Verbotene Spiele (Frankreich 1951, Regie: René Clément)
Drehbuch: Jean Aurenche, Pierre Bost, René Clément
LV: Francis Boyer: Les Jeux Inconnus, 1947
Während des 2. Weltkriegs beginnen die fünfjährige Paulette, eine Kriegswaise, und der etwas ältere Michel mit seltsamen Beerdigungsritualen, in denen sie den Krieg nachspielen.
„‚Vergessene Spiele‘ gilt als René Cléments Meisterwerk und als einer der besten Filme über die Auswirkungen des Krieges überhaupt.“ (TV Spielfilm: Das große Filmlexikon)
„Ein erschütternder Film, der in der Stilisierung und Idealisierung einer ‚heilen‘ Kinderwelt schonungslos die Grausamkeit und Gedankenlosigkeit des alltäglichen Lebens aufzeigt. Zugleich beklagt er eindringlich den Verlust der Unschuld durch den Krieg und denunziert vehement pseudoreligiöses Verhalten.“ (Lexikon des internationalen Films)
Drehbuch: Aaron Guzikowski (nach dem Drehbuch zu „Reykjavik – Rotterdam“ von Arnaldur Indridason und Óskar Jónasson)
New Orleans: Weil sein Schwager Mist gebaut hat, muss Ex-Schmuggler Chris Farraday (Mark Wahlberg) wieder ein großes Ding durchziehen. Dieses Mal geht es um den Schmuggel von Falschgeld aus Panama in die USA.
Das gelungene Remake von „Reykjavik – Rotterdam“ ist ein ökonomisch erzählter Gangsterthriller. Für Baltasar Kormákur war es sein gelungener Einstand in Hollywood. Zuletzt drehte er „Everest“.
mit Mark Wahlberg, Kate Beckinsale, Ben Foster, Giovanni Ribisi, Lukas Haas, Caleb Landry Jones, Diego Luna, J.K. Simmons, Robert Wahlberg, William Lucking
„Marnie“ ist – nach mehreren Klassikern – ein schwacher Hitchcock, der von der damaligen Kritik ziemlich verrissen wurde. Sean Connery bewies allerdings schon zu Bond-Zeiten seine Lust auf ungewöhnliche Rollen: der Geheimagent ihrer Majestät als Weichei.
„Marnie ist Hitchcocks Phantasie über das kleine Kind in der Frau und über den Züchtigungswahn der Männer. Auch ein Experiment damit, wie sehr das Freudsche Sozialisierungsmodell taugt für den Rahmen eines Suspense-Thrillers, in dem es anscheinend nur um die Auflösung kindlicher Traumata geht (die zu Verwirrung bei Rot/Weiß-Wahrnehmungen, zu Alpträumen bei nächtlichen Klopfgeräuschen, zu Angstzuständen bei Gewittern führen). Im Grunde aber handelt der Film von den Stadien eines permanenten Schocks auf der einen Seite, die in ständige Transfers in andere Identitäten münden, und von der systematischen Manipulation einer Abhängigen, mal mit Gewalt, mal mit sadistischer Verzögerung zelebriert.“ (Norbert Grob in Lars-Olav Beier/Georg Seeßlen [Hrsg.]: Alfred Hitchcock, 1999)
Mit Sean Connery, Tippi Hedren, Diane Baker, Martin Gabel, Bruce Dern
Broken Flowers – Blumen für die Ex (USA/Frankreich 2005, Regie: Jim Jarmusch)
Drehbuch: Jim Jarmusch (inspiriert von einer Idee von Bill Raden und Sara Driver)
Don Johnston (Stoneface Bill Murray) lungert nur noch in seiner Wohnung herum und träumt von seinen früheren Frauen. Eines Tages erhält er einen anonymen Brief, in dem steht, dass er einen 19-jährigen Sohn habe. Don, der bislang von seinem Vaterglück nichts wusste, macht sich auf den Weg quer durch die USA zu seinen alten Freundinnen, die er seit Ewigkeiten nicht gesehen hat und von denen eine die Mutter sein muss.
Jim Jarmusch erhielt für sein lakonisches Road-Movie über verpasste Chancen den Großen Preis der Jury in Cannes, einige weitere Preise, viel Kritikerlob – und an der Kinokasse lief der Film auch gut.
Mit Bill Murray, Julie Delpy, Jeffrey Wright, Sharon Stone, Frances Conroy, Chloë Sevigny, Jessica Lange, Tilda Swinton
In „Raum“, dem neuen Film von „Frank“-Regisseur Lenny Abrahamson, sieht man nichts physisch schlimmes. Keine Blutbäder, keine abgetrennten Gliedmaße, keine wüsten Schießereien oder Schlägereien. Es geht ziemlich gesittet zu zwischen Ma (Brie Larson), ihrem fünfjährigem Sohn Jack (Jacob Tremblay) und Old Nick (Sean Bridgers), der Ma vor sieben Jahren entführte und seitdem in einem neun Quadratmeter großem Raum gefangen hält. Und gerade weil jeder sich diese Situation gut vorstellen kann, ist „Raum“ psychisch fordernder als das neueste Horrorfilmblutbad oder irgendein Exploitation-Film.
