Max ist ein nett-harmloser Los-Angeles-Taxifahrer, der von einem eigenen Unternehmen träumt, aber seit zwölf Jahren sein Leben als Angestellter fristet. Da steigt Vincent ein und bietet ihm 600 Dollar, wenn er ihn in den kommenden Stunden zu fünf Freunden fährt. Nach dem ersten Stopp, weiß Max, dass Vincent ein Autragkiller ist und er ihn zu den nächsten Opfern bringen soll.
„Collateral“ ist ein kleiner, ökonomisch erzählter Neo-Noir-Thriller über das tödliche Aufeinandertreffen zweier Charaktere ihrer vollkommen gegensätzlichen Lebensauffassungen; ist ein grandios besetzter Schauspielerfilm; ist eine Liebeserklärung an das nächtliche Los Angeles und wahrscheinlich der beste Film von Michael Mann.
Mit Tom Cruise, Jamie Foxx, Jada Pinkett Smith, Mark Ruffalo, Peter Berg (Regisseur von “Operation: Kingdom” und „Hancock“), Bruce McGill, Javier Bardem, Jason Statham (Miniauftritt auf dem Flughafen)
Ein Blick hinter die Kulissen der in den fünfziger Jahren enorm erfolgreichen US-Sitcom „I love Lucy“: Die miteinander verheiraten Stars der Show – Lucille Ball (Nicole Kidman) und Desi Arnaz (Javier Bardem) – sehen sich innerhalb weniger Tage, während der Aufzeichnung einer neuen Sitcom-Episode, mit verschiedenen Krisen konfrontiert. Lucille erwartet ein Kind, ihr wird vorgeworfen, eine Kommunistin zu sein und Desi soll eine Geliebte haben. Jeder einzelne Vorwurf könnte in den USA der MacCarthy-Ära das Ende ihrer Karriere bedeuten.
TV-Premiere eines Spielfilms, der seine Premiere bei Amazon Prime hatte.
„Dank guter Darsteller und sorgfältiger Rekonstruktion der damaligen Arbeitsprozesse entsteht (…) ein bereichernder Einblick in ein Stück TV-Geschichte.“ (Lexikon des Internationalen Films)
mit Nicole Kidman, Javier Bardem, J. K. Simmons, Nina Arianda, Jake Lacy, Alia Shawkat, Tony Hale, Clark Gregg, Ronny Cox
Ruben Cervantes (Javier Bardem) bittet Sonny Hayes (Brad Pitt) um Hilfe. Vor dreißig Jahren fuhren sie in der Formel 1. Ein Unfall beendete Sonnys Karriere und verschaffte ihm den hämischen Namenszusatz „Der Beste, der es niemals geschafft hat“. Seitdem schlägt Sonny sich auf anderen Rennstrecken durch’s Leben. Für ihn ist die Welt in Ordnung, solange er Rennen fahren kann.
Ruben leitet den Formel1-Rennstall APXGP, der in dieser Saison mit seinem neuen Fahrer Joshua Pearce (Damson Idris) und einem neuen Rennwagen nur durch seinen absolut schlechten Punktestand auffällt. Wenn sie in der zweiten Hälfte der Rennsaison nicht endlich Rennen gewinnen, ist Ruben am Ende der Saison seinen Job und sein Unternehmen los. Sonny soll das verhindern. Nicht als Berater, sondern als Fahrer. Er wäre damit der mit Abstand älteste Fahrer in der Formel 1.
Sonny nimmd das Angebot an. So könnte er endlich wieder in der Formel 1 fahren und, mit etwas Glück endlich die Hoffnungen, die vor dreißig Jahren in ihn gesteckt wurden, erfüllen.
Nach diesem Set up entwickelt sich Joseph Kosinskis neuer Film „F1 – Der Film“ in jeder Sekunde exakt so, wie man es erwartet und wer möchte, kann schnell die mehr oder weniger deutlich verarbeiteten aktuellen Vorbilder herunterbeten. Der altbekannte Plot kann mühelos als „’Top Gun: Maverick‘ im Formel-1-Milieu“ interpretiert werden. Beide Male zeigt ein alter Hase den Jüngeren, was in ihm steckt. Beide Male hat der alte Hase ein lockeres Verhältnis zu den Regeln. Beide Male steht er vor einer ziemlich unmöglichen Mission. Und beide Male inszenierte Kosinski, nach einem Drehbuch von Ehren Kruger, den Film. „Le Mans 66 – Gegen jede Chance“, „Rush“ und die beiden mit Aufnahmen von realen Rennen punktenden Rennfahrerfilmklassiker „Grand Prix“ und „Le Mans“ sind weitere ebenso offensichtliche wie unhintergehbare Referenzfilme. Auch „F1“-Regisseur Joseph Kosinski und sein Team scheuten keine Mühen, um hochauflösende Kameras zu erfinden und so in den Rennautos zu platzieren, dass überzeugende Aufnahmen von echten Rennsituationen entstehen konnten. Teils werden im Film von Formel-1-Fahrern während echter Rennen aufgenommene Bilder verwendet. Diese Bilder sollen beim Publikum, das den Film auch im IMAX ansehen kann, das Gefühl erzeugen, in einem Formel-1-Auto über die Rennstrecke zu brettern. Das gelingt, auch wenn diese Aufnahmen, weil alles im Rausch der Geschwindigkeit verschwimmt, teils eher an Computerbilder erinnern. Bei einigen Rennen wird auch etwas zu oft geschnitten. Der siebenfache Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton gehört zu den Produzenten des Films. Er öffnete Türen, die einen umfassenden Dreh im Rahmen der echten Formel-1-Rennen erlaubten.
Aber im Gegensatz zu den schon erwähnten, auf wahren Geschichten beruhenden und nah an der Realität entlang erzählten Rennfahrerfilmen „Rush“ und „Le Mans 66 – Gegen jede Chance“ kümmert sich „F1“ zugunsten des Spektakels nicht um die Hintergründe. Training und das langwierige Arbeiten am Fahrzeug, um Zehntelsekunden herauszuholen, werden galant ignoriert. Das fällt, nachdem in einer Szene angestrengt auf Computerbildschirme gestarrt wurde, wie Manna vom Himmel. Ebenso wird das Qualifying ignoriert. Irgendwann stehen die Rennautos in einer bestimmten Reihenfolge am Start. Die beiden APXGP-Fahrer stehen dann auf den letzten beiden Startpositionen, weil sie uns als das Verliererteam vorgestellt wurden. Nach dem Start provoziert und rammt Sonny die anderen Fahrer so rücksichtslos von der Strecke, dass er wahrscheinlich schon während der ersten beiden Runden gegen alle geschriebenen und ungeschriebenen Regeln verstößt. Das ist natürlich vollkommen unrealistisch, aber im Kinosessel sehr vergnüglich anzusehen. Vor allem wenn der immer noch erschreckend jugendliche Brad Pitt als sympathischer Agent des Chaos fungiert.
