Leonardo DiCaprio spielt einen Spion, der sich in die Gehirne von anderen Menschen einloggt. Jetzt soll er allerdings nichts ausspionieren, sondern eine schädliche Idee in das Gehirn seines Opfers implantieren.
Die Kritiker waren begeistert von “Batman“ Christopher Nolans Mindfuck. Die Zuschauer ebenso. Die Kinobetreiber zählten strahlend die verkauften Eintrittskarten. Denn „Inception“ ist ein inzwischen seltenes Beispiel für Blockbusterkino, bei dem man sein Gehirn nicht an der Kinokasse abgeben muss.
mit Leonardo DiCaprio, Joseph Gordon-Levitt, Ellen Page, Tom Hardy, Ken Watanabe, Cillian Murphy, Tom Berenger, Marion Cotillard, Pete Postlethwaite, Michael Caine, Lukas Haas
Die High School haben sie überstanden und jetzt wollen die fünf Schulfreunde zum letzten Mal die Freiheit genießen, bevor, so sagen sie am Filmanfang vollkommen unironisch, der Ernst des Lebens beginne. In einem alten Transporter wollen sie von ihrem Heimatdorf Wiley, Oregon, zum Pazifik fahren. Es handelt sich dabei um eine Strecke von 513 Meilen, was nach US-amerikanischen Maßstäben ein Katzensprung ist. Für dem Ausflug müssen sie noch nicht einmal ihren Heimatstaat verlassen. Trotzdem ist dieser Kurztrip für sie ein großes Abenteuer und möglicherweise das letzte Mal, dass sie als Clique über einen längeren Zeitraum zusammen sind.
Die Ross Brothers Bill und Turner schildern in ihrem neuesten Independent-Film „Gasoline Rainbow“ diese Fahrt indem sie Fotos, Handy-Aufnahmen und professionelle Aufnahmen munter und mit vielen Schnitten zu einem in sich geschlossenem Werk machen. Auch wenn die wackeligen Handyaufnahmen am Anfang nerven, überzeugt dieser Teil des Films. Die Story schwächelt dagegen.
In dem Road-Movie bewegen sich die fünf Jugendlichen, drei Jungen und zwei Mädchen, meistens von einer Party zur nächsten Party, die sich kaum von der vorherigen Party unterscheidet. Auf ihrem Weg treffen sie einige Partygäste öfter. Die Begegnungen erschöpfen sich dann vor allem im gemeinsamen Tanzen und Konsum aller möglichen legalen und illegalen Drogen.
Nur aufgrund der zurückgelegten Entfernungen zwischen den Party-Orten unterscheidet sich das Party-Hopping der Reisenden von einem hiesigen Party-Hopping, bei dem an einem Samstagabend von Kneipe zu Kneipe, Party zu Party, getrunken wird.
Dabei entsteht ein ziemlich deprimierendes Bild der USA. Es gibt, abseits fotogener Sonnenuntergänge, keinen Mythos USA mehr. Die fünf Jugendlichen suchen auch nicht, wie die beiden Motorradfahrer in „Easy Rider“, danach. Sie wollen nur möglichst schnell und ohne erkennbaren Widerstand einen Job bekommen. Für sie ist der Kurztrip zur Party am Ende der Welt das letzte große Abenteuer. Und dabei sind sie noch zu jung um in Oregon legal Bier zu trinken, Bars zu besuchen oder Zigaretten zu kaufen. Dafür müssten sie 21 Jahre alt sein. Mehr Anpassung an die Gesellschaft und deren Ideale gibt es wohl nicht.
Im Film erfahren wir arg wenig über die fünf Jugendlichen. Sie werden von Laienschauspielern gespielt, die hier ihre erste Filmrolle hatten. Die Ross Brothers gaben ihnen kein ausgearbeitet Drehbuch, sondern nur Notizen, die die Grundlage für Improvisationen bildeten. Auch nach gut zwei Stunden kennen wir nicht ihre Namen und können sie nicht voneinander unterscheiden. Sie sind ganz normale Jugendliche ohne besondere Eigenschaften, Interessen, Fähigkeiten – und mit einem für Teenager erstaunlich altmodischem Musikgeschmack. So singen sie im Van „Yellow Submarine“ und „Don’t worry, be happy“, hören Ice Cube und Guns N‘ Roses.
Während in „Easy Rider“ die beiden Motorradfahrer auf ihrer Fahrt durch die USA, musikalisch begleitet von einigen Songs, die zu Klassikern wurden, nach der Seele Amerikas suchten und von einem anderen Amerika träumten, suchen die Reisenden in „Gasoline Rainbow“ nur nach dem nächsten Bier; – was dann auch eine Aussage über das heutige Amerika ist.
Gasolne Rainbow(Gasoline Rainbow, USA 2023)
Regie: Bill Ross IV, Turner Ross (aka The Ross Brothers)
Drehbuch: Bill Ross IV, Turner Ross
mit Makai Garza, Micah Bunch, Nichole Dukes, Nathaly Garcia, Tony Aburto
LV: Elmore Leonard: The Switch, 1978 (Wer hat nun wen auf’s Kreuz gelegt?)
1978 hoffen die Ganoven Ordell Robbie and Louis Gara (yep, die in „Rum Punch“/“Jackie Brown“ wieder dabei sind), mit der Entführung der Frau eines Immobilienhais an das große Geld zu kommen. Dummerweise will der Geschäftsmann seine Frau nicht wieder haben. Und die will sich das nicht gefallen lassen.
Okaye Verfilmung eines alten Elmore-Leonard-Romans, der trotz guter Besetzung bei uns nur auf DVD erschien.
„Dank guter Darsteller und flotter Inszenierung wird aus dem etwas abgegriffenen Komödienstoff halbwegs passable Unterhaltung.“ (Lexikon des internationalen Films).
