Die üblichen Verdächtigen (The usual Suspects, USA 1995)
Regie: Bryan Singer
Drehbuch: Christopher McQuarrie
„Wer ist Keyser Soze?“ fragen sich einige nur scheinbar zufällig in eine Gefängniszelle eingesperrte Verbrecher und, nach einem Massaker im Hafen von San Pedro, auch ein Zollinspektor. Er lässt sich von dem einzigen Überleben erzählen, wie es zu dem Blutbad im Hafen kam.
Nach zwei Stunden gibt es die überraschende Enthüllung. Heute dürfte das Ende bekannt sein.
„Einer der intelligentesten Thriller des Jahres.“ (Fischer Film Almanach 1997)
McQuarries Drehbuch erhielt unter anderem den Edgar und den Oscar.
Mit Kevin Spacey, Chazz Palminteri, Stephen Baldwin, Gabriel Byrne, Benicio Del Toro, Kevin Pollak, Pete Postlethwaite, Suzy Amis, Giancarlo Esposito, Dan Hedaya, Paul Bartel, Louis Lombardi
Normalerweise heißt es bei den Superheldenfilmen von Marvel und DC, man solle bitte nichts spoilern, um den Fans nicht die Überraschung zu verderben. Die offiziellen Synopsen sind oft nebulös. Die Trailer zeigen nur einige beeeindruckende Bilder. Sie transportieren eine Stimmung und sollen primär Erwartungen wecken. Aber auch wer vor dem Filmstart alle Trailer gesehen und jeden Krümmel Information ausführlich analysiert hat, weiß wenig bis nichts über den Film.
Nicht so im Fall von „Captain America: Brave New World“. Die offizielle Synopse ist gewohnt nebulös: „Nach einem Treffen mit dem neu gewählten US-Präsidenten Thaddeus Ross, gespielt von Harrison Ford, der in diesem Film sein MCU-Debüt gibt, findet sich Sam Wilson plötzlich inmitten eines internationalen Konflikts wieder. Er muss die Hintergründe eines skrupellosen, globalen Komplotts aufdecken, bevor der wahre Strippenzieher die gesamte Welt ins Chaos stürzen kann. Ein atemloser Wettlauf gegen die Zeit beginnt… „
Der Trailer verrät dann schon, dass Thaddeus Ross Red Hulk ist. Eigentlich verrät er auch die gesamte Handlung. Jedenfalls den wichtigsten Handlungsstrang. Dazu kommen noch weitere Subplots und Bösewichter und Helfer von Sam Wilson, aka Captain America, die im Trailer kurz gezeigt werden. Gespielt wird Captain America von Anthony Mackie, der Wilson bereits in sechs Kinofilmen und der TV-Serie „The Falcon and the Winter Soldier“ (2021) spielte.
Der Film selbst ist der 35. Spielfilm im Marvel Cinematic Universe (MCU), der fünfte Film der sogenannten fünften Phase und Teil der hemmungslos verkorksten Multiverse Saga. Die fünfte Phase endet am 2. Mai mit dem Kinostart von „Thunderbolts“ und, entgegen der ursprünglichen Idee, mehrere aufeinander folgende Spielfilme in Phasen und Sagas miteinander zu verknüpfen, ist dieser Zusammenhang in der Mulitverse Saga nie ersichtlich. Neben den Spielfilmen gibt es inzwischen auch eine unüberschaubare Zahl von TV-Serien, die man sich ansehen sollte, um alles, was in den Filmen gezeigt wird, zu verstehen.
Damit wird jeder Film, mehr oder weniger, nur noch zu einem winzig kleinen Puzzlestück innerhalb eines an allen Ecken und Enden ausfransenden Universums, das inzwischen sogar ein Multiversum ist. Trotzdem könnten innerhalb dieses Universums immer noch gelungen Filme entstehen, die wie die früheren MCU-Filme, gleichzeitig für sich selbst stehen und eine größere Geschichte weiter erzählen.
„Captain America: Brave New World“ ist – wieder einmal – nicht dieser Film. Er ist bestenfalls eine mittelmäßíge Episode einer mediokren TV-Serie.
Die fast immer zu dunklen Bilder passen sich schon im Kino den späteren Streaming-Erfordernissen an. Die Spezialeffekte sind okay. Wenn Captain America gegen Düsenjets kämpft ist das eine CGI-Schlacht. Wenn er gegen Red Hulk kämpft ebenso und niemand kann das Weiße Haus besser zerstören als Roland Emmerich. Über das Spiel der Schauspieler legen wir besser den Mantel des Schweigens. Die Bösewichter sind, wenn sie böse Dinge sagen und tun, etwas überzeugender als die Guten. Trotzdem herrscht immer das Gefühl, dass sie ihre Szenen ohne die Anwesenheit ihrer Mitschauspieler spielten, sie vor Green Screens agierten und im Nachdreh irgendetwas verändert wurde, ohne dass alle Schauspieler die Szene noch einmal gemeinsam spielten.
Das Drehbuch wirkt, als habe man aus einem halben Dutzend schlechter Drehbücher die (hoffentlich) besten Szenen ausgeschnitten, in eine halbwegs chronologische Reihenfolge gelegt und dann alles, ohne weitere Änderungen zusammengefügt. Etwaige Lücken wurden schnell mit weiteren Erklärdialogen zugekleistert.
Schon am Anfang wird schnell erklärt, in welcher Welt dieser Film spielt und wer Thaddeus ‚Thunderbolt‘ Ross, der neue Präsident der USA, ist. Obwohl er bereits in vier MCU-Filmen auftrat, in denen er von dem verstorbenen William Hurt gespietl wurde, ist er im MCU-Kosmos eine Nebenfigur. Dieses Mal wird er von Harrison Ford, wenig überzeugend, gespielt. Seinen ersten Auftritt hatte Ross 2008 in „Der unglaubliche Hulk“ (The Incredible Hulk, mit Edward Norton als Hulk) und dieser Film ist, auch wenn er zu den vergessenen MCU-Filmen gehört, wichtig für „Captain America: Brave New World“. Denn auch ‚The Leader‘ Samuel Stern ist wieder dabei. Tim Blake Nelson spielt ihn wieder, allerdings wurde seine Figur für ihren zweiten Filmauftritt stark verändert. Das kann als Hinweis auf das Multiverse mit seiner Anythin-goes-Attitüde verstanden werden.
Nach dieser Einführung geht es in einer Mischung aus Action, im Nichts versandenden Plots und Erklärdialogen weiter. Anstatt zu zeigen, wie die Figuren etwas erfahren, wird uns gesagt, wie sie es erfahren haben. So findet ungefähr gegen Ende des ersten Drittels des Films in einem hoch gesichertem Innenraum ein Attentat von gleichzeitig fünf Attentätern auf den US-Präsidenten statt. Das Attentat geht schief. Weil ein Freund von Sam Wilson zu den Tätern gehört, will er jetzt die Hintermänner finden. Aber anstatt jetzt akribisch verschiedene Spuren zu verfolgen, uns mehr über die Täter zu verraten und langsam das Komplott gegen den Präsidenten zu enthüllen, gibt es Action, immer wieder Szenen, in denen schnell alles erklärt wird, was wir nicht sehen durften, und mehr oder weniger mit dem Attentat zusammenhängende Subplots. So soll Sam Wilson die Avengers wieder zusammenbringen oder neu gründen. Aber das wird erst in einem künftigem Film geschehen. Hier wird nur darüber gesprochen. Es gibt Verbindungen zu früheren Filmen, die so minimal sind, dass sie nur für Fans sofort erkennbar sind. Und ob diese Verbindungen wichtig sind oder nur die Funktion eines mehr oder weniger großen Product Placement haben, ist unklar. Die so entstehende Filmgeschichte ist gleichzeitig elliptisch, kryptisch und diffus. Wahrscheinlich können noch nicht einmal die Macher die Filmgeschichte nacherzählen.
Unterhaltsam oder kurzweilig, wie die älteren MCU-Filme, ist diese Chose auch nicht. Dabei dauert „Captain America: Brave New World“ keine zwei Stunden.
Es gibt dieses Mal im Abspann keine Szene. Nach dem Abspann gibt es eine Szene, die nur als Bewerbungsvideo für die schlechteste Post-Credit-Szene aller Zeiten eine Berechtigung hat.
P. S.: Mit dem gleichnamigen Roman von Aldous Huxley hat dieser Film nichts zu tun. Wer allerdings den Science-Fiction-Klassiker noch nicht gelesen hat, sollte das unbedingt tun. Jetzt. Sofort.