Dass die Formel 1 eine riesengroße kommerzielle Veranstaltung ist, findet ihren Niederschlag nur in omnipräsenten Firmenlogos und dem Hinweis im Abspann, dass es im Film Product Placement gibt.
Die Authentizität beim Dreh, Kosinskis schlackenfreie Inszenierung, die überzeugenden Schauspieler und der präzise Schnitt machen den Film trotz vorhersehbarer Geschichte, bestenfalls rudimentär gezeichneten Klischeefiguren und einer Länge von 156 Minuten, zu einem atemberaubendem, kurzweiligem und kompetent gemachtem Stück wirklichkeitsfernem Blockbuster-Kino.
„F1“ ist bei den aktuellen sommerlichen Temperaturen genau der richtige Film für einen langen Besuch in einem gut gekühltem Kino.
F1 – Der Film (F1 – The Movie, USA 2025)
Regie: Joseph Kosinski
Drehbuch: Ehren Kruger (nach einer Geschichte von Joseph Kosinski und Ehren Kruger)
mit Brad Pitt, Kerry Condon, Javier Bardem, Damson Idris, Shea Whigham, Simone Ashley, Tobias Menzies, Liz Kingsman, Lewis Hamilton, Kim Bodnia
Drehbuch: Denis Villeneuve, Jon Spaihts, Eric Roth
LV: Frank Herbert: Dune, 1965 (Dune – Der Wüstenplanet)
TV-Premiere. Erfurchtsvolle Bebilderung der ersten Hälfte von Frank Herberts „Der Wüstenplanet“. Den Fans, dem Publikum und den Kritikern gefiel das Werk.
Die Verfilmung der zweiten Buchhälfte lief dieses Jahr, ebenfalls erfolgreich, im Kino. Und irgendwann demnächst – ein Startdatum gibt es noch nicht, aber das Drehbuch soll schon fertig sein – verfilmt Villeneuve „Dune Messiah“.
mit Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Oscar Isaac, Jason Momoa, Stellan Skarsgård, Stephen McKinley Henderson, Josh Brolin, Javier Bardem, Sharon Duncan-Brewster, Chang Chen, Dave Bautista, David Dastmalchian, Zendaya, Charlotte Rampling, Babs Olusanmokun, Benjamin Clementine
Wiederholungen:
Pro 7, Donnerstag, 26. Dezember, 14.40 Uhr
Kabel 1, Mittwoch, 8. Januar, 20.15 Uhr
–
Die Vorlage
Frank Herbert: Dune – Der Wüstenplanet
(übersetzt von Jakob Schmidt)
Heyne, 2020 (die Filmausgabe)
800 Seiten
12,99 Euro
–
Zum Filmstart erschien der Roman mit einem neuen Cover.
Vor dem Filmstart erschien der Roman bereits in mehreren Übersetzungen.
Max ist ein nett-harmloser Los-Angeles-Taxifahrer, der von einem eigenen Unternehmen träumt, aber seit zwölf Jahren sein Leben als Angestellter fristet. Da steigt Vincent ein und bietet ihm 600 Dollar, wenn er ihn in den kommenden Stunden zu fünf Freunden fährt. Nach dem ersten Stopp, weiß Max, dass Vincent ein Autragkiller ist und er ihn zu den nächsten Opfern bringen soll.
„Collateral“ ist ein kleiner, ökonomisch erzählter Neo-Noir-Thriller über das tödliche Aufeinandertreffen zweier Charaktere ihrer vollkommen gegensätzlichen Lebensauffassungen; ist ein grandios besetzter Schauspielerfilm; ist eine Liebeserklärung an das nächtliche Los Angeles und wahrscheinlich der beste Film von Michael Mann.
Mit Tom Cruise, Jamie Foxx, Jada Pinkett Smith, Mark Ruffalo, Peter Berg (Regisseur von “Operation: Kingdom” und „Hancock“), Bruce McGill, Javier Bardem, Jason Statham (Miniauftritt auf dem Flughafen)
No Country for Old Men (No Country for Old Men, USA 2007)
Regie: Ethan Coen, Joel Coen
Drehbuch: Ethan Coen, Joel Coen
LV: Cormac McCarthy: No Country for Old Men, 2005 (Kein Land für alte Männer)
Lewellyn Moss findet in der texanischen Wüste die Überreste eines gescheiterten Drogendeals: Leichen, Heroin und zwei Millionen Dollar. Er schnappt sich die Kohle und steht auf der Abschussliste eines gnadenlosen Killers.
Feine McCarthy-Verfilmung der Coen-Brüder, die, neben vielen anderen Preisen, auch den Oscar als bester Film des Jahres gewann und für den Edgar nominiert war (aber das war auch mit dem Gewinner “Michael Clayton”, “Tödliche Versprechen”, “Zodiac – Die Spur des Verbrechers” und “Die Regeln der Gewalt” ein starkes Jahr für Krimifreunde).
Mit Tommy Lee Jones, Javier Bardem, Josh Brolin, Woody Harrelson, Kelly Macdonald
Wiederholung: Sonntag, 21. April, 01.20 Uhr (Taggenau!)
Paul Atreides, wieder gespielt von Timothée Chalamet, ist zurück. Und jetzt wird es etwas kompliziert. Denn „Dune: Part 2“ erzählt die Geschichte des ersten Teils weiter. Dabei umfasst der zweite Teil die zweite Hälfte von Frank Herberts Science-Fiction-Roman „Der Wüstenplanet“. Der 1965 im Original erschienene Roman ist ein SF-Klassiker, der seitdem immer erhältlich war. In unzähligen Romanen wurde seitdem die Geschichte des Wüstenplaneten weiter erzählt. Herberts Roman wurde zweimal verfilmt. Einmal in einer damals gefloppten, inzwischen legendären Verfilmung von David Lynch. Einmal als wohl okaye Mini-TV-Serie. Und jetzt von Denis Villeneuve, der sich um eine möglichst große Werktreue bemüht. Deshalb machte er aus den 800 Seiten des Romans auch keinen Zwei-Stunden-Film, sondern erzählt die Geschichte in zwei überlangen Filmen. Der erste Film ist 156 Minuten. Der zweite 166 Minuten. Zusammen sind das über fünf Stunden in denen er bildgewaltig und in epischer Breite und Zähigkeit die Geschichte von Paul Atreides erzählt. Er ist der Sohn von Herzog Leto Atreides und kraft seiner Geburt der künftige Herrscher des Hauses Atreides. Seine Familie hat vom Imperator als überaus wertvolles Lehen den Wüstenplaneten Arrakis erhalten. Auf dem Planeten gibt es den für die Raumfahrt wichtigen Treibstoff, der gleichzeitig eine bewusstseinserweiternde Droge ist.
