Drehbuch: Victor Colicchio, Michael Imperioli, Spike Lee
New York, 1977 im Hitzesommer: ein Serienkiller, der sich Son of Sam nennt, geht um. In der Bronx jagen einige Italiener den Killer und verdächtigen jeden, den sie nicht mögen. Dazwischen tobt der normale Wahnsinn einer multikulturellen Großstadt.
Seltenst gezeigter, guter Spike-Lee-Film. „ein großes, furioses und auch differenziertes New York-Epos“ (Hans Schifferle, SZ, 1. 6. 2000) „eine Serienkiller-Fantasie der dritten Art“ (Norbert Grob: Summer of Sam, in Gunnar Landsgesell/Andreas Ungerböck, Hrsg.: Spike Lee, 2006)
mit John Leguizamo, Mira Sorvino, Jennifer Esposito, Adrien Brody, Michael Rispoli, Bebe Neuwirth, Ben Gazzara, Michael Badalucco, Anthony LaPaglia, John Savage, Jimmy Breslin, Spike Lee
See how the run (See how they run, Großbritannien/USA 2022)
Regie: Tom George
Drehbuch: Mark Chappel
London, 1953: im Theater wird der Regisseur von Agatha Christies Theaterstück „Die Mausefalle“ hinterhältig ermordet. Scotland-Yard-Inspector Stoppard (Sam Rockwell) und seine neue Assistentin, Constable Stalker (Saoirse Ronan), ermitteln.
TV-Premiere. Kurzweilige, witzige und bewusst traditionsbewusste Meta-Rätselkrimiunterhaltung mit einem gut aufgelegtem Ensemble und dem Wissen, dass alle die Regeln eines Rätselkrimis kennen.
mit Sam Rockwell, Saoirse Ronan, Adrien Brody, Ruth Wilson, David Oyelowo, Reece Shearsmith, Harris Dickinson, Charlie Cooper, Shirley Henderson, Lucian Msamati, Pippa Bennett-Warner, Pearl Chanda, Paul Chahidi, Sian Clifford, Jacob Fortune-Lloyd, Tim Key, Ania Marson
Grand Budapest Hotel (The Grand Budapest Hotel, USA/Deutschland 2014)
Regie: Wes Anderson
Drehbuch: Wes Anderson (nach einer Geschichte von Wes Anderson und Hugo Guiness)
1932: Monsieur Gustave H., der Chefconcierge des Grand Budapest Hotels, erbt von Madame D. ein wertvolles Gemälde und weil der Sohn der Verstorbenen dem Concierge das Gemälde nicht gönnt, gerät Gustave H. in Teufels Küche.
mit Ralph Fiennes, Tony Revolori, F. Murray Abraham, Mathieu Amalric, Adrien Brody, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Harvey Keitel, Jude Law, Bill Murray, Edward Norton, Saoirse Ronan, Jason Schwartzman, Léa Seydoux, Tilda Swinton, Tom Wilkinson, Owen Wilson, Florian Lukas, Bob Balaban, Lisa Kreuzer
LV: James Jones: The Thin Red Line, 1962 (Insel der Verdammten)
1942 soll eine US-Infanterieeinheit auf der Salomonen-Insel Guadalcanal im Pazifischen Ozean einen von den Japanern besetzten, stratetgisch wichtigen Hügel einnehmen.
Kriegsfilm im Malick-Stil: definitiv kein gewöhnlicher Kriegsfilm, sondern eine epische Meditation und ein verschwenderisches Aufgebot an Stars in teilweise nur kürzesten Auftritten. Von anderen bekannten Schauspielern wurden die gefilmten Szenen nicht in den fertigen Film übernommen und andere Schauspieler, für die Malick Rollen schrieb, sagte er vor dem Dreh ab.
mit Sean Pean, Adrien Brody, Jim Caviezel, Ben Chaplin, George Clooney, John Cusack Woody Harrelson, Elias Koteas, Jared Leto, Tim Blake Nelson, Nick Nolte, John C. Reilly, John Savage, John Travolta
Alles an „Der Brutalist“ sagt überdeutlich, wie wichtig, groß, grandios und monumental dieser Film aus Sicht seiner Macher ist.
Er dauert 216 Minuten. Im Film gibt es eine fest einprogrammierte 15-minütige Pause, in der eine Uhr rückwärts läuft.
Gedreht wurde er im in den fünfziger Jahren benutztem VistaVision-Format. Bekannte VistaVision-Filme sind „Krieg und Frieden“, „Der Schwarze Falke“, „Die oberen Zehntausend“, „Der unsichtbare Dritte“ und „Der Besessene“.
In den wenigen Kinos, in denen es möglich ist, wird „Der Brutalist“ auch in einer 70-mm-Fassung gezeigt. Nur so kann das VistaVision-Bild seine ganze Pracht entfalten,
Die Geschichte versteht sich von der ersten bis zur letzten Minute als das große, die US-amerikanische Seele und den amerikanischen Traum erkundende und erklärende Nationalepos.
Der Lohn für diese Bemühungen und den selbstgewählten Anspruch sind überschwängliches Kritikerlob, Preise, wie, nach seiner Premiere bei den Filmfestspielen von Venedig, der Silberne Löwe für die Beste Regie und zuletzt zehn Oscar-Nominierungen, unter anderem als Bester Film, für die Beste Regie (Brady Corbet), das Beste Drehbuch (Brady Corbet und Mona Fastvold), den Besten Hauptdarsteller (Adrien Brody), den Besten Nebendarsteller (Guy Pearce), die Beste Nebendarstellerin (Felicity Jones), die Beste Kamera (Lol Crawley) und den Besten Schnitt (Dávid Jancsó).
