Pacifiction (Pacifiction: Tourment sur les îles, Frankreich/Spanien/Deutschland/Portugal 2022)
Regie: Albert Serra
Drehbuch: Albert Serra, Baptiste Pinteaux (Dialoge)
TV-Premiere eines Mitternachtsfilms, der kurz vor dem Morgengrauen endet. „Pacifiction“ dauert 160 Minuten. Es geht um die Sichtung eines U-Boots vor der Küste der Insel Tahiti. Das Schiff könnte neue französische Atomtest ankündigen. Diese Gerüchte bringen das entspannte Inselleben des französischen Hochkommissars durcheinander.
„Meditativ-surreal mäanderndes Filmepos“ (Lexikon des internationalen Films)
mit Benoît Magimel, Sergi López, Pahoa Mahagafanau, Marc Susini, Matahi Pambrun, Lluís Serrat
In einer vom Abriss bedrohten Duisburger Werkssiedlung findet Kommissar Schimanski die Leichen von seinem Schulfreund Krüger und seiner Familie. Während die Polizei den Fall als erweiterten Selbstmord zu den Akten legen will, glaubt Schimanski, dass Krüger umgebracht wurde. Er beginnt seinen Mörder zu jagen und muss dafür auch nach Marseille fahren.
„Zahn um Zahn“ ist der erste „Tatort“, der seine Premiere im Kino erlebte. Weil der Film so erfolgreich war, durfte Schimanski zwei Jahre später mit „Zabou“ wieder im Kino ermitteln. Im Gegensatz zu den meisten Kritikern gefiel mir „Zabou“ besser als „Zahn um Zahn“.
„Hajo Gies und seinem Autorenteam ist ein Actionfilm gelungen, der sich mit den Kinoerfolgen der neuen französischen und amerikanischen Polizeifilme messen will und messen kann. (…) In ‚Zahn um Zahn‘ hat Schimanski zwar seinen Rachefeldzug gewonnen, aber an Profil verloren.“ (Fischer Film Almanach 1986)
„Zahn um Zahn“ „war darüber hinaus ein für das deutsche Kino seltenes Produkt – ein Action-Film mit einem Polizisten ohne Schlips und Kragen, handwerklich professionell inszeniert, spannend und durchaus kinogerecht.“ (Meinolf Zurhorst: Lexikon des Kriminalfilms – Völlig überarbeitete Neuausgabe, 1993)
Tja, diese Einschätzung trifft heute immer noch zu. Ansehbare deutsche Genrefilme sind im Kino immer noch die berühmte Ausnahme.
mit Götz George, Renan Demirkan, Rufus, Eberhard Feik, Charles Brauer, Herbert Steinmetz, Ulrich Matschoss, Martin Lüttge
LV: Delacorta (Pseudonym von Daniel Odier): Diva, 1979 (Diva)
Postbote Jules besitzt zwei Tonbänder, für die einige Menschen morden. Auf dem einen Tonband ist der von ihm heimlich aufgenommene Mitschnitt eines Konzerts einer von ihm verehrten Operndiva, die keine Aufnahmen von ihrem Gesang will. Auf dem anderen Tonband ist das Geständnis eines Callgirls, das einige ihrer Kunden belastet.
Beinix bildgewaltiger, zitatenreicher Debütfilm war in den USA ein Überraschungserfolg und wurde danach auch in Europa zu einem Kultfilm.
„‚Diva‘ ist ein ganz und gar modischer Film für ein Großstadtpublikum. (…) Elegant zwischen Kitsch und Kunstfertigkeit balancierend, macht der Film im Kino großen Spaß.“ (Fischer Film Almanach 1984)
„‚Diva‘ ist ein aufregendes Werk, eine Mischung aus Märchen, Romanze und Thriller: Oper, Pop und schräge Typen in einem höchst stilisierten Kriminalfilm.“ (Meinolf Zurhorst: Lexikon des Kriminalfilms)
Mit Frédéric Andrei, Wilhelmenia Wiggins Fernandez, Roland Bertin, Richard Bohringer, Gérard Darmon
„Finger ab“, der neue Roman der grandiosen französischen Noir-Autorin Hannelore Cayre, beginnt wie ein typischer schwarzhumoriger Cayre-Roman. Während dem Ausheben einer Grube für einen nicht genehmigten Swimmingpool entdecken die drei polnischen Arbeiter ein Skelett. Die Auftraggeberin würde die Arbeiter am liebsten weiterbuddeln lassen, aber der Vorarbeiter lehnt ab. Erst müsse ein Priester kommen. Dieser wirft einen Blick auf die beiden Skelette und ruft die befreundete Paläontologin Adrienne Célarier an. Diese erforscht penibel den Fundort und sabotiert alle Bauplanungen der Landbesitzerin. Denn auf ihrem Grundstück in Savignac-de-Miremont in der Dordogne wurde eine exzellent erhaltene Höhle mit Wandmalereien, Gegenständen und Knochen entdeckt, die Auskunft über die Ursprünge der Menschheit vor 35000 Jahren, also während dem Aurignacien, geben kann.