Aber die vorherigen Lehnsherrn, das Haus der Harkonnen, wollen wieder die Macht über den Planeten zurück erlagen und ihn weiter rücksichtslos ausbeuten. Sie sind die skrupellosen Bösewichter der Geschichte. Um an ihr Ziel zu gelangen, ermorden sie Leto Atreides. Bevor sie Paul Atreides ermorden können, flüchtet er in die Wüste zu dem Wüstenvolk der Fremen.
In diesem Moment beginnt der zweite Teil, der erzählt, wie Atreides zum Anführer der Fremen wird und sie gegen das Haus der Harkonnen in den Kampf führt. Atreides wird von den Fremen schnell als der in alten Schriften prophezeite Messias gesehen wird. Er nimmt den Kampf um die Herrschaft über den Planeten auf.
Viel mehr Story hat „Dune: Part 2“ nicht. Und alles was ich an dem Roman („eine arg dröge Lektüre“) und dem ersten Teil („eine viel zu ehrfurchtsvolle Bebilderung der ersten Hälfte des Romans“) kritisierte, trifft auch auf den zweiten Teil zu. So erzählt „Der Wüstenplanet“ eine typische White-Savior-Geschichte, in der der Retter kraft seines Blutes und der göttlichen Prophezeiung als künftiger Herrscher vorherbestimmt ist. Die in der Zukunft spielende Gesellschaft ist eine mittelalterliche Ständegesellschaft, in der Planeten Lehnsbesitz sind. Die Parallelen zwischen dem in den Sechzigern geschriebenem Roman, den damaligen Ansichten und Konflikten sind offensichtlich und müssen hier nicht weiter ausgeführt werden. Das habe ich bereits zum Start des ersten Teils in meiner Buch- und Filmbesprechung getan.
Dazu kommen im zweiten Teil, in dem Villeneuve die zweite Hälfte des Romans bebildert, weitere Probleme. So ist die Geschichte eine zufällige Ansammlung von Szenen. Wie Atreides zum Führer der Fremen aufsteigt, ist nebulös. Anstatt die einzelnen Schritte zu zeigen, überspringt Villeneuve diese. Irgendwann reitet Atreides auf einem Sandwurm und ist danach der von alptraumhaften Visionen geplagte Anführer. Bei den Kämpfen wird nie erklärt, wie sehr ein Sieg die Fremen in ihrem Kampf gegen die Ausbeuter ihrem Ziel näherbringt. Es ist einfach nur eine plötzlich endende Actionszene ohne jeden Kontext, die mühelos mit einem späteren Kampf zwischen den tapferen Fremen und den gesichtslosen Harkonnen-Söldnern getauscht werden könnte. Es würde nicht auffallen. Dazwischen gibt es Szenen von Männern, die in die Wüste starren und auf Sandwürmer warten. Es gibt religiös gefärbten Mythenbrei. Es gibt Szenen, in denen die Schauspieler salbungsvolle Sätze in enervierender Langsamkeit von sich geben. Am Ende wird in den gut drei Stunden, die „Dune: Part 2“ dauert, wahrscheinlich weniger als in einem halben Film von Woody Allen gesprochen. Dafür darf Javier Bardem als tapferer Fremen-Krieger Stilgar in jedem zweiten Satz sagen, dass Atreides der Messias ist. Zunächst glauben seine Kampfgefährten ihm nicht und auch Atreides möchte noch nicht die Rolle des Messias annehmen. Weitere Stars, wie Josh Brolin, Austin Butler, Florence Pugh, Dave Bautista, Christopher Walken, Léa Seydoux, Stellan Skarsgård und Charlotte Rampling, haben teils nur kurze Auftritte. Darüber legt Hans Zimmer einen Ambient-Soundteppich, der vor allem aus bedeutungsschwangerem Brummen besteht, das in diesem Fall die Grenze zur Parodie schon lange überschritten hat.
Immerhin sehen die in der Wüste aufgenommenen Bilder gut aus, einige computergenierte Spezialeffekte sind gelungen und es immer erfreulich, einige Schauspieler im Kino zu sehen. Auch wenn sie in dem Film, außer ihrer Anwesenheit, nicht viel zu tun haben.
Das ändert nichts daran, dass Welt des Wüstenplaneten immer noch keine Welt für mich ist.
In aktuellen Interviews sagte Villeneuve, dass er das Drehbuch für einen dritten „Dune“-Film bereits fast fertig geschrieben habe. Der Film, basierend auf dem zweiten „Dune“-Roman „Der Herr des Wüstenplaneten“ (Dune Messiah, 1969), würde zwölf Jahre nach den in „Der Wüstenplanet“ geschilderten Ereignissen spielen. Wann „Dune Messiah“ verfilmt wird, ist unklar. Aber es dürfte keine zwölf Jahre dauern.
Dune: Part 2(Dune: Part 2, USA 2024)
Regie: Denis Villeneuve
Drehbuch: Denis Villeneuve, Jon Spaihts
LV: Frank Herbert: Dune, 1965 (Dune – Der Wüstenplanet)
mit Timothée Chalamet, Zendaya, Rebecca Ferguson, Josh Brolin, Austin Butler, Florence Pugh, Dave Bautista, Christopher Walken, Léa Seydoux, Souheila Yacoub, Stellan Skarsgård, Charlotte Rampling, Javier Bardem
Länge: 166 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
–
Die Vorlage (mit dem aktuellen Cover)
Frank Herbert: Dune – Der Wüstenplanet
(übersetzt von Jakob Schmidt)
Heyne, 2024 (die Filmausgabe)
800 Seiten
12,99 Euro
–
Vor dem Filmstart erschien der Roman bereits in mehreren Übersetzungen und Ausgaben.
