TV-Tipp für den 14. Oktober: Der Pate

Oktober 13, 2025

R. i. P. ‚Annie Hall‘ Diane Keaton (5. Januar 1946, Los Angeles, Kalifornien – 11. Oktober 2025, Los Angeles, Kalifornien)

Einer ihrer ersten Filmrollen und eine wichtige Rolle für ihre Karriere

HR, 22.30

Der Pate (The Godfather, USA 1972)

Regie: Francis Ford Coppola

Drehbuch: Mario Puzo, Francis Ford Coppola

LV: Mario Puzo: The Godfather, 1969 (Der Pate)

Die Mafia als gepflegter Familienbetrieb. Ein immer wieder gern gesehener Klassiker.

Mit Marlon Brando, Al Pacino, James Caan, John Cazale, Robert Duvall, Diane Keaton, Sterling Hayden, Al Lettieri, Talia Shire

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Der Pate“

Wikipedia über „Der Pate“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Norbert Grob/Bern Kiefer/Ivo Ritzer (Herausgeber) „Mythos ‘Der Pate’ – Francis Ford Coppolas Godfather-Trilogie und der Gangsterfilm (Deep Focus 10)“ (2011)

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas “Apocalypse Now” (Apocalypse Now, USA 1979 – die “Full Disclosure”-Blu-ray)

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now: The Final Cut“ (USA 1979/2019) und der Blu-ray

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas „The Outsiders: The complete Novel“ (The Outsiders, USA 1983/2005) und der Blu-ray

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas „Rumble Fish“ (Rumble Fish, USA 1983)

Meine Besprechung von Francis Ford Coppolas „Twixt – Virginias Geheimnis“ (Twixt, USA 2011)

Meine Besprechung von Franics Ford Coppolas „Megalopolis“ (Megalopolis, USA 2024)

Francis Ford Coppola in der Kriminalakte

Meine Besprechung von Roy Thomas/Mike Mignolas „Bram Stoker’s Dracula“ (Bram Stoker’s Dracula 1-4, 1993) (der Comic-Version von Coppolas Film)

Meine Besprechung von Mario Puzos „Sechs Gräber bis München“ (Six Graves to Munich, 1967)


TV-Tipp für den 13. Oktober: Vera Cruz

Oktober 12, 2025

Arte, 20.15

Vera Cruz (Vera Cruz, USA 1954)

Regie: Robert Aldrich

Drehbuch: Roland Kibee, James R. Webb (nach einer Story von Borden Chase)

1866 machen die beiden Glücksritter Trane und Erin Mexiko unsicher. Denn sie sind nicht politischen Ideologien, sondern grünen Scheinen treu.

Damals ein gewaltiger Erfolg an der Kasse, später eines der Vorbilder für den Spaghetti-Western und heute immer noch höchst unterhaltsam anzusehen, wie zwei Jungs mit einigen lässigen Sprüchen und Schüssen die mexikanische Revolution zur Operette degradieren.

Anschließend, um 21.45 Uhr, zeigt Arte, anscheinend als TV-Premiere, die 55-minütige Doku „Irresistible Gary Cooper“ (Frankreich 2019).

Mit Gary Cooper, Burt Lancaster, Denise Darcel, Cesar Romero, Ernest Borgnine, Charles Bronson (noch als Charles Buchinsky), Jack Elam

Wiederholung: Freitag, 17. Oktober, 14.00 Uhr

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Vera Cruz“

Wikipedia über „Vera Cruz“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Robert Aldrichs „Ein Zug für zwei Halunken (Emperor of the North Pole/Emperor of the North, USA 1973)


TV-Tipp für den 12. Oktober: Screamers – Tödliche Schreie

Oktober 11, 2025

Tele 5, 22.15

Screamers – Tödliche Schreie (Screamers, Kanada/USA/ Japan 1995)

Regie: Christian Duguay

Drehbuch: Dan O’Bannon, Miguel Tejada-Flores

LV: Philip K. Dick: Second Variety, 1953 (Variante 2; Kurzgeschichte)

Sirius 6 B, 2078: auf dem rohstoffreichen Planeten bekämpfen sich zwei mächtige Wirtschaftsblöcke. Die Allianz setzt gegen die Männer des New Economic Block die titelgebenden Screamers. Diese auf Menschen reagierende Killerroboter könnten sich weiterentwickelt haben. Sie könnten sogar wie Menschen aussehen. Allianz-Colonel Hendricksson gerät zwischen die Fronten.

Knackiges, hübsch paranoides B-Picture für den Genre-Junkie

mit Peter Weller, Roy Dupuis, Jennifer Rubin, Andy Lauer, Charles Edwin Powell

Wiederholung: Dienstag, 14. Oktober, 00.05 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Screamers“

Wikipedia über „Screamers“ (deutsch, englisch)

Mein Hinweis auf die Neuauflage der Philip-K.-Dick-Romane „Marsianischer Zeitsturz“, „Ubik“ und „Der dunkle Schirm“


TV-Tipp für den 11. Oktober: November – Paris im Fadenkreuz

Oktober 10, 2025

ZDF, 23.35

November – Paris im Fadenkreuz (Novembre, Frankreich 2022)

Regie: Cédric Jimenez

Drehbuch: Cédric Jimenez, Olivier Demangel

Filmisches Gegenstück zu „Meinen Hass bekommt ihr nicht“, in dem es um die Gefühle eines Hinterbliebenen geht.

Cédric Jimenez liefert in „November“ eine packende Rekonstruktion der mehrtägigen Jagd der Anti-Terror-Einheit SDAT auf die Terroristen, die für die Anschläge auf das Bataclan und weitere Orte in Paris am 13. November 2015 verantwortlich waren.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Jean Dujardin, Anaïs Demoustier, Sandrine Kiberlain, Jérémie Renier, Lyna Khoudr, Cedric Khan

Hinweise

Moviepilot über „November“

AlloCiné über „November“

Rotten Tomatoes über „November“

Wikipedia über „November“ (deutsch,französisch)

Meine Besprechung von Cédric Jimenez‘ „Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille“ (La French, Frankreich/Belgien 2014)

Meine Besprechung von Cédric Jimenez‘ „November“ (Novembre, Frankreich 2022)


Neu im Kino/Filmkritik: „Amrum“, Erinnerungen von Hark Bohm, verfilmt von Fatih Akin

Oktober 10, 2025

Amrum“ könnte der schlechteste Film von Hark Bohm sein. ‚könnte‘, weil ich nicht alle, aber fast alle Filme von ihm gesehen habe und sie mir durchgängig gefielen. Ich sage das auch schweren Herzens. Denn es könnte sein letzter Film sein und, jedenfalls von der Filmgeschichte, ist diese Filmgeschichte direkt autobiographisch inspiriert. Es geht um einen zwölfjährigen Jungen und seinen Alltag auf der Insel Amrum während der letzten Tage des Zweiten Weltkriegs.

Es ist auch ein weiterer Film von Hark Bohm, in dem Jugendliche, ihre Welt und ihre Probleme, Ziele und Wünsche im Mittelpunkt stehen. In seinemn Debüt „Tschetan, der Indianerjunge“, „Nordsee ist Mordsee“, „Moritz, lieber Moritz“ und „Yasemin“ standen ebenfalls Jugendliche im Mittelpunkt. Am Drehbuch für Fatih Akins „Tschick“ schrieb er mit.