Brady Corbet erzählt die Geschichte des Emgranten László Tóth (Adrien Brody). Der in Europa bekannte Bauhaus-Architekt und titelgebende „Brutalist“ kommt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als mittelloser Einwanderer in die USA. Als er Jahre später den Industriellen Harrison Lee Van Buren Sr. (Guy Pearce) trifft und dieser von seinen Entwürfen fasziniert ist, wendet sich sein Schicksal. Tóth soll zu Ehren von Van Burens verstorbener Mutter ein Institut mit Bibliothek, Sporthalle, Auditorium und Kapelle errichten.
Wer jetzt denkt, dass in „Der Brutalist“ der Bau dieses Mammutprojekts im Mittelpunkt steht, irrt sich. Wer denkt, dass es zwischen dem Architekten und dem Bauherrn einen über den Film tragenden Konflikt gibt, irrt sich. Sicher, es gibt einige kleinere Streitigkeiten zwischen den beiden Männern, aber die sind schnell beigelegt. Van Buren ist von der ersten bis zur letzten Minute ein enthusiastischer Förderer von Tóth und des von ihm in Auftrag gegebenen, selbstverständlich immer teurer werdenden Projekts.
Und wer denkt, dass der Film anhand der fiktiven Biographie eines Architekten schnell zu einer informativen Geschichtsstunde über das Bauhaus und den Brutalismus wird, irrt sich ebenfalls. Diese Architekten verbanden mit ihren Gebäuden auch gesellschaftspolitische Utopien. Im Film ist davon nichts zu hören.
Stattdessen erzählt Brady Corbet, meist in langen Szenen in Nahaufnahmen in karg möblierten Innenräumen, elliptisch die Geschichte eines Einwanderers und seiner Jahre nach ihm in die USA kommenden Familie. Das ist nicht schlecht und hat auch einen weitgehend über die epische Dauer von gut vier Stunden andauernden erzählerischen Schwung. Aber „Der Brutalist“ ist niemals „There will be Blood“. Das liegt an seinem Desinteresse an der gezeigten Architektur und dem abwesenden zentralen Konflikt zwischen dem Künstler und dem Kapitalisten.
„Der Brutalist“ ist ein durchaus beeindruckender und gut gemachter Film. Aber er ist auch nicht so gut, wie er gerade hochgejubelt wird. Das Drama ist breitbeiniges, von seiner eigenen Größe hemmungslos überzeugtes Überwältigungskino, das einen geschüttelt, aber nicht berührt zurücklässt.
Der Brutalist (The Brutalist, USA 2024)
Regie: Brady Corbet
Drehbuch: Brady Corbet, Mona Fastvold
mit Adrien Brody, Felicity Jones, Guy Pearce, Joe Alwyn, Raffey Cassidy, Stacy Martin, Emma Laird, Isaach de Bankolé, Alessandro Nivola
Asteroid City gibt es nicht. Es ist, wie ein sich superseriös gebender, anscheinend direkt aus den Fünfzigern kommender TV-Sprecher am Filmanfang erklärt, eine erfundene Stadt für ein Theaterstück, das jetzt präsentiert wird. Mit einem Blick hinter die Kulissen der Produktion des Theaterstücks, das jetzt ein Film ist, der im Film gezeigt wird. Mit diesem Wissen betreten wir die Welt von Asteroid City, einer Kleinstadt im Südwesten der USA. 87 Einwohner. Eine Tankstelle, Imbiss, Telefonzelle, ein Motel mit zehn Zimmern, eine Sternwarte und ein von einem Asteroideneinschlag verursachter Krater. Zuggleise und eine Straße führen durch die Ansammlung sehr sauberer, frisch gestrichener Bretterbuden. Die Straße wird immer wieder von einem sich vor der Polizei auf der Flucht befindendem Gangsterpärchen benutzt. Sie schießen auf den sie mit Blaulicht verfolgenden Polizeiwagen und rasen durch Asteroid City. Mal in die eine, mal in die andere Richtung.
An diesem Wochenende wird in Asteroid City, wie jedes Jahr, der Asteroidentag gefeiert. Mit mehreren jugendlichen Sternguckern, einem Wettbewerb für sie, einem Fünf-Sterne-General und einer Astronomin. Im Hintergrund sehen wir immer wieder einen Atompilz.
Wir befinden uns in den fünfziger Jahren, als der US-amerikanische Traum intakt war. Das US-Militär führt in der Wüste Tests mit Atombomben durch. Niemand stört sich daran. Die Ufo-Hysterie erreicht ungeahnte Ausmaße. Ein Außerirdischer stört dann auch die Feierlichkeiten zum Asteroidentag. Danach verhängt die Regierung erst einmal eine Quarantäne unbekannter Dauer über Asteroid City.
Wes Anderson beobachtet in seiner neuen Komödie „Asteroid City“ die zufällig in dem Ort in der Wüste (und im Film, im Theaterstück und den Proben für das Stück) zusammengewürfelten, überwiegend weißen Menschen. Gespielt werden sie von Hollywood-Stars, wie Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Jeffrey Wright, Tilda Swinton, Bryan Cranston, Edward Norton, Adrien Brody, Liev Schreiber, Steve Carell, Matt Dillon, Willem Dafoe, Margot Robbie, Tony Revolori und Jeff Goldblum als Alien. Die meisten spielten bereits in früheren Wes-Anderson-Filmen mit. Einige von ihnen haben nur kleine bis kleinste, aber prägnante Rollen. Teilweise sind sie in ihren Kostümen nicht zu erkennen.
