Drehbuch: Dan McDermott, John Glenn, Travis Adam Wright, Hillary Seitz
Actionfilm über einen slackerhaften Copyshop-Angestellten und eine alleinerziehende Mutter, die plötzlich in das Fadenkreuz von Polizei und Geheimdiensten geraten. Die Regierung hält sie für gemeingefährliche Terroristen. Eine geheimnisvolle Frau hilft ihnen via Telefon immer wieder aus der größten Gefahr. Und die beiden Gejagten wollen herausfinden, warum sie öfters in Lebensgefahr geraten als James Bond in einem halben Dutzend Abenteuer.
Der Paranoiathriller soll nach Meinung der Macher vor der totalen Überwachung warnen. Das dürften einige ältere Filme („Staatsfeind Nr. 1“?; um nicht in die siebziger Jahre zurückzugehen) schon besser erledigt haben. Dafür gibt es Action satt, eine damals aufsehenerrengenden Cast mit aufstrebenden Stars (wie „Transformers“ Shia LaBeouf, der danach karrieretechnisch in die falsche Richtung abbog) und vielen Anspielungen auf andere Filme. Den Kritikern gefiel’s nicht. Dem zahlenden Publikum schon mehr.
mit Shia LaBeouf, Michelle Monaghan, Rosario Dawson, Michael Chiklis, Billy Bob Thornton, Anthony Mackie, Julianne Moore (Stimme, im Original)
Normalerweise heißt es bei den Superheldenfilmen von Marvel und DC, man solle bitte nichts spoilern, um den Fans nicht die Überraschung zu verderben. Die offiziellen Synopsen sind oft nebulös. Die Trailer zeigen nur einige beeeindruckende Bilder. Sie transportieren eine Stimmung und sollen primär Erwartungen wecken. Aber auch wer vor dem Filmstart alle Trailer gesehen und jeden Krümmel Information ausführlich analysiert hat, weiß wenig bis nichts über den Film.
Nicht so im Fall von „Captain America: Brave New World“. Die offizielle Synopse ist gewohnt nebulös: „Nach einem Treffen mit dem neu gewählten US-Präsidenten Thaddeus Ross, gespielt von Harrison Ford, der in diesem Film sein MCU-Debüt gibt, findet sich Sam Wilson plötzlich inmitten eines internationalen Konflikts wieder. Er muss die Hintergründe eines skrupellosen, globalen Komplotts aufdecken, bevor der wahre Strippenzieher die gesamte Welt ins Chaos stürzen kann. Ein atemloser Wettlauf gegen die Zeit beginnt… „
Der Trailer verrät dann schon, dass Thaddeus Ross Red Hulk ist. Eigentlich verrät er auch die gesamte Handlung. Jedenfalls den wichtigsten Handlungsstrang. Dazu kommen noch weitere Subplots und Bösewichter und Helfer von Sam Wilson, aka Captain America, die im Trailer kurz gezeigt werden. Gespielt wird Captain America von Anthony Mackie, der Wilson bereits in sechs Kinofilmen und der TV-Serie „The Falcon and the Winter Soldier“ (2021) spielte.
Der Film selbst ist der 35. Spielfilm im Marvel Cinematic Universe (MCU), der fünfte Film der sogenannten fünften Phase und Teil der hemmungslos verkorksten Multiverse Saga. Die fünfte Phase endet am 2. Mai mit dem Kinostart von „Thunderbolts“ und, entgegen der ursprünglichen Idee, mehrere aufeinander folgende Spielfilme in Phasen und Sagas miteinander zu verknüpfen, ist dieser Zusammenhang in der Mulitverse Saga nie ersichtlich. Neben den Spielfilmen gibt es inzwischen auch eine unüberschaubare Zahl von TV-Serien, die man sich ansehen sollte, um alles, was in den Filmen gezeigt wird, zu verstehen.
Damit wird jeder Film, mehr oder weniger, nur noch zu einem winzig kleinen Puzzlestück innerhalb eines an allen Ecken und Enden ausfransenden Universums, das inzwischen sogar ein Multiversum ist. Trotzdem könnten innerhalb dieses Universums immer noch gelungen Filme entstehen, die wie die früheren MCU-Filme, gleichzeitig für sich selbst stehen und eine größere Geschichte weiter erzählen.
„Captain America: Brave New World“ ist – wieder einmal – nicht dieser Film. Er ist bestenfalls eine mittelmäßíge Episode einer mediokren TV-Serie.
Die fast immer zu dunklen Bilder passen sich schon im Kino den späteren Streaming-Erfordernissen an. Die Spezialeffekte sind okay. Wenn Captain America gegen Düsenjets kämpft ist das eine CGI-Schlacht. Wenn er gegen Red Hulk kämpft ebenso und niemand kann das Weiße Haus besser zerstören als Roland Emmerich. Über das Spiel der Schauspieler legen wir besser den Mantel des Schweigens. Die Bösewichter sind, wenn sie böse Dinge sagen und tun, etwas überzeugender als die Guten. Trotzdem herrscht immer das Gefühl, dass sie ihre Szenen ohne die Anwesenheit ihrer Mitschauspieler spielten, sie vor Green Screens agierten und im Nachdreh irgendetwas verändert wurde, ohne dass alle Schauspieler die Szene noch einmal gemeinsam spielten.
Das Drehbuch wirkt, als habe man aus einem halben Dutzend schlechter Drehbücher die (hoffentlich) besten Szenen ausgeschnitten, in eine halbwegs chronologische Reihenfolge gelegt und dann alles, ohne weitere Änderungen zusammengefügt. Etwaige Lücken wurden schnell mit weiteren Erklärdialogen zugekleistert.
Schon am Anfang wird schnell erklärt, in welcher Welt dieser Film spielt und wer Thaddeus ‚Thunderbolt‘ Ross, der neue Präsident der USA, ist. Obwohl er bereits in vier MCU-Filmen auftrat, in denen er von dem verstorbenen William Hurt gespietl wurde, ist er im MCU-Kosmos eine Nebenfigur. Dieses Mal wird er von Harrison Ford, wenig überzeugend, gespielt. Seinen ersten Auftritt hatte Ross 2008 in „Der unglaubliche Hulk“ (The Incredible Hulk, mit Edward Norton als Hulk) und dieser Film ist, auch wenn er zu den vergessenen MCU-Filmen gehört, wichtig für „Captain America: Brave New World“. Denn auch ‚The Leader‘ Samuel Stern ist wieder dabei. Tim Blake Nelson spielt ihn wieder, allerdings wurde seine Figur für ihren zweiten Filmauftritt stark verändert. Das kann als Hinweis auf das Multiverse mit seiner Anythin-goes-Attitüde verstanden werden.
Nach dieser Einführung geht es in einer Mischung aus Action, im Nichts versandenden Plots und Erklärdialogen weiter. Anstatt zu zeigen, wie die Figuren etwas erfahren, wird uns gesagt, wie sie es erfahren haben. So findet ungefähr gegen Ende des ersten Drittels des Films in einem hoch gesichertem Innenraum ein Attentat von gleichzeitig fünf Attentätern auf den US-Präsidenten statt. Das Attentat geht schief. Weil ein Freund von Sam Wilson zu den Tätern gehört, will er jetzt die Hintermänner finden. Aber anstatt jetzt akribisch verschiedene Spuren zu verfolgen, uns mehr über die Täter zu verraten und langsam das Komplott gegen den Präsidenten zu enthüllen, gibt es Action, immer wieder Szenen, in denen schnell alles erklärt wird, was wir nicht sehen durften, und mehr oder weniger mit dem Attentat zusammenhängende Subplots. So soll Sam Wilson die Avengers wieder zusammenbringen oder neu gründen. Aber das wird erst in einem künftigem Film geschehen. Hier wird nur darüber gesprochen. Es gibt Verbindungen zu früheren Filmen, die so minimal sind, dass sie nur für Fans sofort erkennbar sind. Und ob diese Verbindungen wichtig sind oder nur die Funktion eines mehr oder weniger großen Product Placement haben, ist unklar. Die so entstehende Filmgeschichte ist gleichzeitig elliptisch, kryptisch und diffus. Wahrscheinlich können noch nicht einmal die Macher die Filmgeschichte nacherzählen.
Unterhaltsam oder kurzweilig, wie die älteren MCU-Filme, ist diese Chose auch nicht. Dabei dauert „Captain America: Brave New World“ keine zwei Stunden.
Es gibt dieses Mal im Abspann keine Szene. Nach dem Abspann gibt es eine Szene, die nur als Bewerbungsvideo für die schlechteste Post-Credit-Szene aller Zeiten eine Berechtigung hat.
P. S.: Mit dem gleichnamigen Roman von Aldous Huxley hat dieser Film nichts zu tun. Wer allerdings den Science-Fiction-Klassiker noch nicht gelesen hat, sollte das unbedingt tun. Jetzt. Sofort.
Captain America: Brave New World (Captain America: Brave New World, USA 2015)
Regie: Julius Onah
Drehbuch: Rob Edwards, Malcolm Spellman, Dalan Musson, Julius Onah, Peter Glanz (nach einer Geschichte von Rob Edwards, Malcolm Spellman und Dalan Musson, basierend auf der von Joe Simon und Jack Kirby erfundenen Figur Captain America)
mit Anthony Mackie, Harrison Ford, Danny Ramirez, Shira Haas, Carl Lumbly, Tim Blake Nelson, Giancarlo Esposito, Xosha Roquemore, Jóhannes Haukur Jóhannesson, William Mark McCullough, Takehiro Hira, Harsh Nayyar, Liv Tyler (und, wenn ich nichts übersehen habe, ein Überraschungscameo)
Million Dollar Baby (Million Dollar Baby, USA 2004)
Regie: Clint Eastwood
Drehbuch: Paul Haggis
LV: F. X. Toole: Million Dollar Baby (Kurzgeschichte, erschienen in „Rope Burns“, 2000, Neuauflage zum Filmstart unter „Million Dollar Baby – Stories from the Corner“)
Sie ist zu alt für eine Boxkarriere und eine Frau. Das sind für den erfahrenen Boxcoach Frankie Dunn (Clint Eastwood) zwei gute Gründe, Maggie Fitzgerald (Hilary Swank) nicht zu trainieren. Aber die Kellnerin ist hartnäckig. Frankie traniert sie dann doch. Sie siegt. Bis ein Schlag im Boxring alles verändert.
Einer von Clint Eastwoods besten Filmen.