Ma, die als Siebzehnjährige entführt wurde, versucht Jacob möglichst normal zu erziehen. Für ihn ist daher dieser Raum die Welt. Eine Außenwelt gibt es für ihn nicht. Im Fernsehen sind keine echten Menschen. Und Old Nick versorgt sie, mehr schlecht als recht, mit allem, was sie brauchen.
Aber Jack wird älter, stellt Fragen und Ma überlegt, wie sie flüchten können.
Als in der Filmmitte die Flucht aus dem Raum gelingt, wird zwar der Raum, in dem Ma und Jack leben, größer, aber haben sie wirklich ihr Gefängnis verlassen und wie können sie außerhalb ihres vertrauten Gefängnisses, das sie in den letzten Jahren auch beschützte, überleben? Außerdem veränderte sich die Welt außerhalb des Raums. Mas Eltern, Nancy (Joan Allen) und Robert (William H. Macy), mussten mit dem spurlosen Verschwinden ihrer Tochter umgehen und die Medien interessieren sich für Ma und Jack.
Was das Kammerspiel „Raum“ so grandios macht, ist, dass es auf vielen verschiedenen Ebenen tadellos funktioniert. Es ist an der Oberfläche die Geschichte eines Jungen, der seit seiner Geburt in einem geschlossenen Zimmer lebt und danach die Welt kennenlernt. Es ist auch die Geschichte einer Mutter, die ihr Kind erzieht und vor allen Bedrohungen schützen will. Diese feinfühlig und nuanciert erzählte Mutter-Kind-Geschichte würde schon genügen, um „Raum“ sehenswert zu machen.
Daneben funktioniert „Raum“ auch als Metapher für, nun, je nachdem, wie viel wir den Film hineininterpretieren wollen und welchen Aspekt wir gerade für den Wichtigsten halten, unser Leben, das Erwachsenwerden, das Erkunden der Welt und den sich damit wandelnden Perspektiven. So erscheinen Dinge, die früher für uns groß waren, irgendwann sehr klein. Es geht um die Beziehungen von Eltern zu ihren Kindern und wie damit umgegangen wird.
Die Prämisse von „Raum“ erinnert selbstverständlich an mehrere reale Fälle. Emma Donoghue, die Autorin des Romans und des Drehbuchs, war von dem Fall Elisabeth Fritzl, die von ihrem Vater 24 Jahre in einem Keller gefangen gehalten und mehrfach vergewaltigt wurde und dadurch mehrfache Mutter wurde, inspiriert.
Eine weitere, ebenso offensichtliche und bekannte Inspiration ist der Fall Natascha Kampusch, die acht Jahre in einem Keller gefangen gehalten wurde.
Abrahamson erzählt die Geschichte konzentriert und immer nah an den beiden Hauptfiguren, ihren Gefühlen, ihrer Perspektive und ihrer Wahrnehmung der Wirklichkeit. „Raum“ ist gerade deshalb sehr wahrhaftig und auch unangenehm. Zu gut können wir uns eine solche Gefangenschaft vorstellen. Zu einfach können wir „Raum“ als Metapher für unser eigenes Leben verstehen.
„Raum“ ist beklemmend großartiges Kino, das seine Geschichte ganz altmodisch unaufgeregt und ohne Effekthaschereien erzählt und so auch jede emotionale Distanzierung, jede Flucht aus dem Raum, erschwert.
LV: Martin Cruz Smith: Gorky-Park, 1981 (Gorki Park)
Im Moskauer Gorki Park werden drei verstümmelte Leichen gefunden. Inspektor Renko kommt bei seinen Ermittlungen einer Staatsaffäre auf die Spur.
Martin Cruz Smith schuf mit dem sowjetischen Ermittler Arkadi Renko eine enorm erfolgreiche Serienfigur. Für „Gorky-Park“ erhielt er den Gold Dagger.
Die Verfilmung missfiel der damaligen Filmkritik: „voller naiver Klischees, in der Charakterzeichnung oberflächlich, ohne Stimmung und Atmosphäre. Auch als Genre-Film spröde und spannungslos.“ (Lexikon des internationalen Films). Oder „Nun sind Klischees…nichts schlimmes, wenn nur alles andere stimmt: eine komplexe, nachvollziehbare Story, spannende Atmosphäre, interessante Charaktere und physische Aktion. Das alles aber hat Gorky Park in zu geringem Maße.“ (Fischer Film Almanach 1985).
Wie so oft wurde aus einem guten Buch ein mittelmäßiger Film.
Dennis Potters Drehbuch erhielt den Edgar.
Mit William Hurt, Lee Marvin, Brian Dennehy, Joanna Pacula, Ian Bannen
Was bei Harry Potter, Twilight und Die Tribute von Panem funktionierte, soll auch bei „Die Bestimmung“ funktionieren: das Finale, die Verfilmung des abschließenden Romans der Trilogie, wird auf zwei Filme aufgeteilt zu einer „Trilogie in vier Filmen“. Deshalb wird die Geschichte gestreckt, es gibt Veränderungen zur Vorlage (hier die Details LINK) und der Film endet einfach mitten in der Geschichte, was dazu führt, dass man einen halben Film besprechen soll und die Zuschauer zwei Tickets lösen müssen, um eine Geschichte zu sehen. Dabei war und ist „Die Bestimmung“ nicht „Die Tribute von Panem“. Also von ihrer Qualität. Die Story selbst folgt den ausgetretenen dystopischen Pfaden, die sich nur anhand ihrer Hauptdarstellerin unterscheiden.
