White Sands – Der große Deal (White Sands, USA 1991)
Regie: Roger Donaldson
Drehbuch: Daniel Pyne
New Mexico: in der Wüste werden eine Leiche und, neben ihr, ein Koffer voller Geld entdeckt. Sheriff Ray Donezal (Willem Dafoe) will den Fall aufklären. Er nimmt die Identität des Toten an.
Zutreffend, aber die Top-Besetzung verschweigend, urteilte der Fischer Film Almanach zum Kinostart: „Ein wirrer Plot als Vorwand für vertraute Actionspielchen.“
mit Willem Dafoe, Mickey Rourke, Mary Elizabeth Mastrantonio, Samuel L. Jackson, M. Emmet Walsh, Mimi Rogers, James Rebhorn, Maura Tierney, Beth Grant
Grand Budapest Hotel (The Grand Budapest Hotel, USA/Deutschland 2014)
Regie: Wes Anderson
Drehbuch: Wes Anderson (nach einer Geschichte von Wes Anderson und Hugo Guiness)
1932: Monsieur Gustave H., der Chefconcierge des Grand Budapest Hotels, erbt von Madame D. ein wertvolles Gemälde und weil der Sohn der Verstorbenen dem Concierge das Gemälde nicht gönnt, gerät Gustave H. in Teufels Küche.
mit Ralph Fiennes, Tony Revolori, F. Murray Abraham, Mathieu Amalric, Adrien Brody, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Harvey Keitel, Jude Law, Bill Murray, Edward Norton, Saoirse Ronan, Jason Schwartzman, Léa Seydoux, Tilda Swinton, Tom Wilkinson, Owen Wilson, Florian Lukas, Bob Balaban, Lisa Kreuzer
Drehbuch: Walter Hill (nach einer Geschichte von Matt Harris und Walter Hill)
TV-Premiere. New Mexico, 1897: ein Kopfgeldjäger soll die angeblich entführte Frau eines Geschäftsmannes aus Mexiko zurückholen. – Und wie schon in Richard Brooks‘ „Die gefürchteten Vier“ (The Professionals, USA 1966) sind die Dinge erstens nicht so wie sie scheinen und zweitens entwickelt sich die Geschichte anders als von dem Auftraggeber erwartet. Ein weiterer Einfluss sind die Western von Budd Boetticher; ihm widmete Walter Hill seinen neuesten Film.
„Dead for a Dollar“ ist nicht schlecht, aber auch nie so gut, wie es angesichts der involvierten Personen sein sollte. Walter Hill hat schon bessere Filme gemacht.
Für Western-Fans bleibt ein top besetztes, straff inszeniertes, aber auch weitgehend vorhersehbares traditionsbewusstes Western-Abenteuer mit vertrauten Versatzstücken, die in vertrauter Weise präsentiert werden, oft hölzernen Dialogen und durchgehend nerviger Farbgebung.
mit Christoph Waltz, Willem Dafoe, Rachel Brosnahan, Warren Burke, Benjamin Bratt, Brandon Scott, Luis Chavez, Hamish Linklater
Wenige Tage nach seiner Premiere beim Filmfest in Cannes im Wettbewerb läuft Wes Andersons neuer Film „Der phönizische Meisterstreich“ bei uns im Kino an. Und es ist ein typischer Anderson-Film mit einigen Minuspunkten.
Wie in seinen vorherigen Filmen treten viele bekannte Schauspieler, die teils zum wiederholten Male in einem Wes-Anderson-Film mitspielen, in teilweise absurd kurzen Rollen auf. Es gibt den bekannten Anderson-Humor und die aus seinen vorherigen Komödien bekannten präzisen Bildkompositionen. Sie sind sofort als Bilder aus einem Wes-Anderson-Film erkennbar. Es gibt eine schnell freidrehende Geschichte, die hier noch mehr als früher alle erzählerischen Regeln ignoriert.
Im Mittelpunkt des 1950 spielenden Films steht Anatole ‚Zsa-zsa‘ Korda (Benicio del Toro), einer der reichsten Männer Europas und ein vollkommen skrupelloser Mogul. Jetzt will der Industrielle sein größtes Projekt, den „Korda Land und Meer Phönizische Infrastruktur Meisterstreich“ verwirklichen. Hinter dem umständlich-pompösen Projektnamen, der für den Filmtitel radikal zusammengestrichen wurde, verbirgt sich ein großes Infrastrukturprojekt in einer vergessenen, aber potentiell ertragreichen Region. Viel mehr muss man über das Projekt nicht wissen und mehr erfahren wir auch nicht darüber.
Als die Preise für verformbare Nieten, die für das Projekt von essentieller Wichtigkeit sind, sich plötzlich astronomisch verteuern, muss Korda mit einigen Investoren über ihre Beteiligung an seinem ‚Meisterstreich‘ neu verhandeln.
Dies gelingt ihm immer wieder mit absurden Wettkämpfen. Oder indem sie einfach ihre Meinung ändern.
Begleitet wird er bei dieser Reise von seiner zwanzigjährigen Tochter Liesl (Mia Threapleton), die er seit sechs Jahren nicht gesehen hat und die am Ende des Monats ihr Gelübde als Nonne ablegen will. Korda hat allerdings beschlossen, dass sie und nicht einer ihrer neun Brüder sein Vermögen erben soll. Um Liesl zu überzeugen, das Erbe anzunehmen, schlägt er ihr eine Probezeit bei ihm vor. Sie ist einverstanden.
Natürlich erwartet niemand von einem Wes-Anderson-Film eine konventionell erzählte Geschichte. Aber dieses Mal reiht er nur noch eine absurde Episode an eine weitere, mehr oder weniger absurde Episode. Der titelgebende phönizische Meisterstreich ist bestenfalls ein rudimentär erklärter MacGuffin, der mit zunehmender Laufzeit immer unwichtiger wird. Daran ändern auch die nach jeder Verhandlung Kordas mit einem der Investoren eingeblendeten Prozentzahlen nichts. Es sind einfach Zahlen, die ohne eine Bezugsgröße bedeutungslos sind.
Alle Figuren sind nur eindimensionale Cartoonfiguren, die nicht weiter als einen Gag tragen. Das gilt, leider, auch für den Protagonisten, der ungerührt zahllose Mordanschläge überlebt. Wer sie warum veranlasste ist egal. Sie sind einfach nur ein Running Gag. Gleiches gilt für sein absolut gleichgültiges Verhalten gegenüber seinen Angestellten. Sie sind für ihn Dinge, die er benutzt und wegwirft oder mit dem Schleudersitz aus seinem Flugzeug befördert. Wie in einer Gagshow wird Korda in verschiedene Situationen geworfen, die er stoisch überlebt.
Etwaige Versuche aus der Komödie so etwas wie eine Kritik am Kapitalismus oder am ausbeuterischen Kolonialismus herauszulesen, immerhin geht es um ein Großprojekt, das zum finanziellen Vorteil der Investoren durchgesetzt werden soll, oder Korda mit aktuellen größenwahnsinnigen Milliardären zu vergleichen, sind zum Scheitern verurteilt. Anderson interessiert sich dafür noch weniger als für den titelgebenden MacGuffin.