Der restliche Roman springt dann zwischen einer Pressekonferenz von Adrienne Célarier über die wissenschaftliche Sensation und der Vergangenheit hin und her. In dem Moment wird „Finger ab“ zu einer Abenteuergeschichte, in der Oli in ihrem Sippe eine Außenseiterin ist. Sie jagt und erfindet dabei Wurftechniken, die Tiere über eine größere Distanz töten können. Sie widerspricht Ältester Onkel. Er ist der älteste Mann der Sippe und deshalb ihr Führer. Wenn Oli und die anderen Frauen ihre Pflichten vernachlässigen oder sich unbotmäßig verhalten, hackt er ihnen immer wieder einen Finger ab.
Als Oli zufällig entdeckt, wie Kinder gezeugt werden, gerät das Leben zwischen Männern und Frauen aus dem Lot.
Olis Geschichte ist eine in der heutigen Sprache geschriebene feministische Neuinterpretation unserer Frühgeschichte. Als Abenteuergeschichte funktioniert dieser Bildungsroman ausgezeichnet. Es gibt auch einige Menschen, die einen gewaltsamen Tod erleiden. Aber dadurch wird „Finger ab“ nicht zu einem Kriminalroman. Und den typischen Cayre-Humor gibt es auch nur auf den allerersten Seiten.
Insofern ist „Finger ab“ vor allem etwas für die Cayre-Komplettisten und die Fans von historisch grundierten Abenteuergeschichten. In ihrem Nachwort geht sie ausführlich auf die von ihr verwendeten Quellen ein.
Kommissar Maigret stellt eine Falle (Maigret tend un piège, Frankreich/Italien 1958)
Regie: Jean Delannoy
Drehbuch: Rodolphe-Marie Arlaud, Michel Audiard, Jean Delannoy
LV: Georges Simenon: Maigret tend un piège, 1955 (Maigret stellt eine Falle)
Maigret sucht einen fünffachen Frauenmörder.
Erster von drei Maigret-Filmen, in denen Jean Gabin den Kommissar spielte. Netter psychologischer Rätselkrimi, der auch eine gelungene kleine Sozialstudie ist.
“Delannoy inszenierte diese klassische Kriminalkonstruktion sehr spannend und mit viel Einfühlungsgabe für atmosphärische Details, filmisch beinahe ebenso sorgfältig wie Maigret bei der Arbeit.” (Wolfgang Schweiger: Der Polizeifilm)
“Intelligenter, gut gespielter, atmosphärisch dichter Kriminalfilm.” (Katholischer Film-Dienst)
Der Film gewann den Edgar-Allan-Poe-Preis in der Kategorie “bester ausländischer Film”.
mit Jean Gabin, Annie Girardot, Jean Desailly, Lino Ventura
Triangle of Sadness(Triangle of Sadness, Schweden/Deutschland/Frankreich/Großbritannien 2022)
Regie: Ruben Östlund
Drehbuch: Ruben Östlund
TV-Premiere. Eine Seefahrt, die ist, jedenfalls wenn Ruben Östlund der Kapitän ist, nicht besonders lustig, sondern ziemlich schwarzhumorig und gemein. Seine aus drei klar voneinander getrennten Teilen bestehende Satire erhielt zahlreiche Preise, u. a. die Goldene Palme und mehrere Europäische Filmpreise, Kritikerlob und auch einen großen Publikumszuspruch. Dennoch ist „Triangle of Sadness“ sein schwächster Film.
mit Harris Dickinson, Charlbi Dean, Dolly De Leon, Zlatko Burić, Iris Berben, Vicki Berlin, Henrik Dorsin, Jean-Christophe Folly, Amanda Walker, Oliver Ford Davies, Sunnyi Melles, Woody Harrelson
Inside Llewyn Davis (Inside Llewyn Davis, USA/Frankreich 2013)
Regie: Ethan Coen, Joel Coen
Drehbuch: Joel Coen, Ethan Coen
Meisterwerk der Coen-Brüder über den erfolglosen Folkmusiker Llewyn Davis und die New Yorker Folkmusikszene der frühen Sechziger. Kurz bevor ein Mann in Greenwich Village auftauchte, der 2016 den Literaturnobelpreis erhielt.