Am Ende von „Die Bestimmung – Insurgent“ warf Beatrice „Tris“ Prior (Shailene Woodley) einen Blick über die gut gesicherte Mauer von ihrer Welt, dem zerstörten Chicago und entdeckte eine Welt dahinter.
Jetzt flüchtet sie, bepackt und bekleidet als ginge es zum nächsten Café, mit ihren Freunden, die wir aus den vorherigen Filmen kennen, aus der Stadt. Tori (Maggie Q) stirbt dabei (sie ist ja auch wirklich zu alt, um mit einigen Jugendlichen abzuhängen). Peter (Miles Teller) wird mitgenommen, weil er verspricht, sich jetzt wirklich zu benehmen. Der Opportunist tut es natürlich nicht, sondern verbündet sich wieder mit den bösen, erwachsenen Mächtigen. Dieses Mal verkörpert von David (Jeff Daniels), dem Leiter des „Amt für genetisches Sozialwesen“.
David will Tris für seine Zwecke einspannen. Denn, so erklärt er Tris, Chicago sei Teil eines genetisches Experiments, das die Fehler eines vorherigen genetisches Experiments beheben soll. Tris, die zu keiner Fraktion (das waren die aufgrund ihrer Eigenschaften, vulgo Gene, in Gruppen sortierte Menschen) gehöre, sei, die Auserwählte. Ihr Genpool sei rein und daher sei sie das gelungene Ergebnis des zweihundertjährigen Experiments. Deshalb will er mit ihren reinen Genen weiterarbeiten. Sie vervielfältigen und weitere reine Menschen schaffen, während sich in Chicago die Menschen mit den defekten Genen gegenseitig weiter töten dürfen.
Ähem, abgesehen von dem idiotischen Lösungsvorschlag, misslungene genetische Experimente mit noch mehr Genetik zu beheben, ist diese Gesellschaft ein einziger faschistoider Staat, was aber die frei denkende Tris, die ja in Chicago gegen verschiedene Diktaturen kämpfte und sich eben nicht in irgendeine Gesellschaft einordnen wollte, nicht daran hindert, von Davids Vision begeistert zu sein. Jedenfalls zunächst und eher so Drehbuch-begeistert.
Wer „Die Bestimmung – Divergent“ und „Die Bestimmung – Insurgent“ nicht gesehen hat und auch nicht plant, sich in einem Jahr den Abschluss der Trilogie anzusehen, kann getrost auf „Die Bestimmung – Allegiant“ verzichten. Es ist ein Film ohne Anfang und ohne Ende. Es ist, als ob man eine Folge aus einer mediokren Soap Opera sieht und sich dabei ständig fragt: Was soll das? Weder die Welt, noch die Hauptfiguren und die Konflikte werden eingeführt, weil man das ja schon in den vorherigen beiden Filmen getan hat. Es gibt auch keine erklärende Einführung oder Zusammenfassung bisheriger Ereignisse, weil Zuschauer ja die vorherigen beiden Filmen gesehen haben.
Aber auch als weiteres Bindeglied zwischen dem Anfang der Geschichte in „Die Bestimmung – Divergent“ und dem Abschluss, nächstes Jahr in „Die Bestimmung – Ascendant“ funktioniert „Die Bestimmung – Allegiant“ nicht. Die gänzlich humorfreie Handlung, wenn man sie denn so nennen will, bewegt sich im Schneckentempo mit, jedenfalls bis zum Abschluss dieses Films, verzichtbaren Subplots, voran. So als strecke man eine dünne Suppe noch weiter. Die Konflikte sind unklar, weil einfach zwischen den verschiedenen Handlungsorten und Erzählsträngen hin und her gewechselt wird, ohne dass sie in einer erkennbaren Beziehung zueinander stehen. Anstatt die Handlung voranzutreiben, entschleunigen sie sie weiter. Die Charaktere sind erschreckend blass. Und das gilt auch für die schon aus den beiden vorherigen Filmen bekannten Figuren. Die utopische Welt ist hirnrissig in ihrer Mischung aus glänzendem High Tech und zerstörter Kriegslandschaft. Chicago sieht, immer noch, wie das zerbombte Berlin zwei Tage nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus. Die menschenfeindliche Kloake um Chicago, durch die Tris und ihre Freunde gehen, wie die DDR zur Wende. Bitterfeld lässt grüßen.
Mit seinem „Amt für genetisches Sozialwesen“ (bin ja gespannt auf die anderen Projekte des Amtes) hat David mitten in einer stinkend-toxischen Müllkippe eine kleine Insel geschaffen, in der die unteren Ränge in einer riesigen Lagerhalle ohne irgendeinen Hauch von Privatsphäre übernachten müssen, während David in einem großen Zimmer logiert und die Forschungsabteilung ebenso pompös ausgestattet ist.
Hätten sie nicht in den vergangenen zwei Jahrhunderten etwas terraforming betreiben können? Und warum will irgendjemand, der High-Tech-Labore schaffen kann, nicht auch einmal etwas aufräumen? Zweihundert Jahre sollten doch genügen, um etwas Ordnung zu schaffen. Und auch bei uns ist in Internaten, Kasernen, Krankenhäusern und Gefängnissen die Zeit der Schlafsäle schon lange vorbei. Sogar Mehrbettzimmer werden immer seltener.
