch, englisch)

History vs. Hollywood sieht sich diese Männerfreundschaft an

Meine Besprechung von Peter Farrellys „Green Book – Eine besondere Freundschaft“ (Green Book, USA 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: „Heldin“, Chronik einer Schicht im Leben einer Krankenschwester

Februar 26, 2025

Petra Volpes neuer Film beginnt mit dem Beginn der Spätschicht in einem Schweizer Krankenhaus. Und er endet ungefähr acht Stunden später mit dem Ende der Schicht. Dazwischen erzählt Volpe („Die göttliche Ordnung“), strikt chronologisch, mit minimalen Verdichtungen und Dramatisierungen, was in dieser einen Schicht passiert.

Im Mittelpunkt steht die von Leonie Benesch famos gespielte Pflegefachkraft Floria. Nach der Krankmeldung einer Kollegin ist sie mit einer zweiten Fachkraft und einer Erstsemester-Studentin für 26 Patienten verantwortlich. Diese bilden das gesamte Patientenspektrum ab von leicht bis schwer, teils im Sterben liegenden Pflegebedürftigen. Einige sind freundlich, einige fordernd. Einige haben Allergien, andere nicht. Floria muss immer darauf aufpassen, dass sie ihnen die richtigen Medikamente gibt und, egal wie stressig es gerade ist, freundlich und geduldig sein.

Es ist eine ganz normale Schicht ohne besondere Vorkommnisse.

Diese Konzentration auf eine Schicht ist der Vor- und Nachteil des Dramas. So kann Petra Volpe in die Tiefe gehen und einen guten Eindruck von der Arbeit vermitteln. Das macht sie letztendlich mit den Mitteln des Direct Cinema. Die Kamera verfolgt Floria durch die hellen Gänge des Krankenhauses. Sie beobachtet in oft in langen Szenen das Geschehen. Sie verzichtet weitgehend auf Dramatisierungen. Es gibt kein Voice-Over und keine Erklärdialoge. Es gibt nur die Dokumentation der Arbeit. Und diese fängt sie präzise ein. Einige Rollen wurden von Laien und Pflegefachkräften übernommen. Die Macher und die Schauspieler informierten sich vor dem Dreh über die Arbeit auf einer Krankenstation. Hauptdarstellerin Leonie Benesch absolvierte ein Praktikum im Kantonsspital Liestal. Diese Vorbereitung und die Anwesenheit von Fachpersonen beim Dreh führen dazu, dass die Abläufe, die Bewegungen und auch der Tonfall bei Patientengesprächen stimmen.

Fehlen tut allerdings der für Außenstehende nonchalante und verstörende Umgang mit intimen Details und der im Pflegeteam und mit den Patienten vorhandene Humor, ohne den die Arbeit nicht leistbar wäre.

Der Nachteil der von Volpe gewählten Herangehensweise ist, wenn man es denn überhaupt als Nachteil sieht, dass „Heldin“ keine Analyse des Gesundheitssystems, seiner Probleme und möglicher Lösungen ist. Volpe erzählt auch keine Geschichte im klassischen Sinn. Dafür bleibt alles zu sehr im Episodischen einer Schicht. Sie zeigt auch nichts, was nicht auch im Rahmen eines Dokumentarfilms gezeigt werden könnte.

P. S.: Ich habe den sehenswerten Film in der hochdeutschen Synchronisation gesehen. Bei dieser Fassung störte mich der durchgehend klinisch reine Ton und das lehrbuchhafte Hochdeutsch, das immer etwas abgekoppelt von den Geschnissen auf der Leinwand ist. Die Originalfassung scheint – so mein Eindruck vom Trailer – in dieser Hinsicht, obwohl auch hier viel Hochdeutsch gesprochen wird, stimmiger und natürlicher zu sein. Wer also zwischen beiden Fassungen wählen kann, sollte sich unbedingt die Originalfassung ansehen.

Heldin (Schweiz/Deutschland 2025)

Regie: Petra Volpe

Drehbuch: Petra Volpe

mit Leonie Benesch, Sonja Riesen, Alireza Bayram, Selma Aldin, Urs Bihler, Margherita Schoch, Albana Agaj, Ridvan Murati, Urbain Guiguemdé

Länge: 91 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Heldin“

Moviepilot über „Heldin“

Rotten Tomatoes über „Heldin“

Wikipedia über „Heldin“ (deutsch, englisch)

Berlinale über „Heldin“

Meine Besprechung von Petra Volpes „Die göttliche Ordnung“ (Schweiz 2017)


TV-Tipp für den 26. Februar: Ein Prophet

Februar 25, 2025

ZDFneo, 23.15

Ein Prophet (Un Prophète, Frankreich/Italien 2009)

Regie: Jacques Audiard

Drehbuch: Jacques Audiard, Thomas Bidegain

Ein Bildungsroman der anderen Art: der 19-jährige Malik kommt in den Knast und lernt dort alles, was er für das Leben braucht. Dummerweise macht ihn nichts davon zu einem wertvollen Mitglied der Gesellschaft.