Captain America: Brave New World (Captain America: Brave New World, USA 2015)
Regie: Julius Onah
Drehbuch: Rob Edwards, Malcolm Spellman, Dalan Musson, Julius Onah, Peter Glanz (nach einer Geschichte von Rob Edwards, Malcolm Spellman und Dalan Musson, basierend auf der von Joe Simon und Jack Kirby erfundenen Figur Captain America)
mit Anthony Mackie, Harrison Ford, Danny Ramirez, Shira Haas, Carl Lumbly, Tim Blake Nelson, Giancarlo Esposito, Xosha Roquemore, Jóhannes Haukur Jóhannesson, William Mark McCullough, Takehiro Hira, Harsh Nayyar, Liv Tyler (und, wenn ich nichts übersehen habe, ein Überraschungscameo)
Wenn wir ehrlich sind, ist „Megalopolis“ gescheitert, aber sehenswert, wenn auch nicht sehenswert gescheitert. Außerdem ist Francis Ford Coppolas neuer Film – ich hänge mich jetzt weit aus dem Fenster (aber bei der Höhe meines Fensters ist das ein vertretbares Risiko) – auch kein Film, der in zwanzig, dreißig Jahren eine gloriose Wiederauferstehung und Neubeurteilung erfahren wird. Trotzdem ist er sehenswert.
Ich erkläre das jetzt.
„Megalopolis“ könnte der letzte Spielfilm von Francis Ford Coppola sein. Er ist 85 Jahre und steckte in den vergangenen Jahren seine Energie in Restaurierungen und neue Schnittfassungen seiner alten Filme, die dann auch wieder im Kino gezeigt und von der Kritik abgefeiert wurden. In den vergangenen 25 Jahren drehte er drei Filme, die alle eine Ist-mir-egal-Einstellung gegenüber kommerziellen Erwägungen und den Erwartungen des Publikum versprühten. Auch „Megalopolis“ kümmert sich wenig um Publikumserwartungen und das zeitgenössische Kino.
Für Coppola ist „Megalopolis“ die Erfüllung eines lange gehegten, mit eigenem Geld finanzierten Wunsches. Seit über vierzig Jahren ist das Projekt immer wieder im Gespräch. Coppola sammelte Zeitungsausschnitte, machte sich Notizen und schrieb auch, mehr oder weniger präzise ausformulierte Drehbücher. Es gab mehr oder weniger weit fortgeschrittene Vorbereitungen für eine Verfilmung. Immer wieder kam etwas dazwischen und Coppola sammelte weitere Ideen, unterhielt sich über das Projekt und schrieb neue Versionen der Geschichte.
Diese lange Entwicklungszeit ist ein Problem des Films. Es ist in jeder Minute offensichtlich, dass über viele Jahre an dem Film gearbeitet wurde. Da hat sich viel angesammelt und vieles will man dann nicht einfach wegwerfen. So franst der Film in jeder nur erdenklichen Beziehung an allen Ecken und Enden aus. Einige Bilder und Ideen, die damals visionär waren, wirken heute abgeschmackt. Anderes ist immer noch atemberaubend.
Im Gegensatz zu anderen Alterswerken großer Regisseure ist „Megalopolis“ auch nicht – also jedenfalls nicht wirklich – die Zusammenfassung des bisherigen Werkes und eine damit verbundene Rückschau. Es ist ein Werk, das sich viel wagt, das keine Rücksicht nimmt und aus dem Vollen schöpft. Das ist bewundernswert und führt immer wieder zu atemberaubenden Szenen. Ein guter Film ist „Megalopolis“ nicht.
Es geht um den genialen Architekten und Erfinder Cäsar Catilina (Adam Driver), der die Metropole New Rome radikal umgestalten möchte. Er hat eine visionäre Vision von der Zukunft und wie Menschen in einer Metropole leben können. Der Bürgermeister Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito) ist dagegen. Er will den Status Quo von New Rome aufrecht erhalten.
Nachdem Coppola diese Prämisse schnell etabliert hat, vergisst er sie atemberaubend schnell. Er driftet in Richtung Sittengemälde ab mit zahlreichen Anspielungen auf die Geschichte von New York, dem klaren Vorbild für New Rome, und dem eher prüden Feiern altrömischer Dekadenz mit halbnackten Frauen, Wagenrennen und teilweise moderner und zukünftiger Technik. Dazwischen gibt es vollkommen unzusammenhängende Episoden, die für die zu dem Zeitpunkt schon lange im Nirvana verschwundene Hauptgeschichte keinerlei Bedeutung haben. Anscheinend wichtige Figuren verschwinden aus der Filmgeschichte. Manche für immer. Interessante Ideen, wie dass Catilina die Zeit anhalten kann, haben für den Film, nach einer pompösen Einführung, keinerlei Bedeutung. Coppola verirrt sich im Dickicht seiner Ideensammlung für den Film und den verschiedenen Drehbuchskizzen und -versionen, ohne eine klare Vision der Filmgeschichte und des in ihr zu behandelnden Konflikts zu entwickeln. Denn dann hätte er gewusst, welche Ideen und Anspielungen in den Film gehören und welche nicht.
New Rome ist Coppolas Version von Gotham City und „Megalopolis“ ist „geschnittene Szenen aus ‚Batman‘-Filmen“ und Bilder aus dem Leben und Leiden der Architektenkammer von Gotham. Beides ohne Batman und Superbösewichter.
Megalopolis (Megalopolis, USA 2024)
Regie: Francis Ford Coppola
Drehbuch: Francis Ford Coppola
mit Adam Driver, Giancarlo Esposito, Nathalie Emmanuel, Shia LaBeouf, Aubrey Plaza, Jon Voight, Jason Schwartzman, Laurence Fishburne, Talia Shire, Kathryn Hunter, Grace VanderWaal, Chloe Fineman, James Remar, D.B. Sweeney, Dustin Hoffman, Balthazar Getty
Maxine Minx hat es geschafft. Naja, irgendwie so halb. Sie lebt inzwischen in Hollywood, hat einen Agenten und dreht Filme. Allerdings nur Pornos und langsam – wir reden hier von 1985 – wird die Dreiunddreißigjährige zu alt für diese Filme. Außerdem möchte sie immer noch ein echter Hollywood-Star werden. Das könnte ihr mit der Hauptrolle in dem Horrorfilm „The Puritan 2“, die sie nach einem erfolgreichen Vorsprechen erhielt, gelingen.
Zur gleichen Zeit sorgt ein Serienmörder in Los Angeles für Angst und Schrecken. Wie sein Spitzname Night Stalker verrät, ist er bevorzug nachts unterwegs. Um diese Zeit ist auch Maxine unterwegs. Im Gegensatz zu anderen Frauen hat sie keine Angst vor dem Night Stalker. Eher müssen die Männer, Night Stalker hin, Night Stalker her, Angst vor ihr haben.
Genrefans kennen Maxine aus Ti Wests „X“. Das war 2022 ein wunderschön unterhaltsamer Retro-Slasher, der gelungen das „Texas Chainsaw Massacre“ mit dem Pornofilm verband. „X“ spielt 1979 auf einer Farm in Texas. Dort wollen einige Jungfilmer einen Porno drehen und so viel Geld verdienen. Sie haben allerdings nicht mit der Hausherrin Pearl gerechnet, die sie der Reihe nach umbringt. Mia Goth spielte Maxine und, auf alt geschminkt, Pearl.
Weil Ti West, Mia Goth und das gesamte Team wegen der Coronavirus-Pandemie vor der Einreise nach Australien, wo der Film gedreht wurde, in Quarantäne waren, erfanden West und Goth für Pearl eine ausführliche Biographie. Das Drehbuch gefiel den Produzenten so gut, dass sie „Pearl“ direkt nach „X“ verfilmen konnten. Sie blieben einfach etwas länger am Drehort. „Pearl“ verbindet die Technicolor-Hollywood-Dramen von Douglas Sirk mit dem „Zauberer von Oz“ und dem Slasherfilm. Die tiefgläubige, etwas junge Pearl möchte 1918 aus dem US-amerikanischen Hinterland-Farmland nach Hollywood und dort berühmt werden. Als es Probleme gibt, zückt sie das Messer und sticht zu. Auch diese KombinationSLASHHommage mehrerer Genres, wieder stilecht in der Optik dieser Genres inszeniert, überzeugte Kritik und Fans.
Mit „MaXXXine“ erzählen West und Goth jetzt, mit einem größeren Budget, die Geschichte von Maxine weiter. Vor dem Dreh hieß es, dieser Film sei das Ende einer Trilogie; wobei die drei Filme keine durchgehende Geschichte erzählen, sondern durch den Regisseur, die Hauptdarstellerin und Ähnlichkeiten in Thema, Stil und Herangehensweise miteinander verbunden sind. Sie sind also, wie die Filme von Eric Rohmer, der mit Frauen ganz andere Filme drehte und sie zu verschiedenen Zyklen zusammenfasste, eher ein Zyklus, der noch nicht abgeschlossen ist. Schon vor dem Kinostart sagte Ti West, dass er bereits an einem weiteren Film mit Maxine arbeite.
