TV-Tipp für den 13. Oktober (+ Buchtipp): In the Electric Mist – Mord in Louisiana

Oktober 12, 2019

Arte, 21.10

In the Electric Mist – Mord in Louisiana (In the Electric Mist, USA 2009)

Regie: Bertrand Tavernier

Drehbuch: Jerzy Kromolowski, Mary Olson-Kromolowski

LV: James Lee Burke: In the Electric Mist with Confederate Dead, 1993 (Im Schatten der Mangroven)

Polizeichef Dave Robicheaux will den Mord an einer neunzehnjährigen Prostituierten aufzuklären. Bei seinen Ermittlungen trifft er auch auf eine Filmcrew, die einen historischen Film dreht, den lokalen Paten, seinen alten Freund Julie ‘Baby Feet’ Balboni, dessen Geld auch in dem Film steckt und den Geist von Konföderierten-General John Bell Hood.

Grandios besetzte, sehr atmosphärische und sehr gelungene Verfilmung eines Robicheaux-Krimis. Feiner Stoff für Krimifans.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Tommy Lee Jones, John Goodman, Peter Sarsgaard, Kelly Macdonald, Mary Steenburgen, Justina Machado, Ned Beatty, James Gammon, Pruitt Taylor Vince, Levon Helm, Buddy Guy, John Sayles

Lektürehinweis

Brandneu aus der Druckerei: der neue Dave-Robicheaux-Roman mit dem superunspektakulärem Titel „Mein Name ist Robicheaux“. Im Original ist der Titel des 21. Robicheaux-Krimis noch unspektakulärer.

Bei jedem anderen Roman würde ich bei dieser Ausgangslage von einem persönlichen Fall sprechen. Aber alle Dave-Robicheaux-Fälle sind persönlich. Dieses Mal geht es um einen Mord. Der Mann, der Robicheauxs Frau überfahren hat, wurde ermordet. Robicheaux kann sich nicht an die Mordnacht erinnern. Aber seine Hände sind zerschunden und selbstverständlich wird man ihn, wegen seines Motivs, verdächtigen. Also beginnt Robicheaux in eigener Sache zu ermitteln. Und langjährige Robicheaux-Fans wissen, dass das keine normale, streng den Dienstvorschriften gehorchende Ermittlung wird.

James Lee Burke: Mein Name ist Robicheaux

(übersetzt von Jürgen Bürger)

Pendragon, 2019

600 Seiten

22 Euro

Originalausgabe

Robicheaux – You know my name

Simon & Schuster, 2018

Hinweise

Rotten Tomatoes über „In the Electric Mist“

Wikipedia über „In the Electric Mist“ (deutsch, englisch)

Berlinale: Pressekonferenz zu „In the Electric Mist“

Homepage von James Lee Burke

Mein Porträt von James Lee Burke

James Lee Burke in der Kriminalakte

„In the Electric Mist“ in der Kriminalakte

Thrilling Detective über „the Great Lost P. I.“ Dave Robicheaux

Homepage von James Lee Burke

Wikipedia über James Lee Burke (deutsch, englisch)

Thrilling Detective über „the Great Lost P. I.“ Dave Robicheaux

Homepage von James Lee Burke

Wikipedia über James Lee Burke (deutsch, englisch)

Mein Porträt von James Lee Burke

James Lee Burke in der Kriminalakte

„In the Electric Mist“ in der Kriminalakte

Meine Besprechung von Bertrand Taverniers James-Lee-Burke-Verfilmung „In the Electric Mist – Mord in Louisiana“ (In the Electric Mist, USA 2009)

Meine Besprechung von James Lee Burkes „Neonregen“ (The Neon Rain, 1987)

Meine Besprechung von James Lee Burkes „Blut in den Bayous“ (Heaven’s Prisoners, 1988)

Meine Besprechung von James Lee Burkes „Mississippi Jam“ (Dixie City Jam, 1994)

Meine Besprechung von James Lee Burkes „Sumpffieber“ (Sunset Limited, 1998)

Meine Besprechung von James Lee Burkes „Straße der Gewalt“ (Last Car to Elysian Fields, 2003)

Meine Besprechung von James Lee Burkes „Flucht nach Mexiko – Ein Dave-Robicheaux-Krimi“ (Crusader’s Cross, 2005 )

Meine Besprechung von James Lee Burkes „Sturm über New Orleans“ (The Tin Roof Blowdown, 2007)

Meine Besprechung von James Lee Burkes „Regengötter“ (Rain Gods, 2009)

Meine Besprechung von Bertrand Taverniers „Der Uhrmacher von St. Paul (L’horloger de Saint-Paul, Frankreich 1974)

Meine Besprechung von Bertrand Taverniers „In the Electric Mist – Mord in Louisiana (In the Electric Mist, USA 2009)

Meine Besprechung von Bertrand Taverniers „Die Prinzessin von Montpensier“ (La Princesse de Montpensier, Frankreich 2010)


Neu im Kino/Filmkritik: „Dem Horizont so nah“, wo Kitsch auf Kitsch trifft

Oktober 12, 2019

1999 lernt die achtzehnjährige Jessica den etwas älteren Danny kennen. Es ist, jedenfalls von ihr, die sprichwörtliche Liebe auf den ersten Blick. Das liegt auch daran, dass Danny der in jeder Beziehung den Dorfjungen, die sie seit ihrer Kindheit kennt, überlegene Traumprinz ist. Er sieht gut aus, ist witzig, vernünftig, wenn nötig auch wehrhaft und er fährt einen tollen Sportwagen. Gut, dieser Punkt ist für Jessica eher ein Minuspunkt. Später erfährt sie, dass er keine Eltern mehr hat, eine sehr problematische Kindheit hatte, als Fotomodell gut Geld verdient und als Kickboxer Meister werden könnte. Oh, und er ist HIV-positiv.

Tim Trachtes Schnulze „Dem Horizont so nah“ basiert auf Jessica Kochs gleichnamigem, auf einer wahren Geschichte basierenden Bestseller. Wie nah an der wahren Geschichte die Filmgeschichte jetzt ist, weiß ich nicht. Aber es ist auch egal. Denn der Film erzählt, ohne irgendeinen weitergehenden Anspruch oder den Versuch einer zweiten Ebene, eine typische Kitsch-Geschichte für pubertierende Mädchen.

Alle anderen können getrost auf die nächste Nicholas-Sparks-Verfilmung warten. Da sind auch die schlechten Verfilmungen besser, interessanter und vielschichtiger als „Dem Horizont so nah“.

Dem Horizont so nah (Deutschland 2019)

Regie: Tim Trachte

Drehbuch: Ariane Schröder

LV: Jessica Koch: Dem Horizont so nah, 2016

mit Luna Wedler, Jannik Schümann, Luise Befort, Victoria Mayer, Stephan Kampwirth, Denis Moschitto, Frederick Lau

Länge: 117 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Dem Horizont so nah“

Moviepilot über „Dem Horizont so nah“

Wikipedia über „Dem Horizont so nah“


Neu im Kino/Filmkritik: „Der Glanz der Unsichtbaren“ erstrahlt

Oktober 12, 2019

Einige Details muten typisch französisch an. Aber Obdachlosigkeit gibt es auch in anderen Wohlfahrtsstaaten und überall gibt es ähnliche Hilfsangebote wie das L’Envol, eine Tagesstätte, in der Frauen ihre Wäsche waschen, Essen und Entspannen können, bevor sie am Abend den geschützten Raum verlassen und auf der Straße übernachten müssen.

Dieser geschützte Raum soll nun geschlossen werden, weil die Leiterin Manu (Corinne Masiero), ihre Mitarbeiterinnen Audrey (Audrey Lamy), Angélique (Déborah Lukumuena) und die ehrenamtliche Helferin Hélène (Noéme Lvovsky) nicht effektiv genug arbeiten. Keiner ihrer Schützlinge hat eine Arbeit gefunden. Ihnen wird eine letzte Frist von drei Monaten gewährt.

Also beginnen Manu, Audrey, Angélique und Hélène, nicht ohne Konflikte im Team, nach den verschütteten Potentialen von Edith Piaf, Dalida, Lady Di, Brigitte Macon, Salma Hayek, Francoise Hardy und La Cicciolina, wie sich ihre Kundinnen nennen, wenn sie unbedingt einen Namen angeben müssen, zu suchen. Dabei haben einige der Damen ungeahnte Talente und eine manchmal bei der Jobsuche hinderliche Wahrheitsliebe.

Außerdem dehnen und brechen sie, angesichts des nahen Endes der Tagesstätte, eherne Regeln des Berufs und der Verwaltung.