In Cannes erhielt „Ein Prophet“ den Großen Preis der Jury, bei den Cesars und den Étoiles d’Or (dem Preis der französischen Filmjournalisten) räumte er ab, er war den Oscar und Golden Globe als bester ausländischer Film nominiert, die Kritiker feiern den Film ab, Knackis (von denen etliche bei der Produktion beteiligt waren) loben die Authentizität des Films, es wurde über den Zustand und die Lebensbedingungen in den Knästen diskutiert und über 1,5 Millionen Franzosen lösten ein Kinoticket. In Deutschland war das Knastdrama nicht so erfolgreich.

mit Tahra Rahim, Nils Arestrup, Adel Bencherif, Reda Kateb

Hinweise

Moviepilot über „Ein Prophet“

Metacritic über „Ein Prophet“

Rotten Tomatoes über „Ein Prophet“

Wikipedia über „Ein Prophet“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Jacques Audiards „The Sisters Brothers“ (The Sisters Brothers, Frankreich/Spanien/Rumänien/USA/Belgien 2018)

Meine Besprechung von Jacques Audiards „Wo in Paris die Sonne aufgeht“ (Les Olympiades, Frankreich 2021)

Meine Besprechung von Jacques Audiards „Emilia Pérez“ (Emilia Pérez, Frankreich 2024)


Cover der Woche

Februar 25, 2025


Über Megan Abbotts „Wage es nur!“, „Aus der Balance“ und „Hüte dich vor der Frau“

Februar 25, 2025

Lange hat es gedauert, bis Megan Abbott nach Deutschland kam. In den USA erschien 2005 ihr erster Roman. „Die a little“ war als bestes Debüt für den Anthony, den Barry und den Edgar-Preis nominiert. Seitdem erschienen zehn weitere Romane, die für zahlreichen prestigeträchtige Krimipreise nominiert waren. Ihre Noirs erhielten unter anderem den Edgar, Barry, Anthony und ITW Thriller Award.

In Deutschland gab es in der Zeit nur eine Übersetzung. „Das Ende der Unschuld“ (The End of Everything, 2011) erschien 2012 bei Kiepenheuer & Witsch. Danach ließ der deutsche Buchmarkt Megan Abbott links liegen. Bis pulp master 2023 „Aus der Balance“, 2024 „Wage es nur!“ und, vor wenigen Wochen, „Hüte dich vor der Frau“ veröffentlichte. Alle landeten auf der Krimibestenliste. „Aus der Balance“ steht auf dem zweiten Platz der aus den monatlichen Listen entstandenen Jahresbestenliste 2023. „Wage es nur!“ steht auf dem zweiten Platz der Jahresbestenliste 2024. Bei pulp master ist mit „Queenpin“ bereits ein weiterer von ihr geschriebener Noir angekündigt. Der 2007 erschienene Roman erhielt den Edgar und den Barry Award als Best Paperback Original.

In ihrem neuesten Roman „Hüte dich vor der Frau“ (Beware the Woman, 2023) besucht die in der dreizehnten Woche schwangere Jacy, gleichzeitig die 32-jährige Ich-Erzählerin der Geschichte, mit ihrem Freund Jed dessen im ländlichen Michigan lebenden Vater. Der verwitwete Dr. Ash lebt, abgesehen von der ständig anwesenden Haushälterin Mrs. Brandt zurückgezogen in einem großen Blockhaus im Wald.

Als es Probleme bei Jacys Schwangerschaft gibt, Dr. Ash und mit ihm befreundete Ärzte sich immer wieder über ihren Wünsche hinwegsetzen, er anscheinend ihre Krankenakte kennt, sie Gerüchte über Jeds verstorbene Mutter hört und Jed sich mit früheren Bekannten trifft und ihr anscheinend einiges über die Treffen und seine Vergangenheit verschweigt, wird sie misstrauisch. Es kann aber auch sein, dass Jacy im Rahmen ihrer Schwangerschaft Wahnvorstellungen hat.

Im Mittelpunkt von „Aus der Balance“ (The Turnout, 2021) stehen die Geschwister Dara und Marie, Daras Ehemann Charlie und die von ihnen geführte und von ihrer Mutter 1986 gegründete Ballettschule Durant. Die drei leben auch in dem im Stadtzentrum gelegenem Ziegelbau. Die Schule läuft ganz gut. Die Aufführung vom Nussknacker ist jedes Jahr der von den Schülern und ihren Eltern heißersehnte Höhepunkt des Programms der Schule.

Gerade während die Proben und der damit verknüpfte Auswahlprozess unter den Schülern beginnen sollen, bricht in der Schule ein Brand aus. Weil die Feuerwehr das Feuer schnell löscht, beschränkt sich das Unglück auf den kleinsten Saal des Hauses.

Bauunternehmer Derek Girard schlägt ihnen vor, neben der Sanierung gleichzeitig einige weitere Arbeiten zu erledigen. Das Angebot klingt gut. Die von ihm eingeleiteten Arbeiten scheinen einen immer größeren Umfang anzunehmen und immer mehr an dem Gebäude zu zerstören.

Zur gleichen Zeit verführt er Maria. Diese Beziehung bringt das fragile Gleichgewicht in der Ballettschule weiter aus der Balance.