Mit Clint Eastwood, Hilary Swank, Morgan Freeman, Jay Baruchel, Mike Colter, Lucia Rijker, Anthony Mackie, Michael Peña
Jean Seberg – Against all Enemies(Seberg, USA 2019)
Regie: Benedict Andrews
Drehbuch: Joe Shrapnel, Anna Waterhouse
1968 trifft die Schauspielerin Jean Seberg („Außer Atem“) den Black-Panther-Aktivisten Hakim Jamal. Sie verlieben sich. Sie werden vom FBI beobachtet, das eine Rufmordkampagne gegen sie startet.
Biopic mit einer gewohnt überzeugenden Kristen Stewart in der Hauptrolle, das ziemlich schnell zu einem mutlosen Film über die Gewissenskonflikte eines fiktiven FBI-Agenten wird. Da wäre mehr möglich gewesen.
Jean Seberg – Against all Enemies(Seberg, USA 2019)
Regie: Benedict Andrews
Drehbuch: Joe Shrapnel, Anna Waterhouse
1968 trifft die Schauspielerin Jean Seberg („Außer Atem“) den Black-Panther-Aktivisten Hakim Jamal. Sie verlieben sich. Sie werden vom FBI beobachtet, das eine Rufmordkampagne gegen sie startet.
TV-Premiere. Biopic mit einer gewohnt überzeugenden Kristen Stewart in der Hauptrolle, das ziemlich schnell zu einem mutlosen Film über die Gewissenskonflikte eines fiktiven FBI-Agenten wird. Da wäre mehr möglich gewesen.
Million Dollar Baby (Million Dollar Baby, USA 2004)
Regie: Clint Eastwood
Drehbuch: Paul Haggis
LV: F. X. Toole: Million Dollar Baby (Kurzgeschichte, erschienen in „Rope Burns“, 2000, Neuauflage zum Filmstart unter „Million Dollar Baby – Stories from the Corner“)
Jetzt ist es endlich soweit. Clint Eastwoods „Million Dollar Baby“ ist der TV-Tagestipp. Denn aus vollkommen schleierhaften Gründen gelang es mir in den vergangenen Jahren immer wieder, wenn dieser Film lief, einen anderen Film zum Tagestipp zu machen.
Sie ist zu alt für eine Boxkarriere und eine Frau. Das sind für den erfahrenen Boxcoach Frankie Dunn (Clint Eastwood) zwei gute Gründe, Maggie Fitzgerald (Hilary Swank) nicht zu trainieren. Aber die Kellnerin ist hartnäckig. Frankie traniert sie dann doch. Sie siegt. Bis ein Schlag im Boxring alles verändert.
Einer von Clint Eastwoods besten Filmen.
Mit Clint Eastwood, Hilary Swank, Morgan Freeman, Jay Baruchel, Mike Colter, Lucia Rijker, Anthony Mackie, Michael Peña
TV-Premiere. Kathryn Bigelows technisch brillante, emotional packende, genau recherchierte, aber analytisch und politisch äußerst bedenkliche Chronik der mehrtägigen Rassenunruhen in Detroit im Juli 1967, bei denen 43 Menschen starben. 33 von ihnen waren Afroamerikaner. 24 von ihnen wurden von Polizisten und National Guardsmen erschossen.
Im Zentrum von „Detroit“ stehen die fast in Echtzeit geschilderten Ereignisse im Algier Motel in der Nacht vom 25. zum 26. Juli, als weiße Polizisten gnadenlos ihre Macht gegenüber den afroamerikanischen Verdächtigen und zwei weißen jungen Frauen ausnutzen und auch vor Mord nicht zurückschrecken.
Monate später als geplant richtet Kristen Stewart ihren Zeige- und Mittelfinger im Kino auf das Publikum. Sie spielt in „Jean Seberg – Against all Enemies“ die titelgebende Jean Seberg.
Cineasten kennen Seberg vor allem aus der Rolle, die sie 1960 zum Star machte. In „Außer Atem“ spielt sie die in Paris lebende, Zeitungen verkaufende Studentin Patricia, die sich in den Kleinkriminellen Michel Poiccard verliebt. Der hat während einer Verkehrskontrolle einen Polizisten erschossen und ist jetzt auf der Flucht. Der stilistisch einflussreiche Krimi markiert auch den Beginn der Karrieren ihres Filmpartners Jean-Paul Belmondo und des Regisseurs Jean-Luc Godard. Außerdem ist „Außer Atem“ einer der essenziellen Nouvelle-Vague-Filme, ein Kultfilm und ein Klassiker. Danach war Seberg, die Frau mit der damals vollkommen unweiblichen Kurzhaarfrisur, ein Star. In den nächsten Jahren spielte sie in einigen prestigeträchtigen und auch Big-Budget-Produktionen mit. Aber letztendlich und rückblickend gelang es ihr nicht, an den Erfolg von „Außer Atem“ anzuknüpfen.
Benedict Andrews‘ Biopic „Jean Seberg – Against all Enemies“ beginnt im Mai 1968 in Paris. Die in Frankreich lebende Seberg ist seit 1962 mit dem Schriftsteller Romain Gary verheiratet, gemeinsam haben sie einen Sohn und jetzt möchte sie wieder als Schauspielerin arbeiten.
Auf dem Flug in die USA lernt sie Hakim Jamal kennen. Die blonde Hollywood-Schauspielerin ist von dem afroamerikanischen Polit-Aktivisten, der sich wie ein Popstar durch das Flugzeug bewegt, fasziniert. Sie will ihn näher kennen lernen. In den USA organisiert sie Spendenpartys. Außerdem beginnt sie mit dem ebenfalls verheirateten Aktivisten eine Affäre – und wird dabei vom FBI auf Schritt und Tritt beobachtet.
Die Beobachtung ist Teil der hochgradig illegalen Operation COINTELPRO, in der das FBI Schmutz gegen vermeintliche Staatsfeinde, wie die Black-Panther-Sympathisantin Seberg, sammelt.
„Jean Seberg – Against all Enemies“ hat also alles, was ein Film braucht: eine in mehrfacher Hinsicht skandalträchtige wahre Geschichte, Stars (Kristen Stewart als Jean Seberg, Anthony Mackie als Hakim Jamal, Yvan Attal als Romain Gary, Zazie Beetz als Jamals Frau, Jack O’Connell und Vince Vaughn als FBI-Agenten) , Glamour, 60er-Jahre-Zeitkolorit, Revolution und Pop.
Und dann scheitert das Biopic an seiner eigenen Mutlosigkeit. Die ersten an Jean-Luc Godard erinnernden Minuten, zeigen, was für ein Film hätte entstehen können. Ein Pop-Pamphlet, das an den Stil der sechziger Jahre anknüpft, zugleich spielerisch und strukturiert ist, auf mehreren Ebenen herausfordert und zum Nachdenken anregt.
Diese Experimentierfreude erschöpft sich schon nach wenigen Minuten. Danach folgt Benedict Andrews („Una und Ray“) brav den Konventionen. Er verfolgt Seberg, wenn sie sich mit Jamal trifft und für die Black-Power-Bewegung engagiert. Gleichzeitig erzählt er von einem jungen, stockbürgerlichen, verheirateten Vater und FBI-Agenten, der Seberg beobachtet und abhört. Während seiner Arbeit beginnt dieser Ermittler, eine erfundene Figur, seine Meinung über die ‚Terroristin‘ Seberg zu ändern.
Am Ende kriegen wir statt experimentierfreudigem Godard und politaktivistischem Popkino biederes Besinnungskino über einen FBI-Agenten mit Gewissensbissen.
Das sieht mit Nostalgie-Bonus hübsch aus und Kristen Stewart überzeugt als durch die Überwachung und die Schmutzkampagne des FBI zunehmend psychisch lädierte Jean Seberg. Insgesamt ist der Film aber zu mutlos um nachhaltig zu beeindrucken.
Jean Seberg – Against all Enemies(Seberg, USA 2019)
Regie: Benedict Andrews
Drehbuch: Joe Shrapnel, Anna Waterhouse
mit Kristen Stewart, Jack O’Connell, Margaret Qualley, Zazie Beetz, Yvan Attal, Stephen Root, Colm Meaney, Anthony Mackie, Vince Vaughn
LV: Philip K. Dick: Adjustment Team, 1954 (Kurzgeschichte)
Politiker David Norris verliebt sich in die Tänzerin Elise. Da tauchen einige seltsame Männer bei ihm auf, die behaupten, von einem Planungsbüro zu kommen und Norris’ Leben nachzujustieren. Denn nach dem Plan gibt es zwischen David und Elise keine Liebesgeschichte.
Bei Kritik und Publikum ziemlich gut angekommenes Spielfilmdebüt von George Nolfi, dem Drehbuchautor von „Das Bourne Ultimatum“, „The Sentinel – Wem kannst du trauen?“ und „Ocean’s Twelve“, über die Frage, ob wir unser Schicksal selbst in der Hand haben.
„Der Plan“ reiht sich mit seiner guten Story, den guten Schauspielern, der gelungenen Inszenierung und den gelungenen Tricks (es gibt wenige Tricks und die fügen sich organisch in die Geschichte ein) in die Reihe der gelungenen Philip-K.-Dick-Verfilmungen ein.
mit Matt Damon, Emily Blunt, Anthony Mackie, John Slattery, Michael Kelly, Terence Stamp
Für einen ganzen Monat reicht es nicht, aber mit der James-Baldwin-Verfilmung „Beale Street“ und der ebenfalls sehenswerten Angie-Thomas-Verfilmung „The Hate U Give“ und dem lesenswerten Sachbuch „Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche“ von Reni Eddo-Lodge habe ich aktuell drei Werke, in denen es um das Leben von Schwarzen geht. Vielleicht passt auch noch Attica Lockes Edgar-prämierter Krimi „Bluebird, Bluebird“ in diese kleine Reihe.
Beginnen wir mit der heute im Kino anlaufenden Angie-Thomas-Verfilmung „The Hate U Give“. Im Mittelpunkt steht die sechzehnjährige Starr Carter. Sie geht auf eine vierzig Minuten von ihrer Wohnung entfernten Privatschule. Ihre Eltern wollen, dass sie für ihre späteres Leben alle Chancen hat. Die meisten ihrer Klassenkameraden sind weiß. Auch ihr Freund ist ein Weißer.
In Garden Heights, wo sie mit ihren Eltern und Geschwistern wohnt, leben dagegen fast nur Schwarze. Weiße trauen sich kaum in das Ghetto. Starrs Vater, früher ein Gangster, heute der Betreiber eines kleinen Ladens, sieht ihren Wohnort als ein politisches Statement. Er will nicht zu den Afroamerikanern gehören, die Garden Heights verlassen. Er will durch sein tägliches Handeln seinen Beitrag leisten, um den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen.