Die erste Idee für „Der Glanz der Unsichtbaren“ hatte Louis-Julien Petit, als er das von Claire Lajeunie veröffentlichte Buch „Sur la route des invisibles, femmes dans la rue“ und ihren damit zusammenhängenden Dokumentarfilm „Femmes invisilbes: survivre dans la rue“ entdeckte. Er wollte einen Film über diese Frauen machen, der die obdachlosen Frauen als Individuen porträtierte und der ihre Probleme aus ihrer Sicht behandelt. In einer ersten Drehbuchfassung, die er später komplett verwarf, spielte der Film vor allem auf der Straße. Jetzt spielt der Film vor allem im L’Envol und es geht, sehr humorvoll, um den Kampf der Frauen für ihre Belange. Dabei müssen die Sozialarbeiterinnen und die ständigen Besucherinnen des Tageszentrums zuerst begreifen, was ihre Interessen sind. Gedreht wurde chronologisch mit wenigen Profi-Schauspielern und Laien, die sich selbst spielten als obdachlose Frauen. Diese Art des Drehens, die vom Regisseur gewollten Improvisationen während der Dreharbeiten und der Ungewissheit, ob die Laienschauspielerinnen wirklich bis zum letzten Drehtag dabei bleiben, bestimmt die episodische Erzählweise des Films.

Entstanden ist eine fein ausbalancierte, tief in der Realität verwurzelte Feelgood-Komödie über obdachlose Frauen, die für ihre Interessen kämpfen, und Sozialarbeiterinnen, die ihnen helfen. Das hat unbestritten einen Ken-Loach-Touch. Auch wenn Louis-Julien Petit niemals so klassenkämpferisch wie Loach die Situation in Frankreich analysiert.

Der Glanz der Unsichtbaren (Les Invisibles, Frankreich 2018)

Regie: Louis-Julien Petit

Drehbuch: Louis-Julien Petit, Marion Doussot, Claire Lajeunie

LV: Claire Lajeunie: Sur la route des invisibles, femmes dans la rue

mit Audrey Lamy, Corinne Masiero, Noémie Lvovsky, Déborah Lukumuena, Adolpha van Meerhaeghe, Patricia Mouchon, Khoukha Boukherbache, Assia Menmadala, Marianne Garcia, Laetitia Grigy

Länge: 102 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Der Glanz der Unsichtbaren“

AlloCiné über „Der Glanz der Unsichtbaren“

Rotten Tomatoes über „Der Glanz der Unsichtbaren“

Wikipedia über „Der Glanz der Unsichtbaren“ (englisch, französisch)


TV-Tipp für den 12. Oktober: Silence

Oktober 11, 2019

Tele 5, 20.15

Silence (Silence, USA 2016)

Regie: Martin Scorsese

Drehbuch: Jay Cocks, Martin Scorsese

LV: Shusaku Endo: Chinmoku, 1966 (Schweigen)

1648: Zwei Jesuitenpater reisen in das gottlose Japan. Dort soll ihr Mentor Gott abgeschworen haben.

TV-Premiere. Alle paar Jahre dreht Martin Scorsese einen seiner religiösen Filme. „Silence“ ist, trotz beeindruckender Bilder, sein schwächster dieser Filme. Das Drama ist ein religiöses Erbauungstraktat, das mit gut drei Stunden Laufzeit auch die Geduld des langmütigsten Zuschauer über Gebühr strapaziert.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Andrew Garfield, Adam Driver, Liam Neeson, Tadanobu Asano, Ciarán Hinds, Yosuke Kubozuka, Yoshi Oida, Shin’ya Tsukamoto, Issey Ogata, Nana Komatsu, Ryo Kase

Wiederholung: Montag, 14. Oktober, 02.15 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Silence“

Metacritic über „Silence“

Rotten Tomatoes über „Silence“

Wikipedia über „Silence“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Martin Scorseses “Hugo Cabret” (Hugo, USA 2011)

Meine Besprechung von Martin Scorseses “The Wolf of Wall Street” (The Wolf of Wall Street, USA 2013) und ein Infodump dazu

Meine Besprechung von Martin Scorseses „Silence“ (Silence, USA 2016)

Martin Scorsese in der Kriminalakte

Meine Besprechung von Shusaku Endos „Schweigen“ (Chinmoku, 1966)


Neu im Kino/Filmkritik: Der „Joker“ will nur…

Oktober 11, 2019

Auf den Filmfestspielen von Venedig erhielt er den Goldenen Löwen. Seitdem werden ihm mehr oder weniger gute Chancen für einen oder mehrere Oscars eingeräumt. Allerdings dauert es bis zur Oscarverleihung noch einige Monate. Außerdem ist der „Joker“ ein Superheldenfilm und die hatten bisher, wie Science-Fiction- und Fantasy-Filme, wenig Glück bei den Oscars.

Bis zu den Nominierungen und Preisverleihungen kann der Verleih sich an den überwiegend positiven Kritiken, den begeisterten Publikumsreaktionen und dem überaus erfreulichem Einspiel – in den USA spielte der Film am Startwochenende über 96 Millionen US-Dollar ein – erfreuen. Außerdem wird über über den Protagonisten, die Gewalt und die Botschaft des Films diskutiert. Denn nichts davon ist wirklich eindeutig und nichts davon wird in dem heute gewöhnlichen Comicfilm-Actionstil präsentiert, in dem alles so unmöglich ist, dass, auch wenn ganze Städte und Galaxien zerstört werden, immer der Entertainment-Aspekt im Vordergrund steht. Wirklich verletzt wird niemand und am Ende gewinnen die Guten.

Spaß hat in „Joker“ niemand.

Das liegt auch daran, dass Todd Phillips in seinem Film nicht von einer weiteren Konfrontation zwischen Batman und dem Superschurken Joker erzählt. Sein Film gehört daher, wenigstens für den Moment, nicht zum DC Extended Universe. So wird das von Warner Bros. Pictures und DC Comics gemeinsam produzierte filmische Universum genannt. Nach einem sehr holprigen Start mit düsteren und ernsten Superheldenfilmen wurde es zuletzt mit „Wonder Woman“, „Aquaman“ und „Shazam!“ besser, unterhaltsamer und vergnüglicher.

Joker“ knüpft nicht an diese Filme und das DCEU an, sondern er ist als Einzelfilm, der in keiner Verbindung zum DCEU steht, konzipiert. Außerdem erzählt er die Entstehungsgeschichte des Jokers. Im Gegensatz zu anderen Superhelden und Superschurken gibt es nicht die allgemein akzeptierte, kanonisierte Ursprungsgeschichte des Jokers. Eigentlich kennt man den Joker in den Comics und Filmen nur als Superschurken mit einem, ähem, problematischen Sozialverhalten, Lust am Chaos und einem verzerrten Clownsgesicht.

Das eröffnet Todd Phillips (die „Hangover“-Filme, „War Dogs“) die Möglichkeit, seine Version von dem Joker und wie der Joker der Joker wurde zu erzählen, ohne sich um all das Drumherum zu kümmern.

Sein Joker heißt Arthur Fleck. Als wir ihn zum ersten Mal in Gotham City in den frühen 1980er Jahren sehen, wedelt er als Clown auf der Straße mit einem Werbeschild herum, das ihm prompt von einer Bande Jugendlicher geklaut wird. Nach einer Verfolgungsjagd stellen sie ihn in einer Nebengasse, schlagen ihn zusammen und zerstören das Schild. Das Schild wird später von Flecks Gehalt abgezogen.

Gotham City ist hier, wie auch in den Comics, ein Synonym für New York City. Es ist die Stadt, in der Martin Scorseses „Taxi Driver“ und „The King of Comedy“ spielen. Beide Filme wurden schon vor der Premiere als Inspirationen für „Joker“ genannt. Vor allem „The King of Comedy“ ist die immer wieder erkennbare Inspiration für „Joker“. Beide Male geht es um einen erfolglosen Künstler, der von seinem Idol wahrgenommen werden will. Bei Scorsese war Jerry Lewis das Idol und Robert De Niro der fanatische Möchtegern-Komiker. Bei Phillips ist Joaquin Phoenix der bis auf die Knochen abgemagerte Möchtegern-Komiker Arthur Fleck und Robert De Niro, in einer kleinen, aber wichtigen Nebenrolle, der bekannte Late-Night-Gastgeber Murray Franklin.

Bis es zur ersten echten Begegnung zwischen Fleck und Franklin kommt, führt Phillips uns in Flecks Psyche. Er ist ein nicht witziger Komiker, ein Clown zum Fürchten, ein von unerklärlichen Lachkrämpfen geplagter Psychopath, der immer noch bei seiner kränkelnden Mutter lebt und der ewige Verlierer, der höchstens in seiner Fantasie das Mädchen bekommt. Es gibt nichts, was ihn irgendwie auf seine spätere Karriere als Superverbrecher Joker vorbereiten könnte. Auch seine ersten verbrecherischen Taten, wie die Ermordung einiger nerviger Yuppies in der U-Bahn, folgen keinem Plan, sondern sind reine Affekthandlungen. Entsprechend ratlos reagiert er am Ende, wenn aus dem Clown Fleck der Joker wird und ganz Gotham City zum Schauplatz einer Straßenschlacht wird, während in einer Gasse neben einem Kino ein künftiger Superheld geboren wird.