Frühere Verfilmungspläne wurden wegen einer zu großen Ähnlichkeit zur erfolgreichen Komödie „Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone“ (USA 1986) gecancelt.
mit Jennifer Aniston, Yasiin Bey (aka Mos Def), Isla Fisher, Will Forte, Mark Boone Junior, Tim Robbins, John Hawkes, Kevin Corrigan
Ein Drehbuchautor sagte einmal, dass es in der Geschichte über die Alien-Invasion und die Jugendlichen, die gegen die Außerirdischen kämpfen, um seine Beziehung zu seiner Frau gehe. Aber kein Hollywood-Produzent hätte einen teuren Spielfilm über zwei weinerliche Fünfzigjährige finanziert. Über verliebte Jugendliche, Aliens und eine zerstörte Kleinstadt schon. Er sagte auch, dass niemand, der sich den Film ansieht, diesen Hintergrund – also die Sache mit seiner Bezeihung zu seiner Frau – auch nur ahne. Und das gut so. Jedenfalls wenn es um Unterhaltungsfilme geht, die sich an ein breites Publikum richten. Da kann das Wissen um die persönlichen Hintergründe und die Inspiration für das Drehbuch interessant sein, aber es ist letztendlich unwichtig für den daraus entstandenen Film, der als eigenständiges Werk funktionieren muss.
Bei „The End we start from“ ist das anders. Hier ist eine bestimmte Interpretation so offensichtlich, dass sie nicht wirklich ignoriert werden kann. Und, je nachdem, ob man sich auf das Geschehen auf der Leinwand oder auf die Interpretation konzentriert, ist der Film schlechter oder besser.
Im Mittelpunkt steht eine von Jodie Comer gespielte Frau, die auch in den Credits nur „Woman“ (bzw. „Frau“) heißt. Sie ist hochschwanger, glücklich verheiratet und lebt mitten in London in einem kleinen Einfamilienhaus. So weit, so normal.
Aber ein ständiger Regen führt zu Überschwemmungen in der Stadt und dem ganzen Land. Dieser Regen führt zu einem Zusammenbruch der britischen Gesellschaft. Auch nachdem es aufhört zu regnen, kehrt die Gesellschaft nicht schnell zur Normalität zurück, sondern sie begibt sich in die Welt der Apokalypse-Dystopien, in denen die Menschen sich in kleinen Gruppen zusammenrotten und gegenseitig umbringen. Faustrecht eben.
Nach der Geburt fahren die Frau und ihr Mann zuerst zu seinen Eltern, die etwas abgelegen auf dem Land leben. Als die Eltern des Mannes bei der Suche nach Nahrung getötet werden, begeben sich die Frau und ihr Mann auf eine Reise durch das Land. Zuerst zusammen, später getrennt und ohne eine Möglichkeit miteinander in Kontakt zu treten. Handy können nicht aufgeladen werden, das Internet und das Telefonnetz funktionieren nicht mehr; jedenfalls vermute ich das, weil sie es nicht benutzen.
Sie findet in einem Lager des Militärs, das mit Waffengewalt gegen Angriffe von Außen geschützt wird, ein Bett. Vor dem Lager trennen sie sich und er verschwindet in den Wäldern. Fortan taucht er nur noch in ihren Erinnerungen und in Visionen auf, in denen er tatenlos in der Landschaft herumsteht.
Weil ihr das Leben in dem Lager nicht gefällt, begibt sie sich mit einer anderen Frau auf den Weg zu anderen Gruppen, die anders organisiert sein sollen.
Vom Plot her ist „The End we start from“ eine typische Dystopie, die wie an einer Perlenkette ein Dystopie-Klischee an das nächste reiht. Nur dass hier eine Frau mit einem nur wenige Wochen altem Baby durch die postapokalyptische, sehr sumpfige Landschaft wandert. Das ist gut gemacht, aber in seiner Vorhersehbarkeit auch elend langweilig. Viel zu einfallslos werden die bekannten Stationen einer dystopischen Reisegeschichte abgehakt. Da helfen auch die atmosphärischen Bilder und die guten Schauspieler nicht.
Die Apokalypse selbst und warum Überschwemmungen eine Gesellschaft vollkommen zusammenbrechen lassen, wird nicht weiter erklärt. Das muss einfach so hingenommen werden.
Wenn man die Geschichte allerdings als eine leicht zu entschlüsselnde Metapher auf die Gefühle einer Frau während und nach ihrer Schwangerschaft sieht, dann ist das etwas anders. Dann ist das Dystopie-Gewand eine interessante Visualisierung ihrer Gefühle. Die Frau wandert allein durch eine feindliche Welt. Ihr Mann zieht sich schnell aus der gemeinsamen Kindererziehung zurück. Verschiedene Menschen geben ihr Ratschläge. Es ist ein einziger Alptraum, den sie allein durchleiden muss. Und den nur sie für sich beenden kann. Erst danach kann aus dem „ich“ ein „wir“ werden.
Diese Interpretation macht aus „The End we start from“ und seinem Ende, das, wie der Titel verrät, ein Anfang ist, einen deutlich interessanteren Film.
P. S.: Jodie Comers nächster Film startet bereits am 20. Juni. In Jeff Nichols‘ „The Bikeriders“ hat sie eine der Hauptrollen. Meine Besprechung des in den sechziger Jahren spielenden Biker-Dramas gibt es zum Kinostart.
The End we start from (The End we start from, Großbritannien 2024)
Regie: Mahalia Belo
Drehbuch: Alice Birch
LV: Megan Hunter: The End we start from, 2017 (Vom Ende an)
mit Jodie Comer, Joel Fry, Katherine Waterston, Gina McKee, Nina Sosanya, Mark Strong, Sophie Duval, Benedict Cumberbatch
Wenn in Archiven gestöbert wird, tauchen manchmal unbekannte, aber ausgezeichnete Aufnahmen auf (ich sage nur John Coltrane) oder gern von allen Beteiligten vergessenes (wie dieses „Star Wars Holiday Special“ von 1978), oder der Mitschnitt einer katastrophal aus dem Ruder gelaufenen Talkshow. Jedenfalls wird das am Anfang von „Late Night with the Devil“ gesagt.