Als Starr in ihrem Viertel eine Party besucht, gibt es Ärger. Zusammen mit Khalil, einem Freund aus Kindertagen, den sie lange nicht mehr gesehen hat, haut sie ab. Kurz darauf werden sie ohne einen ersichtlichen Grund von der Polizei angehalten. Als Khalil sich während der Kontrolle in sein Auto beugt, wird er von einem Polizisten erschossen.
Und Starr steht vor der Frage, was sie tun soll.
Denn die Polizei beginnt schnell, den Schusswaffengebrauch des Polizisten als gerechtfertigt und das Opfer als einen Drogenhändler hinzustellen.
Die schwarze Gemeinschaft ist empört über den weiteren Mord an einem ihrer Mitglieder. Sie fordern Gerechtigkeit. Sie protestieren und sie hoffen, dass die Zeugin des Vorfalls redet.
Starrs Geschichte wurde zuerst von Angie Thomas in ihrem Romandebüt „The Hate U Give“ erzählt. Sehr detailreich aus Starrs Perspektive, die ein ganz normaler Teenager mit ganz normalen Teenagerproblemen ist, gerne Harry Potter liest und „Der Prinz von Bel Air“ sieht. Bis auf ihre Hautfarbe und damit der Möglichkeit, jederzeit von einem Polizisten erschossen zu werden. Deshalb erzählte ihr Vater ihr auch, als sie zwölf Jahre alt war, was sie tun soll, wenn sie von einem Polizisten angehalten wird: „Du machst alles, was sie sagen. Halt deine Hände so, dass man sie sieht. Mach keine plötzlichen Bewegungen. Red nur, wenn du was gefragt wirst.“
Diese allen Afroamerikanern vertrauten Ratschläge helfen im Alltag nicht immer. Die zahlreichen tödlichen Schüsse auf Schwarze sprechen da eine deutliche Sprache. Sie werden überproportional oft von Polizisten erschossen. Die Polizisten und Sicherheitsbeamten, die die Schüsse abfeuerten, werden normalerweise nicht oder mit einer geringen Haftstrafen bestraft. 2013 gründete sich „Black Lives Matter“ dagegen.
Der konkrete Anlass für Angie Thomas, „The Hate U Give“ zu schreiben, waren die tödlichen Schüsse auf den unbewaffneten und in dem Moment wehrlosen Oscar Grant in Oakland, Kalifornien, am 1. Januar 2009 durch einen BART-Polizisten. Der landes- und auch weltweit Aufsehen erregende Fall inspirierte „Black Panther“-Regisseur Ryan Coogler zu seinem Spielfilmdebüt „Nächster Halt: Fruitvale Station“.
In ihrem Roman und der Verfilmung präsentieren die verschiedenen Personen die verschiedenen Aspekte des Themas Polizeigewalt und wie auf sie reagiert wird. Individuell und auch strukturell. In „The Hate U Give“ wird das Verhalten des Polizisten nicht auf einen individuellen Fehler reduziert, sondern es werden auch die strukturellen Probleme angesprochen, die dazu führen, das Schwarze eher als Weiße von Polizisten angehalten, inhaftiert, geschlagen und auch erschossen werden (nicht unbedingt in dieser Reihenfolge und auch nicht immer alles). Einiges gerät dabei im Buch und im Film ziemlich didaktisch und einiges wirkt in seiner Verdichtung übertrieben. So war Starrs Vater vor einer längeren Haftstrafe ein wichtiges Gangmitglied. In der Haft schwor er dem Verbrecherleben ab und er beschloss für seine Tochter, ein richtiger Vater zu sein. Der heutige Drogenkönig des Viertels ist sein damaliger Kumpel und Khalil, der am Anfang einer Verbrecherkarriere steht, verdient sich seine ersten Sporen als Gangster.
Starrs Onkel, der sie während ihrer ersten Lebensjahre erzog (als ihr Vater im Gefängnis saß), ist Polizist. Starrs Klassenkameradinnen verkörpern verschiedene Positionen der Weißen gegenüber dem Rassismus und rassistischer Gewalt.
Bürgerrechtsanwälte und die Medien sind selbstverständlich auch involviert, während die Community sich zuerst zum Gottesdienst und dann zum Protest auf der Straße versammelt.
In diesem Geflecht unterschiedlicher Positionen, Haltungen und Ansprüche muss Starr ihre Stimme finden.
Thomas‘ Roman erzählt diesen Gewissenskonflikt sehr anschaulich für eine junge Leserschaft. Der Roman stand auf dem ersten Platz der „New York Times“-Bestsellerliste, erhielt in den USA mehrere Preise, und in Deutschland war es für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2018 nominiert und erhielt den Preis der Jugendjury.
Die gelungene Verfilmung bleibt in jeder Beziehung nah am Roman.
Regisseur George Tillman Jr. produzierte die „Barbershop“-Filme und inszenierte Filme wie „Faster“ und „Kein Ort ohne dich“, die gekonnt die Genreregeln bedienen. Auch „The Hate U Give“ ist ein konventionell inszenierter Film, der gut gespielt und flüssig erzählt eine zu Herzen gehende Geschichte erzählt. Er gibt, wie der Roman, einen tiefen Einblick in das Leben des afroamerikanischen Mittelstandes und die verschiedenen Aspekte des Themas. Zubereitet für ein jugendliches Publikum.
Für Erwachsene, die ihre Spike-Lee-Schule hinter sich haben und noch über „Capernaum – Stadt der Hoffnung“ nachdenken, ist dann alles etwas zu einfach und zu glatt innerhalb der bekannten Hollywood-Erzählkonventionen. Aber sie gehören nicht zur Zielgruppe des Films. Und auch sie müssen die ehrlichen und ehrenwerten Absichten des Films anerkennen, der neben dem individuellen auch den institutionellen Rassismus anspricht und das, ohne blind zu predigen, in einer packenden Geschichte erzählt, die das Publikum zum Nachdenken auffordert.
Und Starr, überzeugend gespielt von Amandla Stenberg, ist eine tolle Heldin. Sie ist keine der aus zahllosen Dystopien bekannten Young-Adult-Heldinnen, die am Ende doch nur, ganz klassisch-konservativ, einen Mann und Kinder wollen. Dagegen hat Starr zwar auch nichts, aber zuerst muss sie Khalils Tod verarbeiten und herausfinden, wer sie ist.
The Hate U Give (The Hate U Give, USA 2018)
Regie: George Tillman Jr.
Drehbuch: Audrey Wells
LV: Angie Thomas: The Hate U Give, 2017 (The Hate U Give)
mit Amandla Stenberg, Regina Hall, Russell Hornsby, Anthony Mackie, Issa Rae, Common, Algee Smith, Sabrina Carpenter, K.J. Apa, Lamar Johnson, TJ Wright, Megan Lawless
Länge: 133 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
–
Die Vorlage (Lesetipp für junge Leseratten, vom Verlag empfohlen ab 14 Jahre)
Über das schockierende Ende von „Avengers: Infinity War“ reden wir später. Beginnen wir mit dem Anfang des 150-minütigen Marvel-Films, der jetzt auf DVD, Blu-ray und 4K UHD Blu-ray erscheint.
Thanos, der Bösewicht, will seit Jahren und vielen, vielen Marvel-Filmen die Infinity-Steine besitzen. Wenn er alle sechs Steine hat, hat er die unbegrenzte Macht über das Universum und er kann gleich einmal die Hälfte aller Lebewesen auslöschen. Einfach so. In den vergangenen Jahren wurden Thanos und die Steine in ungefähr jedem Marvel-Film angesprochen. Auch wenn es nur in einer Szene im Abspann war.
Jetzt, auf einem Raumschiff mit den letzten Überlebenden von Asgard, gelangt Thanos, „ein Despot von intergalaktischer Bösartigkeit“ (Presseheft), an den zweiten Infinitiy-Stein. Gleichzeitig tötet er Loki, der sich mal wieder als zuverlässig opportunistischer Schleimbeutel erweist. Sein Tod ist der erste in einer Reihe überraschender Toter. Lokis Bruder Thor und „Hulk“ Bruce Banner überleben die Begegnung mit Thanos. Sie machen sich unverzüglich auf den Weg zur Erde. Dort sind nämlich sind zwei der Infinity-Steine. Und die Avengers, die sie verteidigen können, sind ebenfalls auf der Erde. Wenn es sie als einheitliche und kraftvolle Schutztruppe noch gäbe.
„Avengers: Infinity War“ ist selbstverständlich ein Film für die zahlreichen Fans, die in den vergangenen Jahren alle Marvel-Filme gesehen und oft liebevoll bis in die letzte Verwinkelung analysiert haben. Sie kennen alle Charaktere und ihre Vorgeschichte. Die Macher, die Regisseure Joe und Anthony Russo und die ebenfalls Marvel-erfahrenen Drehbuchautoren Christopher Markus und Stephen McFeely nehmen sich daher keine Zeit, einen Charakter zu etablieren. Sie können gleich mit der Action beginnen und der Reihe nach all die alten bekannten Superhelden und die Guardians of the Galaxy auftreten lassen. Eigentlich fehlen nur Ant-Man und Hawkeye. Die sollen aber beim zweiten Teil von „Infinity War“ dabei sein. Der Film ist in Deutschland für den 25. April 2019 und in den USA für den 3. Mai 2019 angekündigt.
Die Story von „Avengers: Infinity War“ ist vor allem eine Vorbereitung auf das große Finale des Films, das zu einem großen Teil in Wakanda stattfindet.
Bis dahin spielt die Geschichte vor allem in der „Guardians of the Galaxy“-Welt auf Raumschiffen, fernen Planeten und, ab und zu, im Weltraum. Oder anders gesagt: in der Welt von Thanos und Thanos, grandios gespielt von Josh Brolin, hat in dem Film viel Leinwandzeit und auch ein nachvollziehbares Motiv für seine vollkommen wahnsinnigen Taten. Er ist im Marvel-Universum endlich einmal ein Bösewicht, der auch nach dem Abspann noch im Gedächtnis bleibt . Man erfährt auch, warum er tut, was er tut.
Am Ende des Films, der strukturell die Mitte eines großen Films ist (also Minute 45 bei einem „Tatort“) besitzt Thanos alle Infinity-Steine und er benutzt sie sofort, um die Hälfte aller Lebewesen auszulöschen. Dazu gehören auch etliche der Superhelden, die uns in den vergangenen Jahren ans Herz wuchsen. Wer von den Avengers und den anderen Marvel-Helden in einer optisch und akustisch beklemmend inszenierten Sequenz stirbt, überrascht dann schon etwas. Falls sie – immerhin kann mit dem Zeitstein, der sich im Besitz von Doctor Strange befindet, die Zeit manipuliert werden – wirklich gestorben sind. So ist man am Ende durchaus beeindruckt von der Konsequenz, mit der Thanos agiert, aber man ist nicht wirklich schockiert und die Trauer über den Tod der vielen Superhelden hält sich in überschaubaren Grenzen. Jedenfalls bis zum nächsten Film, in dem wir erfahren, wer nun wirklich gestorben ist.