Bis dahin haben wir „MaXXXine“, der nahtlos an die beiden vorherigen Filme anknüpft. Wieder geht es um christlichen Fundamentalismus und die damit verbundene Abscheu vor Pornographie, lustvollem, vorehelichem Sex und anderen weltlichen Vergnügen. Wieder spielt Mia Goth die Hauptrolle. Sie ist, wie man damals sagte, ein echter Hingucker. Und wieder kopiert Ti West Filmstile, die während der Handlungszeit des Films populär waren. Das heißt, dass er dieses Mal förmlich im 80er-Jahre-Horrorfilm, dem damaligen Hollywoodkino, vor allem den B-Pictures, und dem Pornofilm badet. West zeigt Los Angeles und Hollywood als einen einzigen Sündenpfuhl voller Sex und Gewalt. Mit der Bibel in der Hand, rechtschaffener Empörung über den Verfall der Sitten und hysterischen Warnungen vor den allgegenwärtigen Gefahren für Jugendliche kämpften die Sittenwächter dagegen an.
„MaXXXine“ ist ein Über-80er-Jahre-Thriller, der damalige Thriller, Horrorfilme, Pornos und Blockbuster kondensiert und, fast wie ein Music-Clip, wieder ausspukt. Entsprechend gut sieht alles aus. Mit einigen bekannten Schauspielern, die offensichtlich ihren Spaß haben, wenn sie ihre Figuren besonders übertrieben spielen, und einer Mia Goth, die wie die von ihr verkörperte Maxine, als der große kommende Star auftritt. Insofern kann „MaXXXine“ auch als Starvehikel gelesen werden, das die Geschichte von Mia Goth erzählt. Goth war vor ihrer Schauspielerkarriere Model.
Außerdem ist „MaXXXine“ eine Liebeserklärung an Hollywood und das Filmemachen. Selten, obwohl es zuletzt „Once upon a time in Hollywood“ und „Babylon – Rausch der Ekstase“ gab, wird in einem Film so ausführlich gezeigt, wie ein Film entsteht, selten wird in einem Film so lange über das Studiogelände durch die Kulissen gefahren und noch seltener, eigentlich nur in den „Psycho“-Filmen und Parodien, wird das „Psycho“-Haus gezeigt. Filmfans können in Ti Wests Film also einiges entdecken.
Trotzdem funktioniert „MaXXXine“ auch gut ohne eine Analyse der Metaebenen als gradliniger Über-80er-Jahre-Thriller. Er lässt uns noch einmal in die Welt eintauchen, die wir, um nur drei bekannte Beispiele zu nennen, aus Filmen wie Brian De Palmas „Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren“ und „Der Tod kommt zweimal“ (Body Double) und Abel Ferraras „Fear City“ (der allerdings in New York spielt) kennen. Jeder kann die Liste um weitere damals entstandene blutrünstige, damals und teils heute immer noch schockierende Slasher-, Horrorfilme und Thriller ergänzen. Im Finale, das teilweise auf einem großen Grundstück spielt, das in der Nähe des legendären Hollywood-Schildes liegt, wird dann der finale Schusswechsel aus dem ersten und besten „Beverly Hills Cop“ zitiert.
„MaXXXine“ ist eine verdammt gutaussehende, stilbewusste, ziemlich witzige und blutige Retro-Schlachtplatte.
MaXXXine(MaXXXine, USA 2024)
Regie: Ti West
Drehbuch: Ti West
mit Mia Goth, Elizabeth Debicki, Michelle Monaghan, Kevin Bacon, Halsey, Giancarlo Esposito, Bobby Cannavale, Moses Sumney, Lily Collins, Sophie Thatcher, Simon Prast
Vor fünf Jahren – und damit vor ihren beiden „Scream“-Filmen – geriet in ihrer Horrorkomödie „Ready or not“ eine Braut in einem riesigen Anwesen in das bizarre Aufnahmeritual der Familie des Bräutigams. Schnell eskalierte die Filmgeschichte, unter dem Gelächter des Kinopublikums, sehr blutig.
In ihrem neuen Film „Abigail“ wird die titelgebende Abigail, eine zwölfjährige Balletttänzerin, entführt. Bis zur Zahlung des Lösegeldes wird sie von ihren Entführern in einem riesigen, verlassenen Anwesen gefangen gehalten. Schnell eskaliert die Filmgeschichte, unter dem Gelächter des Kinopublikums, sehr blutig.
Denn Abigail ist keine harmlos Zwölfjährige. Ihr Vater ist ein mächtiger Unterweltboss. Er ist so mächtig, dass die sechs Entführer schon bei der Nennung seines Namens, den sie erst nach der Entführung erfahren, Panikattacken bekommen. Das ist nicht das einzige, was sie nicht wissen. Sie kennen sich nur unter Tarnnamen. Sie wissen nichts übereinander. Das wollte der ihnen unbekannte Auftraggeber so. Er stellte sie als Team zusammen und lockte sie mit einer fürstlichen Entlohnung. Auch wenn am Filmanfang gesagt wird, dass sie alle Profis und die besten in ihrem Fach seien, vermutet man als Zuschauer schnell, dass diese sechs Trottel in erster Linie nicht wegen ihrer Fähigkeiten als Verbrecher ausgewählt wurden.
Oh, und Abigail ist keine harmlose Zwölfjährige, sondern ein Vampir.
Mehr soll hier über „Abigail“ nicht verraten werden. Der neue Film von Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett lebt von einigen halbwegs überraschenden Wendungen, der Frage, in welcher Reihenfolge die Entführer sterben werden, seinem Humor und seinem unverkrampften Verhältnis zu spritzendem Blut. In „Abigail“ scheint jeder Mensch eher sechzig als sechs Liter Blut in seinem Körper zu haben.
Der Film selbst beginnt unblutig mit Abigails Entführung, die in nervig vielen Schnitten gezeigt wird. Glücklicherweise reduzieren Bettinelli-Olpin und Gillett nachher das Schnitttempo radikal. In diesem eher langsamen ersten Akt werden auch die Entführer skizzenhaft vorgestellt.
Mit dem Tod von ihrem Fahrer Dean (Angus Cloud in seiner letzten Rolle) endet dieser Teil des Thrillers. In den nächsten Minuten, wenn die Entführer auf der Suche nach Deans Mörder durch die dunklen Gänge der verlassenen Villa streifen, gibt es reichlich Suspense-Momente. Einerseits weil die Entführer Abigail suchen, andererseits weil Abigail gerne mit ihrem Essen spielt.
Danach wird der Horrorthriller zu einer sehr blutigen Schlachtplatte, die Splatter und Gore mit Comedy für Menschen mit einem stabilen Magen munter vermengt und über die Leinwand spritzen lässt.
Das macht „Abigail“ zu einem blutigen Spaß, der gut ins Programm des Fantasy-Filmfests gepasst hätte. Jetzt läuft er einige Monate früher im Kino an.
Abigail(Abigail, USA 2024)
Regie: Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett
Drehbuch: Stephen Shields, Guy Busick
mit Melissa Barrera, Dan Stevens, Kathryn Newton, William Catlett, Angus Cloud, Kevin Durand, Alisha Weir, Matthew Goode, Giancarlo Esposito .
Die üblichen Verdächtigen (The usual Suspects, USA 1995)
Regie: Bryan Singer
Drehbuch: Christopher McQuarrie
„Wer ist Keyser Soze?“ fragen sich einige nur scheinbar zufällig in eine Gefängniszelle eingesperrte Verbrecher und, nach einem Massaker im Hafen von San Pedro, auch ein Zollinspektor. Er lässt sich von dem einzigen Überleben erzählen, wie es zu dem Blutbad im Hafen kam.
Nach zwei Stunden gibt es die überraschende Enthüllung. Heute dürfte das Ende bekannt sein.
„Einer der intelligentesten Thriller des Jahres.“ (Fischer Film Almanach 1997)
McQuarries Drehbuch erhielt unter anderem den Edgar und den Oscar.
Mit Kevin Spacey, Chazz Palminteri, Stephen Baldwin, Gabriel Byrne, Benicio Del Toro, Kevin Pollak, Pete Postlethwaite, Suzy Amis, Giancarlo Esposito, Dan Hedaya, Paul Bartel, Louis Lombardi
Wiederholung: Freitag, 19. April, 01.43 Uhr (Taggenau!)
Die üblichen Verdächtigen (The usual Suspects, USA 1995)
Regie: Bryan Singer
Drehbuch: Christopher McQuarrie
„Wer ist Keyser Soze?“ fragen sich einige nur scheinbar zufällig in eine Gefängniszelle eingesperrte Verbrecher und, nach einem Massaker im Hafen von San Pedro, auch ein Zollinspektor. Er lässt sich von dem einzigen Überleben erzählen, wie es zu dem Blutbad im Hafen kam.
Nach zwei Stunden gibt es die überraschende Enthüllung. Heute dürfte das Ende bekannt sein.
„Einer der intelligentesten Thriller des Jahres.“ (Fischer Film Almanach 1997)
McQuarries Drehbuch erhielt unter anderem den Edgar und den Oscar.
Mit Kevin Spacey, Chazz Palminteri, Stephen Baldwin, Gabriel Byrne, Benicio Del Toro, Kevin Pollak, Pete Postlethwaite, Suzy Amis, Giancarlo Esposito, Dan Hedaya, Paul Bartel, Louis Lombardi
Nach zwei ziemlich misslungenen Realverfilmungen ist der neueste „Teenage Mutant Ninja Turtles“-Film wieder ein Animationsfilm. Und das ist gut so.