Nach der Verhängung der Quarantäne warten sie. Sie langweilen sich. Sie reden miteinander über sich, Gott, die Welt und den Alien, der sie besucht hat und der sich mehr für einen Stein als für sie interessierte. Ein Plot will sich daraus nicht entwickeln. Wes Anderson versucht es noch nicht einmal. Er belässt es beim Spiel mit Meta-Ebenen, bei Zitaten, Anspielungen, Witzen und sorgsam inszenierten Beobachtungen. Einige Personen, wie der Kriegsfotograf Augie Steenbeck, ein Witwer und Vater von vier Kindern (die erst in Asteroid City erfahren, dass ihre Mutter seit drei Wochen tot ist und sie in einer Tupperdose begleitet), und die Marilyn-Monroe-blonde Schauspielerin Midge Campbell, sind öfter im Bild. Aber nicht mehr. Auch ihre Szenen bleiben Vignetten, die jeweils für sich allein stehen und die sich vor allem auf die sichtbare Oberfläche konzentrieren.
Das ist dann wie das Ansehen von präzise arrangierten Postkartenbildern. Jede Farbe stimmt. Im Hintergrund gibt es immer noch etwas zu entdecken. Und es ist wunderschön verschachtelt als Film im Theaterstück in den Proben und Arbeiten für das Theaterstück, das immer wieder von den Figuren kommentiert wird.
Intellektuell ist das natürlich ein Spaß. Auch beim zweiten oder dritten Ansehen.
Aber dieses Mal ist der Spaß auch äußerst blutleer. Keine Figur hat ein nennenswertes Eigenleben. Eine Story gibt es auch nicht. Es gibt nur einige Menschen, die einige Tage in Asteroid City festsitzen, warten und danach wieder ihr Leben leben.
„Asteroid City“ ist eine Ansammlung von bekannten Wes-Anderson-Momenten, von denen jeder einzelne für sich gelungen und witzig ist. Als Gesamtwerk ist es trotzdem nicht mehr als ein sorgfältig kuratiertes Fotoalbum für seine Fans.
Asteroid City (Asteroid City, USA 2023)
Regie: Wes Anderson
Drehbuch Wes Anderson (basierend auf einer Idee von Wes Anderson und Roman Coppola)
mit Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Jeffrey Wright, Tilda Swinton, Bryan Cranston, Edward Norton, Adrien Brody, Liev Schreiber, Hope Davis, Stephen Park, Rupert Friend, Maya Hawke, Steve Carell, Matt Dillon, Hong Chau, Willem Dafoe, Margot Robbie, Tony Revolori, Jake Ryan, Jeff Goldblum, Grace Edwards, Aristou Meehan, Sophia Lillis, Ethan Josh Lee
LV: James Jones: The Thin Red Line, 1962 (Insel der Verdammten)
Als der Film seine Premiere hatte, waren die Kritiker begeistert und er erhielt auf der Berlinale den Goldenen Bären. Nach zwanzig Jahren präsentierte Terrence Malick seinen dritten Spielfilm: ein meditatives Drama über den Kampf um die Pazifikinsel Guadalcanal, das souverän alle Erfordernisse des Kriegsfilms und Starkinos unterläuft und wahrscheinlich genau deswegen ein äußerst präzises Bild vom Krieg liefert.
Es war auch, obwohl ich verstehen kann, wenn Menschen „Der schmale Grat“ nicht mögen (nachdem wir den Film im Unikino gezeigt hatten, meinten einige, das sei der schlechteste Film, den sie jemals gesehen hatten), Malicks letzter wirklich guter Film.
Nachdem er in dreißig Jahren drei Klassiker drehte – „Badlands – Zerschossene Träume“ (Badlands, 1973), „In der Glut des Südens“ (Days of Heaven, 1978) und „Der schmale Grat“ (The Thin Red Line, 1998) -, ruinierte er in wenigen Jahren seinen legendären Ruf gründlich. „The New World“ (USA 2005) hatte noch etwas, aber mit „The Tree of Life“ (USA 2011) und „To the Wonder“ (USA 2012) verabschiedete er sich endgültig von jeder erzählerischen Fessel zugunsten eines freien Assoziieren für eine überzeugte Gemeinschaft. Die Folgewerke „Knight of Cups“ (2015) und „Song to Song“ (2017) waren nur für seine Fanboys erträglich. Erst mit seinem bislang letztem Film „Ein verborgenes Leben“ (A hidden life, 2019) kehrte er ansatzweise zum Erzählkino zurück.
mit Sean Penn, Adrien Brody, Jim Caviezel, Ben Chaplin, George Clooney, John Cusack, Woody Harrelson, Elias Koteas, Jared Leto, Nick Nolte, John Savage, John Travolta, Nick Stahl, Miranda Otto
Der Pianist (The Pianist, Frankreich/Deutschland/Polen/Großbritannien 2002)
Regie: Roman Polanski
Drehbuch: Ronald Harwood
LV: Wladyslaw Szpilman: Śmierć miasta, 1946 (Das wunderbare Überleben; Der Pianist – Mein wunderbares Überleben)
Ergreifendes, plumpe Emotionalisierungen und Pathos vermeidendes Drama über das Schicksal des polnisch-jüdischen Pianisten Wladyslaw Szpilman, der während des Zweiten Weltkriegs im Warschauer Ghetto war und sich danach bis zum Kriegsende in Warschau an verschiedenen Orten versteckte.
Für Roman Polanski, dessen Biographie Parallelen zu Szpilmans Biographie hat, war dieser Film auch eine Möglichkeit, mit seiner eigenen Vergangenheit, die er bislang in seinen Filmen nicht direkt ansprach, umzugehen.
„Es ist ein filmisches Gebet für den Menschen. Und die Haltung des Künstlers können wir wohl als eine selbstbewusste Form der Demut bezeichnen.“ (Georg Seeßlen, Die Zeit, 24. Oktober 2002)
„‚Der Pianist‘ ist, wie auch ‚Schindlers Liste‘ ein Referenzfilm für die Darstellung dieses entsetzlichen Kapitels der deutsch-polnischen Geschichte. Und das cineastische Anliegen eines Zeitzeugen.“ (Adrian Prechtel, AZ, 24. Oktober 2002)
Ein kühl inszenierter filmischer Triumph – und eine eindrückliche Warnung.