Im langen Abspann gibt es keine Szene. Nach dem Abspann treffen wir dann Nick Fury.
Das Bonusmaterial auf der Blu-ray ist auf den ersten Blick erfreulich umfangreich geraten. Es gibt einen Audiokommentar von den Drehbuchautoren Christopher Markus und Stephen McFeelyden und Russo-Brüdern (die außerdem eine kurze Einleitung zum Film sprechen), mehrere Featurettes, die insgesamt über dreißig Minuten dauern, zehn Minuten zusätzliche Szenen (die, wie die sehr provisorischen Spezialeffekte zeigen, schon früh gestrichen worden und eine Szene mit ‚Happy Hogan‘ Jon Favreau [der im Film nicht auftaucht]) und, just for fun, zwei Minuten mit Pannen beim Dreh. Gerade die Featurettes enttäuschen. Sie sind, auch wenn das Ende des Films erwähnt und Bilder vom Finale gezeigt werden, reine Werbe-Featurettes, deren Informationsgehalt gegen Null tendiert. Da helfen auch die großzügig eingestreuten ‚Behind the Scenes‘-Bilder nicht.
Avengers: Infinity War (Avengers: Infinity War, USA 2018)
Regie: Anthony Russo, Joe Russo
Drehbuch: Christopher Markus, Stephen McFeely
mit Robert Downey Jr., Josh Brolin, Chris Evans, Scarlett Johansson, Chris Hemsworth, Mark Ruffalo, Benedict Cumberbatch, Chadwick Boseman, Chris Pratt, Tom Hiddleston, Gwyneth Paltrow, Benicio del Torro, Don Cheadle, Tom Holland, Zoe Saldana, Karen Gillan, Paul Bettany, Elizabeth Olsen, Anthony Mackie, Sebastian Stan, Idris Elba, Peter Dinklage, Benedict Wong, Pom Klementieff, Dave Bautista, Letitia Wright, Danai Gurira, William Hurt, Stan Lee, Samuel L. Jackson, Vin Diesel (Stimme im Original), Bradley Cooper (Stimme im Original)
–
Blu-ray
Walt Disney Studios Home Entertainment
Bild: 16:9 (1080p High Definition, 2.39:1)
Ton: Deutsch (Dolby Digital plus 7.1), Englisch (DTS-HD HR 7.1), Französisch (Dolby Digital plus 7.1)
Bonusmaterial: Intro der Regisseure Joe und Anthony Russo, Pannen vom Dreh, Zusätzliche Szenen, Featurettes (Neue Teams, Der wahnsinnige Titan, Über die Schlacht auf Titan, Über die Schlacht in Wakanda), Audiokommentar zum Film
Länge. 149 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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4K UHD Blu-ray mit identischem Bonusmaterial; DVD ohne Bonusmaterial
Emotionale Wucht hat Kathryn Bigelows neuer Film „Detroit“ unbestritten. Sie zeichnet, wieder mit Drehbuchautor Mark Boal, die mehrtägigen Rassenunruhen in Detroit im Juli 1967 nach, bei denen 43 Menschen starben. 33 von ihnen waren Afroamerikaner. 24 von ihnen wurden von Polizisten und National Guardsmen erschossen.
Im Mittelpunkt des 144-minütigen Films stehen die fast in Echtzeit geschilderten Ereignisse im Algier Motel in der Nacht vom 25. zum 26. Juli. Wir sind mit den Akteuren in einem Hotelflur und ein, zwei Zimmern eingesperrt. Die Anspannung und Angst sind spürbar. Auch weil die weißen Polizisten gnadenlos ihre Macht gegenüber den afroamerikanischen Verdächtigen und den zwei weißen jungen Frauen ausnutzen und auch einige von ihnen töten.
Allerdings begeht Bigelow in „Detroit“ die gleichen Fehler wie in „Zero Dark Thirty“. Sie verwendete auch die gleiche Struktur. Wieder verhindert die rein deskriptisch-dokumentarische Bearbeitung des Themas eine Analyse. Wieder kann es, gewollt oder ungewollt, leicht zu Fehlschlüssen kommen. In „Zero Dark Thirty“ war das die Legitimierung von Folter. In „Detroit“ ist das die Konzentration auf einen Polizisten als Täter und das Fehlen der Vorgeschichte der Rassenunruhen. Der Film beginnt mit einer Polizeirazzia in einem illegalen Club, bei dem weißen Polizisten sich im Rahmen der Gesetze bewegen. Diese Razzia war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Gründe für die Unruhen waren allerdings der Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Afroamerikaner als Folge von Stadterneuerungsprojekten und die vorherrschende, rassistisch motivierte Polizeigewalt. Die Polizei bestand fast ausschließlich aus weißen Männern.
Im Film ist die Razzia die Begründung für die durchgehend von Afroamerikanern ausgehende Gewalt und Plünderungen. Dagegen versuchen die Weißen, Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Dieses Setting führt dazu, dass die gesamte Vorgeschichte, die damalige Stimmung, der strukturelle Rassismus und die Machtverhältnisse ausgeblendet werden.
Auch bei den Ereignissen im Algier Motel bleibt diese Zuordnung von Täter und Opfer vorhanden. So ist Philip Krauss zwar ein paranoider Rassist, der seine Macht auskostet und die anderen Polizisten zu Mittätern macht. Er hat auch vorher einen Afroamerikaner durch einen Schuss in den Rücken schwer verletzt. Aber der Afroamerikaner war ein Plünderer und er flüchtete. Krauss hat auch Angst vor den Afroamerikanern und er ist eindeutig überfordert. Als er und seine Kollegen in das Motel stürmen, reagierten sie auf Schüsse aus dem Hotel auf sie (mit einer Startpistole für Wettkämpfe). Sie wollen einen Scharfschützen (den es nicht gibt) verhaften. Sie reagieren über. Sie nutzen auch ihre Macht aus und genießen es. Aber durch die im Film gezeigte Vorgeschichte erscheinen die Opfer dann als Täter und die Täter als die Opfer der Umstände.
Immer wieder leisten Bigelow und Boal in ihrem Film durch die Auswahl und Anordnung der akribisch recherchierten Fakten der Rationalisierung Vorschub, dass die Gewalt grundlos von den Afroamerikanern ausging und die weißen Polizisten nur das Richtige tun wollten. Sie ignorieren den Kontext. Über die Hintergründe der tagelangen Gewaltexplosion, die gesellschaftliche Situation und Strukturen erfährt man nichts. Entsprechend eruptiv und aus dem Nichts erfolgen die Gewalttätigkeiten.
So ist „Detroit“ brillant inszeniert als Terrorkino, aber analytisch so oberflächlich, dass es einfach ärgerlich ist.
Beim zweiten Ansehen bestätigt sich mein erster Eindruck.“Detroit“ ist spannend, hat viel Zeitkolorit und ist politisch höchst bedenklich.
Durch ihre Entscheidung den Thriller in einem semidokumentarischen Stil mit unruhiger Handkamera zu inszenieren, konzentriert Kathryn Bigelow sich auf die packend inszenierte Dokumentation von Abläufen. Über die Personen erfahren wir allerdings nichts. Sie bleiben Figuren auf einem Schachbrett. Es gibt keine Erklärungen und keine Hintergrundinformationen. In jeder Zeitungs- oder TV-Reportage über die Unruhen und den Vorfall im Algier Motel gäbe es das. Als Zuschauer des Kinofilms muss man sich aus den gezeigten Bildern eigene Erklärungen zurechtbasteln. Als Zuschauer wird man allerdings auch manipuliert, weil Bigelow und Boal nur einen Ausschnitt zeigen und Informationen weglassen. Sie begünstigen so, wahrscheinlich sogar ungewollt, eine bestimmte Interpretationen der damaligen Ereignisse.
Denn obwohl Afroamerikaner die meisten Rollen spielen, bestimmt die Sicht des weißen Mannes den Film und damit auch die Interpretation der Unruhen. Die Afroamerikaner kommen da, bis auf den von John Boyega gespielten Wachmann, nur als passive Beobachter, Hausfrauen und Randalierer vor. Die Polizei muss gegen eine aus dem Nichts kommende Gewalteruption vorgehen. Sie versucht gegen Plünderer, Brandstifter und aus anonymen Gruppen agierende Gewalttäter das Gesetz durchzusetzen.
Die von ihr beiläufig immer wieder gezeigte Polizeibrutalität wird da zu einem für die Filmhandlung bedeutungslosen Hintergrundrauschen. Und rassistische Polizisten scheint es, bis auf Philip Krauss (Will Poulter), 1967 nicht gegeben zu haben. Das ist Unfug. Damals und heute. Mit dieser Sicht fehlt dann auch der Blick auf strukturelle Probleme bei der Polizei und den alltäglichen Rassismus. Letztendlich steht in „Detroit“ ein Ereignis im Mittelpunkt und die Täter werden, aufgrund den Ermittlungen von weißen Polizisten, angeklagt.
„Detroit“ zeigt fast schon exemplarisch die Grenzen eines rein dokumentarischen, auf jede Analyse verzichtenden erzählerischen Ansatzes auf. Weil es aber keinen objektiven Blick gibt, übernehmen der Blick der Kamera, die Inszenierung, die Auswahl und Präsentation der Ereignisse diese Analyse. Ein Beitrag zur Lösung der Probleme entsteht so nicht. Es fällt auch schwer, anhand von „Detroit“ über die Probleme zu reden.
Aber auf der reinen emotionalen Ebene als kurzweiliges, durchgehend hochenergetisch erzähltes Spannungskino funktioniert „Detroit“ prächtig.
Das Bonusmaterial für den Thriller wäre ärgerlich, wenn es nicht so lächerlich wäre. Es besteht aus fünf Minifeaturettes, die man sich in neun Minuten ansehen kann, einem Music Video, dem Trailer (deutsch und englisch) und einer vierzigsekündigen, aus Filmbildern bestehenden Bildergalerie. Warum hat man, wenn man schon kein Geld ausgeben will, nicht schnell ausführliche Interviews mit Bigelow, Boal und einem Historiker geführt? Die hätten ausführlich über die historischen Hintergründe und den Dreh äußern können. So gibt es nur einige belanglose Werbeschnipsel.