Wage es nur!“ (Dare me, 2012) spielt an der Schule. Die sechzehnjährige Addy Hanlon ist eine Cheerleaderin. Gemeinsam mit ihrer über sie bestimmenden Freundin Beth Cassidy dominieren sie das schulische Team der Cheerleader. Sie sind als Cheerleaderinnen vor allem dazu da, gut auszusehen und bei Spielen ihre Mannschaft anzufeuern.

Als ein neuer Coach kommt, ändert sich das. Colette French fordert sie zu höheren sportlichen Leistungen heraus. Gleichzeitig baut die verheiratete Mutter ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Schülerinnen auf und beginnt eine Affäre mit einem Kollegen. Addy und Beth erwischen sie beim Sex im Lehrerzimmer.

Hüte dich vor der Frau“ erinnert vom Plot natürlich sofort an Daphne du Mauriers „Rebecca“ (und Alfred Hitchcocks Verfilmung) und Ira Levins „Rosemaries Baby“ (legendär verfilmt von Roman Polanski). Nach der Lektüre des Klappentextes ist von der ersten Seite des Buches an die Frage nicht, ob Jeds Familie ein Geheimnis hat, sondern was das Geheimnis der Familie ist und ob Jacy die Geschichte überlebt. Inzwischen garantiert ja auch die Wahl einer Ich-Erzählerin nicht mehr das Überleben der Erzählerin.

Aus der Balance“ ist eine an einer Ballettschule spielende Geschichte über zwei Schwestern, deren Beziehung und ökonomische Existenz durch die Ankunft eines Mannes, der wie eine unsympathische Inkarnation des Teufels wirkt, aus der Balance gerät.

Wage es nur!“ ist eigentlich ein an der Schule spielendes Jugendbuch. Die Erzählerin ist eine Schülerin, die weniger aktive Gestalterin der Ereignisse, sondern passive, oft abwesende Beobachterin der sich teils unglaubwürdig entwickelnden Geschehnisse ist. Immerhin erfahren wir einiges über die Welt des Cheerleading.

Und dennoch ähneln sich die auf den ersten Blick unterschiedlichen Geschichten. Im Mittelpunkt der Geschichten steht dabei immer die weibliche Perspektive auf die Ereignisse. Es ist, ohne jetzt zu viel von der Geschichte und den Schlußpointen wegzugeben, oft auch eine Opferperspektive und die einer sich möglicherweise daraus ergebenden Selbstermächtigung. Zweimal bedient Abbott sich dabei einer Ich-Erzählerin.

Trotzdem überzeugte mich keiner der drei Romane wirklich. „Wage es nur“, „Aus der Balance“ und „Hüte dich vor der Frau“ sind Slow-Burner, die sehr langsam ihre minimalistische Geschichte erzählen. Wichtige Ereignisse passieren erst relativ spät in der Geschichte. Die Figuren der in der Gegenwart spielenden Geschichten, und das gilt unabhängig vom Geschlecht und ob sie Prota- oder Antagonist sind, verhalten sich oft seltsam.

Ehrlich gesagt hätte ich keinen der Romane gelesen, wenn Megan Abbott nicht so einhellig gelobt würde und wenn die Romane nicht pulp master erschienen wären.

Megan Abbott: Hüte dich vor der Frau

(übersetzt von Peter Hammans)

pulp master, 2025

384 Seiten

16 Euro

Originalausgabe

Beware the Woman

G. P. Putnam’s Sons, 2023

Megan Abbott: Aus der Balance

(übersetzt von Karen Gerwig und Angelika Müller)

pulp master, 2023

416 Seiten

16 Euro

Originalausgabe

The Turnout

G. P. Putnam’s Sons, 2021

Megan Abbott: Wage es nur!

(übersetzt von Karen Gerwig)

pulp master, 2024

352 Seiten

16 Euro

Originalausgabe

Dare me

Little, Brown and Company, 2012

Hinweise

pulp master über Megan Abbott

Homepage von Megan Abbott

Perlentaucher über Megan Abbott

Wikipedia über Megan Abbott (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 25. Februar: Tatort: Tote Taube in der Beethovenstraße

Februar 24, 2025

WDR, 23.45

Tatort: Tote Taube in der Beethovenstraße (Deutschland 1973)

Regie: Samuel Fuller

Drehbuch: Samuel Fuller

In Bonn entdeckt Zollfahnder Kressin in der Beethovenstraße die Leiche eines New Yorker Privatdetektivs. Nachdem Kressin schwer verletzt im Krankenhaus landet, macht sich Sandy, der Partner des Toten, auf die Mörderjagd.

Herrlich abgedrehter „Tatort“, der in den USA im Kino lief. Mit einem gewöhnlichen „Tatort“ hat diese tote Taube nichts zu tun.