Aber wirklich packend ist diese mit Anspielungen und Zitaten reichhaltig gesegnete Origin Story nie. Dafür ist der Film zu sehr überzeugt von seiner eigenen Bedeutung. Die Geschichte, die vor allem eine zwischen Wahn und Wirklichkeit pendelnde Charakterstudie ist, entwickelt sich zu schleppend und zu unentschlossen. So als habe man gleichzeitig provozieren und niemand provozieren wollen.

Und ich habe Arthur Fleck niemals als künftiges Verbrechergenie gesehen. Er ist von der ersten bis zur letzten Minute, auch wenn dann viele Menschen mit einem Clownsgesicht durch die Stadt marodieren, ein Niemand, der in dem Moment zu einer Projektionsfläche wird. Nur ist unklar für was.

Joker (Joker, USA 2019)

Regie: Todd Phillips

Drehbuch: Todd Phillips, Scott Silver

LV: Charakter von Bob Kane, Bill Finger und Jerry Robinson

mit Joaquin Phoenix, Robert De Niro, Zazie Beetz, Frances Conroy, Brett Cullen, Shea Whigham, Bill Camp, Glenn Fleshler, Leigh Gill, Josh Pais, Brian Tyree Henry

Länge: 122 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche WarnerBrosDC-Facebook-Seite

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Joker“

Metacritic über „Joker“

Rotten Tomatoes über „Joker“

Wikipedia über „Joker“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Todd Phillips‘ „War Dogs“ (War Dogs, USA 2016)


TV-Tipp für den 11. Oktober: Papillon

Oktober 11, 2019

BR, 23.05

Papillon (Papillon, USA 1973)

Regie: Franklin J. Schaffner

Drehbuch: Dalton Trumbo, Lorenzo Semple jr.

LV: Henri Charrière: Papillon, 1969 (Papillon)

Henri Charrière, genannt Papillon, wird 1931 zu lebenslanger Strafarbeit in der Strafkolonie Bagno auf der Teufelsinsel Cayenne in Französisch-Guayana verurteilt. Er soll einen Zuhälter ermordet haben. Kaum angekommen, denkt Papillon nur an eine scheinbar unmögliche Flucht.

Tolle Verfilmung der beeindruckenden und höchst erfolgreichen Autobiographie von Charrière. Das Nachfolgewerk „Banco“ war dann mehr episodisch.

Mit Steve McQueen, Dustin Hoffman, Dalton Trumbo (Nebenrolle)

Hinweise

Rotten Tomatoes über “Papillon”

Wikipedia über “Papillon” (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Intrigo: In Liebe, Agnes“, „Intrigo: Samaria“ und der Zuschauer ist entschlafen

Oktober 10, 2019

Damit hatte ich schon nicht mehr gerechnet. Vor fast genau einem Jahr lief die ziemlich misslungene Håkan-Nesser-Verfilmung „Tod eines Autors“ vor einem überschaubarem Publikum in unseren Kinos. Damals waren bereits die nächsten beiden „Intrigo“-Filme abgedreht. Auch sie waren von Daniel Alfredson, nach Drehbüchern von ihm und Ditta Bongenhielm, inszeniert und sie basierten ebenfalls auf älteren Novellen von Nesser. Die Idee war eine aus drei voneinander unabhängigen Filmen bestehende Anthologiereihe zu machen. Drei Spielfilme für die vielen Scandic-Noir-Fans, dreimal hochkarätig besetzte Spannung. Das war die Idee und das Werbeversprechen.

Nach dem Flop „Tod eines Autors“ rechnete ich damit, dass „In Liebe, Agnes“ und „Samaria“ gar nicht mehr im Kino gezeigt, sondern gleich auf DVD veröffentlicht werden. Doch jetzt bringt der Verleih gleichzeitig die nächsten beiden „Intrigo“-Filme in die Kinos. Das wirkt, angesichts der Qualitäten der beiden Filme, wie das Erfüllen lästiger Vertragspflichten und einer überfälligen Lagerräumung. Denn sehenswert ist keiner der beiden Filme.

In „In Liebe, Agnes“ sieht Agnes bei der Beerdigung ihres Mannes ihre Jugendfreundin Henny. Sie haben sich, nach einem Bruch in der Vergangenheit, seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.

Kurz darauf fragt Henny Agnes, ob sie ihren Mann töten könne. Sie gäbe ihr dafür auch viel Geld. Geld, das sie gut gebrauchen könnte, um die Kinder ihres verstorbenen Mannes auszubezahlen.

In „Samaria“ recherchiert Dokumentarfilmerin Paula Polanski einen alten Mordfall an einer Klassenkameradin. Der als Mörder verurteilte Mann behauptet, seine Tochter nicht ermordet zu haben. Die Leiche der neunzehnjährigen Vera Kall wurde nie gefunden.

Für ihren Film befragt sie auch Henry, der vor zehn Jahren als Aushilfslehrer in dem Dorf war. Henry beginnt sich zu erinnern und wir dürfen rätseln, ob der nette Lehrer auch ein gar nicht so netter Liebhaber einer Schülerin war und ihr Mörder ist.

Erzählerisch und inszenatorisch knüpfen beide Filme nahtlos an „Tod eines Autors“ an. Daher können sie mühelos zusammen besprochen werden. Alle „Intrigo“-Geschichten haben eine durchaus interessante Ausgangsidee, aus der aber niemals etwas gemacht wird. Das ist schon so bei den Vorlagen und ist bei den Verfilmungen noch offensichtlicher. Es besteht einfach kein Bedarf an einer weiteren dämlichen Wiederholung von „Zwei Fremde im Zug“. Und weil die Geschichten so sinnfrei entwickelt sind, ahnt man die Pointe bereits früh; – falls man sich in dem Moment überhaupt noch dafür interessiert.

Samaria“ basiert auf den Geschichten „Die Wildorchidee aus Samaria“ und „Sämtliche Informationen in der Sache“, die für den Film erheblich verändert wurden. Geholfen hat es nicht. Wieder einmal wurde sich nicht viel um Plausibilität und Logik in der Geschichte und bei den Figuren gekümmert.

Alle Geschichten spielen auf zwei Zeitebenen. Immer spielen sie in einer ortlosen, irgendwo zwischen den Alpen und Skandinavien angesiedelten Gegend. Alles ist TV-tauglich aufgeräumt. Und die Schauspieler spielen ihre Texte einfach herunter. Auch die Inszenierung schielt nicht auf die große Kinoleinwand, sondern den kleinen TV-Bildschirm für den „TV-Film der Woche“-Slot. Das ist von der ersten bis zur letzten Minute Dienst nach Vorschrift. Eine eigene Handschrift oder auch nur der Versuch, auf irgendeiner Ebene etwas eigenständiges zu kreieren ist nirgends spürbar.

Insofern ist es erstaunlich, dass der Verleih „In Liebe, Agnes“ und „Samaria“ doch noch ins Kino brachte und nicht gleich im TV versenden ließ.

Intrigo: In Liebe, Agnes (Intrigo: Dear Agnes, Deutschland/USA 2019)

Regie: Daniel Alfredson

Drehbuch: Ditta Bongenhielm, Daniel Alfredson

LV: Håkan Nesser: In Liebe, Agnes, 2002

mit Carla Juri, Gemma Chan, Jamie Sives

Länge: 100 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Intrigo: Samaria (Intrigo: Samaria, Deutschland/USA 2019)

Regie: Daniel Alfredson

Drehbuch: Ditta Bongenhielm, Daniel Alredson

LV: Håkan Nesser: Die Wildorchidee aus Samaria, 2005; Sämtliche Informationen in der Sache, 2005

mit Phoebe Fox, Andrew Buchan, Jeff Fahey

Länge: 104 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Die Vorlage

Håkan Nesser: Intrigo

(übersetzt von Paul Berf, Christel Hildebrandt und Gabriele Haefs)

btb, 2018

608 Seiten

12 Euro

Originalausgabe

Intrigo

Albert Bonniers, Stockholm, 2018

Hinweise

Filmportal über „Intrigo: In Liebe, Agnes“ und „Intrigo: Samaria“

Moviepilot über „Intrigo: In Liebe, Agnes“ und „Intrigo: Samaria“

Rotten Tomatoes über „Intrigo: In Liebe, Agnes“

Meine Besprechung von Daniel Alfredsons Stieg-Larsson-Verfilmung „Verdammnis“(Flickan som lekte med elden, Schweden 2009) (Buch und Film)

Meine Besprechung von Daniel Alfredsons Stieg-Larsson-Verfilmung „Vergebung“ (Luftslottet som sprängdes, Schweden/Dänemark/Deutschland 2009) (Buch und Film)

Meine Besprechung von Daniel Alfredsons Håkan-Nesser-Verfilmung  „Intrigo: Tod eines Autors (Intrigo: Death of an Author, USA/Schweden/Deutschland 2018)

Homepage von Håkan Nesser

Deutsche Homepage von Håkan Nesser

Meine Besprechung von Håkan Nessers „Intrigo“ (Intrigo, 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: „47 Meters down: Uncaged“ schwimmt der Riesenhai durch das Bild

Oktober 10, 2019

Ganz am Ende des Abspanns gibt es den Hinweis, dass jedes Jahr deutlich mehr Menschen Haie umbringen als umgekehrt.