„Der phönizische Meisterstreich“ ist einfach nur ein Planspiel mit verschiedenen Schuhkartons, die nacheinander geöffnet werden und den Schauspielern erinnerungswürdige Auftritte ermöglichen. Ein erinnerungswürdiger Film entsteht so nicht.
Dem phönizischen Meisterstreich fehlt einfach der liebenswürdige Charme des „Grand Budapest Hotel“. Stattdessen erinnert dieser Streich viel zu oft an Wes Andersons vorherigen Film „Asteroid City“.
Der phönizische Meisterstreich (The Phoenician Scheme, USA/Deutschland 2025)
Regie: Wes Anderson
Drehbuch: Wes Anderson (nach einer Geschichte von Wes Anderson und Roman Coppola)
mit Benicio del Toro, Mia Threapleton, Michael Cera, Riz Ahmed, Tom Hanks, Bryan Cranston, Mathieu Amalric, Richard Ayoade, Jeffrey Wright, Scarlett Johannsson, Benedict Cumberbatch, Rupert Friend, Hope Davis, Alex Jennings, Stephen Park, F. Murray Abraham, Charlotte Gainsbourg, Willem Dafoe, Bill Murray
Mississippi Burning – Die Wurzeln des Hasses (Mississippi Burning, USA 1988)
Regie: Alan Parker
Drehbuch: Chris Gerolmo
Südstaaten, 1964: Mitten im Hochsommer verschwinden im ländlichen Jessup County drei Bürgerrechtler spurlos. Ein älterer und ein jüngerer FBI-Agent sollen den Fall aufklären und wenn sie nur auf eine Mauer des Schweigens stoßen würden, wären sie froh.
Packender, auf einem wahren Fall basierender Polizei-Thriller. Zum Filmstart sah der Fischer Film Almanach das anders (wobei damals die Filmkritik auch anders war): „Parker lässt zu, dass ‚Mississippi Burning‘ sich zu einem konventionellen Reißer entwickelt, zu einem Polizeifilm, der mit den fragwürdigen Methoden seiner Protagonisten sympathisiert. Doch damit wird er seinem Thema nicht mehr gerecht. Ein Film der verschenkten Möglichkeiten.“ Dabei wird der erste Teil des Films wegen seiner dokumentarischen Qualitäten gelobt.
„Parkers von gewalttätigen Eruptionen durchsetzter FBI-Thriller ist wegen seiner (historisch unhaltbaren) Glorifizierung des FBI und wegen seiner Tendenz, die Rolle der Bürgerrechtler und der Schwarzen zu verfälschen (sie sind mehr oder weniger Randfiguren des Dramas), heftig kritisiert worden.“ (Wolfgang Schweiger: Der Polizeifilm, 1989)
Der Film feierte seine Premiere auf der Berlinale. Der immer überzeugende Gene Hackman erhielt den Silbernen Bären als bester Hauptdarsteller. Und bei den US-Kritikern kam der Film besser an als bei den deutschen Kritikern.
mit Gene Hackman, Willem Dafoe, Frances McDormand, Brad Dourif, R. Lee Ermey, Michael Rooker, Pruitt Taylor Vince, Tobin Bell (damals noch ein kleiner Nebendarsteller in seinem ersten namentlich genanntem Spielfilmauftritt)
Für Robert Eggers war „Nosferatu“ ein lange gehegtes Herzensprojekt. Schon als Kind war er von Murnaus „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ fasziniert. An der Highschool schrieb er eine Bühnenadaption, die auch aufgeführt wurde. Nach seinem Regiedebüt schrieb er ein Drehbuch für eine damals geplante Verfilmung. Die Pläne für eine Verfilmung zerschlugen sich in den folgenden Jahren immer wieder. Eine Zeit lang dachte Eggers auch, dass er niemals seine Nosferatu-Version verfilmen könnte. 2023 konnte er sie dann doch verfilmen.
Cineasten kennen und lieben Eggers für „The Witch“ (2016), „Der Leuchttum“ (2019) und „The Northman“ (2022), den ich optisch überzeugend, storytechnisch mehr als enttäuschend fand.
Jetzt läuft seine Version der bekannten Dracula-Geschichte im Kino und nachdem Bram Stokers Roman seit den ersten Tagen des Kinos unzählige Male verfilmt wurde, stellen sich natürlich sofort zwei Fragen: Wie überzeugend ist die Neuinterpretation? Und wie gut kann sie gegen die bekannten Versionen der Geschichte bestehen? Das wären unter anderem Tod Brownings „Dracula“ (1930 mit Bela Lugosi als Dracula), Terence Fishers „Dracula“ (1958 mit Christopher Lee als Dracula) und Francis Ford Coppolas „Bram Stoker’s Dracula“ (1992 mit Gary Oldman als Dracula).
Es gibt auch Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1922, mit Max Schreck als, nun Dracula, der hier Orlok bzw. Nosferatu heißt) und Werner Herzogs eigenständiges Remake „Nosferatu – Phantom der Nacht“ (1979, mit Klaus Kinski als Blutsauger). „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ bediente sich der „Dracula“-Geschichte, hatte aber die Rechte an Bram Stokers Roman nicht erworben. Das führte kurz nach dem Filmstart zu einer letztendlich erfolgreichen Klage von Bram Stokers Witwe.
Und dann gibt es noch zahlreiche mehr oder weniger freie, mehr oder weniger gelungene Erzählungen der Dracula-Geschichte. Genannt seien hier Dario Argentos misslungener „Dracula“ (2012) und der sehr gelungene BBC-Dreiteiler „Dracula“ von 2020. Die „Sherlock“-Macher Steven Moffat und Mark Gattis interpretierten die Geschichte für die Gegenwart und verlegten sie teilweise auch in die Gegenwart. Jonny Campbell, Damon Thomas und Paul McGuigan übernahmen die Regie. Claes Bang verkörperte den überaus charismatischen und verführerischen Grafen mit spürbarer Lust am Verführen, Beißen und Aussagen seiner Opfer.
Eine Sonderstellung hat E. Elias Merhiges „Shadow of the Vampire“ (2000), das als „Making of“ gleichzeitig eine Hommage und liebevolle Satire über Murnaus „Nosferatu“ ist. Mit Willem Dafoe als Max Schreck.
Nun präsentiert Robert Eggers seine Version der bekannten Geschichte. Er bezieht sich in seinem Dracula-Film explizit auf Murnaus Stummfilm, der „vor allem ein expressionistischer Gegenentwurf zum ‚Dracula‘ aus der Zeit nach der schwarzen Romantik“ (Georg Seeßlen, epd film 1/2025) ist. Die Geschichte darf nach all den Verfilmungen und dem heute immer noch populärem Roman als bekannt vorausgesetzt werden.
1838 wird der in der Ostsee-Hafenstadt Wisborg lebende junge, glücklich verheiratete Immobilienmakler Thomas Hutter (Nicholas Hoult) beauftragt, nach Transsylvanien zu reisen. Dort soll er Graf Orlok (Bill Skarsgård) treffen und den Vertrag für den Kauf eines Herrenhauses in Wisborg abschließen.