Die Teenage Mutant Ninja Turtles sind, wie ihr Name verrät, mutierte Schildkröten, die im Teenager-Alter sind, sich so benehmen und als Ninjas gut kämpfen können. Sie leben in New York in der Kanalisation. Ihr Vater/Lehrmeister ist Splinter, eine ältere, mutierte Ratte. Ihren ersten Auftritt hatten Teenage Mutant Ninja Turtles 1984 in einem Comic von Kevin Eastman und Peter Laird. Die Parodie auf Superheldencomics war als Einzelwerk geplant. Doch es kam anders. Das Heft war schnell ausverkauft. Sie schrieben eine zweite Geschichte. Und weitere Geschichten. Schnell kamen eine langlebige Zeichentrickserie (weitere folgten) und mehrere Spielfilme dazu. Kindern liebten die mutierten Turtles. Ihre Eltern hatten öfter das Gefühl, dass Benjamin Blümchen und Pumuckl doch nicht so nervig sind.
In dem neuen Film „Mutant Mayhem“ befinden sich die Teenage Mutant Ninja Turtles Leonardo, Raphael, Donatello und Michelangelo in einer Sinnkrise. Einerseits tun sie gute Dinge, indem sie gegen Verbrecher kämpfen, andererseits fehlt ihnen die öffentliche Anerkennung. Und Splinter hat sie, nachdem das Besorgen von Essen mehr Zeit als nötig beanspruchte und sie sich in einem Open-Air-Kino einen Film ansahen, zu einem längeren Hausarrest verurteilt. Splinter ist, aufgrund eigener negativer Erfahrungen mit den Menschen, überzeugt, dass die Menschen sie niemals akzeptieren werden.
Trotzdem wagen die vier Turtles sich wieder unter die Menschen, treffen April O’Neil, die für eine Schülerzeitung schreibt, und sie nehmen den Kampf gegen den Schurken Superfly auf. Er will eine Welt ohne Menschen erschaffen.
Ein Blick auf die kreativen Köpfe hinter dem Film zeigt schon, in welche Richtung es geht.
Das Drehbuch ist von Seth Rogen, Evan Goldberg, Jeff Rowe, Dan Hernandez und Benji Samit. Zu Rogen und Goldbergs früheren Drehbucharbeiten gehören „Superbad“, „Ananas Express“, „Bad Neighbors 2“ und „Sausage Party – Es geht um die Wurst“. Sie gehören auch zu den Produzenten des Films.
Dan Hernandez und Benji Samit schrieben die Drehbücher zu „Pokémon Meisterdetektiv Pikachu“, „Die Addams Family 2“ und der Disney-Jugendserie „Ultra Violet & Black Scorpion“
Regisseur Jeff Rowe war vorher Co-Regisseur und Drehbuchautor bei „Die Mitchells gegen die Maschinen“. Ko-Regisseur Kyler Spears arbeitete bei diesem Film als Storyboard-Artist.
Produziert wurde der Film von Seth Rogen, Evan Goldberg und ihrem langjährigem Produktionspartner James Weaver. Damit dürfte klar sein, in welche Richtung sich der Humor des Films bewegt.
Der war in ihren vorherigen Filmen immer etwas versaut, pubertär und die Grenzen des guten Geschmacks austestend. Oder, anders gesagt, die ideale Kombination für einen „Teenage Mutant Ninja Turtles“-Film. Entsprechend nah an dem mir aus den Comics bekanntem derben Humor ist dann dieser Animationsfilm. Auch die Optik des Films orientiert sich gelungen an Comiczeichnungen.
Ein Manko des derben Spaßes ist die finale Schlacht. Sie ist einfach viel zu lang und viel zu viele Figuren, die einem letztendlich egal sind, kloppen sich in New York. Da wäre weniger mehr gewesen. Doch das dürfte für Fans der Turtles ein eher kleiner Einwand sein.
Außerdem ist „Mutant Mayhem“ mit knapp hundert Minuten erfreulich kurz geraten.
Drehbuch: Seth Rogen, Evan Goldberg, Jeff Rowe, Dan Hernandez, Benji Samit (nach einer Geschichte von Brendan O’Brien, Seth Rogen, Evan Goldberg und Jeff Rowe) (basierend auf den Charakteren von Peter Laird und Kevin Eastman)
mit (im Original den Stimmen von) Micah Abbey, Shamon Brown Jr., Hannibal Buress, Rose Byrne, Nicolas Cantu, John Cena, Jackie Chan, Ice Cube, Natasia Demetriou, Avo Edebiri, Giancarlo Esposito, Post Malone, Brady Noon, Seth Rogen, Paul Rudd, Maya Rudolph
Drehbuch: Jamie Linden, Alan DiFiore, Jim Kouf (nach einer Geschichte von Alan DiFiore und Jim Kouf)
Kyle Budwell will wissen, warum der ihm von Lee Gates im TV als todsicher versprochenen Aktie ein desaströser Flop sind. In Gates‘ Live-TV-Sendung nimmt der einfache Arbeiter den aalglatten Moderator als Geisel. Kyle will Antworten und sein mühsam zusammengespartes Geld zurück.
Spannender, viel zu unbekannter, schwarzhumoriger Echtzeit-Thriller, der einige wichtige Fragen anspricht und auch zum Nachdenken anregen kann.
mit George Clooney, Julia Roberts, Jack O’Connell, Dominic West, Caitriona Balfe, Giancarlo Esposito, Christopher Denham, Lenny Venito, Chris Bauer, Dennis Boutsikaris, Emily Meade, Condola Rashad
Ex-Privatdetektiv Harry Ross jobbt für das mit ihm befreundete, sich im vergangenen Ruhm sonnendes Schauspielerpaar Jack und Catherine Ames. Während eines Botenganges für sie stolpert er über eine Leiche und die alten Instinkte werden wieder wach. Ross will seinen Freunden gegen die Erpresser helfen.
Betont altmodischer Privatdetektiv-Krimi, der sich ausdrücklich auf die Tradition bezieht (so kann er als dritter Lew-Harper-Film gesehen werden. Newman spielte Harper in „Ein Fall für Harper“ und „Unter Wasser stirbt man nicht“. Harper ist der Filmname des von Ross MacDonald erfundenen Privatdetektiv Lew Archer.), mit pointierten Dialogen und einem Haufen Altstars glänzend unterhält.
Die Musik ist von Elmer Bernstein.
„Ein reines Vergnügen.“ (W. O. P. Kistner, AZ, 6. August 1998)
„Benton zeigt angenehm gelassen, wie die Vergangenheit als Ballast wirkt, dem man nicht entrinnt, und wie ihr Fortwirken neues Unheil erzeugt.“ (Fischer Film Almanach 1999)
Das klingt doch verdammt nach Ross MacDonald.
mit Paul Newman, Susan Sarandon, Gene Hackman, Stockard Channing, James Garner, Reese Witherspoon, Giancarlo Esposito, Liev Schreiber, John Spencer, M. Emmet Walsh
Eine schwüle Sommernacht in Brooklyn – und alle Treffen sich in Sal’s Pizzeria.
Spike Lees dritter Spielfilm und inzwischen ein Klassiker. Eine hysterische Nummernrevue, in der Emotionen und Gegensätze ungebremst aufeinanderkrachen.
„Lee macht im Grunde etwas sehr Mutiges. Er hält seinen eigenen Leuten ihren eigenen Rassismus vor. Erst wenn sie dies erkennen, sind sie in der Lage, anders mit dem Rassismus der Weißen umzugehen, als es das Ende des Films zeigt.“ (Fischer Film Almanach 1990)
„Das Richtige getan hat Lee, indem er einen Film gedreht hat, der seine Dringlichkeit in keinem Augenblick vermeint, ohne deshalb Lösungen mit auf den Weg geben zu wollen. Statt die eine richtige Position zu behaupten, orchestriert Lee virtuos eine Vielzahl von Positionen.“ (Cristina Nord, in Gunnar Landsgesell/Andreas Ungerböck, Hrsg.: Spike Lee, 2006)
mit Danny Aiello, Ossie Davis, Ruby Dee, Richard Edson, Spike Lee, Giancarlo Esposito, Bill Nunn, John Turturro, John Savage, Samuel L. Jackson, Rosie Perez, Martin Lawrence
Später gab Jim Jarmusch zu, dass es eine bescheuerte Idee war, fünf Kurzfilme zu drehen, in denen Taxifahrer in Los Angeles, New York, Paris, Rom und Helsinki ihre seltsamen Kunden durch die Nacht fahren und diese Begegnungen ausschließlich im fahrenden Taxi spielen zu lassen. Denn was auf dem Papier nach wenig Aufwand aussieht, ist ein logistischer Albtraum.
Zum Glück für uns kam Jarmusch erst nach den Dreharbeiten zu seiner wundervollen Ode an das Leben in der Nacht zu dieser Erkenntnis.