Mit Adrien Brody, Thomas Kretschmann, Thomas Finlay, Maureen Lipman, Ed Stoppard, Julia Rayner, Jessica Kate Meyer, Emilia Fox, Axel Prahl
„Kennst du einen, kennst du alle“ lästert US-Regisseur Leo Köpernick (Adrien Brody) am Anfang von „See how the run“. In Hollywood steht er auf der Schwarzen Liste. In London soll er 1953 Agatha Christies Theaterstück „Die Mausefalle“ verfilmen. Das läuft gerade erfolgreich im Londoner West End. Köpernick führt dann weiter aus, dass selbstverständlich die unsympathischte Person, die mitspielt, ermordet wird, ein Detektiv nacheinander alle Verdächtigen verhört und am Ende wird die Person als Täter enttarnt, die bis dahin die unverdächtigste Person war. Deshalb hat er das Drehbuch nicht gelesen, sondern dem Drehbuchautor sofort die Szenen vorformuliert, die aus der drögen Tätersuche einen spannenden Thriller machen.
Das erklärt Köpernick uns in einer flotten Voice-Over-Montage, in der er uns gleichzeitig die für die spätere Geschichte wichtigen Figuren vorstellt. Sie wurden zur Feier der hundertsten Aufführung des Stückes eingeladen. Dort beginnt er eine Schlägerei mit dem Hauptdarsteller des Stücks. Wenige Minuten später wird unser Erzähler hinter den Kulissen des Theaters ermordet und vom Täter kunstvoll auf der Bühne drapiert.
Dieser Beginn bricht schon einmal in zwei Punkten mit den Konventionen des Rätselkrimis. Danach ist das Opfer nicht der Erzähler der Geschichte. Denn er ist, neben Mörder, die einzige Person, die den Täter kennt. Und in einem normalem Agatha-Christie-Rätselkrimi geschieht der Mord erst in der Mitte der Geschichte. Bis dahin konnten alle sich ausreichend verdächtig machen. In Tom Georges Film geschieht er bereits nach wenigen Minuten.
Danach folgt, entsprechend den Konventionen, der Auftritt des Ermittlers, der sich zuerst einmal mit den Verdächtigen, also mit allen Ensemblemitgliedern und den Gästen der Feier, wozu vor allem der Filmproduzent und der Drehbuchautor, gehören, herumärgern muss. Helfen soll Inspector Stoppard (Sam Rockwell) Constable Stalker (Saoirse Ronan), eine junge, sehr ambitionierte Streifenpolizistin, die sich alles notiert. Alles. Auch, dass sie sich nicht alles notieren soll. Denn es könnte später wichtig sein.
Mit Kenneth Branaghs Agatha-Christie-Verfilmung „Mord im Orientexpress“ und Rian Johnsons „Knives out“ erlebte der Rätselkrimi im Kino als Starkino eine kleine Renaissance. Vom Buchmarkt war er nie ganz verschwunden; auch wenn diese Cozies bei den Hardboiled-Fans nicht allzu beliebt sind. Im Fernsehen hat der traditionelle Rätselkrimi schon seit Ewigkeiten eine zweite Heimat gefunden. Exemplarisch genannt seien die zahlreichen mehr oder weniger direkt auf Agatha-Christie-Figuren, wie Hercule Poirot und Miss Marple, basierenden TV-Serien und unzählige weitere TV-Serien, wie, um nur einige aktuelle Beispiele zu nennen, „Death in Paradise“, „Father Brown“ und „Monk“.
So vergnüglich diese Rätselkrimi sind, so unfilmisch sind die langwierigen Befragungen der Verdächtigen. Das sagt auch Köpernick uns, bevor er ermordet wird. Deshalb hatte er dem Drehbuchautor Mervyn Cocker-Norris (David Oyelowo) Rückblenden, Texteinblendungen und viel Action am Filmende vorgeschlagen. Cocker-Norris lehnte das empört ab. Er hätte auch die zahlreichen Split Screens, die Tom George oft einsetzt, abgelehnt.
Gefallen hätten ihm dagegen sicher die zahlreichen Anspielungen auf Agatha Christie, ihr Stück „Die Mausefalle“, auf das Theater, Rätsel- und Hollywood-Krimis. Mit Fakten wird dabei eher lässig umgegangen. Das macht aus „See how they run“ schon ab der ersten Minute einen Meta-Krimi, der seinen Spaß mit den Regeln haben will.
Dabei steht Georges Film, nach einem Drehbuch von Mark Chappel, nicht in der Tradition der aktuellen Kino-Wiederbelebungen des Rätselkrimis, sondern in der Tradition damaliger Filme und TV-Filme. Letztendlich ist in dieser Liebeserklärung an den traditionellen Rätselkrimi alles sehr gemütlich inszeniert. Die Dialoge mäandern immer wieder vor sich hin. Die Pointen sind eher harmlos. Die Morde weitgehend unblutig. Und wenn sich alle zum großen Finale im Haus von Agatha Christie versammeln, wird selbstverständlich Tee gereicht.
Die betuliche Rätselkrimikomödie richtet sich primär an den traditionsbewussten Rätselkrimifan, der nicht verunsichert werden möchte, es aber genießt, wenn die Regeln stilbewusst ein wenig durch den Kakao gezogen werden. Genau deshalb könnte „See how they run“ in einigen Jahren einer dieser Filme sein, die regelmäßig, gerne mit einer „Leiche zum Dessert“, im Fernsehen laufen und jedes Mal wohlwollend aufgenommen werden.