Die Musik ist von der legendären Krautrock-Band Can.

mit Sieghardt Rupp, Glenn Corbett, Christa Lang, Anton Diffring, Eric P. Caspar, Hans C. Blumenberg, Anthony Chin, Alex d’Arcy

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Tatort: Tote Taube in der Beethovenstraße“

Wikipedia über „Tatort: Tote Taube in der Beethovenstraße“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Samuel Fullers „Der nackte Kuss“ (The naked kiss, USA 1964)


TV-Tipp für den 24. Februar: Der Kontrakt des Zeichners

Februar 23, 2025

Arte, 21.55

Der Kontrakt des Zeichners (The Draughtsman’s Contract, Großbritannien 1982)

Regie: Peter Greenaway

Drehbuch: Peter Greenaway

England, Grafschaft Wiltshire, Sommer 1694: Landschaftsmaler Neville soll für Mrs. Virginia Herbert, während ihr Mann weg ist, zwölf Zeichnungen ihres Landsitzes Compton Anstey anfertigen. Dies tut er äußerst detailgenau. Als Mr. Herbert ermordet aufgefunden wird, können Nevilles Bilder den Täter enttarnen.

Köstliches Krimirätsel und spöttische Gesellschaftssatire, die den Zuschauer intellektuell nie unterfordert. Glänzende, kurzweilige Unterhaltung, die schon damals von der Kritik abgefeiert wurde. Greenaway „hat einen eigenwilligen, experimentellen Thriller gedreht. (…) Der in seiner Struktur anspruchsvolle Film wurde gegen die Regeln des gängigen Erfolgskinos gedreht und hat bei Publikum und Presse eine überragende Resonanz gefunden.“ (Fischer Film Almanach 1985)

Spielfilmdebüt des Experimentalkünstlers Peter Greenaway. Zu seinen späteren, ebenfalls sehenswerten (wenn sie denn mal wieder gezeigt werden) Spielfilmen gehören „Ein Z & zwei Nullen“, „Der Bauch des Architekten“, „Verschwörung der Frauen“, „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“, „Prosperos Bücher“, „Das Wunder von Mâcon“ und, zuletzt, „Eisenstein in Guanajuato“.

mit Anthony Higgins, Janet Suzman, Anne-Louise Lambert, Hugh Fraser, Neil Cunningham, Dave Hill, Lynda La Plante

Wiederholung: Sonntag, 2. März, 01.45 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Arte über den Film (in der Mediathek)

Rotten Tomatoes über „Der Kontrakt des Zeichners“

Wikipedia über „Der Kontrakt des Zeichners“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Peter Greenaways „Eisenstein in Guanajuato“ (Eisenstein in Guanajuato, Niederlande/Mexiko/Finnland/Belgien 2015)


TV-Tipp für den 23. Februar: Bundestagswahl 2025

Februar 22, 2025

ARD, 17.10
ZDF, 17.00
Bundestagswahl 2025
Vorberichte, Prognosen, Hochrechnungen und um 20.15 Uhr die „Berliner Runde“.
Wer immer noch unentschlossen ist, kann den Wahl-O-Mat durchspielen.
Wer mehr über die innenpolitischen Ideen der Parteien wissen möchte, kann sich mein Gespräch mit Tom Jennissen anhören:


TV-Tipp für den 22. Februar: The Whale

Februar 21, 2025

One, 21.45

The Whale (The Whale, USA 2022)

Regie: Darren Aronofsky

Drehbuch: Samuel D. Hunter

LV: Samuel D. Hunter: The Whale, 2012 (Theaterstück)

Grandioses Schauspielerkino über einen mehr als übergewichtigen, fast bewegungsunfähigen Mann, der seine Schuldgefühle in sich hineinfrisst, Unikurse nur online und mit ausgeschalteter Kamera anbietet und sich jetzt, vor seinem baldigen Tod, mit seiner Tochter versöhnen will.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Brendan Fraser, Sadie Sink, Ty Simpkins, Hong Chau, Samantha Morton, Sathya Sridharan

Wiederholung: Montag, 24. Februar, 23.30 Uhr

Hinweise

Moviepilot über „The Whale“

Metacritic über „The Whale“

Rotten Tomatoes über „The Whale“

Wikipedia über „The Whale“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Darren Aronofskys “Black Swan” (Black Swan, USA 2010)

Meine Besprechung von Darren Aronofskys „Noah“ (Noah, USA 2014)

Meine Besprechung von Darren Aronofskys „The Whale“ (The Whale, USA 2022) und der DVD

Darren Aronofsky in der Kriminalakte


Neu im Kino/Filmkritik: Über Andrea Arnolds „Bird“

Februar 21, 2025

Die zwölfjährige Bailey (Nykiya Adams) lebt bei ihrem nur einige Jahre älteren Vater Bug (Barry Keoghan) in Kent in einem besetzten Haus. Bug ist selbst noch ein Kind. Auf den ersten Blick wirkt er wie der etwas ältere coole Bruder, der seine kleine Schwester mitnimmt. Er verbringt seine Zeit mit spinnerten Geschäftsideen, plant seine Hochzeit mit einer Frau, die er erst seit einigen Tagen kennt und konsumiert Drogen. Als Erzieher im auch nur halbwegs traditionellem Sinn ist er ein Totalausfall. Das Gleiche gilt für Baileys Mutter.