Tom Waits schrieb die Musik
Mit Winona Ryder, Gena Rowlands, Giancarlo Esposito, Armin Mueller-Stahl, Béatrice Dalle, Rosie Perez, Isaach de Bonkolé, Roberto Benigni, Paolo Bonacelli, Matti Pellonpää, Kari Väänänen
Die üblichen Verdächtigen (The usual Suspects, USA 1995)
Regie: Bryan Singer
Drehbuch: Christopher McQuarrie
„Wer ist Keyser Soze?“ fragen sich einige nur scheinbar zufällig in eine Gefängniszelle eingesperrte Verbrecher und, nach einem Massaker im Hafen von San Pedro, auch ein Zollinspektor. Er lässt sich von dem einzigen Überleben erzählen, wie es zu dem Blutbad im Hafen kam.
Nach zwei Stunden gibt es die überraschende Enthüllung. Heute dürfte das Ende bekannt sein.
„Einer der intelligentesten Thriller des Jahres.“ (Fischer Film Almanach 1997)
McQuarries Drehbuch erhielt unter anderem den Edgar und den Oscar.
Mit Kevin Spacey, Chazz Palminteri, Stephen Baldwin, Gabriel Byrne, Benicio Del Toro, Kevin Pollak, Pete Postlethwaite, Suzy Amis, Giancarlo Esposito, Dan Hedaya, Paul Bartel, Louis Lombardi
Wiederholung: Sonntag, 5. Mai, 01.30 Uhr (Taggenau!)
Als im Oktober 2014 der erste „Maze Runner“-Film in die Kinos kam, fiel er im Subgenre der zahlreichen Dystopien mit jugendlichen Helden auf. Denn der Protagonist war ein Mann.
Jetzt, wo der dritte und finale Teil in den Kinos anläuft, fällt die „Maze Runner“-Trilogie wieder auf. Denn sie gehört zu den wenigen, manchmal auf vier Filme aufgeteilten Trilogien in diesem Subgenre, die wirklich bis zum Ende erzählt wird. Auch wenn wegen eines Unfalls von Hauptdarsteller Dylan O’Brien im März 2016 bei den Dreharbeiten das Ende später als von den Machenr ursprünglich geplant fertig wurde.
Viele andere Jugend-Dystopien endeten in den letzten Jahren schon vor dem zweiten Film und bei „Die Bestimmung“ wird, nach dem enttäuschenden Einspielergebnis des dritten Kinofilms, der Abschluss der Serie, der vierte Film (bzw. der zweite Teil des dritten Teils), nie in die Kinos kommen. Und ob aus den TV-Plänen etwas wird, wissen wahrscheinlich noch nicht einmal die Götter.
„Maze Runner – Die Auserwählten in der Todeszone“ unterscheidet sich noch in zwei weiteren Punkten von den anderen Jugend-Dystopien. Man muss die vorherigen beiden Film nicht gesehen haben, um den dritten Film zu verstehen. Regisseur Wes Ball führt die vielen Charaktere mit ihren wichtigsten Eigenschaften und Beziehungen schnell ein. Außerdem erzählen alle drei „Maze Runner“-Filme vollkommen verschiedene Geschichten, die verschiedene Genretopoi bedienen, alle in deutlich unterscheidbaren Welten spielen und eine entsprechend anderen visuellen Stil haben.
Wer die ersten beiden „Maze Runner“-Filme „Die Auserwählten im Labyrinth“ (der auf einer von einem tödlichen Labyrinth umgebenen Lichtung spielt, aus dem die Jungs ausbrechen wollen) und „Die Auserwählten in der Brandzone“ (in dem Thomas und seine Freunde vor den WCKD-Schergen durch die Wüste in die Berge flüchten, weil sie hoffen, dort die Widerstandsgruppe „The Right Arm“ zu treffen) gesehen hat, wird viele bekannte Gesichter entdecken. Wer die Filme nicht kennt, wird ein trotz seiner Länge von über hundertvierzig Minuten flott erzähltes SF-Actionabenteuer sehen, das in einer Dystopie spielt, die als in sich geschlossene Welt durchaus glaubwürdig ist. Jedenfalls ist die „Maze Runner“-Welt glaubwürdiger als die in anderen Jugend-Dystopien präsentierten Welten, die teilweise hyperkomplex und gleichzeitig vollkommen idiotisch sind. Auch wenn man die Städte und die Ordnung der Gesellschaft nur als sehr offensichtliches Bild für die Weltsicht der jugendlichen Protagonstinnen und ihrer Gefühle beim Erwachsenwerden sehen will.
Da bleibt die „Maze Runner“-Trilogie angehem bodenständig und einfach.
Der SF-Thriller „Die Auserwählten in der Todeszone“ beginnt sechs Monate nach „Die Auserwählten in der Brandwüste“. Minho (Ki Hong Lee) wurde damals von WCKD (ein sehr treffender Name für eine sehr böse Firma) geschnappt. Thomas („American Assassin“ Dylan O’Brien) und seine Freunde versuchen ihn aus einem fahrenden Zug zu befreien. In einer ziemlich spektakulären Aktion. Dummerweise war Minho nicht in dem Zug. Thomas vermutet, dass Minho, nachdem er alle Informationen zusammenpuzzelt, in die von WCKD kontrollierte Stadt Last City, die es eigentlich nicht mehr geben sollte, gebracht wird.
Während „The Right Arm“-Führer Vince (Barry Pepper) sich mit den Kindern, die sie aus dem Zug befreit haben, und anderen Menschen in einem Schiff an einen sicheren Ort begeben will, entschließt Thomas sich, sich auf den Weg nach Last City zu machen. Begleitet wird er von Newt (Thomas Brodie-Sangster), Frypan (Dexter Darden) (beide bekannt aus dem ersten „Maze Runner“-Film), Jorge (Giancarlo Esposito) und Brenda (Rosa Salazar) (bekannt aus dem zweiten „Maze Runner“-Film).
Vor den Toren der Stadt treffen sie wieder auf Gally (Will Poulter), den sie im ersten Teil auf der Lichtung sterbend zurückließen. Er und Lawrence (Walton Goggins) wollen ihnen helfen nach Last City, einer großen, gepflegten, gut überwachten Gated Community für die Reichen, zu gelangen.
Dort wird Minho im WCKD-Labor als Versuchskaninchen für medizinische Tests gequält. WCKD-Executive-Director Dr. Ava Paige (Patricia Clarkson) und Teresa (Kaya Scodelario), Thomas‘ Ex-Freundin, glauben, dass sie kurz vor der Entdeckung eines Gegenmittels gegen den Flare-Virus stehen.
Beschützt wird die Anlage von WCKD-Sicherheitschef Janson (Aidan Gillen), der schon im zweiten Film Thomas und seine Freunde unerbittlich durch die Wüste verfolgte.
Teenagern, für die der Film in erster Linie gemacht ist, dürfte die von Wes Ball souverän inszenierte Mischung aus Action und Sentiment mit durchaus glaubwürdigen Charakteren gefallen.
Ältere erkennen natürlich sofort die zahlreichen Vorbilder, die Regisseur Wes Ball, wieder nach einem Drehbuch von T. S. Nowlin, verarbeitet und natürlich ist alles etwas einfach und auch vorhersehbar. „Maze Runner – Die Auserwählten in der Todeszone“ erfindet nichts neu und es handelt sich sicher nicht um einen künftigen Klassiker, aber es ist ein guter Film, in dem Wes Ball, wieder einmal, sein Können beim Inszenieren von Actionszenen unter Beweis stellt. Nie verliert man, egal wie komplex sie werden, den Überblick. Trotz gewisser Übertreibungen bleiben sie angenehm realistisch zwischen Schusswechseln und Faustkämpfen – und, ähem, Spielereien mit Zugwaggons und Bussen.
Auch bei den zahlreichen Handlungssträngen und dem großen Ensemble verliert man nie den Überblick.
Damit überzeugt die als Underdog gestartete „Maze Runner“-Trilogie in der Gesamtschau als gelungenes, abwechslungsreiches und kurzweiliges SF-Jugendabenteuer. Und Wes Ball empfiehlt sich als guter Actionregisseur für, nun, eine Comicverfilmung.
Maze Runner – Die Auserwählten in der Todeszone (Maze Runner: The Death Cure, USA 2018)
Regie: Wes Ball
Drehbuch: T.S. Nowlin
LV: James Dashner: The Death Cure, 2011 (Die Auserwählten – In der Todeszone)
mit Dylan O’Brien, Ki Hong Lee, Kaya Scodelario, Thomas Brodie-Sangster, Dexter Darden, Will Poulter, Jacob Lofland, Rosa Salazar, Giancarlo Esposito, Patricia Clarkson, Aidan Gillen, Barry Pepper, Nathalie Emmanuel, Katherine McNamara, Walton Goggins
„Okja“, der neue Film von „Snowpiercer“-Regisseur Bong Joon Ho, lief dieses Jahr in Cannes im Wettbewerb und er wurde – Filmfestivals haben in ihrer Gruppendynamik etwas von Musikfestivals – mit Buhrufen begrüßt. Jury-Präsident Pedro Almodóvar sagte zum Festivalauftakt, dass er sich nicht vorstellen könne, eine Film auszuzeichnen, der nicht auf der großen Leinwand laufe. Es gab eine Diskussion über die Regeln für eine Teilnahme am Cannes Filmfestival.