Eine Frau lebt mit ihrem älteren Mann, einem Dichter, in einem einsam gelegenem Haus. Eines Tages klopft ein Fremder an die Tür. In den kommenden Tagen klopfen weitere Fremde an.
TV-Premiere – überfällig und leider zu mitternächtlicher Stunde versteckt bei einem Minisender. Arte hilf!
Grandios inszenierter, top besetzter, köstlich interpretationsoffener Horrorfilm.
mit Jennifer Lawrence, Javier Bardem, Michelle Pfeiffer, Ed Harris, Domhnall Gleeson, Brian Gleeson, Kristen Wiig, Stephen McHattie, Laurence Leboeuf, Sarah-Jeanne Labrosse
James Bond 007: Skyfall(Skyfall, Großbritannien/USA 2012)
Regie: Sam Mendes
Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, John Logan
LV: Charakter von Ian Fleming
James Bond jagt Raoul Silva, der zuerst die Datei mit den Identitäten von allen Geheimagenten, die undercover in Terroristennetzwerken arbeiten, entwendet und dann den gesamten britischen Geheimdienst ins Nirvana schicken will, weil M(ama) nicht nett zu ihm war.
Lange vor dem Filmstart erscholl im Internet der Klagechor über die Besetzung von Arielle. Denn Disney besetzte im Realfilmremake ihres gleichnamigen Trickfilms von 1989 die Rolle der Meerjungfrau mit einer Schwarzen. Zugegeben, eine hellhäutige Schwarze, aber nichtsdestotrotz eine Schwarze und für einige Fans der 1989er Version von „Arielle, die Meerjungfrau“ (The little Mermaid) war das zu viel.
Dabei ist es doch vollkommen egal, welche Hautfarbe oder auch Geschlecht eine Meerjungfrau hat. Wir wissen es nicht. Ihre Haut könnte auch Gelb, Grün, Braun oder Silbern sein. Sie könnte weiblich, männlich, bi-, trans- oder asexuell sein; – wobei in der Literaturwissenschaft die Theorie verfochten wird, dass in dem Märchen „Die kleine Meerjungfrau“, der Vorlage für diese beiden Disney-Filme, Hans Christian Andersen seine Homosexualität und seine zum Scheitern verurteilte Liebe zu Edvard Collins verarbeitete. Uups.
Die Hautfarbe der Hauptdarstellerin sagt auch nichts über die Qualität eines Films aus. Regie, Drehbuch und, immerhin ist „Arielle, die Meerjungfrau“ ein Musical, die Musik sind wichtiger.
Und weil „Arielle, die Meerjungfrau“ die neueste Disney-Realverfilmung ist, hat sie die gleichen Probleme, wie die vorherigen Disney-Realverfilmungen. Wieder einmal wurde ein alter, erfolgreicher und immer noch beliebter Trickfilm genommen und die Geschichte, mit all ihrem ideologischem Ballast, 1-zu-1 neu verfilmt. Nur dieses Mal mit Schauspielern und CGI-Tricks. Einige dieser Realverfilmungen, wie „Der König der Löwen“, sind letztendlich hundertfünfzigprozentige CGI-Filme. Deshalb ist die Rede von Realverfilmung etwas irreführend, aber etabliert. Auch in „Arielle, die Meerjungfrau“ sind die meisten Bilder am Computer entstanden und wahrscheinlich wurden nach dem Dreh alle Bilder umfangreich nachbearbeitet.
Die Meerjungfrau Arielle lebt mit ihren Schwestern in einem von ihrem Vater König Triton gutmütig regiertem Unterwasserreich. Im Gegensatz zu ihren Schwestern ist Arielle von den Menschen fasziniert. Bei einem ihrer Ausflüge entdeckt sie auf einem Segelschiff Prinz Eric. Sofort verliebt sie sich in den jungen Mann, der gut aussieht und ein echter Traumprinz ist. Aber ihre Liebe kann nicht erwidert werden. Sie leben in verschiedenen Welten und können in der anderen Welt nicht leben. Er kann unter Wasser nicht atmen. Sie kann sich mit ihrem Schwanz an Land nicht voran bewegen.
Da bietet die Meerhexe Ursula ihr eine Verwandlung an. Im Tausch für ihre wunderschöne Stimme bekommt sie Beine und kann die Welt der Menschen erkunden. Wenn sie innerhalb von drei Tagen geküsst wird, kann sie ein Mensch bleiben. Wenn nicht, wird sie bis in alle Ewigkeit eine von Ursulas Sklavinnen sein. Arielle willigt ein und kann danach die Insel betreten, auf der Eric lebt. Jetzt muss der Traumprinz sie nur noch wahrhaft lieben und küssen.
Für den Film wurden neben R&B-Sängerin Halle Bailey, die Arielle spielt, Jonah Hauer-King als Prinz Eric, Javier Bardem als König Triton und Melissa McCarthy als Meerhexe Ursula gecastet. Bardem ist blass wie noch nie. McCarthy ist bis zum Ende, wo sie endlich durchdrehen darf, vollkommen und sträflich unterfordert.
Die erstaunlich altmodisch klingende Musik ist wieder Alan Menken. Die bekannten Songs aus der Trickfilmversion, wie „Under the Sea“, „Kiss the Girl“, „Part of your World“ und „Poor unfortunate Souls“ werden wieder, teils mit aktualisierten Texten, gesungen. Für drei neue Songs und eine Reprise schrieb „Hamilton“ Lin-Manuel Miranda die Texte.
Die CGI-Effekte sind gelungen, aber auch ein großes Manko des Films. Während bei einem Zeichentrickfilm immer offensichtlich ist, dass das Gezeigte nicht real, sondern bestenfalls nur eine abstrakte Version der Realität ist, suggeriert eine Realverfilmung das Gegenteil. Tiere sehen wie Tiere aus. Sie bewegen sich wie die gezeigten Tiere. Und dann fällt auf, dass die Proportionen der Meereslebewesen immer etwas falsch sind; dass sprechende Krabben, Fische und Basstölpel als Sidekicks seltsam sind, dass die durchgehend wohlproportionierten Meerjungfrauen einerseits keinen Kontakt zur Menschheit haben, andererseits immer züchtig ein Bikini-Oberteil anhaben und, dieser Punkt nervte mich am meisten, dass die Haare der Meerjungfrauen und von König Triton im Wasser immer schweben und offensichtlich trocken sind, während sie sich an Land, auf der windumtosten Karibik-Insel, nicht mehr bewegen. Auch nicht bei einer wilden Fahrt in einer Kutsche.