P. S.: „Die Mausefalle“ läuft immer noch im West End und der Mörder ist
See how the run(See how they run, Großbritannien/USA 2022)
Regie: Tom George
Drehbuch: Mark Chappel
mit Sam Rockwell, Saoirse Ronan, Adrien Brody, Ruth Wilson, David Oyelowo, Reece Shearsmith, Harris Dickinson, Charlie Cooper, Shirley Henderson, Lucian Msamati, Pippa Bennett-Warner, Pearl Chanda, Paul Chahidi, Sian Clifford, Jacob Fortune-Lloyd, Tim Key, Ania Marson
Kurz gesagt: der neue Film von Wes Anderson ist der neue Film von Wes Anderson und er hat alles das, was man von einem Wes-Anderson-Film erwartet.
Damit hätten wir die Frage, ob der Film sehenswert ist, oder nicht, geklärt.
Jedenfalls für die Menschen, die seit Ewigkeiten auf „The French Dispatch“, Andersons Liebesklärung an „The New Yorker“, warteten, die Covid-bedingten Startterminverschiebungen geduldig ertrugen, immer auf einen Kinostart hofften (begleitet von zahlreichen Gebeten) und die sich selbstverständlich an seine vorherigen Filme erinnern. Seit seinem dritten Film „The Royal Tenenbaums“ produziert der Autorenfilmer auch seine Werke, die, bei allen Unterschieden, immer einen unverkennbaren Stil haben. Das gilt für seine starbesetzten Realfilme, wie „The Darjeeling Limited“, „Moonrise Kingdom“ und „The Grand Budapest Hotel“, und für seiine Trickfilme, wie „Fantastic Mr. Fox“ und „Isle of Dogs“. „The French Dispatch“ ist wieder ein Realfilm, wieder mit vielen bekannten Schauspielern und wieder mit zahlreichen Anspielungen. Dieses Mal auf die Welt des französischen Films, Frankreich und den alten Magazinjournalismus.
Der titelgebende „The French Dispatch“, also genaugenommen „The French Dispatch of the Liberty, Kansas Evening Sun‘, ist ein amerikanisches Magazin, das in Frankreich erscheint, immer ein Liebhaberprojekt des Verlegers war und ist. Wenn es zu einem Konflikt zwischen der Länge des journalistischen Textes und den Anzeigen kommt, dann wirft er einige Anzeigen raus. Nachdem der hochgeschätzte Gründer und Verleger Arthur Howitzer, Jr. (Bill Murray) stirbt, stirbt auch das Magazin. In seinem Film blättert Wes Anderson durch die letzte Ausgabe und der so entstandene Film ist dann eine Ansammlung von garantiert erfundenen Reportagen aus der sehr französischen Stadt Ennui-sur-Blasé (erfunden, gedreht wurde in Angoulême) in einer fiktiven Zeitlinie, die immer wie ein französischer Film aus den fünfziger/sechziger Jahren aussieht.
In der ersten und kürzesten Reportage radelt der Reisereporter Herbsaint Sazerac (Owen Wilson) durch die verrufensten Ecken der Stadt und zeigt sie im Wandel der Zeit.
In „Das Beton-Meisterwerk“ schreibt und spricht die Kunstkritikerin J. K. L. Berensen (Tilda Swinton) über den Künstler Moses Rosenthaler (Benicio Del Toro) und sein Werk. Der geistesgestörte, inhaftierte Maler ist ein Genie. Jedenfalls für die Kunstwelt, die ungeduldig auf sein neuestes Werk wartet, das im Gefängnis der Welt präsentiert werden soll. Werk und Ablauf der Präsentation entsprechen dann nicht den Erwartungen einer normalen Vernissage.
„Korrekturen eines Manifests“ ist eine Reportage über politikbewegte Studenten und damit auch eine Satire und Hommage an die 68er und die Nouvelle Vague, vor allem natürlich an die in den Sechzigern entstandenen legendären Filme von Jean-Luc Godard. Lucinda Krementz (Frances McDormand) berichtet über die revolutionären Umtriebe der Studierenden und sie hilft Zeffirelli B (Timothée Chalamet), dem charismatischem Anführer der Studenten, entgegen aller journalistischer Ethik, aber befeuert von der Liebe, bei der Formulierung eines Manifests. Oder genauer gesagt: sie redigiert es, während sie gemeinsam im Bett und Bad sind.
„Das private Speisezimmer des Polizeichefs“ ist die sich in jedem gutem Magazin befindende Kriminalgeschichte. In dieser ziemlich noiren Reportage erzählt Roebuck Wright (Jeffrey Wright), der eigentlich nur ein Porträt über den Koch des Kommissars von Ennui-sur-Blasé schreiben wollte, von der Entführung des Sohnes des Kommissars und sich daraus ergebenden Verwicklungen.
Gerahmt werden diese Reportagen von einem Blick in die Redaktionsräume des „French Dispatch“, eines Magazins, das es heute so nicht mehr gibt und auch so wahrscheinlich niemals gab, aber in dem alle eine große, seltsame Familie waren.
Alle Geschichten sind starbesetzte Liebeserklärungen an Frankreich, das französische Kino, das Kino und das Erzählen von Geschichten aus sicherer ironischer Distanz. Die Episodenstruktur, die natürlich dem Blättern in einem Magazin entspricht, verhindert eine traditionelle Spannungsdramaturgie. Aber die interessierte Wes Anderson noch nie. Ihn interessierte immer das verspielte Spielen mit Versatzstücken, Brechungen und Anspielungen in seinem ganz eigenem Kosmos.
„The French Dispatch“ ist ganz großes und großartiges Kino für den kulturinteressierten Bürger, Cineast und, weil wir dieses Mal in einem aus Filmen sehr vertrautem Nachkriegsfrankreich sind, Bourgeois.