Die nächste Tankstelle ist hundert Meilen weit weg. Sagt der nette Mann von der Tankstelle. Und weil der Tanklaster sich verspätet habe, könne er nur den Aufenthalt im nebenan liegenden Diner empfehlen. Dieses Angebot nehmen an diesem sonnigen Tag in der Wüste von Arizona ein Vertreter für Messer, ein älteres Ehepaar und zwei Bankräuber auf der Flucht an. Später kommen der junge, etwas naiv-einfältige Deputy Sheriff von Yuma County, ein Native American (der einen Wagen mit einem vollen Tank besitzt) und ein junges Gangsterpärchen vorbei. Er sieht sie in der Tradition von Kit und Holly (aus Terrence Malicks „Badlands“; um nur eine der lässig eingestreuten filmischen Anspielungen zu nennen). Sie alle haben natürlich Schuss- und Stichwaffen dabei. Und mindestens die Hälfte der Diner-Gäste und die Kellnerin, die gleichzeitig die Frau des Sheriffs ist, wissen, dass im Kofferraum des Autos der Bankräuber die Beute von dem Überfall ist.
Aber, ehrlich gesagt, ist schon ab dem Moment, als die beiden Bankräuber den Diner betreten die Frage nur noch: wann und wie bringen sie sich um? Und, uh, wer überlebt? Falls überhaupt jemand überlebt.
„The Last Stop in Yuma County“ ist das überaus gelungene schwarzhumorige Spielfilmdebüt von Francis Galluppi. Davor drehte er mehrere Kurzfilme und Musikvideos. Er drehte „The Last Stop in Yuma County“ an zwanzig Tagen auf der Four Aces Movie Ranch in Palmdale, Kalifornien, für ein Budget von einer Million US-Dollar. Dank der liebevollen Retro-Ausstattung irgendwo zwischen siebziger und frühe achtziger Jahre in der US-Provinz, dem spielfreudigen Ensemble aus höchstens gesichtsbekannten Schauspielern, dem straffen Drehbuch und der kurzen Laufzeit von unter neunzig Minuten ist Galluppis chronologisch erzählter schwarzhumoriger Neo-Noir-Gangsterfilm ein Vergnügen. Auch wenn es am Ende, wegen ein, zwei überraschenden, aber eigentlich überflüssigen Schlenkern, etwas lang dauert.
Seine Premiere hatte der Neo-Noir 2023 auf dem Fantastic Fest in Austin, Texas. Beim Sitges – Catalonian International Film Festival und beim Calgary Underground Film Festival wurde er als bester Spielfilm ausgezeichnet. In Deutschland lief er im Februar in mehreren Städten während der Fantasy Filmfest White Nights.
Außerdem wurde Regisseur Francis Galluppi von Sam Raimi, dem der Film gefiel, mit der Entwicklung und Regie eines neuen „Evil Dead“-Films beauftragt.
The Last Stop in Yuma County (The Last Stop in Yuma County, USA 2023)
Regie: Francis Galluppi
Drehbuch: Francis Galluppi
mit Jim Cummings, Faizon Love, Jocelin Donahue, Richard Brake, Barbara Crampton, Michael Abbott Jr., Nicholas Logan, Gene Jones
Bonusmaterial: – (abhängig von der Ausgabe; beim Mediabook sind angekündigt: die Bonusfilme „High Desert Hell“ (2019), „The Gemini Project“ (2020), drei Audiokommentare, ein „Behind the Scenes“-Featurette und weitere Extras)
TV-Premiere. In seinem dritten Spielfilm erzählt Adrian Goiginger die Geschichte seines Urgroßvaters Franz Streitberger. Dieser ist ein wortkarger Einzelgänger, der sich 1937 mit seiner Volljährigkeit beim österreichischen Bundesheer einschreibt und nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland Mitglied der Wehrmacht wird. Während des Zweiten Weltkriegs entdeckt er an der Westfront ein Fuchswelpen. Das Tier wird sein ständiger Begleiter.