Mit über 135 Minuten ist das Musical eindeutig zu lang geraten. Der gelungenere Trickfilm erzählt seine Geschichte in 85 Minuten.
Arielle, die Meerjungfrau (The little Mermaid, USA 2023)
Regie: Rob Marshall
Drehbuch: David Magee
LV: Hans Christian Andersen: Den lille Havfrue, 1837 (Die kleine Meerjungfrau)
mit Halle Bailey, Daveed Diggs, Jacob Tremblay, Awkwafina, Jonah Hauer-King, Art Malik, Noma Dumezweni, Javier Bardem, Melissa McCarthy
Als die Familie Primm in New York in einen mehrstöckigen Altbau zieht, begrüßen Vater und Mutter die neuen Möglichkeiten, die sich für sie in der Großstadt eröffnen. Ihr Sohn Josh ist weniger begeistert.
Das ändert sich erst, als der schüchterne Junge auf dem Dachboden ein Krokodil entdeckt. Es gehört Hector B. Valenti. Der Variete-Zauberer musste sich auf eine lange Tour durch die Provinz begeben, um Schulden abzubezahlen und um vor seinen Schuldner in Sicherheit zu sein.
Bevor Valenti an die Haustür klopft – er hat in dem Haus ein auf einige Tage im Jahr beschränktes lebenslanges Wohnrecht -, hat Josh bereits das Geheimnis des Krokodils Lyle entdeckt. Es ist lebendig, singt gern und ist ein richtiger Freund zum Knuddeln, mit dem man nach Sonnenuntergang die Stadt erkunden kann.
„Lyle – Mein Freund, das Krokodil“ ist die erste Kinoverfilmung von Bernard Wabers Lyle-Geschichten, die er ab 1962 für Kinder schrieb. Davor entstand nur die knapp halbstündige TV-Episode „Lyle, Lyle Crocodile: The Musical ‚The House on East 88th Street’“, die 1987 den Auftakt der „HBO Storybook Musicals“-Reihe bildete.
Für die Kino-Verfilmung wurden einige Kleinigkeiten modernisiert, es gibt CGI-Tricks und die Handlungszeit der Geschichte wurde in die Gegenwart verlegt. Trotzdem kann und will das von Will Speck und Josh Gordon inszenierte Filmmusical nicht verleugnen, dass diese Lyle-Geschichte in der ersten Hälfte der Sechziger entstanden ist.
Entstanden ist ein Kinderfilm mit Javier Bardem, der hier, enorm spielfreudig und gut aufgelegt, den schmierigen, aber auch charmanten und sehr lebensbejahenden Zauberer Valenti spielt.
Für Kinder ist das sicher vergnüglich. Für Ältere fehlt dann doch die zweite und dritte Ebene, die es bei Pixar-Filmen gibt.
Lyle – Mein Freund, das Krokodil (Lyle, Lyle, Crocodile, USA 2022)
Regie: Will Speck, Josh Gordon
Drehbuch: Will Davies
LV: Bernard Waber: The House on East 88th Street, 1962; Lyle, Lyle, Crocodile, 1965
mit Javier Bardem, Constance Wu, Winslow Fegley, Scoot McNairy, Brett Gelman, Shawn Mendes (im Original: Stimme von Lyle)
James Bond 007 – Skyfall(Skyfall, Großbritannien/USA 2012)
Regie: Sam Mendes
Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, John Logan
LV: Charakter von Ian Fleming
James Bond jagt Raoul Silva, der zuerst die Datei mit den Identitäten von allen Geheimagenten, die undercover in Terroristennetzwerken arbeiten, entwendet und dann den gesamten britischen Geheimdienst ins Nirvana schicken will, weil M(ama) nicht nett zu ihm war.
Julio Blanco hält in seiner Fabrik eine dieser salbadernden Reden, die Chefs bei wichtigen Anlässen halten und die ihre Angestellte klaglos über sich ergehen lassen. Der Chef des Familienunternehmens für Industriewaagen sagt, sie alle seien eine Familie, er betont erhaltene Auszeichnungen und deutet an, dass sie, also er, demnächst eine weitere Auszeichnung erhalten könnten. Nämlich den für exzellente Unternehmensführung, verliehen von der Regionalregierung. In den nächsten Tage werde das Auswahlkomitee überraschend die Firma besuchen und dann entscheiden, welcher der Finalisten den Preis erhalten wird.
Bis es soweit ist, vergehen noch einige Tage. Was an diesen Tagen geschieht, erzählt Fernando León de Aranoa („Loving Pablo“) in seiner sanften Satire „Der perfekte Chef“ in der Form einer Chronik. Wochentag folgt auf Wochentag. Figuren werden eingeführt. Manche von ihnen haben Probleme. Ereignisse werden präsentiert, ohne dass über eine lange Zeit deutlich wird, warum sie wichtig sind oder welche Entwicklungen sie auslösen könnten. Es ist wie die Lektüre eines Tagebuches, in das der Schreiber einfach einträgt, was ihm an dem Tag zugestoßen ist. Das ist im Fall von Blanco die Begegnung mit einer jungen, ehrgeizigen Praktikantin, die seine Tochter sein könnte (ist sie nicht). Die Bitte eines Angestellten um Hilfe in einer schwierigen Situation. Blanco hilft, weil ein guter, ein perfekter Chef, das tut. Und weil er das Problem mit einem Anruf lösen kann. Er ärgert sich über einen ehemaligen Angestellten, der lautstark vor dem Firmentor protestiert. Er ärgert sich noch mehr darüber, dass er nichts dagegen tun kann, weil der ehemalige Angestellte das auf einem Stück Land tut, auf dem er ungestört protestieren darf. Und er kümmert sich um die perfekte Ausrichtung der Waage am Firmentor.
Auf den ersten Blick wirkt Blanco wie ein Biedermann, der keiner Fliege etwas antun kann und der immer etwas überfordert von den verschiedenen Anforderungen und Wünschen seiner Angestellten ist. Bardem zeigt allerdings immer, dass das nur der äußere Schein ist. Blanco ist ein hochgradig egoistischer und egozentrischer Mann, der seine Interessen ummäntelt mit dem Wohl der Firma.