Aber diese Zeilen, die die Filmgeschichte mit zwei Sätzen endgültig ad absurdum führen, wird kaum jemand lesen.

Der Film selbst entstand, nachdem „47 Meters Down“ sich vor zwei Jahren zu einem Überraschungserfolg entwickelte. Ursprünglich sollte der Horrorfilm nur auf DVD erscheinen. Dann wurde er doch in etlichen Ländern im Kino gezeigt. Am Ende spielte der fünf Millionen US-Dollar teure Horrorfilm 62 Millionen US-Dollar ein. Bei den Zahlen war eine Fortsetzung unvermeidlich.

Für diese Fortsetzung „47 Meters Down: Uncaged“ ist jetzt selbstverständlich das Budget mit zwölf Millionen US-Dollar größer, ein Kinostart von Anfang an geplant und die Zahl potentieller Opfer ist höher.

Dieses Mal tauchen in Mexiko vier gut proportionierte Mädchen, auf deren Stirn schon vor dem ersten Tauchgang groß „Haifischfutter“ steht, in einer versunkenen Maya-Stadt. Kurz nachdem sie in die verwinkelte Stadt hineingeschwommen sind, werden sie von einem riesigen Hai angegriffen.

Johannes Roberts, der bereits „47 Meters down“ inszenierte, hat wieder die Regie übernommen. Zusammen mit Ernest Riera, dem Co-Autor von „47 Meters down“, erfand er eine Geschichte, die nichts mit der Geschichte des ersten Films zu tun hat. Die neuen Haiangriffe spielen an einem anderen Ort und andere Haie greifen andere Schauspieler an.

Die austauschbare Besetzung ist immerhin gut für ein, zwei Schlagzeilen. Corinne Foxx ist die Tochter von Jamie Foxx und Sistine Stallone die von Sylvester Stallone. Sie geben hier ihre Spielfilmdebüts. Weil sie zu den Bikini-Schönheiten gehören, die unter Wasser selbstverständlich immer eine Tauchermaske aufhaben, kann über ihr Spiel nichts gesagt werden.

Immerhin erfahren wir durch sie und ihre beiden Mittaucherinnen Brianne Tju und Sophie Nélisse, wie man, wenn man dem Drehbuch glaubt, den Sauerstoff effektiv streckt. Indem man möglichst viel redet und noch mehr schreit. Wundersamerweise hält so der Sauerstoff in der Welt von „47 Meters down: Uncaged“ länger. Das beschreibt auch ungefähr die Qualität des gesamten an Überraschungen und Thrills armen Drehbuchs.

So ist „47 Meters down: Uncaged“ ein Film für den anspruchslosen Tierhorrorfilmfan, der sich freut, wenn Haie und spärlich bekleidete Bikini-Schönheiten durch das Bild gleiten und die Kamera das alles mit ruhiger Hand aufnimmt.

Alle anderen Tierhorrorfans sollten sich dagegen den deutlich gelungeneren Alligatorenhorrorfilm „Crawl“ ansehen.

47 Meters down: Uncaged (47 Meters down: Uncaged, USA 2019)

Regie: Johannes Roberts

Drehbuch: Ernest Riera, Johannes Roberts

mit Sophie Nélisse, Corinne Foxx, Brianne Tju, Sistine Stallone, Davi Santos, John Corbett, Nia Long

Länge: 88 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Englische Homepage zu Film

Moviepilot über „47 Meters down: Uncaged“

Metacritic über „47 Meters down: Uncaged“

Rotten Tomatoes über „47 Meters down: Uncaged“

Wikipedia über „47 Meters down: Uncaged“ 

Meine Besprechung von Johannes Roberts‘ „The other side of the door“ (The other side of the door, USA 2015)

Meine Besprechung von Johannes Roberts‘ „The Strangers: Opfernacht“ (The Strangers: Prey at Night, USA 2018)


TV-Tipp für den 10. Oktober: Wer Gewalt sät

Oktober 9, 2019

3sat, 22.25

Wer Gewalt sät (Straw Dogs, Großbritannien 1971)

Regie: Sam Peckinpah

Drehbuch: David Zelag Goodman, Sam Peckinpah

LV: Gordon Williams: The siege of Trencher’s Farm, 1969 (später Straw Dogs)

Der friedfertig-weltfremde Mathematiker David Sumner will im Heimatdorf seiner Frau Amy ungestört eine wissenschaftliche Arbeit beenden. Aber schon bald wird er von den Dorfbewohnern in einen Strudel der Gewalt gezogen.

Im Wesentlichen verlegt Sam Peckinpah seine bekannten Western-Topoi in die Gegenwart. Entstanden ist eine bittere Studie über Gewalt und die Eskalation von Gewalt. Denn am Ende verteidigt David Sumner sein Haus mit roher Gewalt. Bereits davor gibt es mehrere, interpretationsoffene und daher äußerst unangenehme anzusehende  Szenen, wie Amys Vergewaltigung. „Wer Gewalt sät“ ist ein immer noch provozierender Film.

„Straw Dogs ist ein vollständiges Werk – eine struktriere Vision des Lebens auf Film.“ (Pauline Kael, New Yorker, 1971)

Mit Dustin Hoffman, Susan George, Peter Vaughan, David Warner

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Wer Gewalt sät“

Wikipedia über „Wer Gewalt sät“ (deutsch, englisch) und über Sam Peckinpah (deutsch, englisch)

Georg Seeßlen über Sam Peckinpah (der Nachruf erschien zuerst in epd Film 2/1985)

The Guardian: Rick Moody über Sam Peckinpah (9. Januar 2009)

Senses of Cinema: Gabrielle Murray über Sam Peckinpah

Meine Besprechung von Sam Peckinpahs „Gefährten des Todes“ (The deadly Companions, USA 1961)

Meine Besprechung von Sam Peckinpahs „Steiner – Das eiserne Kreuz“ (Cross of Iron, D/GB 1977)

Meine Besprechung von Mike Siegels Dokumentation „Sam Peckinpah: Passion & Poetry“ (D 2005)

Sam Peckinpah in der Kriminalakte

 


Das „Buch der Fälle“ ist das Ende für Sherlock Holmes

Oktober 9, 2019

Es ist vollbracht. Mit „Sherlock Holmes‘ Buch der Fälle“ liegt jetzt der letzte Sammelband mit Sherlock-Holmes-Geschichten in einer neuen Übersetzung auf Deutsch vor. Denn, wie Sherlock-Holmes-Fans wissen, erschien „Sherlock Holmes‘ Buch der Fälle“ als „The Case-Book of Sherlock Holmes“ im Original bereits 1927 und seitdem in mehreren Übersetzungen. Die neueste ist von Henning Ahrens, der in den vergangenen Jahren für den Fischer-Taschenbuchverlag noch einmal alle von Sir Arthur Conan Doyle geschriebenen Sherlock-Holmes-Geschichten neu übersetzte.