Gut inszeniertes, aber auch arg spannungsfrei vor sich hin plätscherndes Biopic. Wahrscheinlich wäre ein Erinnerungsbuch die bessere Alternative gewesen.
mit Simon Morzé, Marko Kerezovic, Joseph Stoisits, Pit Bukowski, Maximilian Echtinger, Joshua Bader, Stanislaus Steinbichler, Alexander Beyer, Karl Markovics
Mit einem Auftragsüberfall für den lokalen Gangsterboss will der Möchtegern-Gangster Heraldo sich das Geld für eine bessere Zukunft beschaffen. Aber davor geht einiges schief: eine Zufallsbekanntschaft stiehlt sein Geld, er verschläft, er kann das Zimmer im Motel Destino nicht bezahlen und der schlecht geplante Überfall endet ohne ihn katastrophal. Sein bester Freund stirbt dabei. Und Heraldo wird jetzt von Verbrrechern und der Polizei gejagt.
Mittellos taucht er in dem einsam gelegenem Motel Destino unter. Es ist ein heruntergekommenes, aber gut besuchtes Stundenhotel, das seiner Kundschaft anonym ein Bett für den schnellen Sex bietet. Geführt wird es von Elias und seiner jüngeren Frau Dayana. Er ist ein Rüpel, der ihn als Hilfsarbeiter anstellt. Sie findet schnell gefallen an dem zwanzigjährigem Gast. Eins führt zum anderen – und Noir-Fans erkennen schnell, dass Karim Aïnouz sich in seinem neuen Film „Motel Destino“ schamlos am Plot von James M. Cains Klassiker „The Postman always rings twice“ (1934, Die Rechnung ohne den Wirt, Wenn der Postmann zweimal klingelt…, Der Postbote klingelt immer zweimal) bedient. Vor ihm haben das schon mehrere Regisseure gemacht. Die Verfilmungen von Luchino Visconti (Ossessione, Italien 1942 [Besessenheit]), Tay Garnett (The Postman always rings twice, USA 1946 [Die Rechnung ohne den Wirt]), Bob Rafelson (The Postman always rings twice, USA 1981 [Wenn der Postman zweimal klingelt]) und Christian Petzold (Jerichow, Deutschland 2008) sind legendär. Es sind also große Fußstapfen, in die Aïnouz hier tritt. Erfolgreich und eigenständig. Und leider auch mit einem anderen Ende. Dieses Ende ist der große Schwachpunkt des Neo-Noirs.
Bei Cain spielt die Geschichte in einem kleinen Diner an einer Landstraße in Kalifornien während der Weltwirtschaftskrise. Aïnouz verlegt sie, wie Petzold, in die Gegenwart und, wie Visconti und Petzold, in ein anderes Land. Dieses Mal spielt die Geschichte in Nordbrasilien an der Küste abseits jeglicher Touristenpfade. Die Farben glänzen noch, aber jedes Gebäude und jeder Mensch scheint seine beste Zeit hinter sich zu haben.
Neben der tropisch verschwitzen Liebesgeschichte zwischen Heraldo und Dayana bietet Aïnouz auch einen intensiven Blick hinter die Kulissen eines Stundenhotels. Er zeigt detailliert die dortigen Abläufe, inclusive der Beobachtung kopulierender Kundschaft. Damit vertreibt Elias sich die Zeit.
„Motel Destino“ ist ein schwüler, neonfarbenprächtiger Neo-Noir mit einer ordentlichen Portion explizitem Sex. Jedes Bild ist darauf angelegt, sich im Kopf des Zuschauers einzuprägen.
Das Piano (The Piano, Australien/Neuseeland/Frankreich 1993)
Regie: Jane Campion
Drehbuch: Jane Campion
Um 1850 herum wird die stumme Ada nach Neuseeland zwangsverheiratet. Ihr ihr vollkommen unbekannter Ehemann, der Plantagenbesitzer Stewart, nimmt sie und Adas neunjährige Tochter Flora auf. Adas heißgeliebtes Piano lässt er als unnötigen Ballast am Strand zurück. Stewarts Nachbar Baines holt das Piano in sein Haus. Er bietet Ada eine Möglichkeit an, wie sie wieder an ihr Piano kommen könnte.