Detroit (Detroit, USA 2017)
Regie: Kathryn Bigelow
Drehbuch: Mark Boal
mit John Boyega, Anthony Mackie, Will Poulter, Algee Smith, Samira Wiley, John Krasinski, Hannah Murray, Jacob Latimore, Jason Mitchell
Bonusmaterial: Featurettes (Die Wahrheit von Detroit, Die Besetzung von Detroit, Die Invasion von Detroit, Die Hoffung von Detroit, Damals und heute), Musikvideo „Grow“ mit Algee Smith und Larry Reed, Bildergalerie, Deutscher und Originaltrailer (13 Minuten; laut Concorde)
Emotionale Wucht hat Kathryn Bigelows neuer Film „Detroit“ unbestritten. Sie zeichnet, wieder mit Drehbuchautor Mark Boal, die mehrtägigen Rassenunruhen in Detroit im Juli 1967 nach, bei denen 43 Menschen starben. 33 von ihnen waren Afroamerikaner. 24 von ihnen wurden von Polizisten und National Guardsmen erschossen.
Im Mittelpunkt des 144-minütigen Films stehen die fast in Echtzeit geschilderten Ereignisse im Algier Motel in der Nacht vom 25. zum 26. Juli. Wir sind mit den Akteuren in einem Hotelflur und ein, zwei Zimmern eingesperrt. Die Anspannung und Angst sind spürbar. Auch weil die weißen Polizisten gnadenlos ihre Macht gegenüber den afroamerikanischen Verdächtigen und den zwei weißen jungen Frauen ausnutzen und auch einige von ihnen töten.
Allerdings begeht Bigelow in „Detroit“ die gleichen Fehler wie in „Zero Dark Thirty“. Sie verwendete auch die gleiche Struktur. Wieder verhindert die rein deskriptisch-dokumentarische Bearbeitung des Themas eine Analyse. Wieder kann es, gewollt oder ungewollt, leicht zu Fehlschlüssen kommen. In „Zero Dark Thirty“ war das die Legitimierung von Folter. In „Detroit“ ist das die Konzentration auf einen Polizisten als Täter und das Fehlen der Vorgeschichte der Rassenunruhen. Der Film beginnt mit einer Polizeirazzia in einem illegalen Club, bei dem weißen Polizisten sich im Rahmen der Gesetze bewegen. Diese Razzia war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Gründe für die Unruhen waren allerdings der Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Afroamerikaner als Folge von Stadterneuerungsprojekten und die vorherrschende, rassistisch motivierte Polizeigewalt. Die Polizei bestand fast ausschließlich aus weißen Männern.
Im Film ist die Razzia die Begründung für die durchgehend von Afroamerikanern ausgehende Gewalt und Plünderungen. Dagegen versuchen die Weißen, Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Dieses Setting führt dazu, dass die gesamte Vorgeschichte, die damalige Stimmung, der strukturelle Rassismus und die Machtverhältnisse ausgeblendet werden.
Auch bei den Ereignissen im Algier Motel bleibt diese Zuordnung von Täter und Opfer vorhanden. So ist Philip Krauss zwar ein paranoider Rassist, der seine Macht auskostet und die anderen Polizisten zu Mittätern macht. Er hat auch vorher einen Afroamerikaner durch einen Schuss in den Rücken schwer verletzt. Aber der Afroamerikaner war ein Plünderer und er flüchtete. Krauss hat auch Angst vor den Afroamerikanern und er ist eindeutig überfordert. Als er und seine Kollegen in das Motel stürmen, reagierten sie auf Schüsse aus dem Hotel auf sie (mit einer Startpistole für Wettkämpfe). Sie wollen einen Scharfschützen (den es nicht gibt) verhaften. Sie reagieren über. Sie nutzen auch ihre Macht aus und genießen es. Aber durch die im Film gezeigte Vorgeschichte erscheinen die Opfer dann als Täter und die Täter als die Opfer der Umstände.
Immer wieder leisten Bigelow und Boal in ihrem Film durch die Auswahl und Anordnung der akribisch recherchierten Fakten der Rationalisierung Vorschub, dass die Gewalt grundlos von den Afroamerikanern ausging und die weißen Polizisten nur das Richtige tun wollten. Sie ignorieren den Kontext. Über die Hintergründe der tagelangen Gewaltexplosion, die gesellschaftliche Situation und Strukturen erfährt man nichts. Entsprechend eruptiv und aus dem Nichts erfolgen die Gewalttätigkeiten.
So ist „Detroit“ brillant inszeniert als Terrorkino, aber analytisch so oberflächlich, dass es einfach ärgerlich ist.
Detroit (Detroit, USA 2017)
Regie: Kathryn Bigelow
Drehbuch: Mark Boal
mit John Boyega, Anthony Mackie, Will Poulter, Algee Smith, Samira Wiley, John Krasinski, Hannah Murray, Jacob Latimore, Jason Mitchell
Atlanta, USA: ein am helllichten Tag durchgeführter Banküberfall gerät zu einer veritablen Straßenschlacht, die bei Krimifans wohlige Erinnerungen an Michael Manns „Heat“ weckt. Nur wird hier eine dreckige Version präsentiert. Von John Hillcoat, der zuletzt das während der Prohibition spielende Gangsterdrama „Lawless – Die Gesetzlosen“ inszenierte
Kurz darauf erfahren wir, dass die Bankräuber Polizisten sind, die zu einer Sondereinheit gehören, die auch den Fall aufklären sollen. Zu ihnen stößt als neues Mitglied der Sondereinheit Chris Allen (Casey Affleck). Bei dem Neuling ist unklar, wie unehrlich er ist. Sein ihn beschützender Onkel, Sergeant Detective Jeffrey Allen (Woody Harrelson) von der Major-Crimes-Abteilung, soll ebenfalls den Fall aufklären.
Weil Irina Vlaslow (Kate Winslet), die Chefin der örtlichen Russen-Mafia, mit der Beute von dem Überfall nicht zufrieden ist, erpresst sie Chris Allens Vorgesetzten Michael Belmont (Chiwetel Ejiofor) zu einem weiteren, noch riskanteren Raubzug. Die von ihm angeführten verbrecherischen Polizisten glauben, – und damit ist der Titel erklärt -, mit einem Triple-9-Notruf können sie die Polizisten von ihrem eigentlichen Ziel ablenken. 999 sei, so erklären uns die Verbrecher, der Polizeicode für einen erschossenen Polizisten.
John Hillcoat, der mit seinen vorherigen Spielfilmen „The Proposition“, „The Road“ und dem schon erwähnten „Lawless“ immer sehenswerte, nie leichte Kost ablieferte, hat mit „Triple 9“ seinen enttäuschendensten Film vorgelegt. Da hilft auch die hochkarätige Besetzung nicht weiter. Neben den schon erwähnten Casey Affleck (unterfordert), Woody Harrelson (chargierend), Kate Winslet (böse, sehr böse) und Chiwetel Ejiofor sind Anthony Mackie, Norman Reedus, Aaron Paul, Michael Kenneth Williams, Teresa Palmer und Gal Gadot in dem testosterongeschwängertem, nihilistischem Männerfilm dabei, der seine Klischees über Verbrecher und korrupte Cops in einer drögen Geschichte, garniert mit viel Gewalt, kredenzt. Mit vielen langweilenden Nebenstränge, die die Hauptgeschichte nicht voranbringen. Bei der Hauptgeschichte, wobei man locker über den zentralen Konflikt streiten kann, ist kein Zentrum und damit auch kein Protagonist, kein Antagonist und keine sinnvolle Struktur von Haupt- und Nebengeschichten erkennbar. Erzählt wird das in durchgehend viel zu dunklen Bilder, weil Schwarz ja Noir bedeutet und je dunkler die Bilder sind, umso mehr Noir ist der Film. Nur ist Noir eine Haltung und kein Farbton. Das hatte vor wenigen Wochen auch Zack Snyder in „Batman v Superman: Dawn of Justice“ verwechselt.
Und, auch wenn man einen konsequent nihilistischen Kosmos zeichnet, ist es keine gute Idee diesen Kosmos nur mit unsympathischen und, was noch schlimmer ist, gänzlich uninteressanten Gestalten zu bevölkern. Jedes Problem, das sie haben, wirkt wie eine Drehbuchidee. Kein Charakter interessiert – und damit ist es einem herzlich egal, wer warum überlebt. Mit zunehmender Laufzeit hofft man sogar, dass sie sich möglichst schnell gegenseitig erschießen, damit das Elend schnell vorbei ist.
Das ist, wenn man den Regisseur und die beteiligten Schauspieler mag, ein äußerst ernüchterndes Fazit. „Triple 9“ ist ein zerfahrener Möchtegern-Noir-B-Movie-Gangsterfilm, der Schein mit Sein verwechselt; was bei Hillcoat erstaunt.
Triple 9(Triple 9, USA 2016)
Regie: John Hillcoat
Drehbuch: Matt Cook
mit Casey Affleck, Woody Harrelson, Kate Winslet, Anthony Mackie, Chiwetel Ejiofor, Norman Reedus, Aaron Paul, Clifton Collins Jr., Teresa Palmer, Gal Gadot, Michael Kenneth Williams
Fast alle aus den vorherigen Avengers-Filmen bekannten Charaktere sind wieder dabei. Ergänzt um einige Neuzugänge wie Black Panther und Spider Man, die in den kommenden Jahren im Marvel Cinematic Universe, der erzählerischen Klammer der Marvel-Filme, eine größere Rolle bekommen sollen. Einzelfilme inclusive.
Die Kloppereien sind gewohnt episch und dieses Mal kämpfen sie wieder gegeneinander. Der Grund dafür ist etwas kompliziert.
Nachdem bei ihren vorherigen Aktionen einiges zu Bruch ging und es auch etliche Kollateralschäden gab, sollen in „The First Avenger: Civil War“ die freischaffend und von niemandem kontrollierten Avengers unter eine UN/US-Aufsicht gestellt werden. Ihr Handeln soll kontrolliert werden. Sie sollen Befehlsempfänger werden. Dann dürfen sie weitermachen. Falls jemand von ihnen dieses Angebot ablehnt, so erklärt ihnen ihr künftiger Chef, General Ross, soll er als Gesetzloser verfolgt werden. Einige der Avengers halten das für eine gute Idee. Einige nicht.
Und dann gibt es noch die Bedrohung durch den Winter Soldier, einer im Ostblock hochgezüchteten Kampfmaschine, die in Wirklichkeit Bucky Barnes, der Jugendfreund von Captain America Steve Rogers ist. Captain America war immer das golden glänzende patriotisch-aufrechte Herz der USA. Zunächst kämpfte der All-American-Boy gegen Nazis. Später gegen andere, nicht minder böse Bösewichter.
Bucky wird, wenn ihm eine bestimmte Abfolge von Worten gesagt wird, zu einer eiskalten Killermaschine, die sich danach nicht an ihre Taten erinnert. Weil einige seiner Taten den Weltfrieden gefährden, sollen die Avengers ihn aufhalten. Tot oder lebendig.