Im Nachwort des letzten Bandes schreibt Ahrens zu seiner Übersetzung: „Ich versuche in dieser Übersetzung, dem Original den nötigen Respekt entgegenzubringen, ohne mir die erforderlichen Freiheiten zu verkneifen. So habe ich in den ersten beiden Bänden, ‚Eine Studie in Scharlachrot‘ und ‚Das Zeichen der Vier‘, die von Doyle im Übermaß und außerdem gern in Doppelung benutzten Adjektive ausgedünnt, um den Text zu beschleunigen und heutigen Lesegewohnheiten anzunähern. In den nachfolgenden Geschichten, die sowohl sprachlich als auch erzählerisch reifer sind, war dies seltener nötig. (…) Darüber hinaus habe ich mich um eine behutsame Modernisierung der Dialoge bemüht und Begriffe wie ‚Detective‘, die uns inzwischen durch Film und Fernsehen geläufig sind, unverändert gelassen.“

Sherlock Holmes‘ Buch der Fälle“ enthält die letzten von Doyle geschriebenen Sherlock-Holmes-Geschichten, die er zwischen 1921 und 1927 erstmals im „The Strand Magazine“, „Liberty“ und „Collier’s“ veröffentlichte:

Das Abenteuer mit dem illustren Klienten (The Adventure of the Illustrious Client)

Das Abenteuer mit dem bleichen Soldaten (The Adventure of the Blanched Soldier)

Das Abenteuer mit dem Kronjuwel (The Adventure of the Mazarin Stone)

Das Abenteuer von Three Gables (The Adventure of the Three Gables)

Das Abenteuer mit der Sussex-Vampirin (The Adventure of the Sussex Vampire)

Das Abenteuer mit den drei Garridebs (The Adventure of the Three Garridebs)

Das Problem der Thor-Brücke (The Problem of the Thor Bridge)

Das Abenteuer mit dem kriechenden Mann (The Adventure of the Creeping Man)

Das Abenteuer mit der Löwenmähne (The Adventure of the Lion’s Mane)

Das Abenteuer mit der verschleierten Mieterin (The Adventure of the Veiled Lodger)

Das Abenteuer in Shoscombe Old Place (The Adventure of Shoscombe Old Place)

Das Abenteuer mit dem ehemaligen Händler für Künstlerbedarf (The Adventure of the Retired Colourman)

Als diese Sherlock-Holmes-Abenteuer erschienen, waren seit seinem ersten Auftritt in „Eine Studie in Scharlachrot“ (A Study in Scarlet, 1887) bereits einige Jahrzehnte vergangen, Holmes und Watson waren unglaublich populär, unzählige Holmes-Pastichen hatten ihre Auftritte gehabt und sind inzwischen vergessen und Holmes‘ Nachfolger, wie Hercule Poirot und Lord Peter Wimsey, ermittelten bereits eifrig auf der literarischen Bühne.

Aber die Leser verlangten nach weiteren von Sir Arthur Conan Doyle erzählen Abenteuer mit Sherlock Holmes und Dr. John Watson. Also schrieb Doyle, nachdem er Holmes zuerst in die Reichenbachfälle stürzen und später wieder auferstehen ließ, weitere Geschichten mit dem Ermittlerduo.

Außergewöhnlich bei den in „Sherlock Holmes‘ Buch der Fälle“ versammelten finalen Holmes-Geschichten ist, dass sie nicht alle von Dr. Watson geschrieben wurden, sondern zweimal Sherlock Holmes (in „Das Abenteuer mit dem bleichen Soldaten“ und „Das Abenteuer mit der Löwenmähne“) und einmal eine dritte Person (in „Das Abenteuer mit den Kronjuwelen“) die Geschichte erzählen. .

Insgesamt bilden die zwölf Geschichten in „Sherlock Holmes‘ Buch der Fälle“, auch wenn ich mit „Das Abenteuer mit dem illustren Klienten“ nichts anfangen konnte und daher Neulingen empfehle, nicht mit der ersten Geschichte zu beginnen, einen guten Einstieg in die Welt von Sherlock Holmes. Danach kann man sich zu den bekannteren und besseren Geschichten vorarbeiten.

Beim wiederholten Lesen der Kurzgeschichten fällt auf, wie wenig veraltet diese doch schon vor gut hundert Jahren geschriebenen Geschichten heute immer noch sind.

Das muss gesagt werden, weil Geschichten und Charaktere, die für ein Genre eine legendäre Stellung haben, bei einer wiederholten Lektüre dann doch nur noch einen historischen Wert haben. Für Sherlock Holmes und Dr. Watson gilt das nicht.

Arthur Conan Doyle: Sherlock Holmes‘ Buch der Fälle

(neu übersetzt von Henning Ahrens)

Fischer Taschenbuch, 2019

320 Seiten

12 Euro

Originalausgabe

The Case-Book of Sherlock Holmes

John Murray, 1927

Hinweise

Homepage von Sir Arthur Conan Doyle (Erben)

Krimi-Couch über Sir Arthur Conan Doyle

Kirjasto über Sir Arthur Conan Doyle

Wikipedia über Sir Arthur Conan Doyle (deutsch, englisch)

Sherlockian.net (Einstiegsseite mit vielen Links)

Facebook-Seite der deutschen Sherlock-Holmes-Gesellschaft

Thrilling Detective über Sherlock Holmes

Meine Besprechung von Arthur Conan Doyles “Sherlock Holmes Geschichten”, “Sherlock Holmes Kriminalgeschichten” und “The Adventures of Sherlock Holmes” (und hier eine Auflistung der in diesen Werken enthaltenen Geschichten)

Meine Besprechung von Arthur Conan Doyles „Sherlock Holmes – Seine Abschiedsvorstellung“ (His last Bow, 1917)

Meine Besprechung von Anthony Horowitz‘ „Das Geheimnis des weißen Bandes“ (The House of Silk, 2011)

Meine Besprechung von Anthony Horowitz‘ „Der Fall Moriarty“ (Moriarty, 2014)

Meine Besprechung von Mattias Boströms „Von Mr. Holmes zu Sherlock“ (Fran Holmes till Sherlock, 2013)

Meine Besprechung von Ian Edginton (Autor)/Davide Fabbris (Zeichner) „Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Zombies!“ (Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Zombies, 2010)

Meine Besprechung von Ian Edginton (Autor)/Horacio Domingues/Davide Fabbris (Zeichner) „Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Dracula“ (Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Jekyll/Hyde; Victorian Undead: Sherlock Holmes vs. Dracula, 2010/2011)

Meine Besprechung von „Sherlock: Ein Fall von Pink“ (A Study in Pink, GB 2010)

Meine Besprechung von „Sherlock: Eine Legende kehrt zurück – Staffel 1“ (Sherlock, GB 2010)

Meine Besprechung von “Sherlock: Eine Legende kehrt zurück -Staffel 2″ (Sherlock, GB 2012)

Meine Besprechung von „Sherlock – Staffel 3“ (Sherlock, GB 2014)

Meine Besprechung von „Sherlock: Die Braut des Grauens“ (Sherlock: The Abominable Bride, Großbritannien 2016)

Mein Hinweis auf „“Sherlock: Eine Legende kehrt zurück – Staffel 4“ (Sherlock, GB 2017)

Meine Besprechung von “Sherlock: Ein Skandal in Belgravia” (A Scandal in Belgravia, GB 2012)

Meine Besprechung von Guy Ritchies „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ (Sherlock Holmes: A Game of Shadows, USA 2011)

Sherlock Holmes in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 9. Oktober: Wildes Treiben am Quai d’Orsay

Oktober 8, 2019

Arte, 20.15

Wildes Treiben am Quai d’Orsay (Quai d’Orsay, Frankreich 2013)

Regie: Bertrand Tavernier

Drehbuch: Antonin Baudry, Christophe Blain, Bertrand Tavernier

LV: Antonin Baudry, Christophe Blain: Quai d’Orsay – Chroniques diplomatiques, 2010

Politsatire über die Arbeit im französischen Außenministerium, gezeigt aus der Perspektive eines jungen Redenschreibers.

Das scheint heute, abgesehen von einer Festivalpräsentation, die Deutschland-Premiere von Taverniers bislang letztem Spielfilm zu sein.

mit Thierry Lhermitte, Raphaël Personnaz, Niels Arestrup, Bruno Raffaelli, Julie Gayet, Jane Birkin

Hinweise

AlloCiné über „Wildes Treiben am Quai d’Orsay“

Rotten Tomatoes über „Wildes Treiben am Quai d’Orsay“

Wikipedia über „Wildes Treiben am Quai d’Orsay“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Bertrand Taverniers „Der Uhrmacher von St. Paul (L’horloger de Saint-Paul, Frankreich 1974)

Meine Besprechung von Bertrand Taverniers „In the Electric Mist – Mord in Louisiana (In the Electric Mist, USA 2009)

Meine Besprechung von Bertrand Taverniers „Die Prinzessin von Montpensier“ (La Princesse de Montpensier, Frankreich 2010)


Cover der Woche

Oktober 8, 2019


Die Krimibestenliste Oktober 2019

Oktober 8, 2019

Die Krimiempfehlungen der F.A.S. und Deutschlandfunk Kultur für den Herbstmonat Oktober:

1. Garry Disher – Hitze (Plazierung im Vormonat: 8)

Aus dem Englischen von Ango Laina und Angelika Müller.Pulp Master, 278 Seiten, 14,80 Euro.

2. Tawni O’Dell – Wenn Engel brennen (Plazierung im Vormonat: 2)

Aus dem Englischen von Daisy Dunkel.Ariadne im Argument-Verlag, 350 Seiten, 21 Euro.