Auch in der dritten „Die Bestimmung“-Episode bleiben die Hauptfiguren, wie gesagt, blass. Teilweise, was vor allem für die Erwachsenen gilt, werden sie sogar zunehmend uninteressanter und hängen nur so im Film herum, um, vielleicht, im Finale eine wichtige Rolle zu haben. Den Jugendlichen geht es nur etwas besser.
Tris, die uns ja als weibliche Heldin verkauft wird, fällt im Zweifelsfall in die vertrauten, konservativen Rollenmuster zurück. Anstatt selbst zu kämpfen, lässt sie sich von ihrem Freund retten und überlässt ihm das Kämpfen. Ellen Ripley wäre das niemals eingefallen.
Wetten, dass sich am Ende von „Die Bestimmung – Ascendant“ Tris Priors Ambitionen für ihr weiteres Leben auf das Gründen einer Familie und sonntägliche Kirchenbesuche beschränken?
Eines kann „Auferstanden“ nicht vorwerfen: dass er, wie „Noah“ und „Exodus“, eine weitere halbgare Neuinterpretation einer biblischen Geschichte ist, die gleichzeitig die allseits bekannte Geschichte für die Gläubigen und die Ungläubigen erzählen will. Das macht Kevin Reynolds Film aber nicht besser.
Kevin Reynolds, der „Robin Hood“, „Waterworld“ und die Mini-TV-Serie „Hatfield & McCoys“ (immer mit Kevin Costner) inszenierte, erzählt in „Auferstanden“ die Geschichte der Auferstehung von Jesus Christus aus der Sicht des römischen Militärtribuns Clavius (Joseph Fiennes) nach. Wir lernen ihn bei einer blutigen Schlacht gegen Aufständische als tapferen Kämpfer und Anführer kennen. Er ist ein echter Vorzeigesoldat, der seine Arbeit überzeugt und ohne Zweifel ausführt.
Weil es im Umfeld der Kreuzigung von Jesus viele Gerüchte und Prophezeiungen über dessen Wiederauferstehung gibt, soll und will (es ist eine typische „halb zog sie ihn, halb fiel er hin“-Situation) er herausfinden, was es damit auf sich hat. Und schwuppdiwupp wird Clavius, der zunächst nur Jesus‘ Jünger befragt und beobachtet, zu einem Gläubigen, weil, nun, weil das halt so im Drehbuch steht und Jesus, der immer wieder an den aus dem Neuen Testament bekannten Orten als schweigsamer, langhaariger Schönling auftaucht, so überirdisch charismatisch ist. Jedenfalls für Clavius, der den Heiland sieht und flugs zum Christentum konvertiert.
Dabei hätte man aus diesem schon mehrmals verwandtem Ansatz, die Geschichte der Auferstehung aus der Sicht eines Ungläubigen und Skeptikers zu erzählen, durchaus einiges machen können. Ich erinnere mich da an Damiano Damianis „Die Untersuchung“ (L’Inchiesta, Italien 1986). Damianis Kreuzung aus Bibelfilm und Politthriller im Korsett eines Kriminalfilms gefiel mir vor Ewigkeiten sehr gut.
Aber „Auferstanden“ ist, trotz einiger Momente, in denen Reynolds zeigt, dass er mit seinen Bildern die große Leinwand füllen kann und will und dass hier irgendwo in der palästinensischen Wüste eine interessante Geschichte verborgen liegt, eine banal-überflüssige Nacherzählung der bekannten Geschichte, die abgesehen von dem Protagonisten, einfach nur die bekannten Stationen der Auferstehung abhandelt. Das überzeugt höchstens blind Gläubige, die schon vor den ersten Filmbildern wissen, dass ihnen der Film gefallen wird. Alle anderen können auf diesen Christus-Kitsch getrost verzichten.
Und ich frage mich, ob es denn wirklich seit Martin Scorseses „Die letzte Versuchung Christi“ (1988, die von zahlreichen Protesten Gläubiger begleitet war) und Pier Paolo Pasolinis „Das 1. Evangelium – Matthäus“ (1964) keine ansehbare Interpretation des Lebens von Jesus Christus gab und warum es so kompliziert ist, eine Geschichte aus der Bibel für ein zeitgenössisches Publikum zu erzählen.
P. S.: „Das Leben des Brian“ zählt in diesem Zusammenhang nicht wirklich.
Dar Urteil – Jeder ist käuflich (USA 2003, Regie: Gary Fleder)
Drehbuch: Brian Koppelman, David Levien, Rick Cleveland, Matthew Chapman
LV: John Grisham: The runaway jury, 1996 (Das Urteil)
Die Witwe eines bei einem Amoklauf erschossenen Geschäftsmannes verklagt die Waffenhersteller. Die Angeklagten engagieren Rankin Fitch, ihnen die passenden Geschworenen herauszusuchen. Aber der Geschworene Nick Easter spielt sein eigenes Spiel.
Der erste gemeinsame Film der seit Jahrzehnten befreundeten Stars Gene Hackman (in seinem vorletztem Film vor seinem selbstgewählten Ruhestand) und Dustin Hoffman ist ein spannender Verschwörungsthriller über die Käuflichkeit des us-amerikanischen Justizsystems. Während des Drehs bemerkten die Macher, dass sie zwar einen Hackman/Hoffman-Film drehten, aber keine Hackman/Hoffman-Szene hatten. Also wurde die Toiletten-Szene geschrieben.