Wir erfuhren, dass in Frankreich Filme, erst 36 Monate (3 Jahre!) nach dem Kinostart als VoD ausgewertet werden dürfen.
Für das Cannes-Filmfestival wurden die Regeln geändert. Ab nächstem Jahr müssen Filme, die im Wettbewerb gezeigt werden, einen Kinostart in Frankreich haben.
Der Grund für diese Aufregung war, dass „Okja“ von Netflix produziert wurde und der Streamingdienst zum ersten Mal am Festival teilnahm. Und wie alle Netflix-Produktionen wird auch „Okja“ nicht im Kino, sondern nur auf Netflix gezeigt. Leider. Denn „Okja“ ist ein guter Film.
Okja ist ein elefantengroßes Schwein, das in den abgelegenen Bergen von Südkorea aufwächst. Es gehört zu einer Gruppe von gentechnisch modifizierten Schweinen, die vor zehn Jahren von Lucy Mirando (Tilda Swinton) an verschiedene Orte auf dem Globus verteilt wurden. So soll herausgefunden werden, was in jeder Beziehung die optimalen Bedingungen für die Aufzucht eines Schweins mit sind. Es ist ein Projekt der Mirando Coprporation, das den Menschen mit einer sentimentalen Geschichte gentechnisch verändertes Fleisch schmackhaft machen soll. Nach zehn Jahren soll das schönste Schwein prämiert und der staunenden Öffentlichkeit präsentiert werden.
Jetzt ist es soweit und Mija (An Seo Hyun) erfährt, dass ihr bester Freund Okja sie verlassen muss – und als Schnitzel enden wird. Um sie zu retten verfolgt sie sie um die halbe Welt bis nach New York.
In dem Moment ist die Freundschaft zwischen Mija und Okja fest etabliert. Gerade am Anfang, wenn die zwei durch den Wald toben, erinnern die Bilder in ihrer Verspieltheit und Warmherzigkeit an, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, Walt Disneys „Elliot, der Drache“ (ein sehr loses Remake des Trickfilms „Elliot, das Schmunzelmonster“); einem anderen Film über die Freundschaft zwischen einem Kind und einem sehr großem Tier, das es eigentlich nicht geben dürfte. Man könnte auch jeden anderen Film über die unzertrennliche Freundschaft zwischen einem Kind und einem Tier nennen.
Bong Joon Ho erzählt Mija und Okjas Geschichte als einen kindgerechten Abenteuerfilm für die ganze Familie, der mit eindeutigen Bildern von der Massentierhaltung endet. Spätestens in dem Moment beginnt man über seine Ernährung nachzudenken.
Die Fronten zwischen Gut und Böse sind eindeutig verteilt, aber Bong Joon Ho und sein Co-Drehbuchautor Jon Ronson (der auch die Vorlagen für „Männer, die auf Ziegen starren“ und „Frank“ schrieb) verurteilen und dämonisieren niemand, während sie die Massentierhaltung und genetische Experimente (Okja ist nur deshalb so groß, damit sie besonders viel Fleisch liefern kann) eindeutig ablehnen.
Während des Films gibt es zahlreiche satirische Spitzen gegen das Fernsehen, Unterkategorie Tierdokus, internationale Konzerne, die Fleischindustrie und radikale Tierschützer. Die lustvoll übertrieben spielenden Schauspielern wie Jake Gyllenhaal (als TV-Tierdokumoderator), Paul Dano (als Anführer der friedlichen „Animal Liberation Front“ [ALF]) und Tilda Swinton (als Firmenchefin, die ihrer Firma ein neues Image verpassen will) genießen erkennbar ihre Rollen. Swinton spielte schon in „Snowpiercer“ einen hemmungslos überzeichneten Charakter. In „Okja“ ist sie eine Firmenchefin, die gleichzeitig schutzbedürftig, visionär, eiskalt, berechnend und auch etwas dumm,aber sehr von ihren Plänen überzeugt ist. Und Paul Dano als Sprecher der friedlich-radikalen, nicht vor Straftaten zurückschreckende Tierschützer ist ein wirklich netter Kerl. Wenn auch etwas realitätsfern; – was aber für fast alle Erwachsenen in dem Film gilt.
Nach „Snowpiercer“ ist Bong Joon Ho mit „Okja“ eine weitere zum Nachdenken anregende, treffsichere und pointierte Satire und Gesellschaftskritik gelungen. Dieses Mal auch und vor allem für ein jüngeres Publikum. „Snowpiercer“ hat ja nicht umsonst eine FSK-16-Freigabe erhalten.
P. S.: In den USA läuft der Film in einigen Kinos. Vielleicht gelingt es einigen deutschen Kinos, den Film zu zeigen. Denn „Okja“ ist ein Film für die große Leinwand. Zur Not auch in einem Open-Air-Kino.
Okja (Okja, USA/Südkorea 2017)
Regie: Bong Joon Ho
Drehbuch: Bong Joon Ho, Jon Ronson (nach einer Geschichte von Bong Joon Ho)
mit Tilda Swinton, Paul Dano, An Seo Hyun, Byun Heebong, Steven Yeun, Lily Collins, Yoon Je Moon, Shirley Henderson, Daniel Henshall, Devon Bostick, Woo Shik Choi, Giancarlo Esposito, Jake Gyllenhaal
Lee Gates (George Clooney) präsentiert im Fernsehen eine Finanzshow, die vor allem eine Show ist. Laut, schrill, mit Gags und Tanzeinlagen, die zwar unterhaltsam sind, aber nicht in das Umfeld einer seriösen Show gehören. Auch die Fachkompetenz von Lee Gates scheint vor allem im Entertainment zu liegen. Trotzdem ist die Sendung beliebt und Zuschauer vertrauen seinen Aktientipps. So auch Kyle Budwell (Jack O’Connell), ein einfacher Arbeiter, der sein gesamtes Vermögen in Ibis Clear Capital investierte, weil Gates es eine bombensichere Geldanlage nannte. Dummerweise verlor die Aktie aufgrund eines unerklärlichen Computerfehlers, so die offizielle Erklärung, rapide an Wert.
Budwell ist ruiniert, aber er will Antworten haben. Denn er hat doch immer das Richtige getan. Während einer Live-Sendung nimmt er Gates als Geisel.
Mit dieser Geiselnahme beginnt Jodie Fosters neuer Film „Money Monster“ und in den folgenden neunzig Minuten entfaltet sich die hochenergetisch erzählte Geschichte ungefähr in Echtzeit, vor allem im Fernsehstudio und vor laufender Kamera. Zunächst versucht Gates den Geiselnehmer zur Aufgabe zu bewegen. Er tut also, was er am besten kann: er redet. Als das nicht hilft und er bemerkt, dass die Erklärung von Ibis Clear Capital für den Aktieneinbruch nicht stimmig ist, will er Antworten haben.
Dabei hilft ihm sein Team, angeführt von seiner langjährigen Produzentin Patty Fenn (Julia Roberts), die innerhalb weniger Minuten herausfinden, was weder die Börsenaufsicht, noch die echten Journalisten herausfinden, die natürlich auch alle wissen wollen, warum die Aktie implodierte. Dieser auch aus der Not geborene Gesinnungswandel kommt etwas plötzlich. Immerhin sagte Fenn am Anfang des Thrillers: „Wir sind noch nicht einmal echte Journalisten.“
Ihnen zur Seite springt Diane Lester (Caitriona Balfe), die PR-Dame von Ibis Clear Capital, die sich fragt, warum der CEO Walt Camby (Dominic West) spurlos verschwunden ist und während der größten Krise der Firma sprichwörtlich über den Wolken schwebt in einem Flugzeug, das telefonisch nicht erreichbar ist.
Währenddessen wird die Polizei auf die Zuschauerränge verbannt.
Wenn man sich nicht an dem Aufklärungstempo von Fenns Team und der Erklärung für den Kurseinbruch der Aktie stört, sondern sich von dem Film mitreisen lässt, bekommt man einen hochspannenden Thriller, der konsequent auf Nebenstränge verzichtet. Jede Szene, jeder Satz, jedes Bild treibt die Handlung voran oder komplettiert das Bild einer von Gier und Geld geprägten Gesellschaft. So läuft „Money Monster“ anfangs im Restaurant als Hintergrundprogramm zur Mittagspause, bis die Zuschauer bemerken, dass sie gerade eine echte Geiselnahme sehen und schon erwacht ihr Interesse; die Sensationsgier. Etliche aus anderen Filmen bekannte Situationen enden vollkommen anders als gewohnt. Es gibt grandiose Einzeiler und Pointen. Sowieso ist der Film arg schwarzhumorig geraten.
Dabei vermittelt er keine wahnsinnig neuen Einsichten. Über das Funktionieren der Börse erfährt man auch nichts und im Gegensatz zu „The Big Short“, wo gezeigt wurde, wie das System funktioniert und es deshalb keine individuellen Schuldigen gab, die man einfach anklagen konnte, gibt es in „Money Monster“ am Ende einen Schuldigen, den man für seine Verbrechen vor Gericht anklagen und verurteilen kann.