Es geht um die 1977er Halloween-Show von „Night Owls with Jack Delroy“. Jack Delroy war damals ein Late-Night-Host, dessen Show mit Quotenproblemen zu kämpfen hat; was eine freundliche Umschreibung für „der Sender überlegt, ob er die Show aus dem Programm streicht“ ist. Außerdem ist Delroy immer noch in Trauer über den erst einen Monat zurückliegenden qualvollen Tod seiner Frau. Die Halloween-Show soll die Wende bringen. Dafür sind, passend zum Sendeabend, dem allgemeinen Interesse an Okkultem, Übernatürlichem und, nach den Kinohits „Der Exorzist“ und „Das Omen“, vom Teufel besessenen Kindern, Gäste eingeladen, die etwas zu dem Thema des Abends sagen können. Es sind ein Hellseher, ein junges, von einem Dämon besessenes Mädchen, ihre Vertrauensperson, die einen Bestseller über diesen Fall schrieb, und ein den gesamten Hokuspokus ablehnender Experte für Paranormales.
Ziemlich schnell wird der geplante Ablauf von unvorhergesehenen Ereignissen gestört. Möglicherweise ist der Teufel als nicht eingeladener Gast dabei. Oder es handelt sich nur um einen weiteren Fall von kollektivem Wahn, der dieses mal allerdings von Kameras aufgezeichnet wird.
Mit „Late Night with the Devil“ haben die australischen Brüder Cameron und Colin Cairnes einen Found-Footage-Horrorfilm gedreht, der am Ende seine Prämisse verrät. Das führt zu einem ziemlich durchgedrehtem Finale und ermöglicht es ihnen, einige der vorher im Film geschehenen Ereignisse und Motive des Gastgebers und der Talkshow-Gäste zu erklären. Ob man diese Entscheidung jetzt gut oder schlecht findet, ist Geschmacksache. Mich störte sie nicht. Im Gegentei: sie gefiel mir und befriedigte mich mehr als das alles offen lassende Ende von „The Blair Witch Project“, der Mutter aller Found-Footage-Horrorfilme.
Bis zum Finale erfreut der Horrorfilm der Cairnes-Brüder mit seiner gelungenen Rekonstruktion einer Late-Night-Show aus den siebziger Jahren und dem ebenso gelungenem Spiel mit, vor allem, 70er-Jahre-Horrorklischees und dem damaligen kollektiven Wahn vor teuflischen Besessenheiten. Das liegt an dem guten Drehbuch, der souveränen Regie, den unbekannten, aber guten Schauspielern (David Dastmalchian, der den Gastgeber Jack Delroy spielt, ist der bekannteste Name im Ensemble und auch ihn dürften nur die Menschen kennen, die sich in Blockbustern für jeden Nebendarsteller interessieren), der die 70er Jahre heraufbeschwörenden Ausstattung und der benutzten Technik. Die Cairnes-Brüder entschlossen sich, einfach die in damaligen Talkshows übliche Technik zu verwenden und die Schauspieler spielen zu lassen. In einer Live-Talkshow gibt es ja auch keine Schnitte, sondern nur Werbepausen, in denen hektisch das Make-Up des Moderators erneuert wird, Absprachen getroffen werden und, nach Bedarf, auf- und umgeräumt wird.
Schon jetzt ist „Late Night with the Devil“ einer der besten Horrorfilme des Jahres. Das Regieduo beschreibt ihn zutreffend als „unsere alptraumhafte Ode an die Talkshows und Horrorfilme der 70er Jahre“.
Late Night with the Devil(Late Night with the Devil, Australien/USA/Vereinigte Arabische Emirate 2023)
Regie: Cameron Cairnes, Colin Cairnes
Drehbuch: Cameron Cairnes, Colin Cairnes
mit David Dastmalchian, Laura Gordon, Ian Bliss, Fayssal Bazzi, Ingrid Torelli, Rhys Auteri, Georgina Haig, Josh Quong Tart, Michael Ironside (Erzähler)
Ein Becken voller Männer(Le grand bain, Frankreich 2018)
Regie: Gilles Lellouche
Drehbuch: Gilles Lellouche, Ahmed Mamidi, Julien Lamroschini
Der dauerkrankgeschriebene antriebslose Bertrand schließt sich einer Gruppe vor sich hin dilettierender Synchronschwimmer an. Das ändert sich, als sie an der Weltmeisterschaft teilnehmen wollen.
TV-Premiere. Bekannte Geschichte, anderes Land. In der französischen Variante von „Männer im Wasser“ und „Swimming with Men“ (oder, wenn wir das Wasser verlassen, „Ganz oder gar nicht“) wird die flott erzählte Geschichte mit einer Top-Besetzung mehr dramatisch und melancholisch als witzig durchgespielt.
Niemand mochte das Mordopfer. Entsprechend groß ist die Zahl der Verdächtigen, die den über siebzigjährigen Hotelbesitzer Roger Béliot getötet haben könnten. Ganz oben auf der Liste der Verdächtigen stehen die drei Frauen, mit denen das Opfer in festen Beziehungen lebte. Die Hauptverdächtige ist seine erste Ehefrau Francoise, eine fast zwanzig Jahre jüngere Französin. Sie trennten sich schon vor Ewigkeiten. Aber jetzt will sie die Hälfte seines Vermögens. Sie wurde sofort nach dem Mord verhaftet und sitzt in Maputo im Gefängnis. Béliots zweite Ehefrau ist ebenfalls deutlich jünger als er. Fatouma ist Mosambikanerin und die Tochter eines mächtigen Stammesfürsten. Sie lernten sich während ihres Studiums auf der Handelshochschule kennen. Er unterrichtete dort. Sie sind schon seit längerem getrennt. Zuletzt war Béliot mit der mehrere Jahrzehnte jüngeren Lucrecia zusammen. Sie erwartet ein Kind von ihm. Und das sind nur die Verdächtigen aus Béliots Privatleben.