Das Drehbuch zu dieser gelungenen Grisham-Verfilmung war 2004 für den Edgar Allan Poe-Preis als bestes Drehbuch nominiert.
Mit John Cusack, Gene Hackman, Dustin Hoffman, Rachel Weisz, Bruce Davison, Jennifer Beals
Jetzt ist es offiziell: es gibt einen neuen „Indiana Jones“-Film. Steven Spielberg ist wieder der Regisseur. Harrison Ford der titelgebende Held und der fünfte „Indiana Jones“-Film startet in den USA am 19. Juli 2019.
Mehr ist noch nicht bekannt. Auch nicht, ob George Lucas das Drehbuch nicht schreibt.
So richtig begeistert über diese Nachricht bin ich nicht. Denn Harrison Ford wird beim Filmstart 77 Jahre sein und, auch wenn Vierzig vielleicht das neue Dreißig ist, ist Siebzig definitiv nicht mehr das neue Dreißig. Dabei leben die „Indiana Jones“-Filme, also die ersten drei Filme („Jäger des verlorenen Schatzes“, „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ und „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“) ja gerade von der Action, die natürlich einen entsprechend beweglichen Darsteller erfordert. Die Action war 2008 in „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“, neben vielen anderen Problemen, ein großes Problem. Schon damals war Harrison Ford kein junger Hüpfer mehr.
Und jetzt soll ich mir einen Mittsiebziger vorstellen, der peitschenschwingend in irgendwelchen Urwäldern Schätze sucht und sich eine wilde Hatz mit irgendwelchen Bösewichtern liefert? Uh, huh.
Auf einen Indiana Jones, der friedlich im Altersheim seine Pfeife raucht, habe ich allerdings auch keine Lust.
Tja, Clint Eastwood wusste schon, warum er als Endfünfziger zum letzten Mal Dirty Harry spielte.
Auch Sean Connery verzichtete nach „Sag niemals nie“ auf weitere Auftritte als James Bond. Und da war er noch keine 55 Jahre.
Arte, 20.15 Fliegende Liebende (Los amates Pasajeros, Spanien 2013)
Regie: Pedro Almodóvar
Drehbuch: Pedro Almodóvar
Pedro Almodóvars Version von „Airport“ (USA 1970) und „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ (Airplane!, USA 1980) ist nach „Die Haut, in der ich wohne“, „Zerrissene Umarmungen“, „Volver – Zurückkehren“, „La Mala Educación – Schlechte Erziehung“ und „Sprich mit ihr“ keine künstlerische Weiterentwicklung, kein neues Meisterwerk, sondern eine leichte Sommerkomödie, eine Rückkehr zu seinen überdrehten ersten Filmen, allerdings mit der lässigen Professionalität eines Altmeisters inszeniert. Das gefällt. Mit und ohne einen Cocktail.
Danach, um 21.40 Uhr, zeigt Arte mit „Labyrinth der Leidenschaften“ (Spanien 1982) ein Frühwerk des Meisters.
mit Antonio de la Torre, Hugo Silva, Miguel Ángel Silvestre, Laya Marti, Javier Cámara, Carlos Areces, Raúl Arévale, José Maria Yazpik, Guillermo Toledo, José Louis Torrijo, Lola Duenas, Cecilia Roth, Blanca Suárez, Antonio Banderas, Penélope Cruz
Max ist ein nett-harmloser Los-Angeles-Taxifahrer, der von einem eigenen Unternehmen träumt, aber seit zwölf Jahren sein Leben als Angestellter fristet. Da steigt Vincent ein und bietet ihm 600 Dollar, wenn er ihn in den kommenden Stunden zu fünf Freunden fährt. Nach dem ersten Stopp, weiß Max, dass Vincent ein Autragkiller ist und er ihn zu den nächsten Opfern bringen soll.
„Collateral“ ist ein kleiner, ökonomisch erzählter Neo-Noir-Thriller über das tödliche Aufeinandertreffen zweier Charaktere ihrer vollkommen gegensätzlichen Lebensauffassungen; ist ein grandios besetzter Schauspielerfilm; ist eine Liebeserklärung an das nächtliche Los Angeles und wahrscheinlich der beste Film von Michael Mann.
Mit Tom Cruise, Jamie Foxx, Jada Pinkett Smith, Mark Ruffalo, Peter Berg (Regisseur von “Operation: Kingdom” und „Hancock“), Bruce McGill, Javier Bardem, Jason Statham (Miniauftritt auf dem Flughafen)
Er schrieb die Drehbücher für einige heute immer noch gern gesehene Filmklassiker, wie „Ein Herz und eine Krone“, „Spartacus“ und „Papillon“. Er schrieb auch die Drehbücher für „Gefährliche Leidenschaft“ (Gun Crazy), „Exodus“, „El Perdido“. „Einsam sind die Tapferen“, „Ein Mann wie Hiob“ und, seine einzige Regiearbeit, „Johnny zieht in den Krieg“, die seltener im Fernsehen gezeigt werden.