Jane Campions Durchbruch beim globalen Kinopublikum und immer noch ihr bekanntester Film.
mit Holly Hunter, Harvey Keitel, Sam Neill, Anna Paquin, Kerry Walker
Dieses Mal gibt es Haie und Seeschlachten im Kolosseum, das vorher natürlich geflutet wurde. Als große Attraktion für das Publikum gab es während des Römischen Imperiums solche nachgestellten Seeschlachten. Die Haie entspringen der Fantasie der Macher von „Gladiator II“, der auf den ersten Blick überflüssigen Fortsetzung von „Gladiator“. Denn „Gladiator“ ist ein Monumentalfilm mit einem perfektem Ende. Da muss es keine Fortsetzung geben.
Russell Crowe ist wieder dabei. In Rückblenden aus dem ersten „Gladiator“-Film. Connie Nielsen ist ebenfalls wieder dabei. In echt. Sie spielt wieder die Kaisertochter Lucilla. Nach den damaligen Ereignissen, die mit dem Tod von Maximus Decimus Meridius (Crowe) und Commodus (Joaquin Phoenix) endeten, schickte sie ihren Sohn Lucius in die Fremde und brach jeden Kontakt zu ihm ab.
Jetzt, knapp zwanzig Jahre später, im Jahr 200 A. D., lebt Lucius Verus (Paul Mescal) in Nordafrika in Numidien. Er ist ein begnadeter Kämpfer und glücklich verheirateter Bauer. Er und seine Frau, ebenfalls eine begnadete Kämpferin und Bogenschützin, kämpfen mit hren Landsleute gegen das römische Heer, das ihre Heimat Numidien zu einer römischen Provinz machen will. Bei einer für beide Seiten verlustreichen Schlacht gegen die von General Marcus Acacius (Pedro Pascal) angeführten römischen Truppen stirbt sie. Lucius wird gefangen genommen und nach Rom verschifft. Dort trifft er den mit Gladiatorenkämpfen Geld verdienenden Geschäftsmann Macrinus (Denzel Washington), der am Hof aufsteigen will, und er muss im Kolosseum um sein Überleben kämpfen. Denn er will sich an General Marcus, der mit Lucilla verheiratet ist, rächen. Das Publikum verliebt sich schnell in den tapferen Gladiator. Gleichzeitig gerät er, ein wenig und vor allem als Spielball, in die Machtkämpfe zwischen den verschiedenen um die Herrschaft in Rom kämpfenden Männern und Fraktionen.
„Gladiator II“, der jetzt, 25 Jahre nach „Gladiator“, im Kino anläuft, erzählt eigentlich die aus dem an der Kinokasse, bei Preisverleihungen, unter anderem den Oscar als bester Film des Jahres, und der Kritik enorm erfolgreichen Monumentalfilm bekannte Geschichte noch einmal. Einige neue Namen und eher minimal veränderte Handlungselemente ändern daran nichts. „Gladiator II“ ist einfach nochmal „Gladiator“. Nur nicht so gut.
Während in „Gladiator“ der Konflikt zwischen Maximus und Commodus im Mittelpunkt steht, ist das in „Gladiator II“ nicht so klar. „Gladiator“ erzählt eine Rachegeschichte, eine Geschichte von Verrat und gegensätzlichen Vorstellungen über die Zukunft des römischen Imperiums. Verkörpert wird dieser Konflikt durch die beiden Hauptfiguren, die mal Freunde waren und zu Feinden wurden, nachdem Commodus seinen Vater ermordet, um an die Macht zu gelangen. Als Maximus ihm danach nicht helfen will, sondern sich gegen ihn stellt, lässt er dessen Familie ermorden und gibt den Befehl, Maximus zu ermorden. Maximus überlebt und begibt sich nach Rom, um dort Commodus zu ermorden. Das ist eine einfache Geschichte, die gradlinig mit Schauwerten präsentiert wird.
In „Gladiator II“ sind schon die Motive der beiden Gegner schwächer. General Marcus Acacius ist ein Feldherr, der einfach eine Schlacht gewinnen will. Der Tod von Lucius‘ Frau ist dabei einer der vielen Tote, die es in einer Schlacht gibt. Ein persönliches Motiv ist nicht erkennbar. Auch später, in Rom, hat Marcus kein Interesse daran, Lucius zu töten. Unnötig verklompliziert wird die Beziehung zwischen Marcus und Lucius, weil Marcus mit Lucius‘ Mutter Lucilla verheiratet ist.
Der mit den beiden Hauptfiguren verknüpfte Kampf um das künftige Schicksal des römischen Imperiums, also von wem es wie regiert werden soll, entfällt ebenfalls. Beide Hauptpersonen interessieren sich nicht dafür. Der eine will seine Frau rächen. Der andere will eigentlich in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Für Politik und Macht interessieren sie sich nicht.