Bohm ist also ein Geschichtenerzähler, der schon einige ausgezeichnete Jugendfilme inszenierte. Was sollte schon schiefgehen? Vor allem wenn es dieses Mal sogar und im Gegensatz zu seinen vorherigen Filmen, wie „Der Fall Bachmeier – Keine Zeit für Tränen“, „Der kleine Staatsanwalt“ und „Vera Brühne“, sogar um eine persönliche Geschichte geht?

Ein großes Problem war Bohms Gesundheitszustand. Er sah sich schon vor Jahren nicht mehr in der Lage, den Film nach seinem Drehbuch zu inszenieren. In diesem Moment kam Fatih Akin ins Spiel. Den Roman „Amrum“ schrieb Bohm später.

Auch Fatih Akin ist ein Geschichtenerzähler, der schon mehrere überzeugende Filme mit jüngeren Protagonisten inszenierte. Außerdem war „Yasemin“ für ihn ein wichtiger Film. Es war der erste Film, der ihm zeigte, dass er als Kind türkischer Einwanderer in Hamburg Filme über sein Leben machen könnte. Bohm erzählt in „Yasemin“ die Liebesgeschichte zwischen einem zwanzigjährigem deutschen Studenten und einer siebzehnjährigen Türkin und den damit zusammenhängenden Culture Clash.

Später wurde Hark Bohm Fatih Akins Mentor und Freund. Und jetzt inszenierte Fatih Akin „Amrum“. Aber in diesem Fall handelt es sich nicht einfach um den häufiger vorkommenden Fall, dass ein Regisseur das Buch eines anderen Regisseurs verfilmt. Schon der Filmanfang mit den Worten „Ein Hark Bohm Film von Fatih Akin“ sagt, dass Fatih Akin sich in diesem Fall als Erfüllungsgehilfen von Hark Bohm sieht. Bei diesem Film ist er in erster Linie ein Handwerker, der die Vision eines anderen möglichst getreu umsetzt.

Dementsprechend ist „Amrum“ der Akin-Film in dem am wenigsten von Akin sichtbar ist. Er wollte und inszenierte einen Hark-Bohm-Film. Basierend auf einem Drehbuch von Hark Bohm, das Akin überarbeitete und von, in der ersten Fassung, der Länge eines TV-Mehrteilers auf Spielfilmlänge kürzte. Die Geschichte basiert auf den Erinnerungen des am 18. Mai 1939 in Hamburg geborenen und auf Amrum aufgewachsenem Hark Bohm.

Im Mittelpunkt des episodischen, im April 1945 während der letzten Kriegstage spielenden Films steht der zwölfjährige Nazi-Junge Nanning (Jasper Billerbeck). Seine hochschwangere Mutter ist immer noch eine fanatische Hitler-Verehrerin. Sein Vater ist in Kriegsgefangenschaft. Zusammen mit seinen jüngeren Geschwistern flohen sie aus Hamburg auf die Insel, wo sie die Fremden sind.

Lose zusammengehalten wird der Film von Nannings Versuch, seiner Mutter ihren größten Wunsch zu erfüllen. Sie möchte ein Honigbrot mit Butter. Dafür muss er in mühevoller Kleinarbeit zuerst die Zutaten besorgen.

Akin erzählt die Filmgeschichte chronologisch als eine in wenigen Tagen spielende Abfolge von weitgehend unabhängigen Episoden, teils mit bekannten Schauspielern, wie Detlev Buck und Matthias Schweighöfer, die dann nur Gastauftritte haben. Die meiste Zeit verbringt Nanning alleine auf der Insel. Potentielle Konflikte werden angetippt, aber nicht weiterverfolgt. Das gilt vor allem für den Umgang der Inselbewohner mit Fremden. Dazu gehören Nanning und seine Familie, die zwar Wurzeln auf der Insel haben, aber jetzt die Hamburger sind, und die am Filmanfang eintreffenden Flüchtlinge aus Schlesien und Ostpreußen. Das gilt auch für den Nationalsozialismus, der nicht mehr als ein folkloristisches Hintergrundrauschen ist. Hier vergibt Akin erzählerische Möglichkeiten zugunsten der Geschichte von der Beschaffung eines Brotes, die auch zu jeder anderen Zeit und an jedem anderen Ort spielen könnte.

Illustrieren tut Akin dies mit Postkartenbildern von der Insel, in die er seine brandneue Kleider tragenden Schauspieler drapiert. Der Horizont ist dabei meist in der Bildmitte, was laut John Ford, zitiert nach Steven Spielbergs Erinnerungsfilm „The Fabelmans“, „boring as shit“ ist. „Amrum“ wirkt wie der Beweis für diese Ansicht.

Natürlich ist „Amrum“ objektiv betrachtet kein schlechter Film. Es ist nur ein weiterer gut gemeinter, niemals packender Film. Früher nannte man solche Filme Auftragsarbeiten. Und das ist viel weniger, als man von einem Film von Hark Bohm und Fatih Akin erwartet.

Amrum (Deutschland 2025)

Regie: Fatih Akin

Drehbuch: Hark Bohm, Fatih Akin

mit Jasper Billerbeck, Kian Köppke, Laura Tonke, Lisa Hagmeister, Diane Kruger, Detlev Buck, Lars Jessen, Matthias Schweighöfer, Jan Georg Schütte, Marek Harloff, Steffen Wink

Länge: 93 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Amrum“

Moviepilot über „Amrum“

Metacritic über „Amrum“

Rotten Tomatoes über „Amrum“

Wikipedia über „Amrum“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Müll im Garten Eden“ (Deutschland 2012)

Meine Besprechung von Fatih Akins „The Cut“ (Deutschland/Frankreich 2014)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Tschick“ (Deutschland 2016)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Aus dem Nichts“ (Deutschland 2017)

Meine Besprechung von Fatih Akins „Rheingold“ (Deutschland 2022)

Meine Besprechung von Hark Bohms „Nordsee ist Mordsee“ (Deutschland 1976)

Meine Besprechung von Hark Bohms „Moritz, lieber Moritz“ (Deutschland 1978)

 


TV-Tipp für den 10. Oktober: SchleFaZ: Die drei Supermänner räumen auf

Oktober 9, 2025

Nitro, 22.20

SchleFaZ: Die drei Supermänner räumen auf (I Fantastici tre supermen, Italien/Deutschland/Frankreich 1967)

Regie: Frank Kramer (Pseudonym von Gianfranco Parolini)

Drehbuch: Frank Kramer, Marcello Coscia, Werner Hauff

Drei unbesiegbare Supermänner kämpfen gegen einen Wissenschaftler, der mit seiner Erfindung die Weltwährungen destabilisieren will.

Passend zum Kinostart von „Reflection in a Dead Diamond“ gibt es heute ein Eurospy-Meisterwerk in der gewohnt respektlosen SchleFaZ-Bearbeitung.