Während die Polizei mit Francoise als Täterin hochzufrieden ist, zweifelt Aurel Timescu an ihrer Täterschaft. Aurel ist seit einigen Monaten als Konsul in Mosambik. Der Mittfünfziger hat im diplomatischen Dienst keine große Karriere mehr vor sich. Ehrlich gesagt hat er eine solche Bilderbuchkarriere auch nie angestrebt. Inzwischen ist er unkündbar und wird an die entlegensten Orte geschickt. Dort bemüht er sich, möglichst wenig zu arbeiten. Bis es einen Mordfall gibt, der sein Interesse weckt.
„Der Tote im Pool“ ist der zweite von bis jetzt fünf Rätselkrimis mit Aurel Timescu, die Jean-Christophe Rufin seit 2018 in Frankreich veröffentlichte. Auf Deutsch sind bis jetzt die ersten beiden Bände erschienen. Mit 208 Seiten ist „Der Tote im Pool“ angenehm kurz. Der Krimi verschwendet keine Zeit mit länglichen Nebengeschichten. Er konzentriert sich ausschließlich auf den Mordfall und die Suche nach dem Täter. Diese süffig geschriebene Tätersuche mit humoristischem Unterton findet vor exotischer Kulisse statt und besitzt ein ordentliches Retro-Flair. Das erinnert dann mehr an einen Kolonialkrimi, in dem weiße Europäer in den Kolonien unter der tropischen Hitze litten, liebten und mordeten, als an einen aktuellen Krimi, in denen es Klimaanlagen, Computer und Mobiltelefone gibt.
Der von Rufin erfundene Konsul Aurel Timescu lehnt ein solches Mobiltelefon für sich ab. Er möchte für seinen Vorgesetzten möglichst schwer erreichbar sein. Er ist ein Ermittler mit offensiv vorgetragener Arbeitsunlust, liebevoll gepflegter Misantrophie, exzessivem Weinkonsum, nächtlichen Arbeitsstunden und einer Liebe zum Jazz. Er entspricht dabei von seiner Persönlichkeit und seinem Verhalten weniger einem heute lebendem Mittfünziger, sondern einem Mann aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts, der sich bestimmt gut mit Monsieur Claude versteht. Aurel ist ein von Rufin voller Sympathie beschriebenes, tapfer Widerstand leistendes Relikt aus einer anderen Zeit.
So ist „Der Tote im Pool“ vielleicht etwas aus der Zeit gefallen. Aber das ändert nichts am Lesevergnügen. Rufins zweiter Aurel-Timescu-Krimi ist genau der richtige Krimi für einen langen Tag am Pool.
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Jean-Christophe Rufin: Der Tote im Pool – Ein Fall für den Konsul
Gloria Mundi – Rückkehr nach Marseille (Gloria Mundi, Frankreich/Italien 2019)
Regie: Robert Guédiguian
Drehbuch: Serge Valletti, Robert Guédiguian
Glorias Geburt ist ein freudiges, die Familie zusammenführendes Ereignis. Aber es ist nur eine kurze Unterbrechung von den Alltagssorgen, die die in Marseille lebende Arbeiterfamilie hat. Und dann taucht auch noch, nach zwanzig Jahren im Gefängnis, Daniel wieder auf. Er möchte seiner Familie helfen.
TV-Premiere. Gekonnt und etwas spröde zwischen Analyse, Sozialdrama und, am Ende, Feelgood-Movie schwankendes Drama.
Vielleicht beginne ich meine Kritik von Radu Judes neuem Film „Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“ mit einer Erklärung des Regisseurs über seinen Film:
„‚Do Not Expect Too Much From The End Of The World‘ (the title quotes an aphorism by Stanislaw Jerzy Lec) is a fragmentary film (part comedy-part road-movie, part montage film-part camera based film) about work, exploitation, death and the new gig economy.
At the same time, it is a film dealing with the difficult problem of image production. All these
are at the surface level, as they say – but the film only has this one level, it is a film of surfaces, a film with no depth.
And it is a film which, in its structure and mise-en-scene, is even more amateurish than my last films.“
Das ist zutreffend, erklärt einiges und beugt gegen Kritik vor. Ihm Eindimensionalität vorzuwerfen, wenn er eindimensional sein will, ist wie einem Punksong vorzuwerfen, keine von einem Sinfonieorchester filigran gespielte Oper zu sein. Oder einem Woody-Allen-Film die Abwesenheit von Action und CGI vorzuwerfen.
Und trotzdem bleibt ein ungemütliches Gefühl. Jude bezieht keine eindeutige Position. Er zeigt nur, präsentiert Positionen, stellt sie gegeneinander, dekonstruiert sie und seine episodische Filmgeschichte. Er überlässt dem Zuschauer die Entscheidung, auf welcher Seite sein Film steht und was sein knapp dreistündiger Rundumschlag gegen den Kapitalismus und Rumänien genau sagen will und bewirken möchte.
Die schwarzhumorige Satire besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil „Angela: Konversation mit einem Film von 1981“ zeigt Jude einen Tag aus dem Leben von Angela. Die Produktionsassistentin fährt durch Bukarest. Sie soll mit verschiedenen Menschen, die als Betroffene in einem Video über Sicherheit am Arbeitsplatz auftreten könnten, Vorgespräche führen. Sie zeichnet die Gespräche auf. Wer dann in dem Video auftritt, wird später entschieden. Zwischen diesen Gesprächen trifft sie auch andere Menschen, wie Uwe Boll (als er selbst), der gerade in der rumänischen Hauptstadt seinen neuen Film dreht. Und sie macht in jeder freien Minute als Bobiță TikTok-Videos. Bobiță ist ein glatzköpfiger Mann, der Andrew Tate vergöttert und ungefiltert hasserfüllte, rechtsradikale, reaktionäre und chauvinistische Tiraden über Frauen und die Gesellschaft herauskotzt. Die TikTok-Videos sind eine Triebabfuhr, die gleichzeitig ein Aufruf zum Hass sind. Der von ihr benutzte Filter ist schon auf den ersten Blick auffallend schlecht und enthüllt später immer wieder ihre wahre Identität. Ihre Follower scheint das nicht zu stören.