The French Dispatch (The French Dispatch, USA/Deutschland 2021)
Regie: Wes Anderson
Drehbuch: Wes Anderson (nach einer Originalgeschichte von Wes Anderson, Roman Coppola, Hugo Guiness und Jason Schwartzman)
mit Benicio Del Toro, Adrien Brody, Tilda Swinton, Léa Seydoux, Frances McDormand, Timothée Chalamet, Lyna Khoudri, Jeffrey Wright, Mathieu Amalric, Stephen Park, Bill Murray, Owen Wilson, Christoph Waltz, Edward Norton, Jason Schwartzman, Liev Schreiber, Elisabeth Moss, Willem Dafoe, Lois Smith, Saoirse Ronan, Cécile de France, Guillaume Gallienne, Tony Revolori, Rupert Friend, Henry Winkler, Bob Balaban, Hippolyte Girardot, Anjelica Huston (Erzählerin)
(Ich empfehle im Kino ausdrücklich den Verzicht auf etwaige Trinkspiele.)
Darjeeling Limited (The Darjeeling Limited, USA 2007)
Regie: Wes Anderson
Drehbuch: Wes Anderson, Roman Coppola, Jason Schwartzman
Drei Brüder, die seit Jahren nicht mehr miteinander geredet haben, wollen in Indien ihre Mutter besuchen und wieder zueinanderfinden – und wir können uns köstlich bei diesem Versöhnungsversuch mit viel Lokalkolorit amüsieren.
mit Owen Wilson, Adrien Brody, Jason Schwartzman, Amara Karan, Wally Wolodarsky, Waris Ahluwalia, Irrfan Khan, Barbet Schroeder, Bill Murray, Anjelica Huston
Drehbuch: Wes Anderson, Roman Coppola, Jason Schwartzman
Drei Brüder, die seit Jahren nicht mehr miteinander geredet haben, wollen in Indien ihre Mutter besuchen und wieder zueinanderfinden – und wir können uns köstlich bei diesem Versöhnungsversuch mit viel Lokalkolorit amüsieren.
mit Owen Wilson, Adrien Brody, Jason Schwartzman, Amara Karan, Wally Wolodarsky, Waris Ahluwalia, Irrfan Khan, Barbet Schroeder, Bill Murray, Anjelica Huston
The Grand Budapest Hotel (The Grand Budapest Hotel, USA/Deutschland 2014)
Regie: Wes Anderson
Drehbuch: Wes Anderson (nach einer Geschichte von Wes Anderson und Hugo Guiness)
1932: Monsieur Gustave H., der Chefconcierge des Grand Budapest Hotels, erbt von Madame D. ein wertvolles Gemälde und weil der Sohn der Verstorbenen dem Concierge das Gemälde nicht gönnt, gerät Gustave H. in Teufels Küche.
mit Ralph Fiennes, Tony Revolori, F. Murray Abraham, Mathieu Amalric, Adrien Brody, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Harvey Keitel, Jude Law, Bill Murray, Edward Norton, Saoirse Ronan, Jason Schwartzman, Léa Seydoux, Tilda Swinton, Tom Wilkinson, Owen Wilson, Florian Lukas, Bob Balaban, Lisa Kreuzer
Der Pianist (Frankreich/Deutschland/Polen/Großbritannien 2002, Regie: Roman Polanski)
Drehbuch: Ronald Harwood
LV: Wladyslaw Szpilman: Śmierć miasta, 1946 (Das wunderbare Überleben; Der Pianist – Mein wunderbares Überleben)
Ergreifendes, plumpe Emotionalisierungen und Pathos vermeidendes Drama über das Schicksal des polnisch-jüdischen Pianisten Wladyslaw Szpilman, der während des Zweiten Weltkriegs im Warschauer Ghetto war und sich danach bis zum Kriegsende in Warschau an verschiedenen Orten versteckte.
Für Roman Polanski, dessen Biographie Parallelen zu Szpilmans Biographie hat, war dieser Film auch eine Möglichkeit, mit seiner eigenen Vergangenheit, die er bislang in seinen Filmen nicht direkt ansprach, umzugehen.
„Es ist ein filmisches Gebet für den Menschen. Und die Haltung des Künstlers können wir wohl als eine selbstbewusste Form der Demut bezeichnen.“ (Georg Seeßlen, Die Zeit, 24. Oktober 2002)
„‚Der Pianist‘ ist, wie auch ‚Schindlers Liste‘ ein Referenzfilm für die Darstellung dieses entsetzlichen Kapitels der deutsch-polnischen Geschichte. Und das cineastische Anliegen eines Zeitzeugen.“ (Adrian Prechtel, AZ, 24. Oktober 2002)
Ein kühl inszenierter filmischer Triumph – und, wenn man sich den Film heute ansieht, eine eindrückliche Warnung vor dem Deutschland, das AFD und Pegida anscheinend gerne wieder hätten.
Anschließend, um 22.40 Uhr zeigt Arte „Roman Polanski: Mein Leben“.
„Der Pianist“ ist der Beginn einer kleinen Roman-Polanski-Werkschau. Am Montag, den 6. Juni, zeigt Arte um 20.15 Uhr „Die neun Pforten“ und um 22.25 Uhr „Ekel“; am Mittwoch, den 8. Juni, zeigt Arte um 20.15 Uhr „Venus im Pelz“ (TV-Premiere) und um 22.40 Uhr „Der Tod und das Mädchen“; Eins Plus zeigt am Montag, den 6. Juni, um 21.45 Uhr, und am Donnerstag, den 9. Juni um 23.05 Uhr „Der Gott des Gemetzels“.
Mit Adrien Brody, Thomas Kretschmann, Thomas Finlay, Maureen Lipman, Ed Stoppard, Julia Rayner, Jessica Kate Meyer, Emilia Fox, Axel Prahl
Arte, 20.15 Der scmale Grat(The Thin Red Line, USA 1998)
Regie: Terrence Malick
Drehbuch: Terrence Malick
LV: James Jones: The Thin Red Line, 1962 (Insel der Verdammten)
Als der Film seine Premiere hatte, waren die Kritiker begeistert und er erhielt auf der Berlinale den Goldenen Bären. Nach zwanzig Jahren präsentierte Terrence Malick seinen dritten Spielfilm: ein meditatives Drama über den Kampf um die Pazifikinsel Guadalcanal, das souverän alle Erfordernisse des Kriegsfilms und Starkinos unterläuft und wahrscheinlich genau deswegen ein äußerst präzises Bild vom Krieg liefert.