Steve glaubt allerdings, dass Bucky unschuldig ist.
Und dann ist da noch Baron Zemo, ein geheimnisvoller Bösewicht, der den Winter Soldier für seine Ziele einspannen will. Er hat sogar ein sehr nachvollziehbares Motiv für seine Taten. Weil wir das erst am Ende von „Civil War“ erfahren, ist er bis dahin einfach nur ein gefährlicher Bösewicht, der im Film nur die Aufgabe hat, etwas Böses zu tun, damit die Avengers sich gegenseitig verkloppen. Wie in den anderen Marvel-Filmen ist auch in „Civil War“ der Bösewicht blass. Dabei hätten die Macher dieses Mal einen einprägsamen Bösewicht schaffen könne. Aber vielleicht darf Baron Zemo in einem weiteren Marvel-Film auftreten. Dann als vollwertiger Gegner der Avengers.
Im Mittelpunkt von „Civil War“ steht nämlich der episch ausgebreitete Kampf der Avengers gegeneinander und so flott, unterhaltsam und auch witzig der über zweistündige Film ist, so unbefriedigend ist die auch in diesem Superheldenfilm geführte Diskussion über Verantwortung, die kaum das Niveau einer gepflegten Kaffeekonversation erreicht. Anstatt sich in tiefere moralphilosophische Diskussion zu wagen, den Utilitarismus zu problematisieren, die Frage zu diskutieren, ob der Zweck die Mittel heiligt, ob man durch sein Handeln erst die Probleme schafft, die dann mühselig beseitigt werden müssen und über die Verantwortung des Einzelnen für sein Handeln zu reden, wird einfach, wieder einmal, auf Grundschulniveau erklärt, dass man tat, was man tun musste.
Nachdem das Thema in einem Gespräch abgehandelt wurde – der Film ist sowieso sehr redselig -, teilen sich die Avengers in zwei Gruppen auf, die in ihrer Zusammensetzung nie besonders glaubwürdig wirken. Da soll auf der einen Seite der egozentrische, niemand gehorchende Milliardär und notorische Unruhestifter Tony Stark (aka Iron Man) sich plötzlich zum fügsamen Befehlsempfänger wandeln, weil er nach dem Kampf gegen Ultron über sein Handeln nachdachte. Auf der anderen Seite steht der immer folgsame Soldat Captain America. Steve Rogers. Der niemals an seinen Vorgesetzten und der US-Regierung zweifelnde Befehlsempfänger, soll jetzt den Befehl verweigern. Er will nämlich keine Befehle von einer neu gegründeten, ihn und die Avengers beaufsichtigende und auch mit Aufträgen versehenden Behörde erhalten. Die könnte sich ja irren. Deshalb will er vollkommen unkontrolliert arbeiten. Das wirkt nie besonders glaubwürdig. Auch nicht durch die nachgeschobene Erklärung, dass er eigentlich nur seinem Jugendfreund helfen will.
Genauso bemüht wie die Begründung für die Teilung der Avengers in zwei sich bekämpfende Gruppen, ist dann der sich zwischen ihnen entwickelnde Kampf, der an ihrer Intelligenz und über mehrere Filme und gemeinsame Kämpfe gegen etliche Bösewichter gewachsene Freundschaft zweifeln lässt. Anstatt miteinander zu reden, wird sich gekloppt in einer niemals auch nur halbwegs glaubwürdigen, dafür unnötig verkomplizierten Geschichte, die eher pointillistisch nach ihren Schauwerten zusammengefügt ist. Wegen des Humors und dem durchgehend spielfreudigem Ensemble fällt das dann gar nicht so sehr auf.
Und als Berliner freut man sich über die zahlreichen Berlin-Aufnahmen, in denen die Gegend um das ICC und den Bundestag ausführlich und auch gut erkennbar gezeigt werden.
The First Avenger: Civil War(Captain America: Civil War, USA 2016)
Regie: Anthony Russo, Joe Russo
Drehbuch: Christopher Markus, Stephen McFeely
mit Chris Evans, Robert Downey Jr., Anthony Mackie, Sebastian Stan, Paul Rudd, Jeremy Renner, Elizabeth Olsen, Scarlett Johannsson, Don Cheadle, Chadwick Boseman, Paul Bettany, Emily VanCamp, Tom Holland, Daniel Brühl, Frank Grillo, William Hurt, Martin Freeman, Marisa Tomei, Stan Lee (selbstverständlich)
Natürlich ist ein Film, der von George Clooneys und Grant Heslovs Firma Smokehouse Pictures produziert wird, für den „Dame, König, As, Spion“-Autor Peter Straughan das Drehbuch schrieb und bei dem Sandra Bullock und Billy Bob Thornton mitspielen, nicht grottenschlecht. Allerdings bleibt „Die Wahlkämpferin“ weit unter seinen Möglichkeiten und er schöpft noch nicht einmal ansatzweise sein Potential aus. Jedenfalls wenn man etwas mehr als eine letztendlich sehr leichtgewichtige Polit-Satire erwartet.
Sandra Bullock spielt eine zurückgezogen lebende Wahlkampfmanagerin, die sich von einer früheren Kollegin überzeugen lässt, wieder in ihren alten Job zurückzukehren. Als Bonus erhält die natürlich legendäre Jane Bodine die Gelegenheit, sich an Pat Candy (Billy Bob Thornton), mit dem sie eine gemeinsame Vergangenheit hat, zu rächen. Denn Candy, der ein skrupelloses Arschloch sein soll (dabei tut er nur, relativ entspannt und professionell, seinen Job), berät einen anderen Präsidentschaftskandidaten, der in allen Umfragen unangefochten und mit weitem Abstand an erster Stelle steht, während Bodines potentieller Kunde abgeschlagen hinter mehreren anderen Kandidaten liegt. Und Bodine, die zuletzt kaum ihre Berghütte verließ, muss die USA in Richtung Süden verlassen. Denn der Wahlkampf geht um die bolivianische Präsidentschaft.
Das könnte, auch weil „Die Wahlkämpferin“ sich von dem Dokumentarfilm „Our Brand is Crises“ über die Arbeit US-amerikanischer Wahlkampfstrategen 2002 in Bolivien inspirieren ließ, eine klugen Analyse über Wahlkampfstrategien, US-amerikanischen Wirtschaftsimperialismus und die Gegebenheiten in Bolivien werden. Bolivien ist in dem Spielfilm als pittoreske Operettenrepublik nur der austauschbare Hintergrund für den Zickenkrieg zwischen Bodine und Candy. Über die politischen Vorstellungen der Kandidaten und damit auch über die Probleme des Landes erfahren wir nichts. Entsprechend egal ist dann auch der Wahlkampf für die Dramaturgie des Films. Und über Wahlkampfstrategien, also wie Wahlkämpfe in ihrer US-amerikanischen Form (die mit deutschen Wahlkämpfen nicht vergleichbar ist) gemacht werden, erfahren wir absolut nichts. Bodines geniales Talent als Wahlkampfmanagerin beschränkt sich, jedenfalls so weit es uns im Film gezeigt wird, auf banale Erbauungsreden, kindische Intrigen und der lautstark vorgetragenen Forderung, endlich mit einer Schmutzkampagne gegen den potentiellen Sieger zu starten. Denn irgendetwas wird immer hängen bleiben. Vor allem wenn man die Nazi-Keule schwingt.
Dass Bodine, ein psychisch derangiertes Ekel mit dem Mitgefühl einer Topfpflanze (von Sandra Bullock immerhin mit großem Mut zu unvorteilhaftem Aussehen gespielt), am Ende, nachdem die Stimmen ausgezählt sind, einen Moralischen bekommt, kann nur mit dem Befolgen von Drehbuchregeln und der Angst der Macher erklärt werden, dass die Zuschauer die Anklage gegen das Geschäft der Spin-Doktoren und Wahlkampfmanager nicht verstehen werden. Denn aus der vorherigen Geschichte des mutlosen Films, der mehr Klamauk und Sentiment als Satire oder Analyse ist, folgt es nicht.
Das ist wohl die Marvel-Version von einem kleinem Film. Und das liegt nicht an der Größe des Superhelden, der mit einem Anzug auf die Größer einer Ameise (daher auch der Titel „Ant-Man“) schrumpfen kann, sondern an der, nach dem Riesen-“Avengers: Age of Ultron“-Remidemmi kleinen und überschaubaren Geschichte.
Scott Lang (Paul Rudd) will nach einem Gefängnisaufenthalt nur noch ein ehrliches Leben führen und sich mit seiner Frau Maggie (Judy Greer) und seiner Tochter Cassie (Abby Ryder Fortson) aussöhnen. Maggie hat dummerweise einen neuen Liebhaber: den Polizisten Jim Paxton (Bobby Cannavale). Mit der Arbeit funktioniert es auch nicht wie geplant. Seine Einbrechertalente sind auf dem freien Arbeitsmarkt nicht gefragt und wenn seine Chefs erfahren, was er früher getan hat, ist er den Job los. Die Jobs, die ihm sein Freund Luis (Michael Peña, mal wieder grandios) anbietet, sind vor allem illegal. Trotzdem erklärt Lang sich bereit, bei einem Einbruch mitzumachen.
Kurz darauf wird er vom Hausherrn geschnappt. Es ist Dr. Hank Pym (Michael Douglas). Der Erfinder will Lang als neuen Ant-Man haben. Denn Pym hat sich mit seinem früheren Schützling Darren Cross (Corey Stoll) überworfen und Cross hat ihn aus seiner Firma Pym Technologies rausgedrängt. Jetzt steht Cross kurz vor dem Durchbruch bei seinen Forschungen für einen Ant-Man-Anzug: das Yellowjacket. Pym möchte das verhindern. Auch weil er weiß, welche seelischen Schäden das Verändern der Körpergröße hervorrufen kann. Also soll Lang das Yellowjacket aus der gut gesicherten Firmenzentrale von Pym Technologies klauen. Lang, Luis und ihre Freunde (nicht gerade Leuchten in ihrem Job) planen also, während einer Präsentation, den Anzug zu stehlen.
Marvel nennt „Ant-Man“ ihren Heist-Film. Aber letztendlich ist es ein Marvel-Film mit den typischen Vor- und Nachteilen, wie einem blassen Bösewicht (obwohl Corey Stoll sehr gehässig grinsen kann), einer teilweise arg plätschernden Story, einem gut aufgelegtem Cast und überzeugenden Action-Szenen. Es gibt einige Querverweise zu den anderen Marvel-Filmen, die – bis auf eine Kampfszene, die am Ende wieder aufgenommen wird – dieses Mal so nebenbei formuliert werden, dass sie auch als Scherz durchgehen können. Und es gibt in der schon erwähnten Kampfszene auch einen größeren Auftritt von einem aus den vorherigen Marvel-Filmen (ohne die „Guardians of the Galaxy“) bekannten Charakter. Damit werden, wie gewohnt, die anderen Geschichten etwas weiter erzählt und es wird gezeigt, dass auch dieser Film zu einem größeren Ganzen gehört. Und es gibt die bekannten Abspann-Sequenzen.