„Money Monster“ ist halt einfach nur ein spannender Thriller, der einige wichtige Themen unterhaltsam anspricht, der Gesellschaft einen Spiegel vorhält und auch zum Nachdenken anregt.
Money Monster (Money Monster, USA 2016)
Regie: Jodie Foster
Drehbuch: Jamie Linden, Alan DiFiore, Jim Kouf (nach einer Geschichte von Alan DiFiore und Jim Kouf)
mit George Clooney, Julia Roberts, Jack O’Connell, Dominic West, Caitriona Balfe, Giancarlo Esposito, Christopher Denham, Lenny Venito, Chris Bauer, Dennis Boutsikaris, Emily Meade, Condola Rashad
Natürlich kennen wir „Das Dschungelbuch“. Wenn wir nicht die Geschichtensammlung von Rudyard Kipling (eigentlich sind es zwei Geschichtensammlungen) gelesen haben, dann haben wir die Disney-Verfilmung von 1967 gesehen. Der Zeichentrickfilm mit vielen Gassenhauern war damals ein langlebiger Kinohit und gehörte (gehört?) für jedes Kind zum festen, von den Eltern festgelegten Filmkanon. Die anderen Verfilmungen sind dagegen fast unbekannt.
Jetzt hat „Iron Man“-Regisseur Jon Favreau sich für Disney an eine Neuverfilmung von Kiplings Buch gewagt und es gelingt ihm eine vollständig eigenständige Version des Dschungelbuches. Er stolpert in keine der verschiedenen Fallen, die wir aus den missglückten Neuinterpretationen bekannter Stoffe kennen, in denen vermeintliche Verbesserungen letztendlich Verschlimmbesserungen waren. Trotzdem verweist er immer wieder in einzelnen Szenen und Momenten auf das 1967er-Original, das, ich gestehe, ich mir jetzt nicht extra noch einmal angesehen habe. Letztendlich sind „Das Dschungelbuch“ (1967) und „The Jungle Book“ (2015) zwei vollkommen verschiedene Filme, die halt beide, der eine weniger, der andere mehr, auf dem gleichen Buch basieren.
Im Mittelpunkt des Films steht das Menschenkind Mogli (Neel Sethi), das von Wölfen groß gezogen wurde. Als Mogli älter wird, verlangt der furchterregende Tiger Shir Khan, dass das Gesetz des Dschungels beachtet werden muss. Mogli muss sterben.
Moglis Freunde schicken ihn daher auf die Reise zu den Menschen, von denen er bisher nur die Geschichten der Tiere kennt, die sie ihm erzählten. Und eigentlich will er bei seiner aus Wölfen bestehenden Familie bleiben.
Favreau erzählt kurzweilig die Reise von Mogli zu den Menschen und wir begegnen dem gemütlichen Bären Balu, der verführerischen Schlange Kaa und dem hinterlistigen Affen King Louie und seiner Horde, Elefanten, Wölfen und natürlich dem Panther Baghira, der vor Jahren das Baby Mogli vor dem Tod rettete, aber keinen Menschen.
Auch wenn „The Jungle Book“ jetzt als Realfilm oder Live-Action-Adaption beworben wird, ist er eigentlich ein Animationsfilm. Denn außer dem Mogli-Darsteller Neel Sethi spielen keine Menschen mit. Sets wurden kaum errichtet. Dafür wurden alle möglichen Computertechniken angewandt, die dazu führten, dass der Trickfilm in jeder Sekunde mit seinen fotorealistischen Aufnahmen beeindruckt. Obwohl alles künstlich ist, wirkt hier nichts künstlich. Es ist eine beeindruckende Technikschau, die immer im Dienst der Geschichte steht. Und das ist gut so.
„The Jungle Book“ ist ein sehr schöner, spannender, farbenprächtiger Abenteuerfilm für Kinder jedes Alters. Aber wer hätte bei Disney auch ernsthaft etwas anderes erwartet?
Inzwischen, also zwischen Kritikerlob und Kinostart, hat Disney schon eine Fortsetzung angekündigt. Vielleicht wieder mit Jon Favreau als Regisseur.
The Jungle Book (The Jungel Book USA 2016)
Regie: Jon Favreau
Drehbuch: Justin Marks
LV: Rudyard Kipling: The Jungle Book, 1894 (Das Dschungelbuch)
mit Neel Sethi
(im Original den Stimmen von) Bill Murray, Ben Kingsley, Idris Elba, Lupita Nyong’o, Scarlett Johansson, Giancarlo Esposito, Christopher Walken
(in der deutschen Synchronisation den Stimmen von) Armin Rohde, Joachim Król, Ben Becker, Heike Makatsch, Jessica Schwarz, Justus von Dohnányi, Christian Berkel
„Im Zeichen des Bösen“, „Rumble Fish“ und „King of New York“ sind schon lange, teil in verschiedenen Ausgaben erhältlich, die alle meist inhaltsgleich und nicht empfehlenswert sind. Bei „Rumble Fish“ gibt es kein Bonusmaterial. „Im Zeichen des Bösen“ nur im „Director’s Cut“ und ohne Bonusmaterial. „King of New York“ entweder in limitierten Sammlerausgaben oder ordentlich auf FSK-16 gekürzt. Kurz: für den Cineasten war keine der Ausgaben (und dabei habe ich noch nicht vom Bild und Ton gesprochen!) auch nur einen Cent wert.
Mit den neuen Ausgaben ist das anders.
Nachdem „Im Zeichen des Bösen“ bislang nur in einer nicht repräsentativen DVD-Ausgabe mit einem gruseligen Cover erhältlich war, wurde er jetzt in der „Masterpieces of Cinema“-Reihe von Koch Media in der von mir schon seit Ewigkeiten geforderten ordentlichen Ausgabe veröffentlicht. Denn von dem Noir-Klassiker gibt es mehrere Versionen, die alle sehenswert sind und die verwickelte Produktionsgeschichte dokumentieren. Im Kino lief 1958 eine Fassung, mit der Regisseur Orson Welles aufgrund der zahlreichen Kürzungen unzufrieden war. Schon in dieser Fassung wurde der Film zu einem Noir-Klassiker. 1976 lief eine neue Fassung (die normalerweise im TV läuft und mal „Langfassung“, mal „restaurierte Fassung“ genannt wird), die in Wirklichkeit die verschollen geglaubte Previewfassung von 1958 ist. 1998 entstand eine Fassung, die sich auf das 58-seitige Memorandum von Orson Welles zum Film stützt und die von ihm gewünschte Fassung soweit möglich herstellt. Dass es daher auch verschiedene Synchronfassungen gibt, dürfte klar sein.
Jetzt hat Koch Media alle Fassungen auf zwei Blu-rays gepackt und mit einer ordentlichen Portion Bonusmaterial ergänzt.
Die auf den beiben Blu-rays enthaltenen Fassungen sind die Director’s Cut Fassung, die auch restaurierte Fassung (Restored Cut) genannt wird, von 1998 im Bildformat 1,85:1 und 1,37:1 (110 Minuten), die Kinofassung von 1958 im Bildformat 1,85:1 und 1,37:1 (95 Minuten) und die Previewfassung von 1958 im Bildformat 1,85:1 (109 Minuten). Deutsche Synchronisation gibt es zu allen Fassungen.
Das Herzstück des Bonusmaterials sind dabei die Audiokommentare von Restaurierungsproduzent Rick Schmidlin (zum Director’s Cut), Charlton Heston, Janet Leigh und Rick Schmidlin (zum Director’s Cut), Filmkritiker F. X. Feeney (zur Kinofassung) und der Filmhistoriker James Naremore und Jonathan Rosenbaum (zur Previewfassung).
Diese Ausgabe entspricht der 50th Anniversary Edition von 2008, plus den deutschen Synchronisationen.
Für den Noir-Fan ist das Weihnachten, Ostern und Geburtstag am gleichen Tag.
Ach ja, der Plot: In einer schäbigen Grenzstadt versuchen ein korrupter US-Polizist und ein mexikanischer Drogenfahnder (in den Flitterwochen) einen Mord aufzuklären.
Im Zeichen des Bösen (Touch of Evil, USA 1958)
Regie: Orson Welles
Drehbuch: Orson Welles
LV: Whit Masterson: Badge of Evil, 1956 (Unfehlbarkeit kann tödlich sein)
Mit Charlton Heston, Janet Leigh, Orson Welles, Akim Tamiroff, Marlene Dietrich, Joseph Cotten, Zsa Zsa Gabor, Dennis Weaver
– DVD
Koch Media (Masterpieces of Cinema
Bild: 1,85:1 (16:9), 1,37:1 (16:9)
Ton: Deutsch, English (DTS-HD Master Audio 2.0)
Untertitel: Deutsch, Englisch
Bonusmaterial/Inhalt: 5 verschiedene Filmfassungen, Originaltrailer, Audiokommentare, Featurettes, Bildergalerie
Länge: 110 Minuten (irgendwie; denn fünf Fassungen auf 2 Blu-rays)
FSK: ab 16 Jahre
–
Schon die ersten Minuten von „Rumble Fish“, einem SW-Jugenddrama, sind unglaublich. Denn aus heutiger Sicht sieht es wie ein Startreffen aus: Matt Dillon, Christopher Penn, Nicolas Cage, Laurence Fishburne, Tom Waits und Vincent Spano, der heute der Unbekannteste der Gruppe ist, unterhalten sich in einem Dinner.