Für „Ein Herz und eine Krone“ und „Roter Staub“ (The brave one) erhielt er den Drehbuchoscar, aber weil er damals auf der Schwarzen Liste stand und deshalb weder unter seinem Namen noch unter Pseudonym arbeiten durfte, schrieb er die Bücher für deutlich weniger Geld als er es gewohnt war, nannte einen Strohmann als Autor und war bei der Preisverleihung nicht dabei. Denn Dalton Trumbo (9. Dezember 1905 – 10. September 1976) war eines der prominentesten Opfer von Senator McCarthy, der damals alle jagte, die er für Kommunisten hielt. Kommunismus war nach dem Zweiten Weltkrieg unamerikanisch und, um eine Unterwanderung der amerikanischen Gesellschaft zu verhindern, mussten alle, die auch nur verdächtig waren, Kommunisten zu sein, verfolgt werden. McCarthy war mit seiner Paranoia für eine in den USA ziemlich einmalige Hexenjagd verantwortlich, die auch in dem ebenfalls sehenswertem SW-Film „Good Night, and Good Luck“ (USA 2005) thematisiert wird (oder lest den Wikipedia-Artikel).
Dalton Trumbo war, im Gegensatz zu anderen McCarthy-Opfern, sogar seit 1943 Mitglied der Kommunistischen Partei, was damals vor allem bedeutete, dass er sich für Arbeiter- und Bürgerrechte engagiert und den intellektuellen Schlagabtausch genoss. Seine Tochter Niki Trumbo sagt im Presseheft: „Trumbo ist immer noch als Kommunist bekannt, aber den Menschen ist wohl nicht so richtig klar, dass er vor allem ein Patriot war. In den späten Dreißiger- und frühen Vierzigerjahren war er ein Kommunist, als das noch bedeutete, dass man für die Arbeiter eintrat und sich gegen die Jim-Crow-Mentalität stellte, dass man sich für die Bürgerrechte der afroamerikanischen Bevölkerung einsetzte. Es hatte nichts mit Russland zu tun, dafür aber mit der Überzeugung, wie man ein bereits großartiges Land noch besser machen könnte.“
In seinem Film „Trumbo“ setzt Jay Roach diesem Mann ein filmisches Denkmal, das man so nicht erwartet hätte. Immerhin ist Jay Roach bei uns vor allem für die „Austin Powers“-Filme und die Komödien „Meine Braut, ihr Vater und ich“ und die Fortsetzung „Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich“ bekannt. Er inszenierte aber auch den mit drei Golden Globes ausgezeichneten, hochkarätig besetzten HBO-Film „Game Change – Der Sarah-Palin-Effekt“. „Trumbo“-Drehbuchautor John McNamara schrieb bislang nur fürs Fernsehen; für Serien wie „Superman – Die Abenteuer von Lois & Clark“, „In Plain Sight“ und, aktuell, „The Magicians“ und „Aquarius“. Auch „Trumbo“ hat einen leichten, nicht unangenehmen TV-Touch mit seinen vielen Innenaufnahmen, seinen wenigen Schauplätzen, der Betonung des Dialogs und der straffen Erzählweise, die nah am klassischen Hollywood-Kino ist, als die Geschichte im Vordergrund stand und die Kamera meist unauffällig im Hintergrund blieb. Diese Erzählweise ergänzt angenehm die zwischen 1947 und 1970 spielende Filmgeschichte. Wobei sich der Film auf die Tage und Wochen vor Trumbos Berufsverbot nach seiner Anhörung vor dem HUAC (Komitee für unamerikanische Umtriebe), seinen Versuchen, die Familie in den Fünfzigern zu ernähren und er dabei mit dem B-Movie-Produzenten Frank King als Auftraggeber ein kleines, subversives Imperium von Autoren errichtete, die unter Pseudonymen, trotz des Verbots Drehbücher im Akkord schrieben, und seiner Rehabilitierung mit den Drehbüchern zu Stanley Kubricks „Spartacus“ (wobei Hauptdarsteller Kirk Douglas die treibende Kraft war) und Otto Premingers „Exodus“, die beide zeitgleich entstanden und 1960 in den Kinos anliefen. Mit „Spartacus“ endete die Ära der Schwarzen Liste.
„Trumbo“ überzeugt als historisch gesättigtes, hochkarätig besetztes Schauspielerkino, garniert mit einigen zeitgenössischen Aufnahmen und mit einer klaren, auch heute noch gültigen Botschaft. Es ist auch das ernste Gegenstück zur quietschbunten Hollywood-Nummernrevue „Hail, Caesar!“ der Coen-Brüder, die ebenfalls in den fünfziger Jahren in Hollywood spielt.