Es war auch, obwohl ich verstehen kann, wenn Menschen „Der schmale Grat“ nicht mögen (nachdem wir den Film im Unikino gezeigt hatten, meinten einige, das sei der schlechteste Film, den sie jemals gesehen hatten), Malicks letzter wirklich guter Film.
Nachdem er in dreißig Jahren drei Klassiker drehte, gelang es ihm in fünfzehn Jahren mit drei Filmen seinen Ruf gründlich zu ruinieren. „The New World“ (USA 2005) hatte noch etwas, aber mit „The Tree of Life“ (USA 2011) und „To the Wonder“ (USA 2012) verabschiedete er sich endgültig von jeder erzählerischen Fessel zugunsten eines freien Assoziieren für eine überzeugte Gemeinschaft.
Sein nächster Film „Knight of Cups“ startet am 10. September und er hält die Qualität seiner vorherigen Filme. Aber er ist immerhin wenige religiös verbrämt und inzwischen wissen wir, was wir von einem Malick-Film erwarten können.
Laut IMDB hat Malick schon zwei weitere Filme in der Post-Produktion.
mit Sean Penn, Adrien Brody, Jim Caviezel, Ben Chaplin, George Clooney, John Cusack, Woody Harrelson, Elias Koteas, Jared Leto, Nick Nolte, John Savage, John Travolta, Nick Stahl, Miranda Otto
Hinweise Rotten Tomatoes über „Der schmale Grat“
Wikipedia über „Der schmale Grat“ (deutsch,englisch)
Die spoilerfreie Kurzkritik: In seinem neuen Film „Dritte Person“ erzählt „L. A. Crash“-Regisseur Paul Haggis mit einem tollen Cast parallel drei Hauptgeschichten mit einem guten Dutzend Charaktere, die in Paris, Rom und New York spielen und am Ende auf überraschende Weise zusammengefügt werden. Leider ist der Weg dahin mit seinen unglaubwürdigen Charakteren nicht sonderlich interessant.
Wir raten ab.
–
So. Und jetzt erkläre ich euch, warum ich von „Dritte Person“ enttäuscht war, obwohl am Ende alles einen Sinn ergibt und auch die Idee hinter dem Film interessant ist, aber die Ausführung dann doch nicht. Obwohl sogar diese schlechte Ausführung, als ein weiteres Spiel mit dem der Plotkonstruktion, gewollt sein kann; was aber dann schon mindestens in die Meta-Meta-Ebene geht.
In den ersten Minuten führt Paul Haggis in kurzen Szenen und flüssig geschnitten die Charaktere und die Handlungsorte ein. Im Zentrum steht dabei der in Paris in einer Hotelsuite residierende Michael (Liam Neeson), ein mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Schriftsteller, der an einem neuen Roman arbeitet und sich mit seiner deutlich jüngeren, in einer festen Beziehung lebenden Freundin Anna (Olivia Wilde), die ihn als Autor bewundert, trifft.
In Italien erhält Scott (Adrien Brody) die noch geheimen Entwürfe für eine neue Bekleidungslinie, die er an einen Konkurrenten verkaufen will.
In New York kämpft der ehemalige Soap-Opera-Star Julia (Mila Kunis) mit ihrer Anwältin Theresa (Maria Bello) um das Sorgerecht für ihr Kind.
Ebenfalls in New York (wie wir später erfahren) versucht der bekannte Maler Rick (James Franco) seinen Sohn für seinen primitiven Malstil zu begeistern. Erfolglos.
Und in einer Küche steht Elaine (Kim Basinger), die traurig in den Garten ihres Anwesens blickt.
Alle diese Charaktere und ihre Geschichten sind, wie wir es auch aus anderen Episodenfilmen kennen, miteinander verbunden. Nur wissen wir in diesem Moment noch nicht genau, wie.
So waren Julia und Rick vorher ein Paar und er möchte sie unbedingt von ihrem Kind fernhalten. Allerdings erfahren wir nicht, warum der Maler so unbedingt das Sorgerecht möchte. Denn schon in der ersten Szene erfahren wir, dass er überhaupt keine Beziehung zu seinem Kind hat und er das auch nicht ändern will. Für ihn steht seine Arbeit an erster Stelle. Dann kommt seine anscheinend nach dem Aussehen ausgewählte Freundin und sein Sohn kommt, als Haustierersatz, erst viel später.
Julia dagegen scheint eine wirklich liebevolle Mutter zu sein, die sogar einen Job als Zimmermädchen in einem Nobelhotel annimmt. Hauptsache, sie kann für ihr Kind sorgen. Dass sie ein kleines Zeitproblem hat, erscheint da vernachlässigbar.
Scott, der sich nach seiner in den USA lebenden Familie zurücksehnt und sich immer wieder eine Nachricht von seinem Sohn auf seinem Telefon anhört, geht in Rom, anstatt möglichst schnell die Unterlagen zu übergeben und den Ort seines Verbrechens zu verlassen, in eine schummerige Bar und er lässt sich mit einer, ähem, sehr italienischen Frau ein, die das Wort „Probleme“ mit Leuchtbuchstaben auf ihre Stirn tätowiert hat. Und „Probleme“ bekommt er. Auch wenn unklar bleibt, warum er sich mit dieser Bordsteinschwalbe, die ihn nur ausnutzen will, einlässt.