Dieses Mal gibt es sogar eine ordentliche Portion Humor. Allein schon die Idee eines auf Ameisengröße schrumpfenden Mannes und sein Training sind gut genug für einige Lacher in diesem immer bescheiden, um nicht zu sagen klein auftretenden Film.
Aber ein Heist-Film, auch wenn hier mehrmals eingebrochen wird, ist „Ant-Man“ nicht. Jedenfalls nicht mehr als ein James-Bond-Film. In einem klassischen Einbruchsfilm dreht sich alles um den Einbruch. Das Herzstück des Films ist die genaue Schilderung der Durchführung des Einbruchs. Die bekanntesten Heist-Filme sieht man sich wegen des Einbruchs an. In „Ant-Man“ sind die Einbrüche flott vorbei. Eigentlich wird nur der erste genauer geschildert, während die anderen Einbrüche sich vor allem auf die Action konzentrieren und wir kaum erfahren, was warum wie geklaut wird.
Die Action ist gewohnt spektakulär und gewinnt hier allein schon durch die Größe der Kämpfenden neue Dimensionen. So findet, weil die Kämpfenden auf Ameisengröße geschrumpft sind, ein Teil des Schlusskampfes in einem Kinderzimmer auf einer Modelleisenbahn statt. Die Zerstörung ist entsprechend überschaubar.
Seinen ersten Auftritt hatte Ant-Man Hank Pym 1962 in Band 27 der Comicreihe „Tales to Astonisch“ und er ist ein Mitglied der ursprünglichen Avengers. Pym hatte, so seine ursprüngliche Geschichte, eine Substanz entdeckt (das Pym-Partikel), die es ihm ermöglichte, seine Größe beliebig zu verändern und übermenschliche Kräfte zu haben, was in einem Gefecht vorteilhaft sein kann. Denn eine Ameise kann im Gefecht unverletzt hinter feindliche Linien gelangen und auch Gebäude infiltrieren. Das ist eine durchaus faszinierende Idee, über die man allerdings nicht zu lange nachdenken sollte, weil sie dann immer idiotischer wird. Und das würde einem den Spaß an diesem Film verderben.
Eine Comicversion
Pünktlich zum Filmstart erschien bei Panini Comics auch Robert Kirkmans („The Walking Dead“) „Ant-Man“-Version, die in den USA bereits 2007 erschien. Hier ist Ant-Man Eric O’Grady, ein kleiner S.H.I.E.L.D.-Soldat der unzuverlässigen Sorte. Zusammen mit seinem Freund Chris McCarthy soll er auf einem S.H.I.E.L.D.-Helicarrier (ein in der Luft schwebender Flugzeugträger) eine Tür bewachen. Weil sie allerdings nicht wissen, ob sie Leute am verlassen oder betreten des Raums hindern sollen, schlagen sie Dr. Hank Pym, der den Raum verlassen will, ohnmächtig, betreten den Raum und McCarthy probiert den Ant-Man-Anzug aus, was dazu führt, dass er auf Ameisengröße schrumpft und erst einmal tagelang durch die Station irrt. Bei einem Angriff von Hydra (den Bösewichtern) stirbt McCarthy und O’Grady schnappt sich den Anzug, den er fortan zum Beobachten von duschenden Frauen benutzt. Weil Shield befürchtet, dass der Anzug in die falschen Hände fällt (als sei er bei O’Grady in den richtigen), wird Mitch Carson, der auch ein guter Terminator wäre, beauftragt, O’Grady zu finden.
Robert Kirkmans Ant-Man ist eigentlich ein selbstbezogener Teenager, der außer Sex wenig im Kopf hat. Das ist im Superheldengenre ein witziger und respektloser Ansatz. Trotzdem sehen wir mehr seitenfüllende Kloppereien als nackte Frauen und O’Grady wird am Ende – und da verrate ich wohl kein großes Geheimnis – doch zu einem guten und ziemlich verantwortungsbewussten S.H.I.E.L.D.-Agenten. Kirkman erzählt in „Ant-Man“ eine ziemlich klassische Entwicklungsgeschichte, die, – für die Marvel-Fans -, vor und nach dem Civil War spielt.
Ant-Man (Ant-Man, USA 2015)
Regie: Peyton Reed
Drehbuch: Edgar Wright, Joe Cornish, Adam McKay, Paul Rudd (nach einer Geschichte von Edgar Wright und Joe Cornish)
LV: Charakter von Stan Lee, Larry Lieber, Jack Kirby
mit Paul Rudd, Michael Douglas, Evangeline Lilly, Corey Stoll, Bobby Cannavale, Michael Peña, T. I., Wood Harris, Judy Greer, Abby Ryder Fortson, David Dastmalchian, Anthony Mackie, Hayley Atwell, John Slattery, Martin Donovan, Stan Lee
Länge: 117 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
–
LV: Philip K. Dick: Adjustment Team, 1954 (Kurzgeschichte)
Politiker David Norris verliebt sich in die Tänzerin Elise. Da tauchen einige seltsame Männer bei ihm auf, die behaupten, von einem Planungsbüro zu kommen und Norris’ Leben nachzujustieren. Denn nach dem Plan gibt es zwischen David und Elise keine Liebesgeschichte.
Bei Kritik und Publikum ziemlich gut angekommenes Spielfilmdebüt von George Nolfi, dem Drehbuchautor von „Das Bourne Ultimatum“, „The Sentinel – Wem kannst du trauen?“ und „Ocean’s Twelve“, über die Frage, ob wir unser Schicksal selbst in der Hand haben.
„Der Plan“ reiht sich mit seiner guten Story, den guten Schauspielern, der gelungenen Inszenierung und den gelungenen Tricks (es gibt wenige Tricks und die fügen sich organisch in die Geschichte ein) in die Reihe der gelungenen Philip-K.-Dick-Verfilmungen ein.
mit Matt Damon, Emily Blunt, Anthony Mackie, John Slattery, Michael Kelly, Terence Stamp
Wiederholung: Mittwoch, 27. Mai, 01.05 Uhr (Taggenau!)
Wir haben
Chris Evans als Steve Rogers/Captain America (der hier erstaunlich blasse Anführer der Truppe)
Robert Downey Jr. als Tony Stark/Iron Man (der großmäulige, verantwortungslose Finanzier der Gruppe)
Chris Hemsworth als Thor (aus der anderen Galaxis)
Mark Ruffalo als Bruce Banner/Hulk (aus dem Forschungslabor)
Scarlett Johansson als Natasha Romanoff/Black Widow
Jeremy Renner als Clint Barton/Hawkeye
James Spader als Ultron (Stimme im Original)
Aaron Taylor-Johnson als Pietro Maximoff/Quicksilver (im letzten X-Men-Film „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ wurde er von Evan Peters gespielt, aber der wurde von einem anderen Studio produziert)
Elizabeth Olsen als Wanda Maximoff/Scarlet Witch
Paul Bettany als Jarvis/Vision (und mit einem Körper)
Samuel L. Jackson als Nick Fury
Don Cheadle als James Rhodes/War Machine
Cobie Smulders als Maria Hill
Anthony Mackie als Sam Wilson/The Falcon
Hayley Atwell als Peggy Carter
Idris Elba als Heimdall (ungefähr zwei Sätze)
Stellan Skarsgård als Erik Selvig (ungefähr kein Satz)
Claudia Kim als Dr. Helen Cho
Thomas Kretschmann als Baron Strucker
Andy Serkis als Ulysses Klaue (naja)
Julie Delpy als Madame B (sorry, hab ich in dem Starrummel übersehen)
Stan Lee als Stan Lee (obligatorischer Kurzauftritt)
Wir haben Action bis zum Abwinken.
Es beginnt mit einer großen Schlacht in dem osteuropäischen Fantasieland Sokovia. Danach geht die Reise um die halbe Welt und in New York, Seoul, Johannesburg und Sokovia geht dabei, mit der Hilfe von viel CGI, einiges zu Bruch.
Dabei werden dieses Mal erstaunlich oft ganz normale Menschen als Opfer und schreiend weglaufende Menschenmasse gezeigt. Das ist, nachdem man in früheren Marvel-Filmen den Eindruck gewinnen konnte, dass die Großstädte, in denen die Superhelden die Bösewichter verkloppen und regelmäßig eine sanierungsbedürftige Innenstadt hinterlassen, ein Novum. Denn bislang sah es so aus, als sei vor dem Kampf der Superhelden gegen die Superschurken die Kampfzone von magischen Kräften evakuiert worden. Aber dieses Mal verlang die Filmgeschichte nach vielen Menschen, die fotogen von den Avengers beschützt werden. Vor allem beim viel zu langen und ziemlich konfusen Schlußkampf in Sokovia.
Wir haben zu viel Beiwerk für eine sinnvolle Story. Die ist nur Klammer für die Auftritte und Kabbeleien der aus mehreren Filmen bekannten Superhelden. In „Avengers: Age of Ultron“ geht es um den Konflikt zwischen Gut und Böse und wie die Guten das Böse schaffen, das dann zuerst die Avengers und später die Welt vernichten will. Denn die von Tony Stark gestartete Friedensmaschine, der sehr lernfähige Roboter Ultron, begreift schnell, dass die Avengers bei ihren Friedensmissionen viel Leid verursachen. Deshalb will er, seinem Programm folgend, alle Bedrohungen für eine friedliche Welt beseitigen. Aber diese Idee, dass unser Handeln unbeabsichtigte Folgen hat und dass Gut und Böse miteinander verflochten sind, wird nur oberflächlich behandelt. Überhaupt nicht behandelt wird der grundlegende Fehler in Ultrons Programm. Denn hätte Tony Stark sich beim Programmieren an Isaac Asimovs Robotergesetze gehalten, wäre das alles nicht passiert.
Wir haben das filmische Äquivalent zu diesen maßlosen Benefiz-Rockkonzerten aus den Achtzigern, als sich alle bekannten Musiker für die gute Sache in einem Stadion versammelten und gegen die Apartheid, den Hunger und gegen die Kernkraft ansangen.