3. Denise Mina – Klare Sache (Plazierung im Vormonat: 3)

Aus dem Englischen von Zoë Beck. Ariadne im Argument-Verlag, 352 Seiten, 21 Euro.

4. Garry Disher – Kaltes Licht (Plazierung im Vormonat: 1)

Aus dem Englischen von Peter Torberg. Unionsverlag, 314 Seiten, 22 Euro.

5. Dror Mishani – Drei (Plazierung im Vormonat: 5)

Aus dem Hebräischen von Markus Lemke. Diogenes, 336 Seiten, 24 Euro.

6. Max Annas – Morduntersuchungskommission (Plazierung im Vormonat: 4)

Rowohlt, 346 Seiten, 20 Euro.

7. Adam Brookes – Der chinesische Verräter (Plazierung im Vormonat: /)

Aus dem Englischen von Andreas Heckmann. Suhrkamp, 402 Seiten, 15,95 Euro.

8. William Boyle – Einsame Zeugin (Plazierung im Vormonat: /)

Aus dem Englischen von Andrea Stumpf. Polar, 300 Seiten, 20 Euro.

9. Harry Bingham – Fiona – Das tiefste Grab (Plazierung im Vormonat: /)

Aus dem Englischen von Andrea O’Brien und Kristof Kurz. Rowohlt, 542 Seiten, 10 Euro.

10. Hideo Yokoyama – 2 (Plazierung im Vormonat: /)

Aus dem Englischen von Sabine Roth. Atrium, 152 Seiten, 16 Euro.


TV-Tipp für den 8. Oktober: Man nannte ihn Hombre

Oktober 7, 2019

Servus TV, 22.00

Man nannte ihn Hombre (Hombre, USA 1967)

Regie: Martin Ritt

Drehbuch: Irving Ravetch, Harreit Frank jr.

LV: Elmore Leonard: Hombre, 1961 (Man nannte ihn Hombre)

Arizona, 1880: John Russell (Paul Newman) ist ein Weißer, der als Kind von Apachen entführt wurde und seitdem freiwillig bei ihnen lebt. Aufgrund einer Erbschaft benutzt er mit einigen Weißen die letzte Postkutsche von Sweetmary. Als die Postkutsche von Banditen überfallen wird, muss er sich entscheiden, ob er seinen Mitreisenden helfen will.

Extrem selten gezeigter, von der Kritik gelobter und vom Publikum geliebter Klasse-Western, nach einem Frühwerk von Elmore Leonard. Die Western Writers of America nahmen „Hombre“ in ihre Liste der 25 besten Western auf.

„Ein Markstein wie John Fords ‚Stagecoach‘, nach dessen Rezept er aufgebaut ist und von dem ihn ein Vierteljahrhundert Western-Geschichte trennen. Wieder fährt die Postkutsche durch Arizona, aber diesmal sitzt der Indianer drinnen und die Schurken, von denen es drinnen und draußen wimmelt, sind Weiße.“ (Joe Hembus: Das Western-Lexikon)

mit Paul Newman, Frederic March, Richard Boone, Diane Cilento, Cameron Mitchell, Barbara Rush, Martin Balsam

Wiederholung: Mittwoch, 9. Oktober, 01.20 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Man nannte ihn Hombre“

Wikipedia über „Man nannte ihn Hombre“ (deutsch, englisch)

Homepage von Elmore Leonard

Meine Besprechung von Elmore Leoanrds “Raylan” (Raylan, 2012)

Meine Besprechung von Elmore Leonards “Raylan” (2012)

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Dschibuti“ (Djibouti, 2010)

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Djibouti“ (2010)

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Road Dogs“ (Road Dogs, 2009)

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Up in Honey’s Room“ (2007)

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Gangsterbraut“ (The hot Kid, 2005)

Meine Besprechung von Elmore Leonards „Callgirls“ (Mr. Paradise, 2004)

Mein Porträt „Man nennt ihn Dutch – Elmore Leonard zum Achtzigsten“ erschien im „Krimijahrbuch 2006“

Meine Besprechung der Elmore-Leonard-Verfilmung „Sie nannten ihn Stick“ (Stick, USA 1983)

Meine Besprechung der Elmore-Leonard-Verfilmung „Killshot“ (Killshot, USA 2008)

Meine Meldung von Elmore Leonards Tod

Elmore Leonard in der Kriminalakte

Meine Besprechung von Frank Göhre/Alf Mayers „King of Cool – Die Elmore-Leonard-Story“ (2019)


Neu im Kino/Filmkritik: „We have always lived in the Castle“ und hüten unsere Geheimnisse

Oktober 7, 2019

Die Familie Blackwood lebt abseits des Dorfes in ihrem Schloss, das inzwischen doch etwas verwahrlost ist und, angesichts der wenigen Bewohner, auch größtenteils unbewohnt ist. Seit vor fünf Jahren mehrere Familienmitglieder an einer nie vollständig aufgeklärten Arsenvergiftung starben, leben nur noch Merricat, ihre ältere Schwester Constance und der im Rollstuhl sitzende Onkel Julian in dem Anwesen.

Die Dorfbewohner halten Abstand. Letztendlich ist der einzige Kontakt zwischen ihnen die wöchentliche Einkaufstour von Merricat in das Dorf; – äh, ja, die Geschichte spielt in den frühen sechziger Jahren. Da gab es noch keinen 24/7-Lieferservice für Lebensmittel, Bücher und allem, was zum gehobenen Leben dazu gehört.

Eines Tages kommt Cousin Charles.

We have always lived in the Castle“ basiert auf Shirley Jacksons gleichnamigem Roman von 1962. Es war ihr letzter Roman und allgemein wird er als ihr bester Roman eingeschätzt. Ihr auch bei uns bekanntester Horrorroman dürfte, vor allem wegen der zahlreichen Verfilmungen, dagegen „The Haunting of Hill House“ (1959) sein. Die erste war 1963. Heute gilt Robert Wises „Bis das Blut gefriert“ als Klassiker des Horrorfilms. Die letzte war 2018 für Netflix als Mini-TV-Serie und sie soll auch gelungen sein.

Das kann nicht unbedingt über Stacie Passons „We have always lived in the Castle“ gesagt werden. Der Verleih beschreibt den Film als Mischung aus Murder Mystery und Haunted House Story. Dummerweise ist der Film weder das eine, noch das andere, weil all die Ereignisse sich niemals zu einer kohärenten Geschichte zusammenfügen.

Es sind einfach Bilder und Szenen, die für sich allein beeindruckend sind. Zum Beispiel der Garten und das halb verfallene Haus der Blackwoods. Zum Beispiel Merricats merkwürdiges Gebaren im Schlossgarten. Zum Beispiel wenn Merricat in das Dorf geht und von allen wie eine unerwünschte Verwandte gemieden wird. Oder wenn das Dorf sich wie ein feiersüchtiger Mob vor dem brennenden Blackwood-Haus versammelt. Wenn die Dörfler am nächsten Morgen gute Gaben vor der Haustür deponieren, hat man das Gefühl, dass zwischen der fanatisierten Masse und den stumm um Vergebung bittenden Individuen mindestens zwei erklärende Szenen fehlen. Wobei schon unklar war, warum die Dörfler das nächtliche Feuer so feierten.

Wenn Cousin Charles auftaucht, denkt der Cineast sofort an Alfred Hitchcocks „Im Schatten des Zweifels“ (Shadow of a doubt, 1942), wo Joseph Cotten den lange verschwundener Lieblingsonkel Charlie Oakley spielt. Dass er gleichzeitig ein gesuchter Mehrfachmörder ist, weiß die von ihm besuchte Familie in dem Moment nicht. Aber seine Nichte ahnt etwas. Welche finsteren Absichten dagegen Cousin Charles hat, bleibt länger im Dunkeln. Aber dass sie nicht lauter und edel sind, ist schon klar, wenn er mit gewinnendem Verkäuferlächeln seine Verwandtschaft begrüßt.

We have always lived in the Castle (We have always lived in the Castle, USA 2018)

Regie: Stacie Passon

Drehbuch: Mark Kruger

LV: Shirley Jackson: We have always lived in the Castle, 1962 (Wir haben schon immer im Schloss gelebt)

mit Taissa Farmiga, Alexandra Daddario, Sebastian Stan, Crispin Glover, Paula Malcomson, Peter Coonan, Ian Toner, Joanne Crawford, Anna Nugent

Länge: 95 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „We have always lived in the Castle“

Metacritic über „We have always lived in the Castle“

Rotten Tomatoes über „We have always lived in the Castle“

Wikipedia über „We have always lived in the Castle“ (deutsch, englisch)


TV-Tipp für den 7. Oktober: Lebensgier

Oktober 7, 2019

Arte, 21.45

Lebensgier (Human Desire, USA 1954)

Regie: Fritz Lang

Drehbuch: Alfred Hayes

LV: Emile Zola: La bête humaine, 1890 (Der Totschläger)

Eisenbahningenieur Jeff Warden beobachtet einen Mord. Weil Vicki Buckley, die Frau des Mörders, eine Affäre mit ihm beginnt, schweigt er. Kurz darauf verlangt sie von ihm, dass er ihren Mann tötet.