Macrinus (Denzel Washington) interessiert sich dafür. Er ist eine Mischung aus Unternehmer und politischem Profiteur. Er will in die Herrschaftsriege aufsteigen. Eine besondere Mission oder eine Vorstellung, was sich unter seiner Herrschaft ändern soll, hat er nicht. Er ist einfach nur ein Profiteur, der die Macht um ihrer selbst will.
Seine Gegner sind die Kaisergeschwister Caracalla und Geta. Sie sind verwöhnte, psychotische, leicht beeinflussbare reiche Kinder. Besonders angsteinflößend sind sie nicht. Wie sie, nachdem am Ende von „Gladiator“ die Zeichen für eine bessere Zukunft gesetzt waren, an die Macht kamen, wird nicht erklärt und bleibt rätselhaft. Denn nichts qualifiziert sie für das Amt, das sie auch nicht ausfüllen möchten. Fred Hechinger und Joseph Quinn sorgen im ihrem Overacting eher für einen schrägen Camp-Humor in dem ernsten Film.
In diesen Momenten erzählt „Gladiator II“, neben der Rachegeschichte, auch eine Polit-Intrige, ohne sich für den politischen noch für den intriganten Teil zu interessieren. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Mechanismen der Macht würde vom Spektakel im Kolosseum ablenken. Aber vielleicht erzählt Scott das ja in epischer Breite in der schon jetzt angedeuteten möglichen und deutlich längeren Fassung des zweieinhalbstündigen Films.
In der Langfassung wird dann vielleicht auch erkennbar, ob Scott möchte, dass die Filmgeschichte als Metapher für die aktuelle Situation in den USA gelesen werden soll und wie sie gelesen werden soll. Im Moment kann sie nämlich mühelos in jede politische Richtung interpretiert werden. „Gladiator II“ ist kein Monumentalfilm mit einer politischen Agenda oder einem klar gekennzeichnetem Konflikt verschiedener Vorstellungen von Gesellschaft und dem richtigen Leben. Das war früher, als es in Monumentalfilmen um den Kampf gegen das Christentum oder um Sklavenaufstände ging, anders. In „Gladiator II“ geht es um nichts.
Weitere Probleme von „Gladiator II“ sind schon in den ersten Minuten offensichltich. Der Monumentalfilm beginnt mit einer epischen, CGI-gesättigten Schlacht, bei der brennende Kugeln und Pfeile locker Festungsmauern und Rüstungen durchschlagen und Schiffe schwuppdiwupp zum Sinken bringen. Während der Schlacht fällt Lucius ins Wasser und taucht erst lange nach dem Ende der Schlacht wieder auf. Eigentlich müsste er ertrunken sein. Realismus und Wahrscheinlichkeit werden schon in diesen Minuten zugunsten vermeitlicher Schauwerte geopfert.
Etwas später muss Lucius in der Kampfarena gegen Fantasy-Monsterpaviane auf Speed kämpfen. In diesem Moment qualifiziert „Gladiator II“ sich endgültig zum todernsten Fantasy-Film mit teilweise erstaunlich schlechten und unglaubwürdigen CGI-Effekten.
Als Spektakel erreicht der Sandalenfilm mühsam seine Ziellinie. Als ernstzunehmender Film hat er sich schon in den ersten Filmminuten Richtung Trash und freudlos-züchtiger Anything-can-go-Fantasy verabschiedet. Bei Ridley Scotts neuem Film ist nur beeindruckend, wie wenig beeindruckend der Film ist. Dabei war schon „Gladiator“ nicht wirklich gut, aber immerhin über die gesamte Laufzeit unterhaltsam.
Gladiator II(Gladiator II, USA 2024)
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: David Scarpa (nach einer Geschichte von Peter Craig und David Scarpa, nach Charakteren von David Franzoni)
mit Paul Mescal, Pedro Pascal, Joseph Quinn, Fred Hechinger, Lior Raz, Derek Jacobi, Connie Nielsen, Denzel Washington
Ein ermordeter Binnenschiffer treibt im Hafenbecken von Duisburg-Ruhrort. Die Kommissare Schimanski und Thanner suchen seinen Mörder.