In diesen, mit zwei Stunden längerem Teil der Schwarzen Komödie schneidet Jude Bilder aus Lucian Bratus „Angela merge mai departe“ (Rumänien 1981). In dem Spielfilm fährt die Taxifahrerin Angela durch Bukarest. Dorina Lazar, die damals die Taxifahrerin spielte, spielt jetzt die Mutter eines nach einem Arbeitsunfall im Rollstuhl sitzenden Mannes. Dieser Mann wird letztendlich für das Video über Sicherheit am Arbeitsplatz ausgewählt.
Der zweite Teil „Ovidiu (Rohmaterial)“ zeigt dann die Dreharbeiten für das Video. In einer vierzig Minuten langen statischen Einstellung, die nur den Verunglückten mit seiner Familie zeigt, zeigt Jude, wie die Geschichte des Mannes für die Aufnahme geändert wird. Denn einiges möchten die Auftraggeber für das Video so nicht hören. Sie sind nämlich auch für den Arbeitsunfall mitverantwortlich und prozessieren gerade über die Höhe der Entschädigung.
Mit 163 Minuten ist Radu Judes neuer Film, nach seinem Berlinale-Gewinner „Bad Luck Banging or Loony Porn“, länger als nötig. Er lässt Angela ewig durch das anscheinend riesige Bukarest fahren. Er lässt sie mehr Videos als nötig drehen. Der erste Teil von „Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt“ ist eine Situationsbeschreibung, die einfach auf alles einschlägt, was gerade in Rumänien und der Welt aktuell ist. Wie ein kleines Kind schlägt er wild um sich und versucht dabei möglichst viele Menschen zu verärgern, zu verstören und alle zu irritieren. Auf welcher Seite Jude bei seinem Rundumschlag steht, bleibt unklar. Er scheint alle seine Figuren zu verachten und genussvoll in die Pfanne zu hauen. So schleimt sich seine Protagonistin Angela, die gerne Regisseurin wäre, zuerst bei Uwe Boll ein, dreht ein Bobiță-Video mit ihm und sagt in der nächsten Szene zu einer Freundin, dass Boll ein Idiot sei. Da kann sich dann jeder heraussuchen, was ihm gefällt.
Der zweite Teil, in dem Video für mehr Arbeitssicherheit gedreht wird, und dabei auf jede Formulierung des Geschädigten geachtet wird, ist dann fokussierter.
Insgesamt hinterlässt Judes atemlose Mischung aus Schwarze Komödie und Satire einen zwiespältigen Eindruck.
Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt(Nu astepta prea mult de la sfârsitul lumii, Rumänien/Luxemburg/Frankreich/Kroatien 2023)
Regie: Radu Jude
Drehbuch: Radu Jude
mit Ilinca Manolache, Ovidiu Pîrsan, Nina Hoss, Dorina Lazar, László Miske, Uwe Boll
Mit Musik geht bei ‚Baby‘ nicht alles besser. Bei geht alles nur mit Musik. Zum Beispiel wenn er als Fluchtwagenfahrer einigen Gangstern bei der Flucht vor der Polizei hilft. Als er sich verliebt, will er aus dem Verbrecherleben aussteigen. Davor soll er noch bei dem berühmten letzten großen Überfall mitmachen.
Harter Gangsterthriller mit einer Portion Humor und so viel gut ausgewählter Musik, dass er sich mühelos zum Gangster-Musical qualifiziert. Und ich meine das lobend!
mit Ansel Elgort, Kevin Spacey, Lily James, Jon Hamm, Jamie Foxx, Eiza González, Jon Bernthal, Micah Howard, Morse Diggs, CJ Jones, Sky Ferreira, Lance Palmer, Flea, Lanny Joon, Big Boi, Killer Mike, Paul Williams, Jon Spencer, Walter Hill
Innerhalb eines Tages sollen Christian Alvart (Drehbuchautor, Regisseur, Produzent und Kameramann), Gizem Emre (Schauspielerin), Guido Reinhardt (Produzent) und Mira Thiel (Regisseurin) ein Manifest für den Umgang der Filmbranche mit Künstlicher Intelligenz erstellen. Einige Expert*innen, – Sven Bliedung von der Heide (Geschäftsführer eines Studios für volumetrische Erfassung), Thomas Kornmaier (Experte für KI-Storytelling), Dr. Oliver Scherenberg (Rechtsanwalt und Experte für Urheberrecht) und Prof. Dr. Sarah Spiekermann (Wirtschaftsinformatikerin und Expertin für digitale Ethik) -. geben mehr oder weniger erkenntnisfördernden Input. Collien Ulmen-Fernades gibt alle paar Minuten penetrant den Erklärbar, der auch immer wieder zusammenfasst, was gerade gesagt wurde. So füllt sich die Sendezeit, während es kaum neue Erkenntnisse gibt.
Am Ende des Tages hat die vierköpfige Selbsthilfegruppe kein Manifest, aber einige Stichworte, aus denen sie in den folgenden Tagen einen Text formulierte, der eine Grundlage für weitere Diskussionen sein soll (und den ich gerade im Internet nicht finde).
Um nicht falsch verstanden zu werden: Diese Diskussion ist wichtig und notwendig. Und eine gut recherchierte Reportage kann bei der Meinungsbildung helfen. „Das KI-Manifest“ ist nicht diese Reportage.