Denn dummerweise ist „Avengers: Age of Ultron“ genau wie diese Konzerte, die beim ersten Mal Spaß machen, aber beim zweiten Mal nerven. Es gibt zu viele Häuptlinge, aber keine Indianer und keine Struktur. Jeder versucht sich nur möglichst groß in Szene zu setzen und aus einer eigentlich guten Idee wird ein an allen Ecken und Enden ausufernde Starparade, die zeigt, dass ihre Soloauftritte besser sind.
Mal wieder: Spoilerwarnung für diesen Marvel-Film, der ein gewohnt guter Marvel-Film ist. Jedenfalls wenn einem diese Superheldenfilme gefallen. Außerdem funktioniert er auch gut als Einzelfilm und in 2D. Aber, keine Panik, es gibt auch eine 3D-Fassung.
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Ob das wirklich eine gute Idee ist, den US-Titel „Captain America: The Winter Soldier“ in den deutschen Titel „The Return of the First Avenger“ zu übersetzen und davon auszugehen, dass sich alle unter einem „Avenger“ etwas vorstellen können, bezweifle ich. Nach dem Wörterbuch ist ein „Avenger“ ein „Rächer“, nach dem inzwischen wohl bekannteren Marvel-Universum eine Gruppe Superhelden, zu denen unter anderem Captain America, Black Widow, Iron Man, Thor und Hulk gehören und Captain America der „First Avenger“ ist.
An der Kinokasse düfte wohl eh ein Ticket für den Captai-America-Film verlangt werden, der ein absolut ordentlicher, kurzweiliger Marvel-Film ist, der ungefähr alles hat, was man inzwischen von einem Marvel-Film erwartet: knackig-atemberaubende Action, gut besetzt – sogar Robert Redford ist dabei! -, einige Witze, Anspielungen auf dem größeren Marvel-Kosmos und menschliche Superhelden.
Das lieferte vor drei Jahren auch der erste „Captain America“-Film „Captain America: The First Avenger“, der während des zweiten Weltkriegs spielt und ein herrlich abgedrehtes B-Picture über größenwahnsinnige Nazis und mindestens ebenso größenwahnsinnige Wissenschaftler ist, die von dem tapferen, ultrapatriotischen Captain America in den Tod geschickt werden. Inszeniert wurde das mit viel Geld und einem so heiligen Ernst, dass es Spaß machte. Am Ende opfert Captain America sich und verbringt die nächsten Jahrzehnte im Eis im Kälteschlaf.
Jetzt, in der Gegenwart, darf Steve Rogers weiterkämpfen. Er ist immer noch der kleine, tapfere Junge mit dem großen Herzen, der immer nur für das gute Amerika und die guten amerikanischen Werte kämpfen will. Denn das Gute kann nicht besiegt werden. Inzwischen arbeitet er für S.H.I.E.L.D., eine Art Super-CIA mit Superheldenverstärkung, die die wirklich bösen Bösewichter bekämpft.
Nur sind die S.H.I.E.L.D.-Missionen nicht so moralisch einfach wie der Kampf gegen die abgrundtief bösen Nazis. So erfährt Rogers nach einer geglückten Geiselbefreiung auf einem Schiff, dass seine Gefährtin Black Widow, bürgerlich Natasha Romanoff, während er die Geiselnehmer verkloppte, noch eine zweite Mission ausführte. Als er sich darüber bei seinem Vorgesetzten Nick Fury beschwert, erklärt dieser ihm, dass die Welt nicht mehr so einfach wie früher sei, dass es jetzt Grauzonen gebe (Früher nicht?) und S.H.I.E.L.D gerade ein großes Projekt vollendet, in dem Helicarrier, die an fliegende Flugzeugträger erinnern, und in der Luft über die Sicherheit der Menschheit wachen sollen, in dem sie Verbrechen im Vorfeld verhindern. Furchterregend? Jedenfalls meint das Captain America. Aber Nick Fury und Alexander Pierce, ein die S.H.I.E.L.D-Interessen vertretender Politiker, meinen, dass man etwas Freiheit aufgeben müsse, um die Freiheit von allen zu schützen.
Gleichzeitig glaubt Nick Fury, dass S.H.I.E.L.D von Bösewichtern infiltriert wurde. Als er ihnen auf die Schliche kommt, wird ein tödlicher Anschlag auf ihn verübt.
Captain America, der die Pläne der Bösewichter gefährden könnte, wird als Verräter gejagt. Zusammen mit Black Widow will er das Komplott gegen S.H.I.E.L.D aufdecken und Furys Mörder finden.
Und dann taucht noch der in den USA titelgebende geheimnisumwitterte Winter Soldier auf, der ähnlich unbesiegbar wie Steve Rogers ist.
Diese Kämpfe mit dem Winter Soldier und mit S.H.I.E.L.D-Agent Brock Rumlow (gespielt von Frank Grillo, der hier endlich einmal in einem Blockbuster eine große Rolle hat), der seinen flüchtigen Kollegen Rogers unerbittlich verfolgt, sind dann großes Action-Kino. Auch die Verfolgungsjagd durch Washington, wenn Nick Fury entführt werden soll und die Auto-Verfolgungsjagd nach etlichen Blechschäden und Explosionen mit einem schwer verletzten Nick Fury im Krankenhaus endet oder eben der Einsatz von Captain America, Black Widow und Rumlow auf dem Frachtschiff am Filmanfang stehen dem nicht nach.
Es gibt auch hübsche Anspielungen auf die vorherigen Filme, sehr interpretierbare Hinweise auf die kommenden Filme und, gerade am Anfang, viel zu viele Charakterszenen, in denen fast endlos geredet wird, ohne dass die Geschichte sich erkennbar weiterentwickelt. Immer hin sind diese Szenen nett anzusehen.
Aber immer wenn die politische Ebene angesprochen wird, fällt der Film wie ein Soufflé in sich zusammen. Denn der Film will auch ein politisches Statement sein. Jedenfalls wird im Presseheft immer wieder betont, dass sie sich an den 70er-Jahre-Politthrillern orientierten, die eine pessimistische Weltsicht hatten und entsprechend regierungskritisch waren. Auch Sydney Pollacks „Die drei Tage des Condor“, mit Robert Redford in der Hauptrolle, wird immer wieder erwähnt.
Allerdings mäandert „The Return of the First Avenger“ positionslos zwischen den verschiedenen Positionen. Denn er will gleichzeitig ein konservatives Publikum von Sicherheitsfanatikern und ein linksliberales Publikum von Bürgerrechtlern befriedigen, was nicht funktioniert und am Ende sogar verärgert. Denn die Botschaft ist: solange die richtigen Leute es tun, ist Überwachung okay. In die Realität übersetzt – und der zweite „Captain America“-Film wird ja als Kommentar zu Snowdens NSA-Enthüllungen gesehen, obwohl die Dreharbeiten schon davor begannen – . heißt das: Die NSA darf weiter alle überwachen, weil die NSA die Guten sind. Ob das Captain America als Kämpfer für die US-amerikanischen Werte genauso sieht?
Diese Unentschlossenheit, politisch wirklich Position zu beziehen, ist nachvollziehbar. Immerhin soll der Film 170 Millionen gekostet haben, ist Teil eines großen Franchise und er soll ein weltweites Publikum ansprechen.
Diese Vorsicht wirkt sich auch auf den Umgang mit dem Protagonisten und seiner ihn kennzeichnenden Eigenschaft aus. So wie Logan in „Wolverine: Weg des Kriegers“ nur kurz seine Unsterblichkeit aufgeben wollte, so wird der Patriotismus von Steve Rogers nicht wirklich auf die Probe gestellt. Aber gerade das wäre der spannende Punkt gewesen: Was würde Captain America tun, wenn die USA sich als Hort des Bösen entpuppen? Wenn sein naiver Patriotismus gnadenlos ausgenutzt wird?
In „The Return of the First Avenger“ wird diese Frage nicht gestellt.
In den Comics werden dagegen immer wieder wesentlich hemmungsloser die Eigenschaften des Helden auf die Probe gestellt. So wird aus Batman schon mal ein Vigilant, der hemmungslos tötet. Aus Captain America könnte ein Trottel werden, der von seiner Regierung für ihre Interessen benutzt wird. Im ersten „Captain America“-Film wurde das ja in den Propagandaveranstaltungen für Kriegsanleihen, in denen Captain America als Held Kinnhaken verteilte, schon angedeutet; – wobei dieser Film in einer Parallelwelt spielte, die mit dem Zweiten Weltkrieg nichts zu tun hatte.
Auch die Beziehung zwischen Captain America und dem Winter Soldier wird deshalb nur in eine Richtung angesprochen. Captain America will den Winter Soldier, der sein Jugendfreund Bucky Barnes ist und der zu einem Werkzeug des Bösen ohne Erinnerung wurde, wieder an ihre Freundschaft und ihre amerikanischen Werte erinnern. Ihn also wieder zurück auf die Seite der Guten holen. Dabei wäre es sicher spannend gewesen, wenn Bucky versucht hätte, seinen Freund zu überzeugen, dass er inzwischen auf der falschen Seite steht, weil die von ihm verteidigten amerikanischen Werte nicht mehr existieren. Dass sein gesamtes Leben auf einer Lüge aufbaut. Aber das hätte Captain America dann wohl doch zu sehr herausgefordert und so ist „The Return of the First Avenger“ letztendlich unterhaltsam-kurzweiliges Blockbuster-Kino mit einer verqueren politischen Botschaft und einem immer wieder unnötig kompliziertem Plot. – Die Stellung von „The Return of the First Avenger“ im Marvel-Filmkosmos –
Produzent Kevin Feige, das Mastermind hinter den ganzen Marvel-Filmen erklärt, wo der neue neue Captain-America-Film im Marvel-Universum steht:
„’The Return of the First Avenger‘ gehört im Gesamtkonzept der Comicverfilmungen von Marvel Studios zur zweiten Phase. Der Film ist das Verbindungsglied zwischen den Geschichten, die in ‚Marvel’s The Avengers‘ und in ‚Avengers: Age of Ultron‘ erzählt werden, dessen Filmstart für 2015 geplant ist. Am Ende des Films verändert sich das filmische Marvel-Universum auf dramatische Weise – und das war so auch geplant. Captain America sollte verantwortlich für diese Veränderung des Marvel-Universums sein, das wollten wir unbedingt. Wenn wir dann all unsere Figuren zu Beginn von ‚Avengers: Age of Ultron‘ wiedersehen, wird sich im Vergleich zum Ende von ‚Marvel’s The Avengers‘ vieles total verändert haben. Teilweise haben ähnliche Entwicklungen bereits Tony Stark in ‚Iron Man 3‘ (2013) und Thor in ‚Thor: The Dark World‘ (Thor – The Dark Kingdom, 2013) durchgemacht. Der Hauptgrund dafür ist aber das Abenteuer, das Captain America in ‚The Return of the First Avenger‘ erlebt.“