Also streift Bailey durch die Stadt. Eines Tages trifft sie auf Bird (Franz Rogowski), einer auch für die Gegend seltsamen Mischung aus schüchternem Sonderling und harmlosen Menschenfreund, der anscheinend vom Himmel gefallen ist.

Bird“, Andrea Arnolds neuer Spielfilm, ist eine musikalisch stimmig untermalte Charakterstudie zwischen Sozialdrama und Poesie. Etwas Magischen Realismus gibt es auch. Dabei präsentiert sie das Leben ihrer Figuren offen, ehrlich, ohne Scheuklappen, aber auch mit spürbarer Sympathie für sie. Nie verurteilt sie sie.

Damit fügt sich ihr neuester Film nahtlos an ihre früheren Kinospielfilme „Fish Tank“ (2009) und „American Honey“ (2016) an, mit denen sie ihren Ruf als eine der wichtigen Stimmen des zeitgenössischen britischen Kinos begründete.

Neben diesen drei Spielfilmen drehte sie in den vergangenen fünfzehn Jahren außerdem ein ziemlich unbekanntes Historiendrama („Wuthering Heights – Emily Brontës ‚Sturmhöhe’“, 2011), den Dokumentarfilm „Cow“ (über das Leben einer Milchkuh) und mehrere Episoden für TV-Serien.

Bird (Bird, Großbritannien 2024)

Regie: Andrea Arnold

Drehbuch: Andrea Arnold

mit Nykiya Adams, Barry Keoghan, Franz Rogowski, Jason Buda, Jasmine Jobson, Frankie Box

Länge: 114 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Bird“

Metacritic über „Bird“

Rotten Tomatoes über „Bird“

Wikipedia über „Bird“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Andrea Arnolds „American Honey“ (American Honey, USA/Großbritannien 2016)

Die Cannes-Pressekonferenz


TV-Tipp für den 21. Februar: Verlockende Falle

Februar 20, 2025

Super RTL, 20.15

Verlockende Falle (Entrapment, USA 1999)

Regie: Jon Amiel

Drehbuch: Ronald Bass, Michael Hertzberg

Versicherungsdetektivin Virginia ‚Gin‘ Baker (Catherine Zeta-Jones) glaubt, dass der vermögende Kunstsammler MacDougal (Sean Connery) ein Dieb ist, der zuletzt ein Rembrandt-Gemälde stahl. MacDougal nimmt die Herausforderung an und das Katz-und-Maus-Spiel kann beginnen.

Einer der letzten Leinwandauftritte von Sean Connery und ein rundum ansehbarer, altmodischer, leichtgewichtiger, eskapstischer Gangsterkrimi mit einer Prise Humor und ohne Gewalt.

mit Sean Connery, Catherine Zeta-Jones, Ving Rhames, Will Patton, Maury Chaykin, Kevin McNally

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Verlockende Falle“

Wikipedia über „Verlockende Falle“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Der Drei-Personen-Actionthriller „Flight Risk“

Februar 20, 2025

U.S. Deputy Marshal Madolyn Harris (Michelle Dockery) will einen Mafia-Kronzeugen, den Buchhalter Winston (Topher Grace), von Alaska nach New York zu einer Gerichtsverhandlung bringen. Für das erste Stück ihrer Reise chartert sie eine kleine Cessna mit einem Piloten, der sich während der Flugs als von der Mafia angeheuerter, bestens über sie informierter Killer entpuppt.

Dieser Killer wird von Mark Wahlberg gespielt. Es ist nach „Fear – Wenn Liebe Angst macht“ (USA 1996) sein erster Auftritt als Bösewicht. Denn eigentlich ist er ja immer einer der Guten. Aber in „Flight Risk“ darf er einen richtig bösen Bösewicht spielen. Dafür rasierte er sich sogar eine Halbglatze, die künstlicher als eine falsche Glatze aussieht.

Die Regie übernahm Mel Gibson. Warum ist unklar, aber vielleicht wollte er fast zehn Jahre nach seinem deutlich ambitionierterem Antikriegsfilm „Hacksaw Ridge“ einfach wieder Regie führen. Denn „Flight Risk“ ist ein typischer 08/15-Thriller ohne besondere Merkmale. Es ist ein schlechtes B-Picture für einen verregneten Samstag auf der Couch, wenn gerade alle anderen Filme in der Warteschlange schon gesehen sind und man beim Ansehen des Films eine lange Liste mit Logikfehlern und Implausibilitäten anlegen möchte.

Action gibt es natürlich auch kaum. Schließlich spielt der Film, abgesehen von den ersten und letzten Minuten in Quasi-Echtzeit in einem kleinen Flugzeug und die drei Passagiere sitzen die meiste Zeit des Films, teils gefesselt, auf ihren Plätzen und belauern sich, während der gefesselte Killer sie mit seinen Psychospielchen in den Wahnsinn treiben will. Gleichzeitig lernt Madolyn mit der Hilfe des sympathischen Piloten Hasan, der mit ihr über Funk Kontakt hält, fliegen und sie sucht, eifrig mit ihrem Smartphone telefonierend, nach der Trial-and-Error-Methode den Verräter in den eigenen Reihen.

