Hat er oder lügt sie? Sicher, auf der Party war er etwas breitbeinig-machohaft. Aber Maggie Resnick (Ayo Edebiri) stahl auf dieser Party aus dem Badezimmer ihrer gastgebenden Yale-Professorin Alma Imhoff (Julia Roberts) einen Zeitungsbericht, den wahrscheinlich die Hausherrin dort, mit einigen Bildern, sorgfältig versteckt hatte. Außerdem ist Maggies Dissertation, die sie gerade schreibt und über die sie nicht reden möchte, ein dreistes Plagiat. Hank Gibson (Andrew Garfield) wusste davon und sagte es ihr. Aber als Schwarze Studentin gehört sie zu einer förderungswürdigen Minderheit; – auch wenn die Frage der Hautfarbe im folgenden unwichtiger als die auch nur gestreifte Frage des Vermögens ihrer Adoptiveltern ist, die großzügige Spender sind.
Dummerweise hat sie sich, so sagt Maggie, nach der Vergewaltigung gewaschen und dabei alle Beweise für Hanks Tat vernichtet. Und sie ist nicht zur Polizei, sondern zu Alma gegangen.
Diese steht kurz vor einer heiß ersehnten lebenslangen Anstellung an der Universität. Ihr einziger aussichtsreicher Konkurrent für die Stelle ist Hank.
Schon nach einigen Filmminuten sind wir in der schönsten US-amerikanischen universitären Geschlechterdiskussion, die in den folgenden über zwei Stunden episch ausgebreitet wird. Das ist der Stoff für einen potentiell spannenden, erhellenden und Diskussionen provozierenden Film. In diese Fall ist es die Prämisse für einen enttäuschenden Film, der noch enttäuschender ist, weil er von Luca Guadagnino ist, dem Regisseur von „I am Love“, „A Bigger Splash“, „Call Me by Your Name“, „Suspiria“, „Bones and All“, „Challengers – Rivalen“ und, zuletzt, „Queer“. Alles bildgewaltige Meisterwerke mit vielen Bildern, Szenen und Schauspielerleistungen, die im Gedächtnis bleiben. „After the Hunt“ ist, nicht nur im Vergleich zu diesen Filmen, ein viel zu lang geratener Film, der fest den TV-Bildschirm und ein bestenfalls milde aufmerksames Publikum im Blick hat.
Beginnen tut „After the Hunt“, sehr formbewusst und die Filmgeschichte kennend, mit seinen Texteinblendungen wie ein Woody-Allen-Film. Auch der Rest – der Bildaufbau, die sich unauffällig im Hintergrund haltende Kamera, das Milieu, die langen, intellektuell mit Anspielungen auf Literatur, Philosophie und Politik unterfütterten Dialoge und die Musik – könnten aus einem Woody-Allen-Film sein. Wobei die Musikauswahl bei Allen jazziger und älter ausgefallen wäre.
Die von Autorin Nora Garrett (ihr Debüt) erfundene Geschichte führt dann die verschiedenen Fährten und Verdachtsmomente, die sie in den ersten Minuten etabliert, nicht konsequent weiter. Der Kriminalfall, der das mehr als solide Gerüst für ein Porträt des akademischen Milieus, der Gesellschaft und ihrer Abhängigkeiten bietet, wird nicht weiter verfolgt. Es geht auch nicht in Richtung Satire oder Hochschulthriller, in dem jeder gegen jeden kämpft. Stattdessen verliert sich die Geschichte, die von den Machern als „fesselnder Thriller“ beworben wird, in mehr oder weniger interessanten, oft viel zu langen und bizarren Episoden, so hat Alma ein spärlich möbliertes Apartment gemietet. Ihr Mann Frederick, ein verständnisvoller und kluger Psychiater, wird von Michael Stuhlbarg unterkühlt in einer bizarren Performance zwischen zutiefst verständnisvollem Ehemann, alles wissendem, auf die Menschen herabschauendem Psychiater und kindischem Störenfried gespielt. Er ist eine permanent nervende, aus dem Film herausreißende künstliche Figur.
Enden tut das Drama mit einem Jahre später spielenden Epilog, der alles ungenehm harmonieselig zusammenfasst und einem die Restlust an einer Diskussion über den Film austreibt.
„After the Hunt“ ist mit großem Abstand Luca Guadagninos schlechtester Film. Dieses Made-for-TV-Campusdrama mit seinen uninteressanten Klischeefiguren, #MeToo-Klischeedialogen und nicht vorhandenen dramatischen Zuspitzungen hat nichts von dem, weshalb man sich seine Filme ansieht.
In seinem neuesten Film präsentiert er nur das überlange Imitat eines ganz schlechten Woody-Allen-Film. Denn mit knapp 140 Minuten ist Guadagninos Drama mindestens vierzig Minuten zu lang. Allen hätte das in seinen üblichen neunzig bis hundert Minuten besser erzählt.
P. S.: Die Musik ist von Trent Reznor und Atticus Ross, die letzte Woche als Nine Inch Nails „Tron: Ares“ vertonten.

After the Hunt (After the Hunt, USA 2025)
Regie: Luca Guadagnino
Drehbuch: Nora Garrett
mit Julia Roberts, Ayo Edebiri, Andrew Garfield, Michael Stuhlbarg, Chloë Sevigny
Länge: 139 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Moviepilot über „After the Hunt“
Metacritic über „After the Hunt“
Rotten Tomatoes über „After the Hunt“
Wikipedia über „After the Hunt“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Luca Guadagninos „A bigger Splash“ (A bigger Splash, Italien/Frankreich 2015) und der DVD
Meine Besprechung von Luca Guadagninos „Call me by your Name“ (Call me by your Name, USA 2017)
Meine Besprechung von Luca Guadagninos „Suspiria“ (Suspiria, Italien/USA 2018)
Meine Besprechung von Luca Guadagninos „Bones and All“ (Bones and All, Italien/USA 2022)
Meine Besprechung von Luca Guadagninos „Challengers – Rivalen“ (Challengers, USA 2024)
Meine Besprechung von Luca Guadagninos „Queer“ (Queer, Italien/USA 2024)
Veröffentlicht von AxelB 