Dabei urteilt das Lexikon des internationalen Films erstaunlich mild: „Utopisch-fantastisches Kino mit Motiven aus der Comic-Strip-Welt.“

mit Tony Kendall, Brad Harris, Nick Jordan, Charles Tamblyn, Patricia Carr, Bettina, Jockem Brockmann

Hinweise

Filmportal über „Die drei Supermänner räumen auf“

Wikipedia über „Die drei Supermänner räumen auf“ (deutsch, englisch)

einen haben wir noch


Neu im Kino/Filmkritik: Über Radu Judes iPhone-Film „Kontinental ’25“

Oktober 9, 2025

Ein Film – – – muss nicht teuer sein, um gut zu sein. Der Regisseur muss nur eine Idee, ein daraus entstandenes Drehbuch, einige Schauspieler, einige Tage Zeit und ein iPhone haben. Drehgenehmigungen hatte er, jedenfalls sehen die Außenaufnahmen so aus, nicht. Falls doch, wurde nichts abgesperrt. Warum auch? Schließlich sind heute in Städten Smartphones so allgegenwärtig, dass sich niemand mehr nach einem Menschen umdreht, der etwas aufnimmt.

So drehte Radu Jude, direkt im Anschluss an seine dreistündige sehr freie „Dracula“-Adaption (deutscher Starttermin: unklar), innerhalb von knapp elf Tagen, ohne zusätzliche Beleuchtung oder Grip-Ausstattung „Kontinental ’25“.

In Cluj, der Hauptstadt Transsylvaniens, bringt sich ein Obdachloser um in seinem sparsam eingerichteten Unterschlupf im Keller eines Hauses, das einem Luxushotel weichen soll. Er stranguliert sich an der Heizung, während die Gerichtsvollzieherin Orsolya (Eszter Tompa) bei ihm eine Zwangsräumung vollstrecken will.

Danach fühlt Orsolya sich schuldig und spricht mit verschiedenen Menschen, die ihr mehr oder weniger nahe stehen, darüber.

Inszeniert hat Jude seinen neuen Film in langen, etwas ziellosen Szenen. Anstatt eine voranschreitende Geschichte zu erzählen, erzählt Orsolya immer wieder, fast wortgleich die Geschichte von dem Suizid des Obdachlosen und ihren Schuldgefühlen. Das langweilt schnell. Es fehlen auch die ätzenden satirischen Zuspitzungen seiner vorherigen Filme. In „Kontinental ’25“ entwickelt sich alles deutlich bedächtiger, ernster und humorfreier.

Auffallend ist, nachdem er früher immer einen offensiv ausgelebten Kult des Dilletantismus, der fröhlichen Improvisation und der Vielfalt der verwendeten Mittel predigte, wie formal geschlossen, überlegt in seiner Struktur und sich, auf verschiedenen Ebenen, offen auf andere Filme beziehend „Kontinental ’25“ ist. Die Struktur hat er von Alfred Hitchcocks „Psycho“ übernommen. In „Psycho“ beginnt Hitchcock mit der Geschichte des zukünftigen Opfers Marion Crane. Nach einem Drittel des Films wird sie von Norman Bates in einer Dusche ermordet. Anschließend steht Bates im Zentrum des Films. Weil auch er ein Opfer ist, kann man als Zuschauer seine Sympathie von Crane auf Bates übertragen. Gleiches gilt für „Kontinental ’25“. Der Obdachlose, der am Filmanfang im Mittelpunkt des Films steht, ist ein Opfer der Gesellschaft. Orsolya ebenso. Und wie Norman Bates muss sie mit ihren Schuldgefühlen umgehen.

Gleichzeitig ist Judes Film eine Hommage an und Karikatur von Roberto Rossellinis Drama „Europa 51“. Rossellini erzählt eine größtenteils andere Geschichte. Bei Rossellini beginnt die vermögende Irene Gerard (Ingrid Bergmann) nach dem Suizid ihres Sohnes, von Schuldgefühlen geplagt und nach Erlösung suchend, eine Reise durch die Arbeiterklasse von Rom. Irene lernt die Welt kennen, in der Orsolya lebt.

Auf der Berlinale erhielt „Kontinental ’25“ den Silbernen Bären für das beste Drehbuch.

Kontinental ’25 (Kontinental ’25, Rumänien 2025)

Regie: Radu Jude

Drehbuch: Radu Jude

mit Eszter Tompa, Gabriel Spahiu, Adonis Tanța, Oana Mardare, Șerban Pavlu

Länge: 109 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Kontinental ’25“

Metacritic über „Kontinental ’25“

Rotten Tomatoes über „Kontinental ’25“

Wikipedia über „Kontinental ’25“ (deutsch, englisch)

Berlinale über „Kontinental ’25“

Meine Besprechung von Radu Judes „Bad Luck Banging or Loony Porn“ (Babardeala cu bucluc sau porno balamuc, Rumänien/Luxemburg/Tschechische Republik/Kroatien 2021)

Meine Besprechung von Radu Judes „Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“ (Nu astepta prea mult de la sfârsitul lumii, Rumänien/Luxemburg/Frankreich/Kroatien 2023)


Neu im Kino/Filmkritik: „Tron: Ares“ kurz im Computer und viel in der echten Welt

Oktober 9, 2025

1982 zeigt „Tron“ dem Kinopublikum, wie es in einem Computer aussieht, bevor Computer die Kinderzimmer (und Büros) eroberten. Cyberpunk, Cyberspace und die Matrix kamen erst später.

Der Film wurde für seine Tricks gelobt, für den Rest kritisiert und wurde seitdem zu einem einflussreichem Kultfilm.

2010 kam die Fortsetzung „Tron: Legacy“ ins Kino. Wieder überzeugten die Bilder. An den Rest erinnert sich niemand.

Das wird mit dem dritten „Tron“-Film, „Tron: Ares“ betitelt, ähnlich sein. Die Story ist nur das kryptische Set-up für eine zweistündige Verfolgungsjagd. Leider handelt es sich um eine äußerst langweilige Verfolgungsjagd, in der keine Figur mehr Tiefe als im Trailer gewinnt und die Hatz eine wenig aufregende Mischung aus Motorradfahren in der neondunklen Nacht und Kloppereien mit austauschbaren, gesichtslosen Handlangern ist.

Also, das Set-up ist wie folgt: Das Computerprogramm Ares (Jared Leto) wurde von Julian Dillinger (Evan Peters), Enkel von „Tron“-Bösewicht Ed Dillinger und amtierender CEO der Dillinger Corporation, erschaffen. Mittels einer fancy Maschine kann es in der realen Welt (auch bekannt als die Welt der Menschen oder die Welt, in der wir leben) Gestalt annehmen. Jetzt soll Ares ENCOM CEO Eve Kim (Greta Lee) finden. Sie besitzt den Code, der es ermöglicht, dass die von Dillinger materialisierten Dinge – Waffen, Panzer und Super-Soldaten – nicht nach 29 Minuten zu schwarzem Staub zerfallen, sondern ewig bestehen.

Und schon beginnt die wilde Jagd durch die nächtliche Stadt mit ihren Neonlichtern. Dabei beginnt Ares über seine Programmierung nachzudenken. Und er muss gegen Athena (Jodie Turner-Smith), ein weiteres Fleisch gewordenes Programm, das den gleichen Befehl erhielt, kämpfen.

Für kurze Unterbrechungen sorgen einige wenige Sekunden mit unverständlich-belanglosen Technogebabbel und etwas Mutter-Sohn-Gerangel. Seine Mutter Elisabeth (Gillian Armstrong) ist mit der von ihrem Sohn gewählten Ausrichtung des Konzerns nicht einverstanden. Das verharrt auf dem Niveau eines 80er-Jahre-Computerspiels. Einen Subtext oder auch nur eine oberflächliche Behandlung aktueller Probleme zwischen Mensch, Computer und Künstlicher Intelligenz sucht man vergebens.