Flight Risk (Flight Risk, USA 2025)

Regie: Mel Gibson

Drehbuch: Jared Rosenberg

mit Michelle Dockery, Mark Wahlberg, Topher Grace

Länge: 92 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Flight Risk“

Metacritic über „Flight Risk“

Rotten Tomatoes über „Flight Risk“

Wikipedia über „Flight Risk“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Mel Gibsons „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“ (Hacksaw Ridge, USA/Australien 2016)


Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: Über Osgood Perkins‘ Stephen-King-Verfilmung „The Monkey“

Februar 20, 2025

Zuerst ist er für die Zwillingsbrüder Hal und Bill nur ein seltsam aussehendes Spielzeug. Ein breit grinsender Zirkusaffe, der, wenn er aufgezogen wird, die kleinen Blechbecken, die er in seinen Händen hält, zusammenschlägt. Aber dann bemerken sie, dass jedes Mal, wenn der Affe die Zimbel zusammenschlägt, jemand stirbt, den sie kennen.

Also werfen sie, nach mehreren Todesfällen, den Affen in einen tiefen, im Wald hinter ihrem Haus liegenden und seit Ewigkeiten nicht mehr benutzten Brunnen und vergessen ihn.

25 Jahre später ist der Affe wieder da und das Morden beginnt von neuem.

Osgood Perkins neuer Horrorfilm basiert auf einer 1980 von Stephen King geschriebenen Kurzgeschichte, die er auf Spielfilmlänge ausbaute. Er behält selbstverständlich die Grundidee von dem dämonisch bessessenem Gegenstand, einem Spielzeug, einer Puppe oder in diesem Fall einem Zirkusaffen, bei. Er steigt tiefer in die Geschichte der Familie von Bill und Hal ein, verändert dabei auch einiges – so sind Bill und Hall bei King Brüder, bei Perkins Zwillingsbrüder – und er zeigt die Todesfälle genauer. Was bei King in einem Satz gesagt wird, ist bei Perkins ein in seinen blutig-grotesken Details gezeigter tödlicher Unfall. Und es gibt viele dieser Unfälle, die beim geneigten Horrorfilmfan für Entzücken sorgen.

Außerdem, und das ist die größte Veränderung, veränderte er das Finale zu einem grotesk überzeichnetem Weltuntergangsszenario, das jede Glaubwürdigkeit und Plausibilität grimmig ignoriert.

Andere Veränderungen sind vernachlässigbar. „Longlegs“-Regisseur Perkins erzählt die Geschichte, im Gegensatz zu King, chronologisch. Er verlegte sie im ersten Teil in die neunziger Jahre und im zweiten Teil in die Gegenwart. Die von ihm gezeichnete Welt verströmt dabei immer das Patina abgeranzter Provinz-Siebziger-Jahre, als dort noch voller Stolz die Mode der fünfziger Jahre getragen wurde. Das verleiht seinem Film eine heimelige Zeitlosigkeit.

Wer vom neuen Film des „Longlegs“-Regisseurs mehr als eine Reihe schwarzhumorig-blutig inszenierter tödlicher Unfälle erwartet, wird enttäuscht werden. Sicher, die Schauspieler sind gut, und sie haben auch einige gute Szenen, die Ausstattung ist stilecht und das Spiel mit der im Verlauf des Films zwischen den Brüdern wechselnden Erzählerstimme zeigt, dass er sich einige Gedanken über die Geschichte machte, aber noch mehr Hirnschmalz investierte er in die Inszenierung der Todesfälle.

The Monkey (The Monkey, USA/Großbritannien 2025)

Regie: Osgood Perkins

Drehbuch: Osgood Perkins

LV: Stephen King: The Monkey, 1980 (Der Affe, Kurzgeschichte, enthalten in „Blut – Skeleton Crew“)

mit Theo James, Christian Convery, Tatiana Maslany, Colin O’Brien, Rohan Campbell, Sarah Levy, Adam Scott, Elijah Wood, Osgood Perkins, Danica Dreyer, Laura Mennell, Nicco Del Rio

Länge: 98 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Die Vorlage

Der Affe“ (The Monkey) ist eine Kurzgeschichte aus Stephen Kings zweiter Sammlung von Kurzgeschichten. „Skeleton Crew“ erschien in den USA 1985. In Deutschland erschienen die 22 Kurzgeschichten zuerst getrennt in „Im Morgengrauen“, „Der Gesang der Toten“ und „Der Formit“.