Währenddessen starrt Elaine weiter traurig in den Garten und wir fragen uns, wie ihre Geschichte mit den anderen Geschichten zusammenhängt.
Immerhin hat Michael in der Stadt der Liebe seinen Spaß, bis er seinem Verleger das neue Manuskript gibt und dieser überhaupt nicht begeistert von den ausgedachten Charakteren und der gekünstelten Geschichte ist. Das habe nicht mehr die Kraft und Ursprünglichkeit von Michaels früheren Werken; was durchaus auch als Kommentar von „L. A. Crash“-Regisseur Paul Haggis zu seinem neuen Film gesehen werden kann.
Denn während man sich über zwei Stunden durch einen Film voller ausgedachter, sich unvernünftig verhaltender Charaktere quält und sich fragt, wie diese Geschichten irgendwie miteinander zusammenhängen und Unstimmigkeiten, wie Blumen und Zettel, die gleichzeitig in einem Hotelzimmer in New York und Paris sind, bemerkt, bereitet Paul Haggis die Lösung vor, die genau das erklärt und auch, auf dem Papier, ein spannendes Spiel zwischen Kunst und Realität ist.
Denn alle Geschichten spielen sich im Kopf von Michael ab, der so seine Trennung von Elaine und den Unfalltod ihres Sohnes verarbeitet. Er erzählt, in fiktionalisierter Form, wie er Elaine kennenlernte, sie sich um ihr Kind stritten, es verloren und jetzt mit dem Verlust und den gegenseitigen Schuldzuweisungen leben müssen. Das ist, vom Ende betrachtet, interessant konstruiert und erklärt auch, warum sich einzelne Charaktere vollkommen irrational verhalten. So ist am ersten Ansehen unklar, warum Scott in Italien bleibt und sich in die falsche Frau verliebt oder warum Rick unbedingt das Sorgerecht will.
Allerdings interessiert, wenn man das Ende nicht kennt, kein Charakter wirklich. Keines ihrer Probleme ist glaubhaft. Alles wirkt ausgedacht und künstlich und langweilt deshalb. Letztendlich ist „Dritte Person“ nur eine deutlich zu lang geratene Versuchsanordnung.
Oft schreibe ich in meinen Besprechungen ja, welcher Schauspieler welche Rolle spielt. Bei Wes Andersons neuem Film „The Grand Budapest Hotel“ mache ich das nicht. Denn ein Teil des Spaßes beim Ansehen der Komödie ist es, Ralph Fiennes, F. Murray Abraham, Mathieu Amalric, Adrien Brody, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Harvey Keitel, Jude Law, Bill Murray, Edward Norton, Saoirse Ronan, Jason Schwartzman, Léa Seydoux, Tilda Swinton, Tom Wilkinson, Owen Wilson, Florian Lukas und Bob Balaban, in ihren teils cameohaften Auftritten, teils gut geschminkt oder mit Bart, zu erkennen. Außerdem steht das ja alles auf dem stylischen Plakat.
Ein weiterer Teil des Spaßes, jedenfalls für Filmfans, ist es, all die Anspielungen, Zitate und Reminiszenzen zu entdecken. In dem sicheren Gefühl, in dieser Sekunde gerade zwei verpasst zu haben. Denn „The Grand Budapest Hotel“ ist ein großartiger Spaß, in dem 1968 im nur noch schwach von seiner früheren Größe zehrendem Grand Budapest Hotel der seltsame Hotelbesitzer Zero Moustafa einem jungen Autor erzählt, wie er der Besitzer des mondänen Hotels wurde.
1932 begann er als Zero (und das war er damals) unter der strengen Fuchtel von Monsieur Gustave H., der als Chefconcierge gerade bei den älteren Damen sehr beliebt war, als Lobbyboy. Nach dem plötzlichen Tod der 84-jährigen Madame Céline Villeneuve Desgoffe und Taxis (kurz Madame D.), fahren sie zur Trauerfeier, haben ein unschönes Erlebnis an der Grenze, erfahren, dass Madame D. Monsieur Gustave ein wertvolles Gemälde vermachte und dass die aasigen Erben ihnen das Bild nicht gönnen. Monsieur Gustave und Zero stehlen es, flüchten zurück in das Grand Budapest Hotel und spätestens hier beginnt eine herrlich verwirrende Geschichte um Lug und Betrug, Mord, falsche Verdächtigungen und, wir ahnen es, Liebe, die so flott und so vergnüglich erzählt wird, dass man kaum zum Nachdenken kommt und auch überhaupt nicht über die Geschichte nachdenken will, denn eine wichtige Inspiration für die Filmgeschichte sind die Screwballkomödien und Serials der frühen dreißiger Jahre, in denen der Held von einer tödlichen Gefahr in die nächste stolpert. Erzählt wird das äußerst geschmackvoll und stilbewusst mit mehr als einem Hauch Billy Wilder und Ernst Lubitsch und einer Danksagung an Stefan Zweig, dessen Memoiren Anderson zu diesem Film inspirierten.
„The Grand Budapest Hotel“ ist ein sehr kurzweiliger, temporeicher Spaß voller Zitate, Witze und Überraschungen. Eine wahre cineastische Wundertüte, die man auch einfach als spritzige Komödie genießen kann.
The Grand Budapest Hotel (The Grand Budapest Hotel, USA/Deutschland 2014)
Regie: Wes Anderson
Drehbuch: Wes Anderson (nach einer Geschichte von Wes Anderson und Hugo Guiness)
mit Ralph Fiennes, Tony Revolori, F. Murray Abraham, Mathieu Amalric, Adrien Brody, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Harvey Keitel, Jude Law, Bill Murray, Edward Norton, Saoirse Ronan, Jason Schwartzman, Léa Seydoux, Tilda Swinton, Tom Wilkinson, Owen Wilson, Florian Lukas, Bob Balaban, Lisa Kreuzer