Prinzessin Diana besucht zu Weihnachten 1991, als ihre Ehe mit Charles bereits kriselt, den königlichen Landsitz in Norfolk, trifft die gesamte Königsfamilie und leidet unter dem routiniert gnadenlos durchgezogenem Protokoll.
TV-Premiere zu einer induskutablen Uhrzeit. Gandioses und grandios durchgeknalltes Biopic, das sich wenig für Fakten und noch weniger für Edelkitsch-Seligkeit interessiert, sondern das Leben am Hof als Horrorfilm, Unterabteilung Psychohorror, zeigt.
mit Kristen Stewart, Timothy Spall, Sally Hawkins, Kack Farthing, Sean Harris, Stella Gonet, Jack Nielen, Freddie Spry, Jack Farthing, Sean Harris, Stella Gonet, Richard Sammel, Elizabeth Berrington, Lore Stefanek, Amy Manson
Ein Comic und ein jetzt im Kino gestarteter Dokumentarfilm setzen quasi die Geschichte von Matteo Garrones seit Anfang April im Kino laufendem Spielfilm „Ich Capitano“ fort. Garrone erzählt, basierend auf Berichten von Flüchtlingen, die Geschichte von zwei Jungen, die sich aus Afrika auf den Weg nach Europa machen. Der Film endet in dem Moment, als sie in einem Schrottschiff gerade so die italienische Küste erreichen.
Andere Flüchtlinge haben weniger Glück. Sie ertrinken im Mittelmeer. Einige werden von Seenotrettern vor dem Ertrinken gerettet.
In seinem Dokumentarfilm „Einhundertvier“ zeigt Jonathan Schörnig die am 26. August 2019 erfolgte Rettung von 104 aus Afrika kommenden Flüchtlingen in Echtzeit. Am oberen Rand des Bildes steht die Uhrzeit. Darunter sind sechs Kacheln, die in zwei Reihen à drei Kacheln angeordnet sind. In ihnen werden Bilder von bis zu sechs, weitgehend fest montierten Kameras auf der Brücke der „Eleonore“ und dem Schnellboot der „Eleonore“ gezeigt. Sie geben ein umfassendes Bild von der Rettungsaktion aus der Sicht der Retter. Die Rettung ist ein Wettlauf mit der Zeit. Denn das Schlauchboot, auf dem Flüchtlinge sind, sinkt. Am Ende der Rettungsaktion nähert sich ein Schiff der libyschen Küstenwache bedrohlich der „Eleonore“, ihrem Schnellboot und dem Schlauchboot.
Diese insgesamt fast neunzig Minuten dauernde erfolgreiche Rettungsaktion verfolgt man, auch wenn das Ende bekannt ist, gespannt. Dabei zieht sich vieles endlos. So muss das Schnellboot immer wieder die Distanz zwischen der „Eleonore“ und dem Schlauchboot überwinden. Die Abläufe wiederholen sich. Immer wieder steigen die Flüchtlinge von einem Boot in ein anderes Boot in ein anderes Boot. Und es werden die immergleichen Anweisungen gegeben. Spätestens bei der dritten Fahrt, auf der einige der Männer aus dem Schlauchboot in dem Schnellboot mitgenommen werden, kann man die Anweisungen mitsagen.
Diese Dokumentation einer Rettung, die man in dieser Ausführlichkeit und Detailgenauigkeit noch nicht gesehen hat, ist nur ein kleiner Mosaikstein in der Diskussion über das Für und Wider der im Mittelmeer von Freiwilligen durchgeführten Seenotrettung, über das EU-Grenzregime und die Fluchtursachen.
Auch über die neunköpfige Crew der „Eleonore“ und die Flüchtlinge erfährt man nichts. Sie bleiben eine anonyme Masse. Denn Schörnig blendet den gesamten Kontext, in dem die Rettungsaktion stattfindet und notwenig ist, aus. Daran ändert auch der Epilog des Films nichts, der in wenigen Minuten zeigt, wie lange die Geretteten auf dem kleinen Schiff ausharren mussten, bis die „Eleonore“ nach mehreren Tagen endlich in Italien in einen Hafen fahren durften.
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Was nach ihrer Ankunft in Europa mit jugendlichen Flüchtlinge geschieht und wie sie sich fühlen, kann man in dem Comic „Allein in der Fremde“ nachlesen. Fabian Menor, Yrgane Ramon und JP Kalonji erzählen, jeder in einem eigenen Comic, der sich stilistisch von den anderen Comics unterscheidet, jeweils die Geschichte eines unbegleiteten jugendlichen Flüchtlings, der in der Schweiz in einer Asylunterkunft auf eine Entscheidung über sein weiteres Leben wartet. Bis dahin verbringen sie ihre Zeit in Wohnheimen oder auf der Straße. An beiden Orten sind sie den Schikanen des Sicherheitspersonals ausgesetzt.
Den auf wahren Geschichten beruhenden Comics gelingt es, die Perspektive zu wechseln. Aus Probleme verursachenden Asylbewerbern werden Jugendliche, die schlimmes erlebt haben und die Hilfe brauchen. Die Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland sind dabei vernachlässigbar.
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Einhundertvier (Deutschland 2023)
Regie: Jonathan Schörnig
Drehbuch (Konzept): Adrian Then, Jonathan Schörnig
Columbo: Mord à la Carte (Murder under Glass, USA 1978)
Regie: Jonathan Demme
Drehbuch: Robert Van Scoyk
Gourmet-Kritiker Paul Gerard (Louis Jordan) bringt einen Restaurantbesitzer um. Er hat mit allem gerechnet. Nur nicht mit diesem Ermittler, der am Ende des Gesprächs noch eine Frage hat.