Tron: Ares“ ist nur style over substance. Denn die Bilder sehen unbestritten gut aus. Sie zitieren zwar nur bekannte Bilder, die teils auch während der abendlichen Rush Hour in einer Großstadt aufgenommen oder aus animierten Sequenzen für die abendlichen Nachrichten kopiert werden können. Für diesen Science-Fiction-Film wurden sie hübsch veredelt.

Musikalisch wird das von Trent Reznor und Atticus Ross, die hier auf Wunsch von Disney als Nine Inch Nails firmieren, mit einem ebenso effektivem, wie monotonem und entsprechend austauschbar vor sich hin blubberndem Ambient-Techno-Soundscape untermalt. Das ist meilenweit von den früheren, ungleich gelungeneren Filmarbeiten von Reznor und Ross entfernt. Es hat auch nichts mit der zutiefst beunruhigenden Musik von Nine Inch Nails zu tun. Ihr neuester Soundtrack ist belangloses Comfort-Food für die Ohren.

Nichts in „Tron: Ares“ ist neu, überraschend oder aufregend. Nichts regt zum Nachdenken an, weil der Film bestenfalls halbverdaute Gedanken aus einer fernen Vergangenheit präsentiert, die schon lange überholt sind. An aktuelle Diskurse knüpft er nicht an. Er entwirft – immerhin ist „Tron: Ares“ ein Science-Fiction-Film – auch keine nachdenkenswerte Utopie. Er zeigt nur größere und bessere Waffen, die von einem großen 3D-Drucker hergestellt werden.

Wie die vorherigen beiden „Tron“-Filme ist „Tron: Ares“ style over substance. Die Story ist eine einzeige zweistündige Hatz auf dem Niveau eines 80er-Jahre-Computerspiels. Es fiel mir durchgehend schwer, aufmerksam diesem auf spielfilmlänge gestrecktem, animierten Musikclip zu folgen. „Tron: Ares“ ist ein gut aussehendes Nichts ist, das locker alle möglichen Tiefen der Story weiträumig umfährt.

Am Ende war ich nicht enttäuscht oder verärgert, sondern nur erstaunt, wie präzise Regisseur Joachim Rønning meine geringen Erwartungen erfüllte.

Tron: Ares (Tron: Ares, USA 2025)

Regie: Joachim Rønning

Drehbuch: Jesse Wigutow (nach einer Geschichte von David DiGilio und Jesse Wigutow, basierend auf von Steven Lisberger und Bonnie MacBird erfundenen Figuren)

mit Jared Leto, Greta Lee, Evan Peters, Hasan Minhaj, Jodie Turner-Smith, Arturo Castro, Cameron Monaghan, Gillian Anderson, Jeff Bridges

Länge: 119 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Tron: Ares“

Metacritic über „Tron: Ares“

Rotten Tomatoes über „Tron: Ares“

Wikipedia über „Tron: Ares“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Joachim Rønnings „Maleficent: Mächte der Finsternis“ (Maleficent: Mistress of Evil, USA 2019)


Neu im Kino/Filmkritik: Eurospy galore! „Reflection in a Dead Diamond“

Oktober 9, 2025

Die Filmgeschichte kann so erzählt werden: in einem Luxushotel an der Côte d’Azur gastiert der ehemalige Geheimagent John D. (Fabio Testi). Seine Tage verbringt er mit dem stillen Beobachten einer Strandschönheit und Erinnerungen an seine früheren Aufträge in denen er als mediterraner James Bond gegen Superbösewichter kämpfte. Als die Frau spurlos verschwindet, glaubt er, dass er sich seiner Vergangenheit und früheren Gegnern, vor allem seiner Erzfeindin Serpentik (Thi May Nguyen), einer in schwarz glänzendem Leder gekleideten, sexy Kampfamazone, stellen muss.

Oder sie kann so zusammengefasst werden: in ihrem neuen Film „Reflection in a Dead Diamond“ spielt das Regie-Ehepaar Hélène Cattet und Bruno Forzani mit den italienischen Spionagefilmen, die in den Sechzigern James Bond mit weniger Geld, aber mehr nackter Haut, teils unter glänzendem Leder nachahmten, und den Giallos der sechziger und siebziger Jahre. In ihrem Film assoziieren sie dabei zwischen Gegenwart und Vergangenheit und zwischen verschiedenen Filmen, in denen John D. mitspielte, eine Geschichte, die ein Best-of-Pulp ist. In der Gegenwart kämpft John D. mit seinen Erinnerungen an seine früheren Auftritte als Schauspieler in billigen Agentenfilmen und dem demenzbedingtem Vergessen dieser Erinnerungen. Dabei kann er immer weniger zwischen Realität und Fiktion, zwischen Erinnerungen an sein Leben und an seine Filme unterscheiden. Alles verschwimmt zu einem großen Abenteuer.

Inszeniert haben Cattet und Forzani dies, wie ihre vorherigen Filme, als einen zitat- und anspielungsreichen Bilderrausch, in dem die Bilder und die Atmosphäre eindeutig über der bestenfalls assoziativen Story triumphieren. „Reflection in a Dead Diamond“ ist auch eine weitere hemmungslose Liebeserklärung an das italienische Kino der sechziger und siebziger Jahre zwischen Italo-Western, Eurospy-Filmen, Giallo, Horror- und Sexfilm.

Das Ergebnis ist ein großer Spass, der gar nicht so blöde ist, wie er auf den ersten Blick erscheint und der einen dazu anregt, mal wieder einen dieser oft schlechten Filme, die erst in der Erinnerung so großartig wurden, zu gucken.

Oder man sieht sich einfach wieder „Reflection in a Dead Diamond“ an und liefert sich den Kämpfen von John und Serpentix aus, erfreut sich an den Bildern, die heute noch intensiver als damals leuchten, genießt die Anspielungen, beginnt zwischen den Bildern über ihre Bedeutung und ihren Zusammenhang miteinander zu sinnieren und stellt fest, dass unter dieser glänzend-erotisierten Oberfläche viel verborgen ist.

Reflection in a Dead Diamond (Reflet dans un diamant mort, Italien/Luxemburg/Belgien/Frankreich 2025)

Regie: Hélène Cattet, Bruno Forzani

Drehbuch: Hélène Cattet, Bruno Forzani

mit Fabio Testi, Yannick Renier, Koen De Bouw, Maria de Medeiros, Thi Mai Nguyen

Länge: 91 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

AlloCiné über „Reflection in a Dead Diamond“ 

Moviepilot über „Reflection in a Dead Diamond“

Metacritic über „Reflection in a Dead Diamond“

Rotten Tomatoes über „Reflection in a Dead Diamond“

Wikiepdia über „Reflection in a Dead Diamond“ (deutsch, englisch)

Berlinale über „Reflection in a Dead Diamond“

Meine Besprechung von „Amer – Ein Alptraum aus Angst und Begierde“ (Amer, Frankreich/Belgien 2009)


TV-Tipp für den 9. Oktober: Mein fabelhaftes Verbrechen

Oktober 8, 2025

RBB, 20.15

Mein fabelhaftes Verbrechen (Mon Crime, Frankreich 2023)

Regie: François Ozon

Drehbuch: François Ozon, (in Zusammenarbeit mit) Philippe Piazzo

LV: Georges Berr, Louis Verneuil: Mon Crime, 1934 (Theaterstück)

TV-Premiere. Paris, 30er Jahre: zwei junge, in einer Absteige zusammen lebende Frauen – eine Schauspielerin und eine Anwältin – wollen den Tod eines einflussreichen Theaterproduzenten als Karrierebooster benutzen. Die Schauspielerin gesteht den Mord, die Anwältin verteidigt sie und alles läuft nach Plan, bis die echte Mörderin auftaucht und ihren Anteil will.