Der ziemlich seltsame Graf Orlok unterzeichnet den Vertrag und kurz darauf erkundet der Vampir nach Sonnenuntergang sein neues Jagdrevier Wisborg. Besonders interessiert er sich für Hutters Frau Ellen (Lily-Rose Depp).
Eggers inszeniert seine top besetzte Dracula-Variante sehr Stummfilm-Stilbewusst. Die von seinem Stamm-Kameramann Jarin Blaschke gemachten Bilder und das gewählte Bildformat erfreuen das Auge des Cineasten, der während des gesamten Films viele Anspielungen entdecken kann. Es gibt also genug Material für einige Universitätsseminare.
Aber hinter den Bildern ist nichts. In Vampirgeschichten geht es immer um Sex, Begehren und der Austausch von Körperflüssigkeiten, der bevorzugt durch einen Biss in den Hals erfolgt. Davon ist bei Eggers nichts zu spüren. Zugegeben: er zeigt viel nackte Haut. Aber Nacktheit hat – auch wenn wir uns Eggers‘ Nosferatu ansehen – nicht unbedingt etwas mit Erotik und Begehren zu tun.
Eigentlich sagt schon ein Bild am Filmanfang alles über den Film und sein größtes Problem. Eggers zeigt in einer Totalen eine junge Frau, die Mitten in der Nacht in einem Garten in einem Nachthemd auf der Wiese liegt und sich selbst befriedigt. Das kann auch über den Film gesagt werden: künstlerische, von sich und seiner Bedeutung bedingungslos überzeugte Selbstbefriedigung, die genau das vermissen lässt, was Dracula/Nosferatu ausmacht.
„Nosferatu – Der Untote“ ist prüdes lustfeindliches Ausstattungskino und so aufregend wie der längliche Besuch in einem Museum, in dem der Führer einem noch ein Schmuckstück der historischen Sammlung zeigen will.
Mississippi Burning – Die Wurzeln des Hasses (Mississippi Burning, USA 1988)
Regie: Alan Parker
Drehbuch: Chris Gerolmo
Südstaaten, 1964: Mitten im Hochsommer verschwinden im ländlichen Jessup County drei Bürgerrechtler spurlos. Ein älterer und ein jüngerer FBI-Agent sollen den Fall aufklären und wenn sie nur auf eine Mauer des Schweigens stoßen würden, wären sie froh.
Packender, auf einem wahren Fall basierender Polizei-Thriller. Zum Filmstart sah der Fischer Film Almanach das anders (wobei damals die Filmkritik auch anders war): „Parker lässt zu, dass ‚Mississippi Burning‘ sich zu einem konventionellen Reißer entwickelt, zu einem Polizeifilm, der mit den fragwürdigen Methoden seiner Protagonisten sympathisiert. Doch damit wird er seinem Thema nicht mehr gerecht. Ein Film der verschenkten Möglichkeiten.“ Dabei wird der erste Teil des Films wegen seiner dokumentarischen Qualitäten gelobt.
„Parkers von gewalttätigen Eruptionen durchsetzter FBI-Thriller ist wegen seiner (historisch unhaltbaren) Glorifizierung des FBI und wegen seiner Tendenz, die Rolle der Bürgerrechtler und der Schwarzen zu verfälschen (sie sind mehr oder weniger Randfiguren des Dramas), heftig kritisiert worden.“ (Wolfgang Schweiger: Der Polizeifilm, 1989)
Der Film feierte seine Premiere auf der Berlinale. Der immer überzeugende Gene Hackman erhielt den Silbernen Bären als bester Hauptdarsteller. Und bei den US-Kritikern kam der Film besser an als bei den deutschen Kritikern.
mit Gene Hackman, Willem Dafoe, Frances McDormand, Brad Dourif, R. Lee Ermey, Michael Rooker, Pruitt Taylor Vince, Tobin Bell (damals noch ein kleiner Nebendarsteller in seinem ersten namentlich genanntem Spielfilmauftritt)
Beetlejuice ist zurück. 1988 war das, nach einigen kürzeren Arbeiten und dem Talentprobe-Spielfilmdebüt „Pee-Wee’s irre Abenteuer“ sein erster echter Tim-Burton-Spielfilm und sein Durchbruch. Danach inszenierte er „Batman“. In „Beetlejuice“ geht es um das Ehepaar Maitland, das bei einem tödlichen Unfall stirbt und die nächsten 125 Jahre in ihrem Haus als Geister leben muss. Als die Familie Geetz, eine neureiche Clique, die das gesamte Haus umgestalten will, einzieht, versuchen die Maitlands die neuen Bewohner loszuwerden. Ohne Erfolg. Aus nackter Verzweiflung rufen sie den selbsternannten Bio-Exorzisten Beetlejuice (bzw. Betelgeuse). Der erledigt die Aufgabe.
Burton erzählt das als liebevoll-skurille Geisterkomödie mit zahlreichen Anspielungen auf die entsprechenden Filme und Geschichten. Es ist die Mischung, die er seitdem in seinen Filmen perfektionierte.
„Beetlejuice Beetlejuice“ spielt ungefähr fünfunddreißig Jahre nach dem ersten Film. Michael Keaton als Beetlejuice, Winona Ryder als Lydia Deetz und Catherine O’Hara als ihre Mutter Delia Deetz sind wieder dabei. Es gibt viele Neuzugänge, wie Jenny Ortega, Justin Theroux, Monica Bellucci, Arthur Conti, Willem Dafoe (erstaunlicherweise erstmals in einem Tim-Burton-Film) und Danny DeVito, in mehr oder weniger großen Rollen. Eine nennenswerte Story ist, im Gegensatz zu „Beetlejuice“, nicht mehr vorhanden. Es gibt mehrere Plots, die mehr oder weniger halbherzig erzählt werden, und einzelne mal mehr, mal weniger gelungene Gags, die die Hauptgeschichten nicht voranbringen.
Es geht um Delores (Monica Bellucci), die sich an ihrem Ehemann Beetlejuice rächen will. Es geht um die Familie Deetz, die nach dem Tod des Familienoberhaupts für die Beerdigung nach Winter River und in das Geisterhaus zurückkehrt und dort ‚Erlebnisse‘ hat. Es geht Lydias Tochter Astrid (Jenny Ortega), die als Teenager von dem ganzen Geisterbohei, ihrer Familie und dem Rest der Welt genervt ist. In Winter River trifft sie Jeremy Frazier (Arthur Conti) und verliebt sich in ihn. Zur gleichen Zeit wird ihrer Mutter Lydia, die als Gastgeberin der TV-Show „Ghost House with Lydia Deetz“ bekannt ist, von ihrem Freund und Produzenten Rory (Justin Theroux) während der Beerdigung ein Heiratsantrag gemacht. Notgedrungen akzeptiert sie und sofort wird die Hochzeit geplant.