Gelungenes, viel zu unbekanntes in den USA in den Fünfzigern spielendes Noir-Update von Emile Zolas Klassiker und, vor allem, Jean Renoirs Verfilmung „Bestie Mensch“ (La Bête Humaine, 1938).

Mit ‚Human Desire‘ hat Fritz Lang einen sehr bitteren, hoffnungslosen Film gedreht.“ (François Truffaut, Arts 1955)

mit Glenn Ford, Gloria Grahame, Broderick Crawford, Edgar Buchanan, Kathleen Case, Peggy Maley

Wiederholung: Donnerstag, 10. Oktober, 13.50 Uhr

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Lebensgier“

TCM über „Lebensgier“

Wikipedia über „Lebensgier“ (deutsch, englisch)

Senses of Cinema: Dan Shaw über Fritz Lang

BFI über Fritz Lang

MovieMaker: Interview von 1972 mit Fritz Lang

Manhola Dargis: Making Hollywood Films Was Brutal, Even for Fritz Lang (New York Times, 21. Januar 2011)

Meine Besprechung von Fritz Langs “Du und ich” (You and me, USA 1938)

Meine Besprechung von Fritz Langs “Auch Henker sterben” (Hangman also die, USA 1943)

Meine Besprechung von Fritz Langs Graham-Greene-Verfilmung „Ministerium der Angst“ (Ministry of Fear, USA 1945)

Meine Besprechung von Astrid Johanna Ofner (Hrsg.): Fritz Lang – Eine Retrospektive der Viennale und des Österreichischen Filmmuseums (2012 – Sehr empfehlenswert!)

Fritz Lang in der Kriminalakte


TV-Tipp für den 6. Oktober: Das Leben der Anderen

Oktober 5, 2019

Arte, 20.15

Das Leben der Anderen (Deutschland 2006)

Regie: Florian Henckel von Donnersmarck

Drehbuch: Florian Henckel von Donnersmarck

Ostberlin, 1984: Ein linientreuer, hundertfünfzigprozentiger Stasi-Hauptmann soll ein freigeistiges Künstlerpaar ausspionieren – und beginnt darüber an seiner Mission zu zweifeln.

Hier trifft der Spruch vom Fluch des ersten Werkes wohl zu: mit seinem Spielfilmdebüt hatte Florian Henckel von Donnersmarck einen weltweiten Kritiker- und Publikumserfolg. Neben zahlreichen Preisen erhielt das Stasi-Drama auch den Oscar als bester fremdsprachiger Film.

Danach ging es für von Donnersmarck in Richtung Hollywood. Er inszenierte „The Tourist“ (2010). Ein Flop. 2018 kam dann sein dritter Film, „Werk ohne Autor„, in die Kinos

mit Ulrich Mühe, Martina Gedeck, Sebastian Koch, Ulrich Tukur, Thomas Thieme, Matthias Brenner, Herbert Knaup, Charly Hübner

Hinweise

Filmportal über „Das Leben der anderen“

Rotten Tomatoes über „Das Leben der anderen“

Wikipedia über „Das Leben der anderen“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Florian Henckel von Donnersmarcks „Werk ohne Autor“ (Deutschland 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: „Skin“ – die wahre Geschichte eines Ausstiegs

Oktober 5, 2019

Ziemlich am Anfang des Films deutet Daryle Lamont Jenkins, Gründer des One People’s Project, auf ein Bild von Bryon ‚Babs‘ Widner und sagt, dieser hundertfünfzigprozentig überzeugte Neonazi werde aus der Szene aussteigen und sie würden ihm dabei helfen. In dem Moment halten alle anderen die Prognose für ausgemachten Quatsch, der noch nicht einmal Wunschdenken genannt werden kann. Auch Widner denkt überhaupt nicht daran auszusteigen.

In dem Moment ist Widner eine treibende Kraft in der US-Skinhead-Szene, ein überzeugter Neonazi und ständig gewaltbereit. Außerdem ist sein gesamter Körper und sein Gesicht mit Tätowierungen übersät. Er ist erkennbarer als der sprichwörtliche ‚bunte Hund‘. Er ist Mitbegründer des Vinlanders Social Club, einer rassistischen Vereinigung, die 2010 vom Phoenix Police Department und der Anti-Defamation League (ADF) zerschlagen wurde. Eine besonders enge Beziehung hat Widner zu seinen Zieheltern ‚Ma‘ Sharen und ‚Pa‘ Fred Krager, die ihn als ihren Thronfolger sehen. Sie sind keine richtigen Eltern, sondern letztendlich die Führer eines Kults. Sie indoktrinieren, betreiben Gehirnwäsche und verlangen bedingungslosen Gehorsam. Widner hat damit keine Probleme.

Als er 2009 während des Nordic Fest der Neonazis die dreifache Mutter Julie Price kennenlernt und sich in sie verliebt, beginnt er über sein Leben nachzudenken.

Als der Israeli Guy Nattiv, Enkel von vier Holocaust-Überlebenden, nach seinem ersten US-Filmprojekt suchte, stieß er auf eine Reportage über Widners Ausstieg aus der Neonaziszene und der sich über 630 Tage und 612 Sitzungen hinziehenden Tattoo-Entfernung. Diese Tattoo-Entfernung, die in Ausschnitten während des gesamten Films gezeigt wird, zieht sich als Leitmotiv durch den Film.

Nach Gesprächen mit Widner, Jenkins und anderen Beteiligten schrieb und inszenierte Nattiv den Film, der nah an der Wirklichkeit bleibt und definitiv nicht zum Werbevideo für die Neonaziszene und die White Supremacy-Anhänger taugt.

Jamie Bell spielt Widner, Danielle Macdonald seine Freundin Julie, Vera Farmiga ‚Ma‘, Bill Camp ‚Pa‘ und Mike Colter den Bürgerrechtsaktivisten Jenkins. Gerade von Farmiga als Mutter, die für ihre Ziele über Leichen geht, und Colter, der Widner bei dem Ausstieg hilft, hätte man gerne mehr gesehen. Bei Farmiga wegen ihres Spiels. Bei Colter wegen seiner Rolle. So geht das ganze Ausstiegsprozedere im Film letztendlich in einem Gespräch in einem Diner über die Bühne.

Auch über das Gedankengebäude der Suprematisten, die an die Vorherrschaft der weißen Rasse glauben, und wie sie ihre Botschaft verbreiten, erfährt man im Film wenig. Darüber, wie sie junge, elternlose Menschen beeinflussen und von sich abhängig machen, erfährt man mehr.

Nattiv konzentriert sich, mit einigen künstlerischen Freiheiten, auf Widner und seine Beziehung zu seinen Zieheltern und zu seiner neuen Freundin.

Allerdings geschieht Widners Ausstieg im Film etwas zu mühelos. Da verliebt Widner sich in eine aus einem ähnlichen Umfeld kommende Frau. Sie ziehen zusammen. Er verlässt seine alte Familie, Freunde und Lebensstil.

In der Realität spielte Widners Glaube, zu dem er durch Julie und ihre Eltern fand, eine große Rolle und die Erkenntnis, dass die Weißen doch nicht die Herrenrasse sind: „I just knew so many white people that were just such scumbags that I couldn’t say, ‚Okay, every white person is somewhat superior than every black person,‘ when, you know, I’m seeing complete opposite. Kind of realized the only thing I had achieved in my life was a bunch of scars, a legal record, and halfway cirrhosis of the liver. That’s it. I’ve achieved nothing else in life. Nothing positive. I was actually literally trying to drink myself to death. I was just looking for a way out. I was done. I had given up on life. I had given up on everything. I was just done.“

Skin“ ist ein sehenswertes Drama. Auch wenn gerade die, die sich den Film unbedingt ansehen sollten, sich diesen Film nicht ansehen wollen. Durch seinen gelungenen Ausstieg zeigt Widner, dass ihre fundamentalen Prinzipien, vor allem der Glaube an die Unveränderbarkeit des einzelnen Menschen und die Überlegenheit der eigenen Rasse, falsch sind.