Ein fabelhaftes Vergnügen, diese Screwball-Comedy

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Nadia Tereszkiewicz, Rebecca Marder, Isabelle Huppert, Dany Boon, Fabrice Luchini, André Dussollier, Édouard Sulpice, Régis Laspalès, Olivier Broche

Wiederholung: Freitag, 10. Oktober, 23.30 Uhr

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Mein fabelhaftes Verbrechen“

AlloCiné über „Mein fabelhaftes Verbrechen“

Rotten Tomatoes über „Mein fabelhaftes Verbrechen“

Wikipedia über „Mein fabelhaftes Verbrechen“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Francois Ozons “In ihrem Haus” (Dans la Maison, Frankreich 2012)

Meine Besprechung von Francois Ozons ”Jung & Schön” (Jeune & jolie, Frankreich 2013)

Meine Besprechung von Francois Ozons „Eine neue Freundin“ (Une nouvelle amie, Frankreich 2014)

Meine Besprechung von François Ozons „Frantz“ (Frantz, Deutschland/Frankreich 2016)

Meine Besprechung von François Ozons „Der andere Liebhaber“ (L’Amant Double, Frankreich/Belgien 2017)

Meine Besprechung von François Ozons „Gelobt sei Gott“ (Grâce à Dieu, Frankreich 2019)

Meine Besprechung von François Ozons „Alles ist gutgegangen“ (Tout s’est bien passé, Frankreich 2021)

Meine Besprechung von François Ozons „Peter von Kant“ (Peter von Kant, Frankreich 2022)

Meine Besprechung von François Ozons „Mein fabelhaftes Verbrechen“ (Mon Crime, Frankreich 2023)


Juoko Kawakami verbreitet wieder „Furcht“ im heutigen Japan

Oktober 8, 2025

Es sind kurze Geschichten, die Juoko Kawakami in seiner Manga-Kurzgeschichtenreihe „Furcht – Horrorgeschichten aus dem modernen Japan“ erzählt und zeichnete. Vor wenigen Tagen erschien der dritte Band. Er enthält auf unter zweihundert Seiten zwölf Kurzgeschichten, die einige Gemeinsamkeiten haben und vollkommen unabhängig voneinander gelesen werden können. Es sind, wie der Titel verrät, kurze Horrorgeschichten, die im heutigen Japan spielen. Trotzdem spielen sie immer wieder, für uns wenig bis nicht erkennbar, auf japanische Traditionen an. Das Wissen über diese Traditionen steigert dann das Lesevergnügen, aber für das Verständnis der meisten Geschichten (ein, zweimal dachte ich, dass ich die Pointe nicht verstehe, weil ich die angesprochene Riten, Sitten und Erzählungen nicht kenne) ist es egal. Sie sind universell verständlich.

Im Mittelpunkt der Geschichten steht das Leben im heutigen Japan, meistens mit Protagonisten zwischen Schule und Studium und ihren Problemen. Computer, Handys, die Wirkung von Influencern und das Leben in einer anonymen Großstadt stehen immer wieder im Zentrum der mal mehr, mal weniger übernatürlichen Geschichten.

In der ersten Geschichte bemerkt ein schönheitsversessener Junge plötzlich einen Pickel an seinem Hals und Haare an den Beinen. Was für einen normalen Jugendlichen höchstens ärgerlich wäre, ist für ihn eine Katastrophe. Das Ende ist – überraschend.

In anderen Geschichten geht es um den nächtlichen Besuch in einem leer stehendem Haus, das möglicherweise doch nicht so leer steht. Oder um den Betreiber von einem Okkult-TV-Kanal, der eine Veranstaltung einer Netzwerk-Marketing-Firma besucht – und sich irgendwann denkt, er hätte wohl doch besser eine weitere Geistervilla erkundet. Es geht um den Besuch bei den seltsamen Eltern des künftigen Gatten. In einer anderen Geschichte geht es um eine Hochzeit und die Planungen vor der Hochzeit. Eine andere Geschichte beschäftigt sich mit den körperlichen Veränderungen eines schmächtigen Jungen bei dem Training in einem Fitnessstudio. Einmal geht es um die moderne urbane Legende Ushigisan, die gerade im Netz trendet; ein anderes Mal um eine KI-Cosplayerin und einmal um eine Telefonzelle, die als Müllabladeplatz benutzt wird.

Auch der dritte „Furcht“-Sammelband ist eine schön schwarzhumorige Lektüre.

Der vierte Band ist für November angekündigt. Das klingt doch nach einem Weihnachtsgeschenk für den Horrorfan.

Juoku Kawakami: Furcht – Horrorgeschichten aus dem modernen Japan – Band 3

(übersetzt von Gregor Wakounig)

Panini Manga, 2025

200 Seiten

8,99 Euro

Originalausgabe

Osore – Reiwa Kaidan – Vol. 3

Shogakukan, 2025

Hinweise

Meine Besprechung von Juoku Kawakamis „Furcht – Horrorgeschichten aus dem modernen Japan – Band 1“ (Osore – Reiwa Kaidan – Vol. 1, 2025)

Meine Besprechung von Juoku Kawakamis „Furcht – Horrorgeschichten aus dem modernen Japan – Band 2“ (Osore – Reiwa Kaidan – Vol. 2, 2025)


TV-Tipp für den 8. Oktober: Die purpurnen Flüsse

Oktober 7, 2025

Kabel 1, 22.35

Die purpurnen Flüsse (Les Rivières pourpres, Frankreich 2000)

Regie: Mathieu Kassovitz

Drehbuch: Mathieu Kassovitz, Jean-Christophe Grangé

LV: Jean-Christophe Grangé: Les Rivières pourpres, 1997 (Die purpurnen Flüsse)

Wer bringt in einer abgeschiedenen Alpenuni Menschen um? Kommissar Niémans ermittelt und deckt dabei eine gigantische Verschwörung auf.

Spannender, nicht sonderliche plausibler Thriller: „aufwändig inszenierter Trashfilm“ (tip).

mit Jean Reno, Vincent Cassel, Nadia Fares, Dominique Sanda, Karim Belkhadra, Jean-Pierre Cassel

Wiederholung: Donnerstag, 9. Oktober, 02.40 Uhr (Taggenau!)