Die einzelnen Szenen spielen in dieser und in der Geisterwelt, von der wir mehr als in „Beetlejuice“ sehen und das Verhältnis zwischen beiden Welten und wie vor allem die Geisterwelt funktioniert, ist wahnsinnig komplex. Oder einfach nur verwirrend.
Der Film ist eine Nummernrevue für die Fans des ersten Films. Nachdem Tim Burton in „Beetlejuice“ die Regeln des Geisterfilms parodierte und dekonstruierte, dekonstruiert er hier auch das Erzählen von Geschichten. Die einzelnen Szenen sind liebevoll inszeniert und für Freunde alter Horrorfilme und Gruselcomics ein Fest. Die Effekte gelungen. Die Musik von Danny Elfman gewohnt bombastisch. Die Schauspieler hatten beim Dreh ihren Spaß. Die von ihnen gespielten Figuren sind durchgehend eindimensionale Cartoons.
Da erscheint der Griff in den Tim-Burton-Zettelkasten trotz seiner kurzen Laufzeit von, ohne den langen Abspann, etwas über neunzig Minuten doch ziemlich lang.
Beetlejuice Beetlejuice(Beetlejuice Beetlejuice, USA 2024)
Regie: Tim Burton
Drehbuch: Alfred Gough, Miles Millar (nach einer Geschichte von Alfred Gough, Miles Millar und Seth Grahame-Smith, basierend auf von Michael McDowell und Larry Wilson)
mit Michael Keaton, Winona Ryder, Catherine O’Hara, Jenna Ortega, Justin Theroux, Willem Dafoe, Monica Bellucci, Arthur Conti, Nick Kellington, Santiago Cabrera, Danny DeVito
mit Keanu Reeves, Michael Nyqvist, Alfie Allen, Willem Dafoe, Dean Winters, Adrianne Palicki, Omer Barnea, Toby Leonard Moore, Daniel Bernhardt, Bridget Moynahan, John Leguizamo, Ian McShane
Gut, es ist nicht John Wick, aber die von Keanu Reeves erfundene Figur B, halb Mensch, halb Gott, verdammt zu einem Leben voller Gewalt und unsterblich, sieht in den von Keanu Reeves und Matt Kindt geschriebenen und Ron Garney gezeichneten Comics wie Keanu Reeves aus. Die drei „BRZRKR“-Comicbände erschienen bei Cross Cult.
Ein vierter Comicband, der zwei Geschichten aus dem 80.000 Jahre dauernden Leben von B erzählt, ist für Mitte Oktober angekündigt.
Eine andere Geschichte aus dem Leben erzählt der vor wenigen Tagen im neuen Gutkind-Verlag erschienene Roman „Das Buch Anderswo“. Zusammen mit China Miéville erzählt Reeves die Geschichte über B und seiner Suche nach dem Grund für seine Unsterblichkeit als Roman.
Nymphomaniac – Teil 1 (Nymphomaniac – Volume 1, Dänemark/Deutschland/Frankreich/Schweden 2013)
Regie: Lars von Trier
Drehbuch: Lars von Trier
Joe (Charlotte Gainsbourg) erzählt einem älteren Mann, der ihr verständnisvoll zuhört, wie sie zur Nymphomanin wurde. Zwischen ihren Erinnerungen unterhalten sie sich tiefsinnig über ihr Leben und analysieren es in einer köstlichen Mischung aus Tief- und Flachsinn.
Tele 5 zeigt als Double-Feature Lars von Triers „Nymphomaniac“ in der Kinofassung. Beide Teile erschienen auch in einem deutlich längeren Director’s Cut.
mit Charlotte Gainsbourg, Stellan Skarsgard, Stacy Martin, Shia LaBeouf, Christian Slater, Jamie Bell, Willem Dafoe, Michael Pas, Jean-Marc Barr, Udo Kier
You miss a very big aspect of the human experience if you take yourself too seriously.
Yorgos Lanthimos
Yorgos Lanthimos‘ neuer Film, wieder mit Emma Stone, dürfte die Fans von „Poor Things“ nachhaltig irritieren und verstören. „Kinds of Kindness“ knüpft da eher an seinen von mir nicht gemochten „The Killing of a sacred Deer“ an.
In seiner neuen, fast dreistündigen Satire erzählt er hintereinander drei nur sehr, sehr lose, fast überhaupt nicht miteinander verbundene Geschichten. In der ersten Geschichte „The Death of R. M. F.“ tut ein offensichtlich hochrangiger Büroangestellter alles für seinen Chef. Robert lässt sich Tag und Nacht von Raymond kontrollieren, berichtet ihm über alles, auch seinen Stuhlgang und sein Sexleben, und tut alles, was sein Vorgesetzter von ihm möchte. Dabei erstrecken sich Raymonds teils bizarren Wünsche und Forderungen auch und vor allem auf sein Privatleben.
Als Robert einen tödlichen Unfall, bei dem R. M. F., der Fahrer des anderen Autos, sterben soll, nicht ausführen kann, entzieht Raymond ihm seine Gunst und alle Privilegien, wozu auch seine Wohnung und seine Frau (frag nicht, lange Geschichte) gehören. Robert will wieder seine alte Position haben.
In der zweiten Geschichte „R. M. F. Is flying“ verschwindet die Frau des Polizisten Daniel spurlos im Ozean. Entgegen aller Erwartungen wird Liz lebendig gefunden. Als sie zu ihm zurückkehrt, glaubt Daniel, dass Liz eine andere Person ist. Sie verhält sich anders und hat bestimmte Dinge, wie ihren Lieblingssong, vergessen. Daniel wird darüber zunehmend paranoid, wird suspendiert und verbringt viel Zeit mit seiner Frau in ihrem gemeinsamen Haus. Da fordert er sie auf, sich zu verletzen.
In der dritten und letzten Geschichte des Films, „R. M. F. eats a Sandwich“ suchen die ‚Arbeitskollegen‘ Emily und Andrew für eine von einem Reinheitswahn besessene Sekte nach einer Frau, die Tote wiedererwecken kann. Bis jetzt ohne Erfolg.
Als Sektenführer Omi sie auf eine neue potentielle Kandidatin ansetzt, könnten sie die Frau gefunden haben. Jedenfalls häufen sich die merkwürdigen Ereignisse. So hat Emily sie in einem Traum gesehen. Sie werden in einem Restaurant von einer Frau angesprochen, die sagt, sie wisse, wer sie seien und sie habe eine Zwillingsschwester, die die Gesuchte sein könnte.
Nachdem Emily von ihrem Ex-Mann vergewaltigt wird, wird sie als contaminierte Person aus der Sekte geworfen. Emily will, wie Robert in der ersten Geschichte, wieder in die Sekte und von Omi aufgenommen werden. Fanatisch beginnt sie die auserwählte Frau zu suchen. Und ab jetzt wird die Geschichte wirklich schräg.