In den nächsten Minuten wird es noch besser. Denn dann tauchen Diane Lane, Mickey Rourke und Dennis Hopper auf.
„Rumble Fish“ basiert, wie Francis Ford Coppolas vorheriger Film „Die Outsider“, auf einem Roman von S. E. Hinton une es ist der filmische Gegenentwurf dazu.
Rusty James (Matt Dillon) ist ein Halbstarker, ein leicht begriffstutziger Teenager, der seinen einige Jahre älteren und spurlos verschwundenen Bruder (Mickey Rourke) hemmungslos bewundert. Der Motorcycle Boy war der ungekrönte König des Viertels. Da taucht er wieder auf – und er hat zwar die legendäre Aura, die Rusty James ihm andichtet, aber in der Wirklichkeit ist er ein kaputter Typ.
Coppola nannte „Rumble Fish“ einen „Kunstfilm für Kinder“ und einen „existentiellen Beatnick-Film“, gedreht in SW mit einigen Farbsprengseln (immer dann, wenn die titelgebenden Kampffische ins Bild kommen) und einem Kunstwillen, der die Gegenthese zu seinem vorherigen Film „The Outsiders“ (teils mit den gleichen Schauspielern) ist. „The Outsiders“ war, nachdem Coppolas vorheriger Film „Einer mit Herz“ sich als Totaldesaster entpuppte, der kleine Film über zwei verfeindete Jugendgangs, der ihm den dringend benötigten Kassenerfolg bescheren sollte.
„Rumble Fish“ erzählt dagegen keine herkömmliche Geschichte. Es ist eine Abfolge von einprägsamen Szenen, ein Exzess filmischer Stilmittel, die eindeutig vom deutschen Expressionismus und dem Noir inspiriert sind, aber immer noch vollkommen zeitgenössisch sind.
Das liegt auch an der Golden-Globe-nominierten Musik von Stewart Copeland, damals noch Schlagzeuger bei „The Police“. Später schrieb er auch die Musik für die TV-Serie „The Equalizer“. Sein erster Filmsoundtrack klingt, knapp gesagt, wie „The Police“ ohne Gesang in einer experimentellen Phase. Mit den Bildern von Stephen H. Burum ist das grandioser als ein gelungener Drogentrip.
In der jetzt vorliegenden Fassung des Films gibt es zwei informative Featurettes, eine Bildergalerie, einen Audiokommentar von Francis Ford Coppola und fast zwanzig Minuten, schon in einem sehr frühen Stadium geschnittene Szenen, fast alle zwischen Matt Dillon und Vincent Spano, die „Rumble Fish“ zu einem konventionellerem Film gemacht hätten.
Rumble Fish (Rumble Fish, USA 1983)
Regie: Francis Ford Coppola
Drehbuch: S. E. Hinton, Francis Ford Coppola
LV: S. E. Hinton: Rumble Fish, 1975 (Kampffische – In den Slums einer amerikanischen Großstadt)
mit Matt Dillon, Mickey Rourke, Diane Lane, Dennis Hopper, Diana Scarwid, Vincent Spano, Nicolas Cage, Christopher Penn, Laurence Fishburne, William Smith, Tom Waits, Domino (eigentlich Sofia Coppola), S. E. Hinton
auch bekannt als „Rumblefish“ (irgendwie werden beide Schreibweisen benutzt)
– DVD
Koch Media (Masterpieces of Cinema)
Bild: 1.85:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch (DTS-HD Master Audio 5.1/2.0)
Untertitel: Deutsch, Englisch
Bonusmaterial: Audiokommentar mit Francis Ford Coppola, Making of, Featurette zur Musik, Geschnittene Szenen, Kinotrailer, Bildergalerie, 12-seitiges Booklet
Länge: 94 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
–
Hinweise Rotten Tomatoes über „Rumble Fish“ Metacritic über „Rumble Fish“
Auch bei „King of New York“ beeindruckt die Besetzung: Christopher Walken als titelgebender King of New York, Laurence Fishburne, David Caruso, Wesley Snipes und Steve Buscemi (alle drei noch am Anfang seiner Karriere) als Gangster und Polizisten; – soweit es da in einem Noir-Gangsterfilm Unterschiede gibt.
Der King of New York ist Frank White, der sich sofort nach seiner Haftentlassung mit allen Verbrechern von New York anlegt. Denn jetzt will er ganz nach oben und Skrupel sind ihm fremd. Dennoch hat er ein soziales Gewissen. Er will sein Geld in einem Kinderkrankenhaus investieren und so die Fehler der städtischen Sozialpolitik beheben. Denn Frank White möchte auch Bürgermeister von New York werden.
„King of New York“ ist ein kühl stilisiertes, ultra brutales Gangsterdrama, das bei seiner Premiere während des New York Film Festivals für schockierte Reaktionen sorgte und inzwischen ein Genreklassiker ist, den bei uns kaum jemand wirklich kennt. Denn bislang war er indiziert und daher nur in einer um acht Minuten gekürzten Fassung einfach erhältlich. Diese FSK-16-Fassung lief auch Mal im TV.
Mit „King of New York“ festigte Ferrara seinen Ruf, auch wenn die deutsche Kritik damals eher zwiegespalten war:
„Die Bilder von Ferraras Gansterballade sind beeinflußt von der Ästhetik des Werbeclips und der Eleganz der TV-Serie ‚Miami Vice‘ (…) Seine Darstellung urbaner Gewalt gerät denn auch an mancher Stelle zu ästhetisierend und droht zum Selbstzweck zu werden. Doch da ist dann immer Christopher Walken zur Stelle, in dessen Augenspiel sich die Tragik eines ganzen Gangsterlebens widerspiegelt.“ (Fischer Film Almanch 1991)
„Optisch brillanter, aber äußerst harter Gangsterfilm mit gesellschaftspessimistischem Grundton, dramaturgischen Mängeln und Tendenzen zu selbstzweckhafter Gewalt.“ (Lexikon des internationalen Films)
Ferraras nächster Film war „Bad Lieutenant“ mit Harvey Keitel in der Hauptrolle. Mit dem Film wurde er auch in Deutschland bekannt und als ernstzunehmender Regisseur vom Fieuilleton wahrgenommen. Die neunziger Jahre waren dann Ferraras große Zeit.
Auf der DVD sind, als Bonusmaterial, ein gut halbstündiges Interview mit Abel Ferrara von 2012 und zwei Audiokommentare enthalten. Einer ist von Abel Ferrara, einer von Komponist Joe Delia, Produzentin Mary Kane, Casting Director Randy Sabusawa und Editor Anthony Redman. Außerdem gibt es ein gelungenes Cover.
King of New York(King of New York, USA 1989)
Regie: Abel Ferrara
Drehbuch: Nicholas St. John
mit Christopher Walken, David Caruso, Laurence Fishburne, Victor Argo, Wesley Snipes, Janet Julian, Giancarlo Esposito, Paul Calderon, Steve Buscemi, Theresa Randle
auch bekannt als „King of New York – König zwischen Tag und Nacht“
– DVD
Ascot Elite
Bild: 1,78:1 (16:9)
Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1, Dolby Digital 2.0), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Bonusmaterial: Audiokommentare, Interview mit Abel Ferrara, UK Trailer, US Trailer, Teaser
Länge: 99 Minuten
FSK: ab 18 Jahre
– Hinweise Rotten Tomatoes über „King of New York“
Eine schwüle Sommernacht in Brooklyn – und alle Treffen sich in Sal’s Pizzeria.
Spike Lees dritter Spielfilm und inzwischen ein Klassiker.
„Lee macht im Grunde etwas sehr Mutiges. Er hält seinen eigenen Leuten ihren eigenen Rassismus vor. Erst wenn sie dies erkennen, sind sie in der Lage, anders mit dem Rassismus der Weißen umzugehen, als es das Ende des Films zeigt.“ (Fischer Film Almanach 1990)
„Das Richtige getan hat Lee, indem er einen Film gedreht hat, der seine Dringlichkeit in keinem Augenblick vermeint, ohne deshalb Lösungen mit auf den Weg geben zu wollen. Statt die eine richtige Position zu behaupten, orchestriert Lee virtuos eine Vielzahl von Positionen.“ (Cristina Nord, in Gunnar Landsgesell/Andreas Ungerböck, Hrsg.: Spike Lee, 2006)
mit Danny Aiello, Ossie Davis, Ruby Dee, Richard Edson, Spike Lee, Giancarlo Esposito, Bill Nunn, John Turturro, John Savage, Samuel L. Jackson, Rosie Perez, Martin Lawrence