Hinweise

AlloCiné über „Die purpurnen Flüsse“

Rotten Tomatoes über „Die purpurnen Flüsse“

Wikipedia über „Die purpurnen Flüsse“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Sylvain Whites Jean-Christophe-Grangé-Verfilmung „Choral des Todes“ (La Marque des anges – Miserere, Frankreich/Belgien 2013)


Cover der Woche

Oktober 7, 2025


TV-Tipp für den 7. Oktober: Match Point

Oktober 6, 2025

HR, 22.30

Match Point (Match Point, Großbritannien 2005)

Regie: Woody Allen

Drehbuch: Woody Allen

Ein Woody-Allen-Film ohne New York? Geht das? Wie sein erster im Ausland gedrehter Film “Match Point” zeigt, geht das sehr gut. Für Allen scheint es sogar eine Frischzellenkur gewesen zu sein. Denn er drehte seine nächsten Filme, weitgehend ohne die gewohnten Allen-Wortkaskaden, in Europa.

Die Geschichte von „Match Point“ ist die alte Geschichte vom Aufsteiger aus kleinen Verhältnissen, der für seine Ziele über Leichen geht. Denn seine große Liebe ist nicht seine Ehefrau und er denkt nicht an eine Scheidung, die ihn selbstverständlich seine gerade mühsam erreichte gesellschaftliche Stellung kosten würde.

„Match Point“ wurde von den Kritikern abgefeiert, erhielt Preise und wurde für wichtige Preise, unter anderem den Oscar und den Edgar Allan Poe Award als bestes Drehbuch, nominiert. Der Film ist ein schön gemeines Thrillerdrama mit einer bitterbösen Schlusspointe.

Mit Scarlett Johansson, Jonathan Rhys Meyer, Emily Mortimer, Emily Mortimer, Matthew Goode, Mark Gatiss, Brian Cox, Ewen Bremner, James Nesbitt

Hinweise

Guardian: Interview mit Woody Allen (20. Dezember 2005)

Total Film: Interview mit Woody Allen (30. Dezember 2005)

Die Welt: Interview mit Woody Allen (23. Dezember 2005)

Roten Tomatoes über „Match Point“

Wikipedia über „Match Point“ (deutsch, englisch)

Homepage von Woody Allen

Deutsche Woody-Allen-Seite

Meine Besprechung von Robert B. Weides „Woody Allen: A Documentary“ (Woody Allen: A Documentary, USA 2012)

Meine Besprechung von Woody Allens “To Rome with Love” (To Rome with Love, USA/Italien 2012)

Meine Besprechung von Woody Allens “Blue Jasmine” (Blue Jasmine, USA 2013)

Meine Besprechung von Woody Allens “Magic in the Moonlight” (Magic in the Moonlight, USA 2014)

Meine Besprechung von John Turturros “Plötzlich Gigolo” (Fading Gigolo, USA 2013 – mit Woody Allen)

Meine Besprechung von Woody Allens “Irrational Man” (Irrational Man, USA 2015)

Meine Besprechung von Woody Allens „Café Society“ (Café Society, USA 2016)

Meine Besprechung von Woody Allens „Wonder Wheel“ (Wonder Wheel, USA 2017)

Meine Besprechung von Woody Allens „A rainy Day in New York“ (A rainy Day in New York, USA 2019)

Meine Besprechung von Woody Allens „Rifkin’s Festival“ (Rifkin’s Festival, USA 2020)

Meine Besprechung von Woody Allens „Ein Glücksfall“ (Coup de Chance, Frankreich/USA/Großbritannien 2023)

Woody Allen in der Kriminalakte  


Satu Rämö liest zu Lande und zu Wasser „Hildur – Die Toten am Meer“ vor

Oktober 6, 2025

Island:

396.960 Einwohner (da hat Bochum deutlich weniger und der Berliner Bezirk Pankow über zehntausend Einwohner mehr)

Größe der Insel: 103.000 Quadratkilometer

Bevölkerungsdiche: 4 Einwohner pro km² – oder, anders ausgedrückt: Island ist in Europa der am dünnsten besiedelte Staat

Die Verbrechensrate ist sehr niedrig. Im Durchschnitt werden auf der Insel zwei Morde pro Jahr verübt. Manchmal gibt es innerhalb eines Jahres keinen einzigen Mord. Nach Vergleichsrankings ist Island das sicherste Land der Welt.

Die Zahl der jährlich verübten Morde ist natürlich nur für Journalisten und Wissenschaftler interessant. Autoren fiktionaler Geschichten müssen sich, zum Glück für das verbrechensgierige Lesepublikum, nicht darum kümmern. Denn dann gäbe es in Island höchstens einen Krimiautor, der auch nur alle zwei Jahre einen Krimi veröffentlichen darf. Serienkiller wären, wegen der vielen von ihnen verübten Morde, tabu.

Satu Rämö kümmert sich, wie ihre isländischen Autorenkollegen, nicht um diese Zahlen. „Die Spur im Fjord“, ihr erster Roman mit ihrer Kriminalpolizistin Hildur Rúnarsdóttir, erschien 2022; die deutsche Übersetzung 2023. „Das Grab im Eis“ und „Der Schatten des Nordlichts“ folgten. In ihrem vierten und somit neuesten Roman „Hildur – Die Toten am Meer“ muss ihre Serienheldinn Hildur gleichzeitig mehrere Fälle aufklären. Harmlos sind die Einbrüche in leer stehende Ferienhäuser. Dazu kommen noch ungefähr ein halbes Dutzend Morde. Und ein alter Fall. Und der seltsame Tod eines Babys. Oh, und ein Mann stolpert mit einem blutverschmierten Gesicht von einem Touristenschiff.

Das sind viele Fälle, von denen am Ende auch einige, mehr oder weniger, miteinander zusammenhängen und, was quasi unvermeidbar bei den wenigen Inselbewohnern ist, die Kommissarin kennt einige der Verdächtigen gut. Ein Fall wird ihr sogar aus der Hand genommen. Die vier Menschen, die vor Jahrzehnten in der Erde vergraben wurden, wurden auf dem Hof von Hildurs Eltern vergraben. Ihre toten Eltern könnten etwas mit den Toten zu tun haben.

Wer die Toten sein könnten und warum sie dort vergraben wurden, wird in zahlreichen, in den Neunzigern spielenden Rückblenden, in denen es vor allem um das Leben von Hildurs Eltern geht, angedeutet.

Auf „Die Toten am Meer“ trifft die Kritik zu, die schon zu ihrem ersten Kriminalroman „Die Spur im Fjord“ geäußert wurde. Im Umkehrschluss heißt das: wem die vorherigen Hildur-Romane gefielen, dürfte auch der neueste Hildur-Roman gefallen.

Die Ermittlungen erfolgen hauptsächlich in der Form von Infodumps. Selten begleiten wir die Ermittler bei ihrer Arbeit. Oft erzählen sie sich gegenseitig, was sie ermittelten. Manchmal endet ein Kapitel mit einer für die Ermittlungen wichtigen Entdeckung. Später erzählt dann der eine Ermittler dem anderem, was er entdeckte und was er danach unternahm. Das ist nur mäßig spannend.

Es gibt zu viele Fälle, die sich dann gegenseitig im Weg stehen und teilweise über viele, sehr viele Seiten aus der Geschichte verschwinden. Der mögliche Mord an dem Baby verschwindet sogar vollkommen aus der Geschichte; oder er wurde in einem von mir überlesenem Halbsatz aufgeklärt. Die Rückblenden in das Leben von Hildurs Mutter Rakel (gleichzeitig der doch etwas in die Irre führende Originaltitel) haben mit den aktuellen Fällen nichts zu tun; – der Krimifan hofft natürlich auf einen Zusammenhang und sucht begierig in jeder Rückblende nach entsprechenden Hinweisen. Die für die Lösung nicht vollkommen unwichtigen Einbrüche werden zum ersten Mal wenige Seiten vor der Buchmitte erwähnt. Sowieso gelingt Rämö nie eine vernünftige Balance zwischen den verschiedenen, ungefähr gleich wichtigen Fällen und dem Privatleben der Hauptfiguren zu finden.