Das in der aktuell erhältlichen Heyne-Ausgabe gut neunhundert Seiten dicke Buch enthält alle Geschichten:

Der Nebel (The Mist, 1980 – verfilmt 2007 von Frank Darabont als „Der Nebel“ [The Mist])

Hier Seyen Tiger (Here there be Tygers, 1968)

Der Affe (The Monkey, 1980 – verfilmt 2025 von Osgood Perkins als „The Monkey“ [The Monkey])

Kains Aufbegehren (Cain rose up, 1968)

Mrs. Todds Abkürzung (Todd’s Shortcut, 1984)

Der Jaunt (The Jaunt, 1981)

Der Hochzeitsempfang (The Wedding Gig, 1980)

Paranoid: Ein Gesang (Paranoid: A Chant, 1985)

Das Floss (The Raft, 1982)

Textcomputer der Götter (Word Processor of the Gods, 1983)

Der Mann, der niemand die Hand geben wollte (The Man who wold not shake Hands, 1982)

Dünenwelt (Beachworld, 1985)

Das Bildnis des Sensenmanns (The Reaper’s Image, 1969)

Nona (Nona, 1978)

Für Owen (For Owen, 1985)

Überlebenstyp (Survivor Type, 1982)

Onkel Ottos Lastwagen (Uncle Otto’s Truck, 1983)

Morgenlieferung (Morning Deliveries, 1985)

Große Räder: Eine Geschichte aus dem Wäschereigeschäft (Big Wheels: A Tale of the Laundry Game, 1982)

Omi (Gramma, 1984)

Die Ballade von der flexiblen Kugel (The Ballad of the Flexible Bullett, 1984)

Die Meerenge (The Beach, 1981)

Weggelassen habe ich die TV- und One-Dollar-Baby-Adaptionen.

Stephen King: Blut – Skeleton Crew

(übersetzt von Joachim Körber, Alexandra von Reinhardt, Monika Hahn und Martin Bliesser)

Heyne, 2013

896 Seiten

14 Euro

Originalausgabe

Skeleton Crew

Putnam, New York 1985

Hinweise

Moviepilot über „The Monkey“

Metacritic über „The Monkey“

Rotten Tomatoes über „The Monkey“

Wikipedia über „The Monkey“ (deutsch, englisch) und die Vorlage (deutsch [Band 1, 2, 3], englisch)

Meine Besprechung von Osgood Perkins‘ „Longlegs“ (Longlegs, USA 2024)

Homepage von Stephen King

Mein Porträt zu Stephen Kings Geburtstag

Stephen King in der Kriminalakte, in seinem Trailer-Park und auf Europa-Tour

den Romanen von Stephen King

Meine Besprechung von Stephen Kings/Richard Bachmans „Qual“ (Blaze, 2007)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Nachgelassene Dinge“ (The things they left behind) in Ed McBains „Die hohe Kunst des Mordens“ (Transgressions, 2005)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Colorado Kid“ (The Colorado Kid, 2005)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Doctor Sleep“ (Doctor Sleep, 2013)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Später“ (Later, 2021)

Meine Besprechung von Joe Hill/Stephen King/Richard Mathesons „Road Rage“ (Road Rage, 2012)

den Verfilmungen, teils mit Besprechungen der Romane

Meine Besprechung der auf Stephen Kings Novelle “The Colorado Kid” basierenden TV-Serie “Haven”

Meine Besprechung von Kimberly Peirces Stephen-King-Verfilmung “Carrie” (Carrie, USA 2013)

Meine Besprechung von Tod Williams‘ Stephen-King-Verfilmung „Puls“ (Cell, USA 2016)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Der dunkle Turm: Schwarz“ (The Dark Tower: The Gunslinger, 1982) und von Nikolaj Arcels Romanverfilmung „Der dunkle Turm“ (The dark Tower, USA 2017)

Meine Besprechung von Andy Muschiettis „Es“ (It, USA 2017)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Friedhof der Kuscheltiere“ (Pet Sematary, 1983) und Kevin Kölsch/Dennis Widmyers Romanverfilmung „Friedhof der Kuscheltiere“ (Pet Sematary, USA 2019)

Meine Besprechung von Andy Muschietti Stephen-King-Verfilmung „Es Kapitel 2″ (It Chapter 2, USA 2019)

Meine Besprechung von Mike Flanagans „Stephen Kings Doctor Sleeps Erwachen“ (Doctor Sleep, USA 2019) (wahrscheinlich einer der Filmtitel, die kein Mensch an der Kinokasse vollständig ausgesprochen hat)

Meine Besprechung von Rob Savages Stephen-King-Verfilmung „The Boogeyman“ (The Boogeyman, USA 2023)

Meine Besprechung von Kurt Wimmers „Kinder des Zorns“ (Children of the Corn, USA 2020)

 


TV-Tipp für den 20. Februar: Die Magnetischen

Februar 19, 2025

WDR, 23.30

Die Magnetischen (Les magnétiques, Frankreich/Deutschland 2021)

Regie: Vincent Maël Cardona

Drehbuch: Vincent Maël Cardona, Romain Compingt, Chloé Larouchi, Maël Le Garrec, Rose Philippon, Catherine Paillé

Frankreich, 1981: die ungleichen Brüder Jerôme und Philippe betreiben in der Provinz einen Piratensender. Als sich beide in Marianne verlieben und Philippe als Soldat nach West-Berlin muss, verändert sich auch ihr Verhältnis zueinander.