Diese Scheinheiligkeit des Firmeninhabers offenbart León de Aranoa schon in den ersten Minuten seiner schwarzen Satire, die eher zum Schmunzeln als zum Lachen anregt. Nach der entlarvenden Ansprache in der Firma zeigt León de Aranoa Blanco und seine Frau beim sonntäglichen Frühstück im Garten. Während sie essen, repariert ein Mann am Swimmingpool eine Pumpe. Auf die Frage seiner Frau, wer das sei, antwortet Blanco seelenruhig und mit einem leicht abschätzigem Tonfall, das sei einer seiner Angestellten. Auf die anschließend schüchtern von ebenjenem Angestellten vorgetragene Bitte, seinem wegen einer nächtlichen Schlägerei inhaftiertem Sohn zu helfen, reagiert Blanco zunächst ablehnend. Auf Bitten seiner Frau und weil ein guter Patriarch das tut, tätigt er dann gönnerhaft einen Anruf bei einem hochrangigem Freund. Das Problem ist gelöst und mindestens zwei Menschen sind Blanco einen Gefallen schuldig.
Alles was in den folgenden gut zwei Stunden über Blanco enthüllt wird, bestätigt nur den ersten Eindruck.
Aber dank Javier Bardems grandiosem Spiel ist „Der perfekte Chef“ sehenswert. Als Schauspielerkino, nicht als Satire.
Der perfekte Chef(El buen patrón, Spanien 2021)
Regie: Fernando León de Aranoa
Drehbuch: Fernando León de Aranoa
mit Javier Bardem, Manolo Solo, Almudena Amor, Óscar de la Fuente, Sonia Almarcha, Fernando Albizu, Tarik Rmili, Rafa Castejón, Celso Bugallo, Martín Páez, Yaël Belicha, Mara Guil, Nao Albet, María de Nati
Max ist ein nett-harmloser Los-Angeles-Taxifahrer, der von einem eigenen Unternehmen träumt, aber seit zwölf Jahren sein Leben als Angestellter fristet. Da steigt Vincent ein und bietet ihm 600 Dollar, wenn er ihn in den kommenden Stunden zu fünf Freunden fährt. Nach dem ersten Stopp, weiß Max, dass Vincent ein Autragkiller ist und er ihn zu den nächsten Opfern bringen soll.
„Collateral“ ist ein kleiner, ökonomisch erzählter Neo-Noir-Thriller über das tödliche Aufeinandertreffen zweier Charaktere ihrer vollkommen gegensätzlichen Lebensauffassungen; ist ein grandios besetzter Schauspielerfilm; ist eine Liebeserklärung an das nächtliche Los Angeles und wahrscheinlich der beste Film von Michael Mann.
Mit Tom Cruise, Jamie Foxx, Jada Pinkett Smith, Mark Ruffalo, Peter Berg (Regisseur von “Operation: Kingdom” und „Hancock“), Bruce McGill, Javier Bardem, Jason Statham (Miniauftritt auf dem Flughafen)
Wiederholung: Donnerstag, 7. Juli 02.50 Uhr (Taggenau!)
James Bond 007 – Skyfall(Skyfall, Großbritannien/USA 2012)
Regie: Sam Mendes
Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, John Logan
LV: Charakter von Ian Fleming
James Bond jagt Raoul Silva, der zuerst die Datei mit den Identitäten von allen Geheimagenten, die undercover in Terroristennetzwerken arbeiten, entwendet und dann den gesamten britischen Geheimdienst ins Nirvana schicken will, weil M(ama) nicht nett zu ihm war.
Höhepunkt des RTL-James-Bond-Tages, der um 5.45 Uhr mit „James Bond 007 jagt Dr. No“ beginnt. Danach folgen „Goldfinger“ (um 7.30 Uhr), „Leben und sterben lassen“ (um 09.45 Uhr), „Octopussy“ (um 12.20 Uhr), „Der Hauch des Todes“ (um 15.00 Uhr) und „Being James Bond“ (einstündige Doku über Daniel Craig, um 17.40 Uhr und um 04.10 Uhr).
mit Daniel Craig, Judi Dench, Javier Bardem, Ralph Fiennes, Naomie Harris, Bérénce Marlohe, Ben Whishaw, Albert Finney, Rory Kinnear, Ola Rapace
Als Warner Bros. Pictures im Dezember 2020 ankündigte, dass sie in den USA „Dune“ und weitere Blockbuster gleichzeitig im Kino und auf ihrem Streamingportal HBO Max veröffentlichen würden, war „Dune“-Regisseur Denis Villeneuve verärgert. Er befürchtete, dass dieser Schritt weitere „Dune“-Kinofilme verhindere.
Damals klang das nach dem Gefühlsausbruch eines gekränkten Regisseurs, der seine Filme lieber im Kino sieht. Heute wissen wir, dass er das auch sagte, weil er in „Dune“ nur die erste Hälfte von Frank Herberts achthundertseitigem SF-Klassiker „Dune – Der Wüstenplanet“ verfilmt hat. Sein Film endet nach hundertfünfzig Minuten einfach mitten in der Geschichte. Das Ende gibt es dann in ein, zwei Jahren und einen dritten „Dune“-Film, der auf „Der Herr des Wüstenplaneten“ (Dune Messiah, 1969) basieren soll, später. Falls es nicht dazu kommt, hat man mit „Dune“ einen halben Film gesehen. Und, ja, ich meine das genau so, wie ich es sage: „Dune“ ist wie ein „Tatort“, den man nach 45 Minuten anhält. Wobei der Vergleich mit Robert Schwentkes „Die Bestimmung – Allegiant“ (The Divergent Series: Allegiant, USA 2016) treffender wäre. Das war die erste Hälfte des zweiteiligen Finales einer vierteiligen Young-Adult-Dystopie, von der der Abschluss des Finales nie gedreht wurde. Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Auch weil bis jetzt noch nicht bekannt ist, ob es „Dune: Part Two“ geben wird.