Die Folge erhielt 1979 den Edgar in der Kategorie „Best Episode in a TV Series“
Davor und danach zeigt Sat.1 Gold weitere Columbo-Krimis: um 18.55 Uhr „Alter schützt vor Morden nicht“ (1977), um 21.45 Uhr „Mord in eigener Regie“ (1978), um 23.35 Uhr wieder „Alter schützt vor Morden nicht“ und um 00.55 Uhr wieder „Mord à la Carte“
mit Peter Falk, Louis Jourdan, Shera Danese, Richard Dysart
Als „Typhoon Club“ 1985 seine Premiere beim Tokyo International Film Festival hatte, wurde er mit dem Hauptpreis, dem Tokyo Grand Prix, ausgezeichnet. Nach einer Umfrage von „Kinema Junpo“, Japans ältestem Filmmagazin, ist „Typhoon Club“ der zehntbeste japanische Film aller Zeiten. „Drive my Car“-Regisseur Ryusuke Hamaguchi wählte diesen Film 2023 für die Berlinale-Retrospektive „Coming of Age“ aus.
Und trotzdem sind Regisseur Shinji Somai und sein Film „Typhoon Club“ in Deutschland fast unbekannt. Der eine Grund könnte sein, dass Somai 2001 im Alter von 53 Jahren starb. Ein anderer, dass seine 13 vollendeten Filme, abseits von einigen wenigen Festivalvorführungen, nicht in unseren Kinos liefen. „Typhoon Club“ erlebte seine deutsche Premiere im Mai 1987 in der ARD als „Taifun Club“. Dabei sind die präzise kombinierten Bilder und die langsame Erzählweise des Films für das Kino gemacht.
Dorthin bringt Rapid Eye Movies den Film jetzt in seiner ersten regulären Kinoauswertung.
Somai erzählt fünf Tage aus dem Leben einiger pubertierender Jugendlicher, die die Oberstufe besuchen und für Prüfungen lernen müssen, und eines jungen Lehrers. Sie leben in Japan in der Provinz. Regelmäßige Abläufe, wie der tägliche Gang zur Schule, und das schwüle Sommerwetter bestimmen ihre Tage.
Am vierten Tag entlädt sich ein Taifun über dem Ort. Durch eine nicht weiter erwähnswerte Verkettung von Umständen bleiben einige Schüler, während der Taifun draußen tobt, in der Schule. Sie nutzen die Zeit für Körpererkundungen und zum Feiern und Tanzen.
Regisseur Somai zeigt das in meist starren und langen, ungeschnittenen Szenen. Oft nimmt er seine Schauspieler, wie Yasujirō Ozu, von leicht unten auf. Es gibt einige wenige, sehr durchdachte Kamerafahrten, die auch nur selten durch einen Schnitt unterbrochen werden. Das macht die enthemmten Tanzszenen, bevorzugt zu Reggae, mitreisend. Die Verfolgung und Vergewaltigung einer Schülerin durch einen Klassenkameraden verstörend. Noch verstörender ist, dass die Vergewaltigung danach nicht wieder angesprochen wird. Die Kamera beobachtet, wie die überwiegend jungen Schauspieler ihre Figuren mit Leben erfüllen. Die Interpretationen überlässt er dem Zuschauer.
Viel Story entwickelt sich aus diesem Ansatz nicht, aber viel Atmosphäre und ein neugierig-vorurteilsfreier Blick auf die für eine Nacht ohne Erwachsene eingesperrten Schüler.
Rapid Eye Movies bringt „Typhoon Club“ in der fantastisch aussehenden restaurierten 4K-Fassung in der Originalfassung mit deutschen Untertitel in die Kinos.
Drehbuch: George Miller, Brendan McCarthy, Nico Lathouris
Mad Max (Tom Hardy) flüchtet mit Imperator Furiosa (Charlize Theron) und einigen Frauen vor Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) durch die Wüste.
Action satt in einer zweistündigen Leistungsschau der Stuntmänner, der Kameraleute und der CGI-Leute. Im Gegensatz zu den meisten Kritikern war ich nicht so wahnsinnig begeistert von diesem vierten „Mad Max“-Film.
Es heißt, „Furiosa: A Mad Max Saga“ erzähle die Vorgeschichte zu dem vorherigen „Mad Max“-Film „Fury Road“ und der damals von Charlize Theron gespielten einarmigen Kriegerin Imperator Furiosa. In „Furiosa“ wird sie von Anya Taylor-Joy gespielt und das ist schon auf den ersten Blick verständlich. Denn dieses Mal steht eine deutlich jüngere Furiosa im Mittelpunkt des Films, der kein Biopic ist und die Vorgeschichte, verstanden als eine zusammenhängende Abfolge von Ereignisse, bestenfalls höchst kryptisch erzählt. „Furiosa“ ist, mit einem Zeitsprung von fünfzehn Jahren gegen Ende des Films, eine Zusammenstellung mehrerer kurzer Geschichten, von denen nur einige für ihre Entwicklung vom Kind zur Kriegerin mehr oder weniger wichtig sind.
Regisseur und „Mad Max“-Erfinder George Miller unterteilt seinen neuesten Film in fünf Kapitel, die ohne große Mühen als fünf ungefähr gleich lange Kurzfilme gesehen werden können. Nur die letzten beiden Kapitel sind etwas stärker miteinander verknüpft. Das Ergebnis ist eine zweieinhalbstündige Kompilation, in der eine Kämpferin, über die wir ziemlich wenig erfahren, im Mittelpunkt steht.
Die besseren Teile des Films konzentrieren sich auf die ohne lange Erklärungen verständliche Action. Ein Laster mit einer wertvollen Fracht wird angegriffen. Eine Ölraffinerie wird angegriffen. Furiosa greift ihre Peiniger an, flüchtet, tötet sie. Die Welt, in der diese Geschichten spielen, ist aus den vorherigen „Mad Max“-Filmen bekannt: es ist eine Wüstenlandschaft, in der sich Stämme und Clans bekämpfen. Es gilt das Recht des Stärkeren. Essen ist knapp. Noch knapper ist Benzin. Das wird trotzdem von den von ihren kostümierten Fahrern in Handarbeit umgestalteten Autos und Motorrädern in rauen Mengen verplempert.
