Ein Noir aus dem Hause Coen. Mit einer Privatdetektivin als Heldin und bewusst die Hardboiled-Privatdetektiv-Tradition zitierend. Was kann da schon schiefgehen?
Nun, beginnen wir erst einmal mit einigen notwendigen Informationen. „Honey don’t!“ ist kein Film der Coen-Brüder, sondern der zweite Film der von Ethan Coen zusammen mit seiner Frau Tricia Cook geplanten lesbischen B-Movie-Trilogie. Sie lassen sich von alten Pulp-Geschichten und auch den Klassikern des Genres inspirieren und erzählen sie aus lesbischer Perspektive nach. Margaret Qualley übernahm wieder die Hauptrolle. Die vielversprechende Idee wurde schon in „Drive-Away Dolls“, dem ersten Film der Trilogie, schlecht umgesetzt. „Honey don’t!“ ist nicht besser, sondern sogar schlechter.
Es geht um die in Kalifornien in Bakersfield arbeitende offen lesbische Privatdetektivin Honey O’Donahue (Margaret Qualley), die mehr über den Tod eines Paares herausfinden will, das offensichtlich ermordet in einem verunglückten Auto gefunden wurde. Die Toten haben etwas mit einer geheimnisvollen, offensichtlich aus Europa kommenden Frau und dem öligen Reverend Drew Devlin (Chris Evans) zu tun. Devlin ist das Oberhaupt des zur Pfingstbewegung gehörenden „Four-Way Temple“. Diese Gemeinschaft ist keine traditionelle Glaubensgemeinschaft, sondern ein ihm auch sexuell höriger Kult und die Tarnung für verschiedene verbrecherische Aktivitäten. Neben dem den Film beginenden Autounfall, bei dem zwei Menschen starben, muss O’Donahue sich mit weiteren Fällen, teils beruflicher, teils privater Natur, herumschlagen. Außerdem beginnt sie eine Affäre mit Police Officer MG Falcone (Aubrey Plaza).
Viel mehr kann über die Story nicht verraten werden, weil sie ziemlich schnell in einer Unmenge nicht zusammenhängender Plots und Szenen zerfleddert. Die Ausgangsfrage wird schnell ignoriert. Ähnlich ergeht es den später begonnenen Plots. Das Ende ist die Conclusio eines vorher nicht erkennbaren Plots. Dazwischen gibt es slapstickhaft übertrieben blutige und auch mal tödliche Gewalt, viel Sex mit für eine US-Produktion erstaunlich viel nackter Haut und Witze, die nicht witzig sind.
Der größte Witz ist dabei, dass in „Honey don’t!“ die Rolle des hartgesottenen Privatdetektiv, die früher beispielsweise von Humphrey Bogart gespielt wurde, dieses Mal von einer Frau gespielt wird und dass diese Frau sexuell äußerst rege ist, jede Frau anbaggert und mit ihr Sex hat. Sie steht damit ihren männlichen Vorbildern in nichts nach. Allerdings kann sie Sätze sagen, die ein Mann in der gleichen Situation heute nicht mehr sagen kann; – falls er sie überhaupt jemals sagen konnte. Sie kann durch die Polizeistation gehen und lautstark verkünden: „I like girls!“.
Dass O’Donahue eine offen bekennende Lesbe ist, wäre vielleicht vor vierzig Jahren, als „Remington Steele“ im TV lief und Sara Paretsky und Sue Grafton den lesenden Krimifans ihre weiblichen Privatdetektive vorstellten, neu gewesen. Heute ist diese Idee nicht mehr neu oder provozierend. Schließlich gab es schon 2019 die ABC-TV-Serie „Stumptown“, in der die offen bisexuelle Privatdetektivin Dex Parios in Portland, Oregon, ihre Fälle löste. Greg Rucka erfand sie 2009 als Comicfigur.
Die von Coen und Cooke erfundene ‚Geschichte‘ erschöpft sich in einer beliebigen Aneinanderreihung von aus der Zeit gefallenen Klischees, garniert mit, als neuer Zutat, lesbischem Sex. Dabei demonstrieren Ethan Coen und Tricia Cooke ständig ihr Noir-Wissen, ohne es produktiv einzusetzten. Dass sie es können – Tricia Cooke arbeitet seit „Miller’s Crossing“ mit den Coens zusammen und ist seit 1993 mit Ethan verheiratet – bewiesen sie unter anderem in „Blood Simple“ (1984), „Raising Arizona“ (1987), „Miller’s Crossing“ (1990), „Barton Fink“ (1991), „Fargo“ (1996), „The Man Who Wasn’t There“ (2001) und „No Country for Old Men“ (2007).
Angesichts dieser Filmographie ist „Honey don’t!“ erschreckend misslungen. An dem langweiligem Debakel ändern auch eine gelungene Titelsequenz (einige halten sie für den besten Teil des Films), etliche für sich betrachtet durchaus gelungene Szenen, damit verbundene Zitate und Anspielungen, und die stilbewusste Ausstattung nichts.
Ethan Coens zweiter Solo-Spielfilm ist eine vollkommen verunglückte Noir-Pastiche, die schnell ihren Plot zugunsten einer weitgehend vollkommen beliebigen Zusammenstellung von Irgendetwas-mit-Kriminalfilm-Szenen aus dem Auge verliert und die nichts von der erzählerischen Meisterschaft der Filme der Coen-Brüder hat. Diese lesbische B-Moive-Noir-Komödie demonstriert nachdrücklich, wie wichtig die Zusammenarbeit von Joel und Ethan Coen für das gelingen ihrer Filme war.
Nach „Honey don’t!“ kann man nur hoffen, dass die beiden Brüder schnell wieder zusammen arbeiten. Auch wenn es davor noch den dritten und abschließenden Teil dieser B-Movie-Trilogie geben wird.

Honey don’t! (Honey don’t!, USA 2025)
Regie: Ethan Coen
Drehbuch: Ethan Coen, Tricia Cooke
mit Margaret Qualley, Aubrey Plaza, Chris Evans, Charlie Day, Kristen Connolly, Billy Eichner, Gabby Beans, Talia Ryder, Jacnier, Don Swayze, Josh Pafchek, Lena Hall, Lera Abova, Kale Browne
Länge: 90 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Hinweise
Homepage zum Film
Moviepilot über „Honey don’t!“
Rotten Tomatoes über „Honey don’t“
Wikipedia über „Honey don’t“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung des Coen-Films „Blood Simple – Director’s Cut“ (Blood Simple, USA 1984/2000)
Meine Besprechung des Coen-Films “Inside Llewyn Davis” (Inside Llewyn Davis, USA/Frankreich 2013)
Meine Besprechung des Coen-Films „Hail, Caesar!“ (Hail, Caesar!, USA/Großbritannien 2016)
Meine Besprechung von Joel Coens „Macbeth“ (The Tragedy of Macbeth, USA 2021)
Meine Besprechung von Ethan Coens „Drive-Away Dolls“ (Drive-Away Dolls, USA 2024)
Veröffentlicht von AxelB 