Bei keiner der drei Geschichten kann eine Zusammenfassung auch nur annähernd wiedergeben, wie seltsam, irreal, absurd und voller Ideen die schwarzhumorigen Geschichten sind. Und wie gut die Schauspieler sind, die in jedem Film überzeugend in eine andere Rolle schlüpfen. Emma Stone (als Rita, Liz und Emily), Jesse Plemons (als Robert, Daniel und Andrew) und Willem Dafoe (als Raymond, George und Omi) spielen immer die Hauptrollen. Sie schlüpfen in die verschiedenen Figuren und ihre Marotten. Die kleinen Details, wie die von ihnen getragenen Kleider, sind gelungen. Kamera, Musik und Ausstattung gefallen ebenfalls.
Ich habe auch nichts gegen schräge Geschichten. So gefiel mir Lanthimos‘ ziemlich absurde Satire „The Lobster“ sehr. Aber bei „Kinds of Kindness“ lenkt der Hinweis auf die guten Schauspieler und die gute Inszenierung nur vom Grundproblem ab: der Film funkioniert nicht. Die einzelnen Geschichten sind rudimentäre Skizzen, in denen es irgendwie um Macht, Kontrolle und den Freien Willen geht. Diese Themen werden in den einzelnen Szenen immer wieder angesprochen. Aber es bleibt auf der Ebene eines teils gelungenen und teils witzigen Sketches, in dem eine Person einer anderen Person ihren Willen aufzwingt.
Die Geschichten sind so abstrakt, dass jeder hineininterpretieren, was ihm gerade gefällt. Jede dieser Geschichten ist gleichzeitig zu kurz und zu lang. Die interessanten Teile werden zu schnell abgehandelt. Für uninteressanteste, den Plot in keinster Weise voranbringende Szenen wird dann zu viel Zeit aufgewendet. Oder die Szene dauert einfach viel länger als nötig. Erklärungen gibt es keine, weil das den Raum möglicher Interpretationen einschränken würde. Entsprechend zahn- und ziellos gerät die Satire.
„Kinds of Kindness“ ist länger als „The Killing of a sacred Deer“, aber genauso todsterbenslangweilig.
P. S.: Wenn der Abspann beginnt, sitzenbleiben. Es gibt noch eine Szene.
Kinds of Kindness(Kinds of Kindness, USA 2024)
Regie: Yorgos Lanthimos
Drehbuch: Yorgos Lanthimos, Efthimis Filippou
mit Emma Stone, Jesse Plemons, Willem Dafoe, Margaret Qualley, Hong Chau, Joe Alwyn, Mamoudou Athie, Hunter Schafer
Dalton Russell überfällt eine Wall-Street-Bank. Schnell wird sie von der Polizei umzingelt und Detective Keith Frazier beginnt mit den Verhandlungen. Spätestens als Madaline White als Unterhändlerin des Bankgründers auftaucht und sich in die Verhandlungen einmischt, weiß er, dass er es nicht mit einem normalen Banküberfall zu tun hat.
„‘Inside Man’ ist ein typischer Spike-Lee-Film, insofern er in jeder Sekunde ein bisschen mehr ist al ein reiner Genrefilm. Er macht böse Witze ebenso über den kulturellen Reichtum New Yorks wie über Post-9/11-Paranoia und War-on-Terror-Vorurteile. Er analysiert die Mechanik der Macht, verbindet sie mit gesellschaftlicher Hierarchie und bricht sie an der Politik der Hautfarben.“ (Alexandra Seitz: Inside Man, in Gunnar Landsgesell/Andreas Ungerböck, Hrsg.: Spike Lee, 2006)
Ein feiner Thriller
Anschließend zeigt Arte um 22.20 Uhr die knapp einstündige Doku „Jodie Foster – Hollywoods Alleskönnerin“ (Frankreich 2021). Und im Stream (bei WOW und Sky) läuft gerade, mit Jodie Foster, „True Detective: Night Country“. Die Serie soll gut sein.
mit Denzel Washington, Clive Owen, Jodie Foster, Willem Dafoe, Chiwetel Ejiofor, Christopher Plummer
„Ich habe Tränen gelacht, als ich das Drehbuch las – es war teuflisch und voller schrägem und absurdem Humor.“
Mark Rufallo
„Ich las es als Krimi, prall gefüllt mit Elementen von Horror und Märchen.“
Hanna Schygulla
Yorgos Lanthimos hat wieder zugeschlagen. Mit „Dogtooth“, „The Lobster“ und „The Killing of a Sacred Deer“ wurde der Grieche zum Kritiker- und Arthausliebling. Mit „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ wurde er auch beim breiteren Publikum bekannt. Mit seinem neuen Film setzt er seinen Weg konsequent fort. „Poor Things“ ist dabei sein freundlichster Film geworden.
In der wunderschön durchgeknallten, warmherzigen Steampunk-Frankenstein-Variante „Poor Things“ erzählt er die Geschichte von Bella Baxter (Emma Stone).
Sie ist das Ergebnis eines Experiments von Dr. Godwin ‚God‘ Baxter (Willem Dafoe), einem genialen Wissenschaftler, der von seinem Vater bei einem Experiment verunstaltet wurde. Er ist ein Geistesverwandter von Dr. Frankenstein und Bella ist sein ‚Monster‘. An ihr will er über den menschlichen Geist forschen. Dafür tauscht er, wie wir erst später erfahren, nach ihrem Suizid ihr totes Gehirn gegen das noch lebende Gehirn ihres noch nicht geborenen Babys. Nach der geglückten Operation beobachtet er, wie Bella laufen und sprechen lernt und die Welt innerhalb ihres Hauses erkundet. Dabei geht einiges zu Bruch und sie uriniert auf den Boden. Baxters Haushälterin Mrs. Prim (Vicky Pepperdine) räumt stoisch hinter ihr auf. Dr. Baxter versucht Bella mit väterlicher Geduld zu erziehen und er bringt ihr sprechen bei. Denn Bella ist ein Kind im Körper einer erwachsenen Frau. Diese Diskrepanz zwischen Körper und Geist, gepaart mit einem bestimmendem Temperament und einer kindlichen Sicht auf die Welt, sorgt für einige Lacher.
Zur kontinuierlichen Beobachtung von Bellas Entwicklung engagiert Baxter den Studenten Max McCandless (Ramy Youssef). Beide Männer beobachten Bella. Sie experimentieren mit ihr. Bringen ihr neue Dinge bei und sind ebenso begeistert wie erstaunt über ihre schnellen Lernfortschritte. Dabei entwickeln sie tiefere Gefühle für ihr Forschungsobjekt.
Als Bella älter wird, will sie nicht mehr im Haus bleiben. Sie will die Welt erkunden. Baxter erlaubt es.
Zusammen mit dem von sich überzeugten, besitzergreifenden Hallodri und Anwalt Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo) begibt Bella sich auf eine große Reise, auf der sie vom impulsiven, keine Grenzen kennendem Kind (im Kopf) zur Grenzen kennenden, aber nicht notwendigerweise respektierenden Frau (im Kopf) wird.