Wunderschöne, erstaunlich unpolitische Charakterstudie, die am besten als gelungenes Mixtape genossen wird. Bei Älteren wird sie wohlige Erinnerungen heraufbeschwören. Jüngeren gibt sie einen Einblick in eine noch gar nicht so lange zurück liegende, aber ganz andere Zeit.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Thimotée Robart, Marie Colomb, Joseph Olivennes, Fabrice Adde, Louise Anselme, Younès Boucif, Maxence Tual, Judith Zins, Philippe Frécon

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Filmportal über „Die Magnetischen“ 

Moviepilot über „Die Magnetischen“

AlloCiné über „Die Magnetischen“

Rotten Tomatoes über „Die Magnetischen“

Wikipedia über „Die Magnetischen“ (deutsch, französisch)

Indiekino über „Die Magnetischen“ (Zeitzeuge Tom Dorow über den Film und wie politisch es damals zwischen Hausbesetzung, Straßenprotest und Clubbesuch in Berlin war)

Meine Besprechung von Vincent Maël Cardonas „Die Magnetischen“ (Les magnétiques, Frankreich/Deutschland 2021)


Ein Noir, aber kein Kriminalroman: David L. Ulins „Die Frau, die schrie“

Februar 19, 2025

Als er Corrina die Tür öffnet, ahnt er schon, dass das nicht die schlaueste Entscheidung ist. Sie wohnt ihm gegenüber in Los Angeles in dem Apartmentkomplex, der mich von der Beschreibung mehr an den abgeranzten Apartmentkomplex in „Die drei ??? und der Karpatenhund“ als an den doch sehr noblen Komplex in David Lynchs „Mulholland Drive“ erinnert. Er kennt sie als die Frau, die schreit.

Die gutaussehende Mittdreißigerin eröffnet ihm, dass sie vielleicht ihre Schwiegermutter Sylvia Glenn umbringen werde. Sylvia ficht nämlich das Testament ihres an einem Herzinfarkt verstorbenen Vaters an mit dem Ziel sie zu enterben.

Der namenlose Erzähler der Geschichte, ein ungefähr vierzigjähriger, getrennt lebender Mann ohne Arbeit und mit dem Alkoholkonsum eines Hardboiled-Ermittlers der alten Schule, erklärt sich bereit ihr zu helfen und mit Sylvia zu reden. Sylvia wohnt in ienem noblen Haus im Benedict Canyon und sie verdreht ihm sofort den Kopf.

Nach den Noir-Spielregeln droht ihm jetzt von zwei Seiten das Verhängnis. Aber David L. Ulin, ein früherer Buchkritiker der Los Angeles Times, Stipendiant der Guggenheim Foundation und Professor für Englisch an der University of Southern California, unterläuft diese Spielregeln geschickt. Zwar begeht der Erzähler eine Mord und begeht eine Brandstiftung (was in Kalifornien nie eine gute Idee ist), aber gleichzeitig begibt Ulin sich immer weiter in den Kopf des Ich-Erzählers und die Geschichte begibt sich, sozusagen zwischen „Lost Highway“ und „Mulholland Drive“, immer weiter in David-Lynch-Territorium, wo Traum und Realität ununterscheidbar miteinander verknüpft sind. Der Erzähler erinnert sich an seine frühere Frau und ihre Beziehung. Er hört am liebsten alte Blues-Songs. Er trinkt schon vor dem Frühstück. Und er ist kein Ermittler, sondern nur ein Trottel, der von Corrina und Sylvia für Botengänge benutzt wird.

Das Ergebnis ist ein vorzüglicher düsterer Noir, aber kein Kriminalroman im engeren Sinn.

David L. Ulin: Die Frau, die schrie

(übersetzt von Kathrin Bielfeldt, mit einem Nachwort von Chris Harding Thornton)

Polar, 2025

224 Seiten

24 Euro

Originalausgabe

Thirteen Question Method

Outpost 19, 2023

Hinweise

Polar über den Roman (u. a. mit einem Interview und einer Playlist)

Homepage von David L. Ulin

 


TV-Tipp für den 19. Februar: Teufel in Blau

Februar 18, 2025

ZDFneo, 23.15

Der Teufel in Blau (Devil in a blue dress, USA 1995)

Regie: Carl Franklin

Drehbuch: Carl Franklin

LV: Walter Mosley: Devil in a blue dress, 1990 (Teufel in Blau)

Los Angeles, 1948: Amateurdetektiv Easy Rawlins soll Daphne finden. Aber Daphne hat es faustdick hinter den Ohren.

Franklins gelungene Verfilmung von Mosley Debütroman. „Teufel in Blau“ ist ein Film Noir, der seine Vorbilder aus der Schwarzen Serie immer deutlich zitiert und damit immer zum gut gemachten, aber auch langweiligem Ausstattungskino tendiert.

Mit Denzel Washington, Tom Sizemore, Jennifer Beals, Don Cheadle

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Teufel in Blau“

Wikipedia über „Teufel in Blau“ (deutsch, englisch)

Thrilling Detective über Easy Rawlins

Homepage von Walter Mosley

Meine Besprechung von Walter Mosleys Kurzroman „Archibald Lawless: Freier Anarchist“ in Ed McBains „Die hohe Kunst des Mordens“ (Transgressions, 2005)

Kriminalakte: Walter Mosley erhält den CWA Diamond Dagger 2023