Jay Roach meint zu seinem Film: „Dalton Trumbo war ein amerikanischer Patriot, aber seine Verteidigung der Redefreiheit machte ihn in den Augen mancher Leute zum Verräter. Mein Film stellt eine entscheidende Frage: Wie sind wir als Land an einen Punkt gekommen, an dem es richtig erschien, jemanden wie Trumbo ins Gefängnis zu stecken und daran zu hindern, seinen Beruf als Autor auszuüben? Diese Frage ist wichtig in einer Zeit, in der unser Land stärker gespalten ist, als ich es in meinem Leben jemals erlebt habe. Es geht um fundamentale Dinge und wir stellen die Frage, wie wir als Land weitermachen wollen. Redefreiheit ist leicht verteidigt, wenn wir Dinge aussprechen, die nicht anecken. Aber die Bill of Rights wurde entworfen, um Menschen zu beschützen, die Dinge sagen, die unbequem sind. Trumbo hat es immer und immer wieder gesagt. Es ist die Essenz des demokratischen Experiments.“
Trumbo (Trumbo, USA 2015)
Regie: Jay Roach
Drehbuch: John McNamara
LV: Bruce Cook: Trumbo, 1977
mit Bryan Cranston, Diane Lane, Helen Mirren, Adewale Akinnuoye-Agbaje, Louis C. K., David James Elliott, Elle Fanning, John Goodman, Michael Stuhlbarg, Alan Tudyk, Dan Bakkedahl, Roger Bart, Christian Berkel
Länge: 125 Minuten
FSK: ab 6 Jahre
– Hinweise
Deutsche Homepage zum Film Englische Homepage zum Film Moviepilot über „Trumbo“ Metacritic über „Trumbo“ Rotten Tomatoes über „Trumbo“
Wikipedia über „Trumbo“ (deutsch, englisch) und über Dalton Trumbo (deutsch, englisch)
Im Jahr des Drachen (USA 1985, Regie: Michael Cimino)
Drehbuch: Oliver Stone, Michael Cimino
LV: Robert Daley: Year of the dragon, 1981 (Im Jahr des Drachen)
Äußerst gewalttätiger, realistischer Krimi über einen Polizisten, der gegen die Drogenmafia kämpft und, als ehemaliger Vietnam-Veteran, den Vietnam-Krieg in den Straßen von New Yorks Chinatown gewinnen will. Damals gab es Proteste von chinesischen Gemeinden (wegen Rassismus) und Robert Daley (wegen Gewalt); – trotzdem einer der besten Cop-Thriller der Achtziger.
Mit Mickey Rourke, John Lone, Ariane, Leonard Termo, Ray Barry, Caroline Kava, Eddie Jones
Auch bekannt unter den eher nichtssagenden Titeln „Manhattan-Massaker“ und „Chinatown-Mafia“
ARD/ZDF, 17.30 Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt
Superwahlsonntag.
Superergebnisse.
Supererklärungen – auch in der „Berliner Runde“ und von Experten.
Und, damit keine Missverständnisse aufkommen: Ihr seid dafür verantwortlich, wen ihr wählt.
Das gilt auch für die Nichtwähler.
Oscar als bester ausländischer Film – das ist nach den zahlreichen Preisen, die „Son of Saul“ seit dem Großen Preis der Jury in Cannes erhielt, der Höhepunkt an Ehrungen für den bedrückenden und nicht unumstrittenen Film. Denn es geht auch um die Frage, ob man den Holocaust zeigen kann und wie man ihn zeigt, ohne zum Voyeur zu werden. Dass László Nemes‘ Debütfilm jetzt endlich, mit dem Oscar-Gewinn als Rückenwind, in einigen Kinos bei uns anläuft ist, nun, eine glückliche Fügung, die hoffentlich für mehr Aufmerksamkeit und auch mehr Zuschauer sorgt. Denn „Son of Saul“ ist wirklich kein einfacher Film und auch kein Film, den man sich als Feierabendvergnügen ansieht. Dafür gibt es ja genug andere Filme, die man teilweise schon Stunden nach dem Abspann vergisst. „Son of Saul“ ist da anders.
Im Mittelpunkt steht Saul Ausländer. Er gehört im Oktober 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau zum Sonderkommando und was er und die anderen Häftlinge, die zu diesem Arbeitskommando tun, sehen wir in den ersten Minuten in einer langen, komplizierten Plansequenz: er treibt die neu angekommenen jüdischen Häftlinge von den Bahngleisen in das Gebäude, in die Umkleidekabine und in die Gaskammer. Danach schrubben sie hastig die Böden, zerren die Leichen zur Verbrennung und plündern sie.
Nemes, der bei drei Filmen von Béla Tarr dessen Assistent war (unter anderem bei „Der Mann aus London“), schildert dieses Grauen vor allem über die Tonspur und am Bildrand. Oft verschwommen, aber immer deutlich genug erkennbar, um den Blick auf genau diese Ränder zu lenken, die man genauer erkennen will und die man aufgrund seines Vorwissens entziffern kann. Im Mittelpunkt des Bildes ist dabei immer Géza Röhrig, der Saul Ausländer spielt. Mal von vorne, mal von hinten. Entsprechend subjektiv ist der Blick des Films, der auch den zunehmenden Tunnelblick Ausländers spiegelt.
Denn Ausländer glaubt, dass einer Toten, ein Kind, aus seinem Heimatort kommt und sein Sohn ist. Er will ihm ein richtiges jüdisches Begräbnis verschaffen. Dafür benötigt er einen Rabbi.
Ausgehend von dieser Prämisse schickt Nemes seinen Protagonisten auf eine Reise durch das KZ, die er durchgehend in bis zu zehn Minuten langen Szenen erzählt, die, neben dem Bildformat und dem Ton, eine bedrückende Qualität entwickeln. Es ist eine Welt ohne Hoffnung. Und Ausländers Suche nach einem Rabbi für ein ordentliches jüdisches Begräbnis wird, angesichts des um ihn herum tobenden Wahnsinns, zunehmend irrational. Unabhängig davon, ob es sein Sohn ist oder nicht. Es ist der Strohhalm, an den er sich klammert, während gleichzeitig einige KZ-Häftlinge einen historisch verbürgten Aufstand planen.