Auf dieser, den größten Teil des Films einnehmenden Reise, die sie zuerst nach Lissabon, dann auf einen Ozeandampfer, nach Alexandria und Paris (wo sie in einem Bordell Reisegeld verdient) und wieder zurück nach London führt, begegnet sie der unabhängigen, sehr belesenen und klugen Martha von Kurtzroc (Hanna Schygulla), Marthas Begleiter Harry Astley (Jerrod Carmichael), der Bordellchefin Swiney (Kathryn Hunter) und ihrer revolutionär-sozialistisch gesinnten Arbeitskollegin Toinette (Suzy Bemba). Auf jeder Station dieser Reise lernt Bella eine neue Lektion über ihre von ihr schon in Baxters Haushalt entdeckten Sexualität, die Wirtschaft und die Strukturen der Gesellschaft.
Zurück in London begegnet sie dem Grund für ihren Suizid am Filmanfang. Diese Begegnung führt zu einem köstlich schrägen Finale, das die Verhältnisse auf märchenhafte Weise auf den Kopf stellt. So wie der Film bis dahin schon, höchst unterhaltsam, die Verhältnisse auf den Kopf stellte. Schlließlich spielt er in einer Welt, in der es Wesen gibt, die es nicht geben dürfte.
Lanthimos erzählt die vollständig im Studio gedrehte Geschichte in betont künstlichen Kulissen mit grandiosen Schauspielern, einer konstant mild desorientierenden Kamera und unzähligen visuellen Gags, die die erfundene Steampunk-Welt zu einer glaubwürdigen Welt werden lassen. Am Ende ist „Poor Things“ sein längster, zugänglichster und auch optimistischter und freundlichster Film. Die Schwarze Komödie ist ein großer, wenn auch etwas ausufernder, teils plakativer Spaß.
Nach dem Gewinn des Goldenen Löwen in Venedig gewann „Poor Things“ weitere Preise, wie den Golden Globe als beste Komödie und für die beste Hauptdarstellerin. In den kommenden Wochen dürfte die Komödie zahlreiche weitere Nominierungen und Preise erhalten. Gestern wurde „Poor Things“ für elf BAFTAs nominiert, unter anderem als bester Film, bestes adaptiertes Drehbuch, beste Hauptdarstellerin, beste Kamera, beste Musik und beste Spezialeffekte.
Und wenn am 23. Januar 2024 die Oscar-Nominierungen bekannt gegeben werden, dürfte Lanthimos neuer Film in mehreren Kategorien nominiert sein.
Poor Things (Poor Things, USA 2023)
Regie: Yorgos Lanthimos
Drehbuch: Tony McNamara
LV: Alasdair Gray: Poor Things: Episodes from the Early Life of Archibald McCandless M.D., Scottish Public Health Officer, 1992 (Arme Dinger: Episoden aus den frühen Jahren des schottischen Gesundheitsbeamten Dr. med Archibald McBandless)
mit Emma Stone, Mark Ruffalo, Willem Dafoe, Ramy Youssef, Jerrod Carmichael, Hanna Schygulla, Christopher Abbott, Suzy Bemba, Kathryn Hunter, Vicki Pepperdine, Margaret Qualley
Mord im Orientexpress(Murder on the Orient Express, USA 2017)
Regie: Kenneth Branagh
Drehbuch: Michael Green
LV: Agatha Christie: Murder on the Orient Express, 1934 (Mord im Orientexpress)
Wenn ein Detektiv eine Reise tut, geschieht ein Mord. So auch hier: Während einer Fahrt im Orientexpress wird Edward Ratchett ermordet. Und weil der Täter noch im Zug ist, strengt Privatermittler Hercule Poirot seine kleinen grauen Zellen an. Denn, wie es sich für einen guten Rätselkrimi gehört, hat jeder der Mitreisenden ein überzeugendes Mordmotiv.
Kenneth Branaghs starbesetzte Agatha-Christie-Verfilmung ist nicht so gut wie Sidney Lumets grandiose Verfilmung des gleichen Romans. Aber im Kino kam Branaghs Version gut an. Seitdem folgten zwei weitere Poirot-Filme von und mit ihm. Am morgigen Sonntag zeigt Sat.1, um 20.15 Uhr seine zweite Poirot-Verfilmung „Tod auf dem Nil“.
Da kann man sich sich, als Vorbereitung, den „Mord im Orientexpress“ wieder ansehen. Der Rätselkrimi ist nostalgisches Ausstattungskino mit einer 1-A-Besetzung, die an etlichen dramaturgischen Fehlentscheidungen und einer irritierend schwachen zweiten Hälfte leidet.
mit Kenneth Branagh, Daisy Ridley, Johnny Depp, Michelle Pfeiffer, Penélope Cruz, Judi Dench, Willem Dafoe, Josh Gad, Lucy Boynton, Marwan Kenzari, Olivia Colman, Miranda Raison, Derek Jacobi, Tom Bateman, Sergei Polunin , Manuel Garcia-Rulfo, Leslie Odom, jr.
Einige Kinos zeigen an Halloween als Event Lars von Triers „Geister – Exodus“. Und deshalb gibt es jetzt schon meine Kritik; sozusagen als Werbung für die eine Nacht, an der die dritte und, so heißt es, finale Staffel der schwarzhumorigen, konventionelle Sehgewohnheiten und Erwartungen ignorierenden Krankenhausserie im Kino läuft.
Die erste Staffel von „Geister“ (bzw. „Hospital der Geister“) lief 1994, die zweite 1997 – und damals reagierte die Kritik ziemlich euphorisch auf diese durchgeknallte Mischung, die, wie „Twin Peaks“ (1990/1991) so ziemlich alle TV-Sehgewohnheiten auf den Kopf stellte. Von Trier nannte David Lynchs Serie als einen Einfluss für seine Serie. Die grandiose, von Trier wahrscheinlich unbekannte österreichische Serie „Kottan ermittelt“ mit ihrer zunehmend respektlosen Mischung aus Satire und Krimi, lassen wir mal links liegen.
Jetzt kehrt Lars von Trier in das Reichskrankenhaus in Kopenhagen zurück. Einige aus den ersten beiden Staffeln bekannten Figuren sind wieder dabei. Und natürlich das Krankenhaus, das auf den alten Bleichteichen der Stadt erbaut wurde. Seitdem gibt es dort eine ungute Verbindung von mittelalterlichem Aberglauben und modernster Medizin. Die Geister der Toten kehren zurück. Das Böse scheint, aus dem Untergrund kommend, durch die Gänge des Krankenhauses zu wabern. Das Personal ist etwas merkwürdig und die Ärzte sind noch merkwürdiger in dieser absurd-surreal-abgedrehten Welt.
Mehr oder weniger im Zentrum des Geschehens stehen Karen Svensson, eine ältere Schlafwandlerin, die im Traum von einer mysteriösen Stimme in das Reichskrankenhaus gerufen wird und fortan im und unter dem Krankenhaus nach Antworten sucht, der neue aus Schweden kommende, die Dänen aus tiefster Seele hassende Chefarzt Dr. Helmer Jr., der in der Klinik mehr über seinen verstorbenen Vater herausfinden will, ein leitender Arzt, der alle mit seinen nervigen Fragen nervt und der panische Angst vor einem fröhlich geiferndem Fahrstuhl-Troll hat, und Krankenhausdirektor Bob, der unter Fußwarzen und Minderwertigkeitskomplexen leidet und sich in einem Kleinkrieg mit dem Computer befindet.