Der erste Auftritt von Götz George als Horst Schimanski. Damals ein Skandal (Seine Manieren! Seine Sprache! Sein Umgang mit den Dienstvorschriften!), heute ein „Tatort“-Klassiker. Schimanski war schnell der beliebteste „Tatort“-Kommissar, der auch zweimal im Kino ermitteln durfte.
mit Götz George, Eberhard Feik, Ulrich Matschoss, Michael Lech, Michael Rastl, Brigitte Janner, Max Volkert Martens, Barbara Focke
Cop Billy Costigan ist Undercover-Agent in der Organisation des Mafiapaten Frank Costello. Gangster Colin Sullivan ist bei der Polizei der Top-Maulwurf für Costello. Beide steigen in den feindlichen Organisationen stetig auf. Da erhalten Costigan und Sullivan von ihrem Boss den Auftrag, den Verräter in den eigenen Reihen zu finden.
„Departed – Unter Feinden“ ist, wie Genre-Junkies wissen, das grandiose US-Remake des ebenso grandiosen Hongkong-Thrillers „Infernal Affairs“ (von Andrew Lau und Alan Mak). Monahan verlegte die Geschichte nach Boston, orientierte sich bei dem Mafiapaten an dem legendären Whitey Bulger und zeichnete ein Porträt der amerikanischen Gesellschaft. Die schwächsten Szenen des Remakes sind die weinigen, direkten Übernahmen von Szenen aus dem Original.
Beide Filme sind stilistisch überzeugende Werke über Freundschaft, Loyalität und Verrat.
Monahans Drehbuch erhielt einen Edgar, einen Oscar, den Preis der Writers Guild of America und war für den Golden Globe nominiert (um nur einige zu nennen). Der Film wurde für zahlreiche Preise nominiert und erhielt auch den Oscar für den besten Film des Jahres
Die nächste Zusammenarbeit von Martin Scorsese und Leonardo DiCaprio war die allseits abgefeierte Dennis-Lehane-Verfilmung „Shutter Island“ (mir gefällt das Buch besser). Danach kamen “The Wolf of Wall Street” und 2023 „Killers of the Flower Moon“.
Und William Monahans lieferte danach sein gelungenes Regiedebüt, die Ken-Bruen-Verfilmung “London Boulevard” (mit Colin Farrell, David Thewlis, Ray Winstone, Eddie Marsan und Keira Knightley), ab.
Mit Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson, Mark Wahlberg, Martin Sheen, Ray Winstone, Vera Farmiga, Alec Baldwin
The Wolf of Wall Street (The Wolf of Wall Street, USA 2013)
Regie: Martin Scorsese
Drehbuch: Terence Winter
LV: Jordan Belfort: The Wolf of Wall Street, 2007 (Der Wolf der Wall Street)
An seinem ersten Arbeitstag an der Wall Street crasht die Börse. Also zieht der nun arbeitslose, selbsternannte „Wolf of Wall Street“ Jordan Belfort 1987 eine Straße weiter und mit dem Verkauf von Pennystocks verdient er ein Vermögen.
Knapp gesagt: „GoodFellas“ und „Casino“ in der Finanzwelt, niemals langweilig und grandios von Martin Scorsese inszeniert.
Die Originalausgabe erschien bereits vor über achtzig Jahren. Trotzdem liest sich die Geschichte brennend aktuell. Gerald Kersh erzählt in der Novelle „Hirn und zehn Finger“ von einer kleinen Truppe jugoslawischer Kämpfer während des Zweiten Weltkriegs. Mitten in der Nacht überfallen sie ein Lager der italienischen Besatzer. Sie bringen einige Italiener um, einige von ihnen sterben und sie können mit ihrer Beute das Lager verlassen. Mit dem geklauten Dynamit und den Zundschnüren wollen sie später Anschläge gegen die Italiener und die Nazis verüben. Jetzt müssen sie nur schnell entkommen.
Aber der Regen hat die Bistrica zu einem reißenden Strom anschwellen gelassen, der die Brücke, die sie auf ihrer Flucht benutzen wollten, wegriss. Sie haben höchstens eine Stunde, um eine Behelfsbrücke zu errichten und ihr Leben ihren mordgierigen Verfolgern zu retten.
Kersh lässt die knapp 110-seitige Geschichte nacheinander von verschiedenen Erzählern erzählen. Nämlich dem sechzehnjährigen Andrej, dem ‚Narr‘ Klemen, der in höchster Not das Kommando übernimmt und Anweisungen zum Bau der Notbrücke gibt, den Deutschen- und Italienerhasser Stefek und Jeriza, einer jungen Frau, die mit ihrem Vater den Partisanen vom anderen Flussufer aus helfen will. Jeder dieser Ich-Erzähler hat eine unverwechselbare Stimme und eine eigene Perspektive auf die Ereignisse. Durch den Kunstgriff mit den verschiedenen Erzählerstimmen gelingt Kersh auf wenigen Seiten ein vielschichtes Bild der Ereignisse in dieser Nacht und er verleiht den einzelnen Figuren mit wenigen Worten eine große Tiefe.