Der Aufstand scheiterte.
Vor 28 Jahren hat Nobby (Sacha Baron Cohen) seinen kleinen Bruder Sebastian zuletzt gesehen. Trotzdem sucht er ihn immer noch und auch Sebastians Kinderzimmer in dem viel zu kleinen Haus ist unverändert.
Sebastian (Mark Strong) arbeitet inzwischen als Top-Agent für den MI6 und er denkt überhaupt nicht mehr an Nobby. Nobby und das im Nordosten England liegende, heruntergekommene, von der Moderne übersehene Arbeiterdorf Grimsby sind schon lange nicht mehr Teil seiner Welt.
Als Nobby erfährt, dass Sebastian noch lebt und er demnächst in London einen Wohltätigkeitsball der oberen Zehntausend besuchen wird, schleicht er sich ebenfalls ein und sabotiert ein von langer Hand geplantes Mordkomplott so gründlich, dass nicht nur der Anschlag schief geht (es gibt dafür andere Verletzte und Tote), sondern auch die Tarnung von Sebastian auffliegt. Außerdem wird er jetzt von seinen Leuten als Attentäter verfolgt. Soviel zum Vertrauen des MI6 in seinen besten Mann.
Es gibt nur einen Ort, an dem Sebastian – jedenfalls in der kruden Theorie von Nobby, einem wahren Trottel vor dem Herrn – von niemand gesucht wird: Grimsby.
„Der Spion und sein Bruder“ ist vor allem ein Film von Sacha Baron Cohen, der mit der Ali G. Show bekannt wurde, mit „Borat“, „Brüno“ und „Der Diktator“ seinen Ruf als respektloser Komiker zementierte und der sich in „Der Spion und sein Bruder“ den Agentenfilm in der globetrottend-eskapistischen „James Bond“-Tradition und die ultrarealistischen „This is England“-Sozialdramen vornimmt. Dabei schreckt er erwartungsgemäß vor keiner Peinlichkeit zurück. Der Humor ist immer reichlich derb und oft vulgär, wozu auch eine Szene in einem Elefanten gehört. Aber im Gegensatz zu chauvinistisch-reaktionärem US-Klamauk, wie zuletzt „Dirty Grandpa“, gehen die Witze nicht nur auf Kosten von Minderheiten. Es wird gleichmäßig gegen alle ausgeteilt. Oft werden Klischees umgedreht. So liebt Nobby seine Frau, die zu ihren Pfunden steht und auch später, in Südafrika, hält er das sehr kräftige afrikanische Zimmermädchen für das Zielobjekt, während er das wirkliche Zielobjekt, das locker eine Playboy-Photostrecke erhalten könnte, links liegen lässt und sie sogar später für das Zimmermädchen hält, die für ihn eine unangenehme Aufgabe im Badezimmer (denkt euch euren Teil) erledigen soll. In diesem Moment ist „Der Spion und sein Bruder“ schon länger nur noch eine knallige Nummernrevue, die einfach nur, garniert mit etwas Action, mehr oder weniger gelungene Gags aneinanderreiht, während die beiden Brüder von Südafrika nach Chile zum Fußballendspiel fliegen. Dort will der Bösewicht während des Spiels seinen teuflischen Plan in die Tat umsetzten.
Seine stärksten Szenen hat der von „Transporter“- und „Die Unfassbaren – Now you see me“-Regisseur Louis Leterriers inszenierte Film in Grimsby. Dort malt er zuerst das Leben der Arbeiter- und Arbeitslosenklasse breit aus (wegen des Dialekts empfiehlt sich die Originalfassung) und zeichnet dabei ein vor Klischees strotzendes Bild, das nichts, aber auch überhaupt nichts mit der Welt der Hightech-Spionage zu tun hat. Aus diesem Zusammenprall der beiden Welten hätte man etwas machen können. Aus dem Gegensatz von High-Tech-Spionage und der schusswaffenstarrenden Welt der Spione und dem Zusammenhalt der Arbeiterklasse und den trinkfreudigen Fußballhooligans im Pub, die ihr Revier mit ungeahnter Effektivität verteidigen, hätte man viel mehr komödiantisches Gold schöpfen können.
Letztendlich ist „Der Spion und sein Bruder“ nur ein derber Cartoon mit übertriebener Action, reichlich Klamauk und zotigem Humor.
Der Krieg des Charlie Wilson (USA 2007, Regie: Michael Nichols)
Drehbuch: Aaron Sorkin
LV: George Crile: Charlie Wilson’s War: The Extraordinary Story of the Largest Covert Operation in History, 2003 (Der Krieg des Charlie Wilson)
Auf Tatsachen basierende, von der Kritik abgefeierte und für viele Preise nominierte Polit-Komödie über den liberal-demokratischen Kongressabgeordneten Charlie Wilson, der in den Achtzigern half den afghanischen Widerstand gegen die Sowjets finanziell und mit Waffen zu unterstützten.
Die Folgen – nun, heute kennen wir die weitere Geschichte von Afghanistan, den Taliban und von Al-Qaida.
Mit Tom Hanks, Julia Roberts, Philip Seymour Hoffmann, Amy Adams, Ned Beatty, Emily Blunt, Michael Spellman