Immerhin führt die schon lange vor dem Dreh gefällte Entscheidung, „Dune – Der Wüstenplanet“ in zwei Filmen zu erzählen, dazu, dass Villeneuve viel Zeit hat, die Geschichte zu erzählen. Nämlich, wenn der zweite Teil wieder hundertfünfzig Minuten lang ist, gut fünf Stunden. Er kann also in aller Ruhe Figuren, Konflikte und Themen einführen. Er kann, immerhin soll „Dune“ der Auftakt einer Trilogie sein, das alles so einführen, das es bereits im ersten Film Hinweise auf Entwicklungen gibt, die erst im zweiten oder dritten Film wichtig werden. Genau das scheint Villeneuve mit dem aus der Perspektive der Fremen erzähltem Prolog zu beabsichtigen. Es wird, so der erste Eindruck, nicht die Geschichte von Paul Atreides sondern die der Fremen erzählt. In den nächsten Minuten ändert sich das. Die ersten vierzig Minuten spielen auf dem Wasserplaneten Caladan, dem alten Sitz des Hauses Atreides. Die nächsten fünfzig Minuten spielen dann auf Arrakis, dem neuen Sitz des Hauses Atreides, dem Wüstenplanet. Diese neunzig Minuten sind vor allem eine Einführung der Welt, in der die Geschichte spielt und der wichtigen Figuren. Villeneuve folgt hier zwar Herberts Buch, aber er präsentiert den Protagonisten Paul Atreides (Timothée Chalamet), der schon auf Caladan Visionen von einer in der Wüste lebenden, für ihn wichtigen, jetzt aber noch unbekannten Frau hat und der der Auserwählte ist, seinen Vater Leto Atreides (Oscar Isaac), einem besonnenem Herrscher, und seine Mutter Jessica Atreides (Rebecca Ferguson), einer Bene Gesserit, und die verschiedenen Konflikte so, dass sie nachvollziehbar sind. Besonders wichtig ist der Konflikt mit dem Haus der Harkonnen. Sie sind die bisherigen Kolonialherren von Arrakis und sie wollen den Planeten wieder in ihren Besitz bringen. Auf dem Planeten gibt es das Gewürz, auch Melange oder Spice genannt. Es ist gleichzeitig eine Bewusstseinserweiternde Droge und der Treibstoff für die Raumschiffe. Deshalb ist die Herrschaft über den Wüstenplaneten eine Lizenz zum Gelddrucken.
Die Harkonnen sind die bösen Bösewichter, die als Kolonialherren despotische Unterdrücker waren. Um wieder die Herren über den Planeten zu werden, ermorden sie Leto Atreides und fast alle seine Gefolgsleute.
Paul und seine Mutter flüchten in die Wüste, wo die Fremen leben.
Ab diesem Moment wird der Film zu einer länglichen Abfolge von Episoden, die die Handlung nicht erkennbar voranbringen. Wer das Buch kennt und weiß, wie die Geschichte endet, ist hier im Vorteil. Denn nachdem Villeneuve in der ersten Hälfte des Films die Romanhandlung intelligent auf die Leinwand übertrug, klebt er nach Leto Atreides‘ Tod zu sehr an der episodenhaften Romanhandlung. Ein Thema ist nicht mehr erkennbar. Der den Roman bestimmende Konflikt mit den Harkonnen über die Herrschaft über den Wüstenplaneten verschwindet hier, wie im Roman, aus der Geschichte.
Auffallend ist in dem Moment auch das überkommene Frauenbild des 1965 erschienenen Romans, das hier bruchlos in den Film übertragen wird. Pauls Mutter Jessica Atreides, die ein Mitglied des einflussreichen Frauenordens der Bene Gesserit ist und die deshalb über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt, ist jetzt nur noch ein hilfsbedürftiges Anhängsel von Paul, der sie aus gefährlichen Situationen retten muss und gefährliche Situationen allein meistert. Und die Filmgeschichte ähnelt immer mehr „Lawrence von Arabien“ mit Paul als Retter der Fremen. Aber das ist dann die Geschichte des zweiten „Dune“-Films.
Villeneuve erzählt diese Geschichte, wie schon in seinem vorherigem Film „Blade Runner 2049“, mit teilweise enervierender, prätentiöser Langsamkeit. Natürlich sind die Bilder von dem Wüsten- und dem Wasserplaneten überwältigend. Die Präsentieraufmärsche der Soldaten sind, wie in den „Star Wars“-Filmen, zweckfrei, aber schön anzusehen. Und die Räume, durch die die Menschen gehen müssen, sind oft verschwenderisch groß. Das weckt auch immer wieder Erinnerungen an diverse Bibel-Filme; vielleicht auch weil Paul Atreides der Auserwählte, der Messias, ist,
In jedem Bild ist ein Übermaß an Respekt vor der Vorlage zu spüren. Villeneuve kürzte nicht herzhaft, setzte keine eigenen Schwerpunkte oder veränderte Perspektiven (was hätte aus „Dune“ für ein Film werden können, wenn Villeneuve die gesamte Geschichte aus der Perspektive der Fremen erzählt hätte!). Stattdessen folgt er Frank Herberts Geschichte fast schon sklavisch.
Trotz guter Momente, guter Schauspieler (teils nur in Minirollen), imposanter, für das Kino komponierter Bilder und einer guten ersten Hälfte, ist „Dune“ letztendlich ein enttäuschendes Werk. Das liegt allerdings nicht an der Vorlage, sondern an dem fehlendem Mut, die Geschichte aus den Sechzigern (wo sie mit ihrer Ideologie und ihren Bezügen steht) in die Gegenwart zu bringen und für den Film umfassend umzuarbeiten. Denn so wahnsinnig komplex, wie immer wieder behauptet wird, ist der Roman nicht.
Stattdessen gibt es eine viel zu ehrfurchtsvolle Bebilderung der ersten Hälfte des Romans.
Dune (Dune, USA 2021)
Regie: Denis Villeneuve
Drehbuch: Denis Villeneuve, Jon Spaihts, Eric Roth
LV: Frank Herbert: Dune, 1965 (Dune – Der Wüstenplanet)
mit Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Oscar Isaac, Jason Momoa, Stellan Skarsgård, Stephen McKinley Henderson, Josh Brolin, Javier Bardem, Sharon Duncan-Brewster, Chang Chen, Dave Bautista, David Dastmalchian, Zendaya, Charlotte Rampling, Babs Olusanmokun, Benjamin Clementine
Länge: 156 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Die Vorlage
Frank Herbert: Dune – Der Wüstenplanet
(übersetzt von Jakob Schmidt)
Heyne, 2020 (die Filmausgabe)
800 Seiten
12,99 Euro
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Zum Filmstart erschien der Roman mit einem neuen Cover.
Vor dem Filmstart erschien der Roman bereits in mehreren Übersetzungen.
Offenes Geheimnis (Todos lo saben, Spanien/Frankreich/Italien 2018)
Regie: Asghar Farhadi
Drehbuch: Asghar Farhadi
Zur Hochzeit ihrer jüngeren Schwester kehrt Laura wieder in ihre alte Heimat zurück. Während der Hochzeitsfeier wird ihre Tochter entführt.