Die Geschichte spielt 1943 und sie ist ein Heldenlied auf die Tapferkeit der Widerstandskämpfer. Sie haben keine Chance, aber sie kämpfen weiter. Und weil die Parallelen zum Ukraine-Krieg, wo Ukrainer tapfer ihr Land gegen einen übermächtigen Gegner verteidigen, offensichtlich sind, liest sich „Hirn und zehn Finger“ wie eine gerade erst geschriebene spannende Geschichte über eine kleine Episode aus einem Krieg. Man müsste nur einige Worte austauschen und schon würde Kershs Geschichte in der heutigen Ukraine spielen.
Noir-Autor Gerald Kersh lebte von 1911 bis 1968. Er war während des Zweiten Weltkriegs ein Bestsellerautor. Später geriet er in Vergessenheit und wurde vor einigen Jahren wiederentdeckt.
Sein bekanntester Roman ist „Nachts in der Stadt“ (Night And The City, 1938). Der Noir wurde zweimal verfilmt. Einmal 1950 von Jules Dassin als „Die Ratte von Soho“ mit Richard Widmark in der Hauptrolle. Der Film gilt als Klassiker. Einmal 1992 von Irwin Winkler als „Night and the City“ mit Robert De Niro in der Hauptrolle.
„Hirn und zehn Finger“ ist der vierte bei pulp master erschienene Noir von Gerald Kersh. Davor erschienen dort seine ebenfalls lesenswerten Romane „Die Toten schauen zu“, „Ouvertüre um Nitternacht“ und „Nachts in der Stadt“.
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Gerald Kersh: Hirn und zehn Finger
(übersetzt von Angelka Müller, mit einem Nachwort von Angelika Müller und Frank Nowatzki)
November – Paris im Fadenkreuz (Novembre, Frankreich 2022)
Regie: Cédric Jimenez
Drehbuch: Cédric Jimenez, Olivier Demangel
TV-Premiere des filmischen Gegenstücks zu „Meinen Hass bekommt ihr nicht“, in dem es um die Gefühle eines Hinterbliebenen geht.
Cédric Jimenez liefert in „November“ eine packende Rekonstruktion der mehrtägigen Jagd der Anti-Terror-Einheit SDAT auf die Terroristen, die für die Anschläge auf das Bataclan und weitere Orte in Paris am 13. November 2015 verantwortlich waren.
Am Donnerstag, den 14. November, läuft „Gladiator II“, die lang erwartete (?) Fortsetzung von „Gladiator“ an. Zeit also, den Sandalenfilm wieder oder erstmals zu sehen und sich zu fragen, wie gut er die Zeit überstanden hat.
3sat, 22.00
Gladiator(Gladiator, USA/Großbritannien 2000)
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: David Franzoni, John Logan, William Nicholson (nach einer Geschcihte von David Franzoni)
Tribun Maximus Decimus Meridius (Russell Crowe), ein tapferer und ehrlicher Krieger, will sich an Commodus (Joaquin Phoenix), Sohn von Kaiser Marc Aurel, Vatermörder und amtierender Herrscher von Rom, rächen. Denn dieser ermordete seine Familie und versuchte ihn umzubringen. Maximus tauchte unter und kommt als Gladiator nach Rom. Im Kolosseum wird er zum Liebling des Publikums.
Der Überraschungshit „Gladiator“ erhielt unter anderem einen Oscar als bester Film des Jahres. Die Story ist minimalistisch, Die Länge mit 155 Minuten in der von Ridley Scott favorisierten Kinofassung (es gibt noch einen 171-minütigen Extended Cut) episch. Das Ergebnis mit fotogen durch die Arena fliegenden abgetrennten Körperteilen durchwachsene Hollywood-Unterhaltung. Nie wirklich schlecht, aber auch nie wirklich gut.
Mit Russell Crowe, Joaquin Phoenix, Connie Nielsen, Oliver Reed,, Derek Jacobi, Djimon Hounsou, Richard Harris, David Schofield, Ralf Moeller, David Hemmings, Tommy Flanagan