Dann gibt es noch sich höchst seltsam verhaltende Krankenpfleger:innen, eine Gruppe „Anonymer Schweden“ die schnell von einer Selbsthilfe- zu einer Selbstjustizgruppe wird, und einen Tellerwäscher, der mit seinem Roboter-Kollegen philosophiert. Der hat anscheinend eine Fehlfunktion. Denn er lässt. als Running-Gag, stoisch die sauberen, gerade abgetrockneten Teller fallen.
Oh, und Lars von Trier tritt ebenfalls auf. Erwähnt wird auch mehrmals, nicht unbedingt lobend, die Serie „Geister“.
Von Trier erzählt das in konsequent ungesund-farbentsättigten Farben und mit einer Wackelkamera auf, die nerven soll. Gleichzeitig ist diese Handkamera eine heute dringend nötige Hommage an das von von Trier mit initiierte, heute ziemlich vergessene Dogma-95-Manifest.
Für Menschen mit einem speziellem Humor und einer hohen Frustrationstoleranz ist „Geister – Exodus“ ein Fest. Alle anderen werden wahrscheinlich schon während der ersten Episode entnervt den Saal verlassen.
Und, auch wenn einem der Stil und der Inhalt gefällt, sind fünf Stunden ein hartes Brot. Wer sich das nicht in einem Rutsch antun will, muss bis zum 25. Januar 2024 warten. Dann erscheint die DVD/Blu-ray-Box. Ob im Rahmen dieser Veröffentlichung auch die ersten beiden Staffeln wieder erscheinen und ob es eine Komplettbox gibt, ist noch unklar.
Geister – Exodus(Riget: Exodus, Dänemark 2022)
Regie: Lars von Trier
Drehbuch: Lars von Trier, Niels Vørsel
mit Bodil Jørgensen, Mikael Persbrandt, Lars Mikkelsen, Nikolaj Lie Kaas, Tuva Novotny, David Dencik, Ghita Nørby, Nicolas Bro, Søren Pilmark, Peter Mygind, Laura
Christensen, Alexander Skarsgård, Willem Dafoe, Udo Kier
Biopic über den Multimillionär Howard Hughes und sein Leben in den dreißiger und vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Gut gespielt, liebevoll ausgestattet, straff erzählt mit einem Blick auf die dunklen Seiten des Porträtierten, aber von Scorsese erwarte ich mehr.
Denn letztendlich ist „Aviator“ Ausstattungskino.
Danach, um 22.55 Uhr, zeigt Arte die gut einstündige Doku „Leonardo DiCaprio: Most Wanted!“ (Frankreich/Deutschland 2020).
Die neueste Zusammenarbeit von Martin Scorsese und Leonardo DiCaprio, „Killers of the Flower Moon“, soll ab dem 19. Oktober in unseren Kinos laufen.
Mit Leonardo DiCaprio, Cate Blancett, Kate Beckinsale, John C. Reilly, Alan Alda, Jude Law, Alec Baldwin, Alan Alda, Ian Holm, Danny Huston, Gwen Stefani, Willem Dafoe
Asteroid City gibt es nicht. Es ist, wie ein sich superseriös gebender, anscheinend direkt aus den Fünfzigern kommender TV-Sprecher am Filmanfang erklärt, eine erfundene Stadt für ein Theaterstück, das jetzt präsentiert wird. Mit einem Blick hinter die Kulissen der Produktion des Theaterstücks, das jetzt ein Film ist, der im Film gezeigt wird. Mit diesem Wissen betreten wir die Welt von Asteroid City, einer Kleinstadt im Südwesten der USA. 87 Einwohner. Eine Tankstelle, Imbiss, Telefonzelle, ein Motel mit zehn Zimmern, eine Sternwarte und ein von einem Asteroideneinschlag verursachter Krater. Zuggleise und eine Straße führen durch die Ansammlung sehr sauberer, frisch gestrichener Bretterbuden. Die Straße wird immer wieder von einem sich vor der Polizei auf der Flucht befindendem Gangsterpärchen benutzt. Sie schießen auf den sie mit Blaulicht verfolgenden Polizeiwagen und rasen durch Asteroid City. Mal in die eine, mal in die andere Richtung.
An diesem Wochenende wird in Asteroid City, wie jedes Jahr, der Asteroidentag gefeiert. Mit mehreren jugendlichen Sternguckern, einem Wettbewerb für sie, einem Fünf-Sterne-General und einer Astronomin. Im Hintergrund sehen wir immer wieder einen Atompilz.
Wir befinden uns in den fünfziger Jahren, als der US-amerikanische Traum intakt war. Das US-Militär führt in der Wüste Tests mit Atombomben durch. Niemand stört sich daran. Die Ufo-Hysterie erreicht ungeahnte Ausmaße. Ein Außerirdischer stört dann auch die Feierlichkeiten zum Asteroidentag. Danach verhängt die Regierung erst einmal eine Quarantäne unbekannter Dauer über Asteroid City.
Wes Anderson beobachtet in seiner neuen Komödie „Asteroid City“ die zufällig in dem Ort in der Wüste (und im Film, im Theaterstück und den Proben für das Stück) zusammengewürfelten, überwiegend weißen Menschen. Gespielt werden sie von Hollywood-Stars, wie Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Jeffrey Wright, Tilda Swinton, Bryan Cranston, Edward Norton, Adrien Brody, Liev Schreiber, Steve Carell, Matt Dillon, Willem Dafoe, Margot Robbie, Tony Revolori und Jeff Goldblum als Alien. Die meisten spielten bereits in früheren Wes-Anderson-Filmen mit. Einige von ihnen haben nur kleine bis kleinste, aber prägnante Rollen. Teilweise sind sie in ihren Kostümen nicht zu erkennen.
Nach der Verhängung der Quarantäne warten sie. Sie langweilen sich. Sie reden miteinander über sich, Gott, die Welt und den Alien, der sie besucht hat und der sich mehr für einen Stein als für sie interessierte. Ein Plot will sich daraus nicht entwickeln. Wes Anderson versucht es noch nicht einmal. Er belässt es beim Spiel mit Meta-Ebenen, bei Zitaten, Anspielungen, Witzen und sorgsam inszenierten Beobachtungen. Einige Personen, wie der Kriegsfotograf Augie Steenbeck, ein Witwer und Vater von vier Kindern (die erst in Asteroid City erfahren, dass ihre Mutter seit drei Wochen tot ist und sie in einer Tupperdose begleitet), und die Marilyn-Monroe-blonde Schauspielerin Midge Campbell, sind öfter im Bild. Aber nicht mehr. Auch ihre Szenen bleiben Vignetten, die jeweils für sich allein stehen und die sich vor allem auf die sichtbare Oberfläche konzentrieren.