Einige wichtige Handlungsorte, Figuren und Fahrzeuge sind bereits aus „Fury Road“ bekannt. Das war in den ersten drei „Mad Max“-Filmen mit Mel Gibson in der Titelrolle nicht so. Sie kümmern sich nicht weiter um so etwas wie Kontinuität. Da steht jeder Film für sich.
Der erste „Mad Max“-Film, der einfach „Mad Max“ heißt, spielt in einer dystopischen Zukunft, die sich kaum von der damaligen Realität unterscheidet. Erst in dem zweiten „Mad Max“-Film „Mad Max 2 – Der Vollstrecker“ entwirft George Miller eine postapokalyptische Welt, in der die Gesellschaft, wie wir sie kennen, zerstört ist Benzin ist Mangelware. Das einzige Gesetz, das akzeptiert wird, ist das Recht des Stärkeren. Ein darüber hinausgehendes World Building fand nicht statt. Für die Action, die geboten wurde, war es auch nicht nötig. et
In „Furiosa“ ist das etwas anders und gerade dieses World Building ist der Schwachpunkt des Films. Denn je mehr Miller versucht, die von ihm entworfene Welt zu erklären, umso unsinniger wird sie. Die wenigen Modernisierungen, die Miller am Filmanfang vornimmt, sind, weil es dann kein „Mad Max“-Film wäre, schnell vergessen. In diesen Minuten zeigt er Furiosa als Kind in ihrer Welt. Der Grüne Ort der vielen Mütter ist eine grüne Oase unbekannter Größe mit Windrädern und Solaranlagen. Die Menschen scheinen dort, jedenfalls soweit diese Welt gezeigt wird, friedlich zusammen zu leben. Als eine brutale Bikerbande aus dem Wasteland (aka Ödland aka Wüste) diese Welt betritt, entdecken sie Furiosa, entführen sie und der restliche Film spielt in der in den achtziger Jahren etablierten „Mad Max“-Welt, die für diesen Film recycelt wird. Die damalige Technik und die Ängste der siebziger und frühen achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts bestimmen das Bild. Computer gibt es noch nicht. Die Ölkrise, der Kalte Krieg, die Angst vor einem Atomkrieg und die katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise und eine No-Future-Haltung bestimmten das Denken. Da war Mad Max der Mann der Stunde. Heute ist das alles ziemich anachronistisch.
Aber die Action in der Wüste ist schon ziemlich spektakulär und immer dann gut, wenn nichts erklärt wird. Das passiert ziemlich oft. Dass die rudimentären Plots bekannt sind, stört nicht weiter. Es geht, wie in einem Western vor allem um die Variation bekannter Versatzstücke. Nur dass dieses Mal eine Frau die Protagonistin ist. Sie kämpft gegen den Bösewicht Dementus (Chris Hemsworth), dessen Männer sie aus dem Paradies ihrer Kindheit entführten. Sie fährt mit „Mad Max“-Ersatz Praetorian Jack (Tom Burke) einen LKW durch die Wüste und kämpft gegen die Männer, die sie auf abenteuerlich umgebauten Motorrädern und anderen Fahrzeugen angreifen und dabei höchst fotogen sterben. Sie kämpfen in einer Ölraffinerie gegen eine Überzahl Angreifer und demolieren sie mit vereinten Kräften.
Und Max Rockatansky, besser bekannt als Mad Max, ist auch dabei. Gespielt wird er dieses Mal nicht von Mel Gibson oder Tom Hardy, sondern von Jacob Tomuri.
Furiosa: A Mad Max Saga(Furiosa: A Mad Max Saga, Australien/USA 2024)
Regie: George Miller
Drehbuch: George Miller, Nico Lathouris
mit Anya Taylor-Joy, Chris Hemsworth, Tom Burke, Alyla Browne, Lachy Hulme, Nathan Jones, Charlee Fraser, Elsa Pataky, Jacob Tomuri
Hänsel und Gretel: Hexenjäger(Hansel and Gretel: Witch Hunters, USA/Deutschland 2012)
Regie: Tommy Wirkola
Drehbuch: Tommy Wirkola
Hänsel und Gretel, inzwischen erwachsen, jagen Hexen und blutiger Schmodder fliegt durch den Raum.
Der herrlich abgedrehte Film ist ungefähr so tiefsinnig wie ein Kinderkarneval und macht, wenn man sich darauf einlässt, auch genausoviel Spaß. Außerdem gibt es mindestens eine wichtige Lebensweisheit: „Don’t eat the fucking Candy.“
Die Studentinnen Alex und Marie wollen sich auf dem Land bei Alex‘ Eltern auf eine Prüfung vorbereiten. Schon am ersten Abend massakriert ein Sadist Alex‘ Familie und entführt sie. Marie will sie retten.
TV-Premiere. „Spannender, visuell höchst drastischer Psychothriller mit Horrorelementen“ (Lexikon des internationalen Films), der in Deutschland keine Jugendfreigabe erhielt, in verschiedenen Fassungen erschien und bis März 2023 auf der Liste der jugendgefährdenden Medien stand. Danach erschien er ungeschnitten auf DVD – und könnte jetzt auch ungeschnitten im Fernsehen laufen.
Für den Franzosen Alexandre Aja war der ultrabrutale Horrorfilm, sein zweiter Spielfilm, der Durchbruch. In Hollywood drehte er die Horrorfilme „The Hills Have Eyes – Hügel der blutigen Augen“, „Mirrors“, „Piranha 3D“, „Horns“ (nach dem Roman von Joe Hill) und „Crawl“.
mit Cécile de France, Maïwenn, Philippe Nahon, Franck Khalfoun, Andrei Finti, Oana Pellea
Wiederholung: Samstag, 25. Mai, 01.40 Uhr (Taggenau!)