Und damit kämen wir zum letzten Punkt: Es gibt zu viele belanglose Informationen über das Privatleben von Hildur und ihrem Kollegen Jakob. Auch das ist nur mäßig spannend, aber die Zeiten von Columbo und anderen Ermittlern, über deren Privatleben wir nichts wissen (und das auch nie vermissten), sind vorbei. Zur Erinnerung: Columbo hat den Vornamen Lieutenant und es ist immer noch unklar, ob er wirklich verheiratet ist oder seine Frau nur aus ermittlungstaktischen Gründen gegenüber den Verdächtigen erwähnt.

Satu Rämö: Hildur – Die Toten am Meer

(übersetzt von Gabriele Schrey-Vasara)

Heyne, 2025

368 Seiten

16 Euro

Originalausgabe

Rakel

Werner Söderström Ltd (WSOY), Helsinki, 2024

Die Lesetour (weitere Informationen und Möglichkeit, ein Ticket zu kaufen)

Montag, 27. Oktober 2025, Lüneburg, 20.00 Uhr, Lüneburger Krimifestival

Dienstag, 28. Oktober 2025, Braunschweig, 19.30 Uhr, Braunschweiger Krimifestivals

Mittwoch, 29. Oktober 2025, Hannover, 19.30 Uhr

Donnerstag, 30. Oktober 2025, Berlin, 18.00 Uhr

Donnerstag, 6. November 2025 – Sonntag, 9. November 2025, viertägige Literatur Cruise von Travemünde nach Helsinki und zurück

 

Hinweise

Heyne über Satu Rämö

Krimi-Couch über Satu Rämö

Wikipedia über Satu Rämö (englisch)


TV-Tipp für den 6. Oktober: Eo

Oktober 5, 2025

Arte, 23.10

Eo (Eo, Polen/Italien 2022)

Regie: Jerzy Skolimowski

Drehbuch: Ewa Piaskowska, Jerzy Skolimowski

TV-Premiere. Die Welt aus der Sicht eines Esel, der in Polen von Tierschützern aus einem Zirkus berfreit wird und, quer durch Europa wandernd, die Welt der Menschen erkundet.

Köstlich!

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Sandra Drzymalska, Tomasz Organek, Mateusz Kosciukiewicz, Lorenzo Zurzolo, Isabelle Huppert

Hinweise

Moviepilot über „Eo“

Metacritic über „Eo“

Rotten Tomatoes über „Eo“

Wikipedia über „Eo“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Jerzy Skolimowskis „Eo“ (Eo, Polen/Italien 2022)


TV-Tipp für den 5. Oktober: Frenzy

Oktober 4, 2025

Arte, 20.15

Frenzy (Frenzy, Großbritannien 1972)

Regie: Alfred Hitchcock

Drehbuch: Anthony Shaffer

LV: Arthur La Bern: Goodbye Piccadilly, Farewell Leicester Square, 1966 (Frenzy)

Ein Frauenmörder versetzt ganz London in Panik. Die Polizei tappt im Dunkeln. Und ein Unschuldiger kennt den richtigen Täter: seinen besten Freund.

Oder in Hitchcocks Worten: „Frenzy ist die Geschichte eines Mannes, der impotent ist und sich deshalb durch Mord ausdrückt.“

Hitchcocks vorletzter Film, seine Rückkehr nach London und seine Rückkehr in die Kritikerherzen, nachdem er seit „Die Vögel“ (1963) nichts wirklich weltbewegendes präsentierte. Zum Beispiel: „wunderbar komisches Drehbuch“ (New York Times), „Der strahlende Beweis, dass jeder, der einen spannenden Film macht, immer noch ein Lehrling dieses Meisters ist“ (Time Magazine), „Frenzy ist das reine Hitchcock-Festival“ (Harris/Lasky) – Ich konnte diese Euphorie nie teilen. Denn alle Beziehungen sind steril oder enden mit Mord. „Frenzy ist bis zum letzten Bild eine hermetische und kalt negative Vision des menschlichen Daseins.“ (Donald Spoto)

Mit Jon Finch, Barry Foster, Barbara Leigh-Hunt

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Frenzy“

Wikipedia über „Frenzy“ (deutsch, englisch) und Alfred Hitchcock (deutsch, englisch)

Senses of Cinema (Ken Mogg) über Alfred Hitchcock

Meine Besprechung von „Alfred Hitchcock präsentiert – Teil 1“

Meine Besprechung von „Alfred Hitchcock präsentiert – Teil 2“

Meine Besprechung von „Alfred Hitchcock zeigt – Teil 1“

Meine Besprechung von „Alfred Hitchcock zeigt – Teil 2″

Meine Besprechung von Alfred Hitchcocks “Mr. und Mrs. Smith” (Mr. and Mrs. Smith, USA 1941)

Meine Besprechung von Thilo Wydras “Alfred Hitchcock” (2010)

Meine Besprechung von Robert V. Galluzzos “Psycho Legacy” (The Psycho Legacy, USA 2010 – eine sehenswerte Doku über die “Psycho”-Filme mit Anthony Perkins, mit vielen Stunden informativem Bonusmaterial)

Meine Besprechung von Stephen Rebellos “Hitchcock und die Geschichte von ‘Psycho’” (Alfred Hitchcock and the Making of ‘Psycho’, 1990)

Meine Besprechung von Sacha Gervasis Biopic “Hitchcock” (Hitchcock, USA 2012)

Meine Besprechung von Henry Keazors (Hrsg.) “Hitchcock und die Künste” (2013)

Alfred Hitchcock in der Kriminalakte


Die Krimibestenliste Oktober 2025

Oktober 4, 2025

Während des Wetterumschwungs von Lesen auf der Parkbank zu Lesen auf der Couch präsentiert Deutschlandfunk Kultur seine monatliche Krimibestenliste:

1 (–) Lilia Hassaine: Tödliche Transparenz

Aus dem Französischen von Anne Thomas

Lenos, 249 Seiten, 26 Euro

2 (1) Zoran Drvenkar: Asa

Suhrkamp, 697 Seiten, 23 Euro

3 (7) Jerome Charyn: Ravage & Son

Aus dem Englischen von Jürgen Bürger

Suhrkamp, 336 Seiten, 18 Euro

4 (–) Susanne Tägder: Die Farbe des Schattens

Tropen, 314 Seiten, 17 Euro

5 (4) Gustavo Faverón Patriau: Unten leben

Aus dem Spanischen von Manfred Gmeiner

Droschl, 600 Seiten, 34 Euro

6 (2) Jonathan Coe: Der Beweis meiner Unschuld

Aus dem Englischen von Cathrine Hornung

Folio, 409 Seiten, 28 Euro

7 (–) James Lee Burke: Im Süden

Aus dem Englischen von Alexander Wagner

btb, 351 Seiten, 15 Euro

8 (–) James Lee Burke: Clete

Aus dem Englischen von Jürgen Bürger

Pendragon, 346 Seiten, 24 Euro

9 (–) Jake Lamar: Viper’s Dream

Aus dem Englischen von Robert Brack

Edition Nautilus, 205 Seiten, 20 Euro

10 (–) Mathijs Deen: Die Lotsin

Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke

Mare, 362 Seiten, 23 Euro

In ( ) ist die Platzierung vom Vormonat


TV-Tipp für den 4. Oktober: Sorry we missed you

Oktober 3, 2025

3sat, 23.10

Sorry we missed you (Sorry we missed you, Großbritannien/Frankreich/Belgien 2019)

Regie: Ken Loach

Drehbuch: Paul Laverty

Im Mittelpunkt des Dramas steht Ricky, der versucht als selbstständiger Paketbote zu überleben. Ein ziemlich unmögliches Unterfangen.