Das ist dann wie das Ansehen von präzise arrangierten Postkartenbildern. Jede Farbe stimmt. Im Hintergrund gibt es immer noch etwas zu entdecken. Und es ist wunderschön verschachtelt als Film im Theaterstück in den Proben und Arbeiten für das Theaterstück, das immer wieder von den Figuren kommentiert wird.
Intellektuell ist das natürlich ein Spaß. Auch beim zweiten oder dritten Ansehen.
Aber dieses Mal ist der Spaß auch äußerst blutleer. Keine Figur hat ein nennenswertes Eigenleben. Eine Story gibt es auch nicht. Es gibt nur einige Menschen, die einige Tage in Asteroid City festsitzen, warten und danach wieder ihr Leben leben.
„Asteroid City“ ist eine Ansammlung von bekannten Wes-Anderson-Momenten, von denen jeder einzelne für sich gelungen und witzig ist. Als Gesamtwerk ist es trotzdem nicht mehr als ein sorgfältig kuratiertes Fotoalbum für seine Fans.
Asteroid City (Asteroid City, USA 2023)
Regie: Wes Anderson
Drehbuch Wes Anderson (basierend auf einer Idee von Wes Anderson und Roman Coppola)
mit Jason Schwartzman, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Jeffrey Wright, Tilda Swinton, Bryan Cranston, Edward Norton, Adrien Brody, Liev Schreiber, Hope Davis, Stephen Park, Rupert Friend, Maya Hawke, Steve Carell, Matt Dillon, Hong Chau, Willem Dafoe, Margot Robbie, Tony Revolori, Jake Ryan, Jeff Goldblum, Grace Edwards, Aristou Meehan, Sophia Lillis, Ethan Josh Lee
In der Nacht springt Nemo (Willem Dafoe) in New York aus einem Hubschrauber. Er landet auf dem Balkon eines noblen Apartments. Aus ihm will er in wenigen Minuten einige wertvolle Gemälde stehlen.
Während er die gesuchten Bilder einsteckt, verschließt der Computer aufgrund einer Fehlfunktion hermetisch alle Ausgänge und alle Verbindungen nach draußen.
Zunächst glaubt Nemo, dass er wenige Stunden eingeschlossen sein wird. Und danach unerkannt mit seiner Beute verschwinden kann. Aber dann wird die Zeit länger. Aus Stunden werden Tage und Wochen. Er beginnt die wenigen Lebensmittel und Getränke zu rationieren. Und er überlegt, wie er aus der Wohnung ausbrechen kann.
„Inside“ ist das gelungene Spielfilmdebüt des Griechen Vasilis Katsoupis und eine Tour de force für den immer grandiosen Willem Dafoe. Der glänzend fotografierte Arthaus-Thriller, der wegen seiner Bilder im Kino gesehen werden sollte, ist auch eine Liebeserklärung an die zeitgenössische Kunst und die Meister der Moderne, die von dem Besitzer der Wohnung gesammelt wurden. Katsoupis konnte etliche Künstler überzeugen, eigene Werke für den Film zu erstellen oder zur Verfügung zu stellen. Selbstverständlich wurden im Film dann nicht die Originale, sondern Kopien benutzt. Denn Nemo zerstört einige der Werke.
Der Thriller selbst ist, auch wenn man das in den ersten Minuten annehmen könnte, kein irgendwie gearteter realistischer Thriller. Dafür gibt es zu viele Unwahrscheinlichkeiten und Unmöglichkeiten. Nemo hinterlässt zu viele Spuren und er lässt sich bei seinen teils amateurhaft ausgeführten Ausbruchversuchen zu viel Zeit. Er lässt sich ablenken und er prokrastiniert mehr als ein Student, der sich auf eine Prüfung vorbereiten sollte. Außerdem ist Nemo kein Parker (so heißt Richard Starks No-Nonsense Profi-Einbrecher, der keine Nacht in dieser Wohnung verbracht hätte), sondern ein Kunstliebhaber, der auch als Einbrecher arbeitet und während seines Ausbruchs aus dem edlen High-Tech-Gefängnis selbst zum Künstler wird.
Katsoupis‘ Ein-Personen-Stück ist ein surrealistisches Werk, das in dieser filmischen Tradition steht. Es ist eine Allegorie. Im Kern geht es in jeder Interpretation um das Überleben und um das Ausbrechen aus einem Gefängnis, das gesellschaftliche Regeln, Konventionen und selbst auferlegte Beschränkungen sein können. Es geht auch um die Frage, wie wichtig Kunst ist. Und auf dieser Ebene und mit dieser Erwartung funktioniert der chronologisch in den MMC Studios in Köln gedrehte Film glänzend. Der Drehort und die Finanzierung machen „Inside“ formal zu einem deutschen Film.
Zugegeben, als Vorbereitung für den vierten „John Wick“-Actionfilm, der fast epische drei Stunden dauert und am 23. März startet, ist der erste „John Wick“-Film nicht wirklich nötig. Aber trotzdem
Pro7, 22.35
John Wick(John Wick, USA 2014)
Regie: Chad Stahelski, David Leitch (ungenannt)
Drehbuch: Derek Kolstad
Als der missratene Sohn eines Mafiosos den Hund von John Wick tötet, packt der Ex-Killer John Wick seine eingelagerten Waffen wieder aus.
Actionfilm der wegen seines Stils und seiner furiosen Actionszenen begeistert.
mit Keanu Reeves, Michael Nyqvist, Alfie Allen, Willem Dafoe, Dean Winters, Adrianne Palicki, Omer Barnea, Toby Leonard Moore, Daniel Bernhardt, Bridget Moynahan, John Leguizamo, Ian McShane
A most wanted man (A most wanted man, Deutschland/Großbritannien 2014)
Regie: Anton Corbijn
Drehbuch: Andrew Bovell
LV: John le Carré: A most wanted man, 2008 (Marionetten)
Als der militante Tschetschene und Islamist Issa Karpov in Hamburg auftaucht, ist Geheimagent Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman) alarmiert. Mit seinem Team und anderen Geheimdiensten heftet er sich an Karpovs Fersen. Der behauptet, nur ein Flüchtling zu sein.
Sehr gelungene, top besetzte John-le-Carré-Verfilmung und einer der letzten Leinwandauftritte des viel zu früh verstorbenen Philip Seymour Hoffman.
Eine kleine Episode aus dem unglamourösen Agentenleben, die in erster Linie ein intellektuelles Vergnügen ist, bei der wir beobachten, wie die Dienste, unter ständiger Berücksichtigung ihrer Eigeninteressen, zusammenarbeiten und im entscheidenden Moment eiskalt ihre Chance nutzen. Da ist der Einzelne, wie man es auch aus den anderen Romanen von John le Carré kennt, nur ein von anderen benutzter Spielball.
mit Philip Seymour Hoffman, Rachel McAdams, Grigoriy Dobrygin, Willem Dafoe, Robin Wright, Homayoun Ershadi, Nina Hoss, Franz Hartwig, Daniel Brühl, Kostja Ullmann, Vicky Krieps, Rainer Bock, Herbert Grönemeyer, Charlotte Schwab, Martin Wuttke