Skin (Skin, USA 2018)

Regie: Guy Nattiv

Drehbuch: Guy Nattiv

mit Jamie Bell, Danielle Macdonald, Bill Camp, Vera Farmiga, Mike Colter, Daniel Henshall, Louisa Krause, Mary Stuart Masterson

Länge: 118 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Skin“

Metacritic über „Skin“

Rotten Tomatoes über „Skin“

Wikipedia über „Skin“ (deutsch, englisch)

Berlinale über „Skin“

History vs. Hollywood über „Skin“


TV-Tipp für den 5. Oktober: Eine offene Rechnung

Oktober 4, 2019

ARD, 23.40

Eine offene Rechnung (The Debt, USA 2010)

Regie: John Madden

Drehbuch: Matthew Vaughn, Jane Goldman, Peter Straughan (nach dem Drehbuch des Films „Ha-Hov“ von Assaf Bernstein und Ido Rosenblum)

1997 ist Rachel Singer eine Legende. Vor über dreißig Jahren wurde sie mit zwei weiteren Mossad-Agenten nach Berlin geschickt. In ihrem erste Einsatz sollten die drei Agenten den grausamen KZ-Arzt Dieter Vogel identifizieren und nach Israel entführen. Der Einsatz ging teilweise schief. Trotzdem schlossen sie ihn so erfolgreich ab, dass er zum Nationalmythos wurde. Jetzt könnte die Wahrheit über die damaligen Ereignisse herauskommen.

TV-Premiere zu einer unmöglichen Uhrzeit. Spannender, hochkarätig besetzter, zum Nachdenken über Schuld und Sühne anregender, auf zwei Zeitebenen spielender Thriller.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Helen Mirren, Tom Wilkinson, Ciarán Hinds, Jessica Chastain, Marton Csokas, Sam Worthington, Jesper Christensen, Brigitte Kren

Wiederholung: Sonntag, 6. Oktober, 03.05 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Moviepilot über „Eine offene Rechnung“

Metacritic über „Eine offene Rechnung“

Rotten Tomatoes über „Eine offene Rechnung“

Wikipedia über „Eine offene Rechnung“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von John Maddens Elmore-Leonard-Verfilmung „Killshot“ (Killshot, USA 2008)

Meine Besprechung von John Maddens „Eine offene Rechnung“ (The Debt, USA 2010)

Meine Besprechung von John Maddens „Die Erfindung der Wahrheit“ (Miss Sloane, Frankreich/USA 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: Siegfried Lenz lässt eine „Deutschstunde“ erteilen von Lehrer Christian Schwochow

Oktober 4, 2019

Die Freuden der Pflicht“ schreibt der Deutschlehrer Mitte der fünfziger Jahre an die Tafel der Besserungsanstalt für schwer erziehbare Jugendliche. Siggi Jepsen ist zunächst ratlos. In seinem Zimmer beginnt er dann allerdings zu schreiben.

Er (Tom Gronau, als Kind Levi Eisenblätter)erzählt von seinem Vater Jens Ole Jepsen (Ulrich Noethen). Er war 1943 der Polizeiposten in Rugbül im nördlichsten Norden von Schleswig-Holstein. Während der Nazi-Diktatur tat er pflichtbewusst seinen Dienst. Auch das Bilderverbot der Nazis bei dem Landschaftsmaler Max Ludwig Nansen (Tobias Moretti) setzt er rigoros durch. Das erstaunt den damals elfjährigen Jepsen, weil Nansen und Jens Ole Jepsen sich seit ihrer Kindheit kennen und Nansen sein Patenonkel ist. Aber diese langjährige und tiefe Freundschaft hindert Jens Ole Jepsen nicht daran, das Bilderverbot mit aller Macht durchzusetzen. Es ist ein Befehl, der befolgt werden muss. Dafür instrumentalisiert er sogar seinen Sohn, der ihm bei der Überwachung des Malers helfen soll.

Umgekehrt versucht Nansen Jepsen für seine Belange zu instrumentalisieren. Denn als wahrer Künstler kann er nicht aufhören zu malen.

In seiner Lebensbeichte versucht Jepsen, der als Kind zwischen die beiden kompromisslosen Männer geriet, herauszufinden, welche Folgen Pflichtbewusstsein haben kann. Dabei ist sein Vater ein braver, folgsamer Beamter und kein offensichtlicher Nazi.

Siegfried Lenz erzählte Jepsens Lebensgeschichte als Ich-Erzählung in seinem Roman „Deutschstunde“. Das 1968 erschienene Buch wurde ein Bestseller, der für Diskussionen sorgte, immer noch Schullektüre ist (so heißt es), bereits 1971 von Peter Beauvais als TV-Zweiteiler verfilmt, in den vergangenen 51 Jahren immer wieder neu aufgelegt und jetzt von Christian Schwochow für die große Leinwand verfilmt wurde.

Nicht wirklich schlecht, aber auch nicht besonders überzeugend.

Das beginnt schon mit dem Bildformat, das mich von seinem Format, vor allem bei den breitwandgeeigneten Landschaftsaufnahmen, ständig an den kleinen TV-Bildschirm erinnerte. Außerdem sind die Bilder für meinen Geschmack durchgängig zu dunkel. Anstatt dem Minenspiel der Schauspieler, sieht man Silhouetten. Teils in dunklen Räumen, teils vor fotogener Nordseelandschaft.

Noch problematischer sind die Entscheidung von Schwochow und seiner Drehbuchautorin Heide Schwochow Lenz‘ Roman noch abstrakter und exemplarischer zu gestalten. So gibt es im Film noch weniger Zeichen als im Roman, die die Handlung zu einer bestimmten Zeit verorten. Es sind, abgesehen von einem Briefkopf, keine offensichtlichen Symbole der Nazi-Diktatur zu sehen. Das Kriegsende und die Zeit danach erahnt man aus der Handlung. Aber insgesamt scheint sich das Leben der Menschen in Rugbül während der Nazi-Diktatur und im Zweiten Weltkrieg nicht von der Nachkriegszeit zu unterscheiden. Die im Bild immer präsente Landschaft verändert sich ja auch nicht durch die Regierungsform.

Gleichzeitig werden im Film wichtige Informationen über das Verhältnis der Personen viel zu spät geliefert. Erst nach über einer halben Stunde erfährt man im Film, dass Jens Ole Jepsen und Max Ludwig Nansen fast seit ihrer Geburt Freunde sind, dass sie die gleiche Frau umwarben und dass Nansen der Onkel des Erzählers ist. Bis dahin begegnen der Polizist und der Maler sich so nordisch unterkühlt und schweigsam, dass es auch möglich wäre, dass Nansen erst vor zwei Wochen in das Dorf gezogen ist.

Diese Schweigsamkeit ist ein weiteres Problem des Films. Weil wir ihre Gedanken nicht lesen können, sehen wir nur schweigsame Männer, die sich anschweigen. Im Roman wird dieses Schweigen von dem Ich-Erzähler Jepsen erklärt. Im Film hätte ein Voice-Over das glänzend erledigen und auch den Zuschauer positionieren können. Wer wissen will, wie ein Voice-Over einen Film bereichern kann, muss sich nur einen Martin-Scorsese-Film ansehen. Zum Beispiel „GoodFellas“.

Deutschstunde“ ist gediegenes, aber nicht in Erinnerung bleibendes Bildungsbürgerkino.

So reiht sich Schwochows Verfilmung in die, laut IMDB, vorherigen 28 Siegfried-Lenz-Verfilmungen ein, an die sich heute kaum noch jemand erinnert.

P. S.: Weil überall darüber gesprochen wird als sei es ein bedeutsamer Punkt für die Interpretation: Emil Nolde war das Vorbild für Max Ludwig Nansen. Aber schon in Lenz‘ Roman ist Nansen nicht Nolde und im Film noch weniger. Nansen ist eine literarische Figur. „Deutschstunde“ ist kein Schlüsselroman. Jedenfalls nicht in Bezug auf Nolde.

Deutschstunde (Deutschland 2019)

Regie: Christian Schwochow

Drehbuch: Heide Schwochow

LV: Siegfried Lenz: Deutschstunde, 1968

mit Ulrich Noethen, Tobias Moretti, Levi Eisenblätter, Johanna Wokalek, Sonja Richter, Maria Dragus, Tom Gronau, Louis Hofmann

Länge: 125 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Die Vorlage

(die beiden aktuellsten Ausgaben sind)

Siegfried Lenz: Deutschstunde (Filmausgabe)

Atlantik, 2019

592 Seiten

12 Euro

Siegfried Lenz: Deutschstunde (Jubiläumsausgabe, mit einer Zeittafel über Siegfried Lenz)

Hoffmann und Campe, 2018

592 Seiten

25 Euro

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Deutschstunde“

Moviepilot über „Deutschstunde“

Wikipedia über „Deutschstunde“ (Film, Roman) und Siegfried Lenz

Hoffman und Campe über Siegfried Lenz

Offizielle deutsche Homepage von Siegfried Lenz