Gewohnt überzeugender Film von Ken Loach und Paul Laverty.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Kris Hitchen, Debbie Honeywood, Rhys Stone, Katie Proctor, Ross Brewster, Charlie Richmond, Julian Ions

Hinweise

Moviepilot über „Sorry we missed you“

Metacritic über „Sorry we missed you“

Rotten Tomatoes über „Sorry we missed you“

Wikipedia über „Sorry we missed you“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Ken Loachs „Jimmy’s Hall“ (Jimmy’s Hall, Großbritannien/Irland/Frankreich 2014)

Meine Besprechung von Ken Loachs „Ich, Daniel Blake“ (I, Daniel Blake, Großbritannien/Frankreich/Belgien 2016)

Meine Besprechung von Ken Loachs „Sorry, we missed you“ (Sorry we missed you, Großbritannien/Frankreich/Belgien 2019)

Meine Besprechung von Ken Loachs „The Old Oak“ (The Old Oak, Großbritannien 2023)


Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: Zur neuen Verfilmung von Michael Endes „Momo“

Oktober 3, 2025

Nachdem ich in meinen Besprechungen langsam die ungute Tendenz bemerke, Filmen vorzuwerfen, dass sie unlogisch und unrealistisch seien, kann ich jetzt mit Fug und Recht und großer Geste einen Tsunami an Empörung über Unlogik und Unrealismus entfachen. Oder einfach darauf hinweisen, dass es immer um Logik und Realismus innerhalb der Geschichte und der in ihr gesetzten Grenzen geht. Wenn in „Momo“ behauptet wird, dass es zigarrenrauchende Zeit stehlende graue Herren gibt, dann bin ich durchaus bereit zu akzeptieren, dass es diese Zeit-Diebe und die Zeit-Spar-Kasse gibt.

Michael Ende, der Erfinder von Jim Knopf und Erzähler der „unendlichen Geschichte“ erfand diese Männer und erzählte in dem 1973 erschienenem Kinderbuch „Momo oder Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte – Ein Märchen-Roman“ ihre Geschichte. Die Zeit-Diebe sind die Bösewichter. Die Heldin ist Momo, ein aus dem Nichts aufgetauchtes Waisenmädchen, das allein in einem Amphitheater lebt und gut zuhören kann. Sie hat Zeit und schenkt anderen Menschen ihre Zeit. Niemand hat viel Geld. Aber alle sind glücklich und zufrieden. In dieser Welt tauchen die Zeit-Diebe auf. Die grauen Herren bequatschen die Menschen, ihnen ihre Zeit zu geben. Sie würden sie später mit Zinsen zurückerhalten. Wenn die Menschen einmal in den Fängen der Zeit-Diebe sind, haben sie keine Zeit mehr. Immer mehr Menschen unterwerfen sich dem Regime der Zeit-Diebe.

Momo will ihre Freunde und alle Bewohner der Stadt retten. Die Menschen sollen wieder Zeit für sich und andere Menschen haben. Zusammen mit Meister Hora, dem im Nirgend-Haus lebendem Hüter der Zeit (der seinen ersten Auftritt ziemlich genau in der Buchmitte hat), und seiner Schildkröte Kassiopeia nimmt sie den Kampf auf.

Endes Buch wurde ein immer noch erhältlicher Bestseller und ist anscheinend für Viele eine wohlige Kindheitserinnerung. Ich hielt schon als Kind einen wohltuenden Abstand zu Fantasy-Geschichten und gehörte eindeutig zum Winnetou-Edgar-Wallace-James-Bond-Lager (als ob das realistische Geschichten sind). 1986 verfilmte Johannes Schaaf, mit Billigung des Autors den Roman. Ihm gefiel die Verfilmung von seinem Roman „Die unendliche Geschichte“ nicht.

Und jetzt verfilmte Christian Ditter wieder den Roman als internationale Produktion, die mit einer internationalen Besetzung und bekannten Namen auf einen internationalen Markt schielt. Alexa Goodall, eine zwölfjährige englische Schauspielerin in ihrer siebten Rolle, spielt Momo. Kim Bodnia spielt Beppo Straßenkehrer, Martin Freeman Meister Hora und Claes Bang den Anführer der grauen Herren, die im Film Greys heißen und nicht mehr nur aus Männern bestehen. Die Geschichte wurde an einigen weiteren Stellen modernisiert. Aber insgesamt halten die Macher sich an den Roman.

Das Ergebnis ist ein durchaus unterhaltsamer, CGI-lastiger Fantasyfilm für Kinder mit einem sympathischen Ensemble und einem wohligen Retro-Feeling. Die aus der Zeit gefallene Welt, in der „Momo“ spielt, erinnert an das aus Filmen bekannte Italien der fünfziger und sechziger Jahre, mit einigen Insignien der Gegenwart. Die Botschaft ist begrüßenswert und heute, zwischen gnadenloser Zeit-Optimierung im Beruf/Schule und in der Freizeit und sinnfreier Zeitvertrödelei vor dem Computer mit automatisch generierten Listen belangloser Posts, aktueller als damals.

Das Konzept der Zeit-Spar-Kasse und wie Momo die Zeit-Diebe besiegen kann ist, nun, etwas einfach. Sowieso ist der gesamte Film, jedenfalls für Erwachsene, etwas einfach geraten. Kinder dürften das anders sehen. Und für sie wurde der Film gemacht.

Mit neunzig Minuten hat Christian Ditters „Momo“ auch die richtige kindgerechte Länge.

Momo (Deutschland 2025)

Regie: Christian Ditter

Drehbuch: Christian Ditter

LV: Michael Ende, Momo, 1973

mit Alexa Goodall, Martin Freeman, Araloyin Oshunremi, Kim Bodnia, Claes Bang, Laura Haddock, Jennifer Amaka Pettersson, David Schütter, Skylar Blu Copeland, Maxwell Smith

Länge: 92 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Die Vorlage (aktuell auch als Filmausgabe mit Fotos aus dem Film erhältlich)

Michael Ende: Momo oder Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte – Ein Märchen-Roman

Thienemann, 2025

288 Seiten

15 Euro

Erstausgabe

Thienemann, 1973

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Momo“

Moviepilot über „Momo“

Wiikipedia über „Momo“ (Film 2025, Roman: deutsch, englisch)

Homepage von Michael Ende

Thienemann über Michael Ende

Meine Besprechung von Dennis Gansels Michael-Ende-Verfilmung „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ (Deutschland 2018)