„Offenes Geheimnis“ ist nicht Asghar Farhadis bester Film, aber ein Film mit Penélope Cruz und Javier Bardem ist immer sehenswert. Außerdem ist die erste Hälfte von „Offenes Geheimnis“ sehr gelungen.
No Country for Old Men (No Country for Old Men, USA 2007)
Regie: Ethan Coen, Joel Coen
Drehbuch: Ethan Coen, Joel Coen
LV: Cormac McCarthy: No Country for Old Men, 2005 (Kein Land für alte Männer)
Lewellyn Moss findet in der texanischen Wüste die Überreste eines gescheiterten Drogendeals: Leichen, Heroin und zwei Millionen Dollar. Er schnappt sich die Kohle und steht auf der Abschussliste eines gnadenlosen Killers.
Feine McCarthy-Verfilmung der Coen-Brüder, die, neben vielen anderen Preisen, auch den Oscar als bester Film des Jahres gewann und für den Edgar nominiert war (aber das war auch mit dem Gewinner “Michael Clayton”, “Tödliche Versprechen”, “Zodiac – Die Spur des Verbrechers” und “Die Regeln der Gewalt” ein starkes Jahr für Krimifreunde).
Mit Tommy Lee Jones, Javier Bardem, Josh Brolin, Woody Harrelson, Kelly Macdonald
James Bond 007 – Skyfall(Skyfall, Großbritannien/USA 2012)
Regie: Sam Mendes
Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, John Logan
LV: Charakter von Ian Fleming
James Bond jagt Raoul Silva, der zuerst die Datei mit den Identitäten von allen Geheimagenten, die undercover in Terroristennetzwerken arbeiten, entwendet und dann den gesamten britischen Geheimdienst ins Nirvana schicken will, weil M(ama) nicht nett zu ihm war.
Sally Potters vorheriger Film „The Party“ war eine furiose Abrechnung in Schwarz-Weiß. Mit einem grandiosen Ensemble. In siebzig Minuten zerdepperte Sally Potter mehrere Leben und entwarf ein tiefschwarzhumoriges Sittengemälde der linksliberalen Politelite und ihres Umfelds.
Ihr neuer, mit knapp neunzig Minuten etwas länger geratener Film „Wege des Lebens – The Roads not taken“ ist das Gegenteil. In Farbe und mit einer Hauptperson um die sich alles dreht. Ein großer Teil des Films spielt auch in seinem Kopf.
Leo (Javier Bardem) vegetiert in einem heruntergekommenem, äußerst spärlich möbliertem Apartment mitten in New York mit einem Blick auf die im Minutentakt, direkt vor dem Fenster, vorbeidonnernde S-Bahn. Die meiste Zeit verbringt er, katatonisch an eine Wand starrend, im Bett.
Heute muss er allerdings einige Ärzte besuchen. Seine Tochter Molly (Elle Fanning) will ihn dabei begleiten. Wenn sie ihn ohne größere Zwischenfälle und Verzögerungen aus dem Bett, aus der Wohnung, in ein Taxi und zum Arzt bringen kann.
Sally Potters neuer Film ist vor allem eine Leistungsschau für Javier Bardem, der Leo spielt und der mit ausdruckslosem Gesicht ein Maximum an Gefühlen spielen muss. Es ist auch ein filmisches Experiment. Denn Potter entwirft schnell ein assoziatives Netz zwischen der Realität, die Leo nicht mehr begreift, und seinen Gedanken, aus denen sich zwei Geschichten herauskristallisieren. In der einen, in Mexiko spielenden, Geschichte lebt er mit Dolores (Salma Hayek) in einer stürmischen, von einem traumatischen Ereignis überschatteten Beziehung zusammen. In der anderen Geschichte lebt er als Schriftsteller auf einer griechischen Insel. Dort arbeitet er an seinem neuen Buch. Als er zwei junge Urlauberinnen trifft, beginnt er mit ihnen zu flirten. Die eine zeigt sich seinen Avancen gegenüber aufgeschlossen.
Bei diesen beiden Geschichten ist lange unklar, ob es sich hier um mehr oder weniger wahre Erinnerungen oder um Wunschträume, die wir auch falsche oder erdachte Erinnerungen nennen können, handelt. Am Ende wird klar, dass es sich um Träume oder, anknüpfend an den Originaltitel „The Roads not taken“, um Gedankenspiele über mögliche Verläufe seines Lebens handelt. Also um nicht beschrittene Lebenswege; – wobei natürlich etwas unklar bleibt, ob Leo diese Leben hätte jemals Leben können. Denn er war, so viel erfahren wir aus den spärlichen biographischen Informationen im Film, ein durchaus erfolgreicher, inzwischen geschiedener Schriftsteller. Seine Ex-Frau Rita (Laura Linney in einem erfrischend scharfzüngigem Kurzauftritt) ist ebenfalls Schriftstellerin. Aber erfolgreicher als er und immer noch im vollen Besitz ihres Verstands. Außerdem war Leo ein schlechter Vater. Früher kümmerte er sich nicht um ihre gemeinsame Tochter Molly. Das hindert Molly jetzt nicht daran, sich um ihren Vater zu kümmern.
Und das ist einer der Momente, in denen ich mir während des Films einige Hintergrundinformationen gewünscht hätte. So bleibt vollkommen unklar, warum Molly sich um ihren Vater kümmert. Es bleibt auch vollkommen unklar, warum Leo in diesem Apartment endete. Außer man betrachtet das Apartment als eine Visualisierung seines geistigen Zustandes.
Es ist auch ein Film der mit zunehmender Laufzeit, vor allem gegen Filmende, wenn Leo noch einmal, wie ein störrisches Kind ausbüxt, etwas redundant wird. Und es ist auch ein Film, in dem die Ärzte betont verständnislos auf Leo reagieren. Dabei sollten sie einige Erfahrungen mit dementen Personen haben und vor seinem Besuch über seine Krankheit informiert worden sein.
Trotzdem ist „Wege des Lebens – The Roads not taken“ insgesamt aus zwei Gründen sehenswert. Der eine Grund ist Javier Bardem. Der andere Grund ist, wie Sally Potter es gelingt, die Struktur von Erinnerungen sicht-, fühl- und begreifbar zu machen.
Wege des Lebens – The Roads not taken(The Roads not taken, USA 2020)
Regie: Sally Potter
Drehbuch: Sally Potter
mit Javier Bardem, Elle Fanning, Salma Hayek, Laura Linney, Milena Tscharntke, Branka Katic, Waleed Akhtar, Cory Peterson, Debora Weston, Griffin Stevens